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Daneben – Odyssee 2024

Kopfüber sprang ich in die feuchte Nacht … Spaltpilze gesellten sich zu meinem Kopf, der voller loser Fetzen hing … Wüstensand stürmte hinter meinen Augen … Wir saßen bei Freunden … Hatten ein paar Weinflaschen gekillt … Bald wechselten wir zu harten Sachen …

Drehten Musik auf …

Wir zählten Sterne bevor wir sie sahen … Wechselten Themen … Rein und raus, hin und her, ein herrliches Chaos … dann griffen wir zu Gras … schon lachten wir uns kaputt und hangelten uns von einer Story zur nächsten …

Immer weiter und weiter ging es …

Schon dachten wir daran unsere Sachen zu packen … Wir wollten nach Griechenland, direkt über‘s Mittelmeer … mit einem Auto, dass wir per Kopfdruck zum Tragflächenboot verwandelten … Voll krass! … Wir träumten von Hellas, seiner schönen Landschaft …

und schafften es kaum auf Klo …

Irgendwann landeten wir bei Politik … Trump, Nato, Europa und Putin … leidenschaftliche Reden hielten wir … Über Obdachlose und Ungerechtigkeit in der Welt … Ich gab die Story zum Besten wie mein Vadder sei‘m Kumpel mit der Kettensäge das Bein abschnitt …

Warum Trump in Wahrheit gut ist …

Wieso Urin von männlichen Löwen die aggressivste Flüssigkeit ist … Warum erhängen besser als verbrennen ist … bunte Ideen und Träume kleisterten unseren Abend voll … Unter an der Garonne schliefen Sternensucher selig unter Brücken ….

Paris sucht die 6.Republik …

Beteigeuze gibt es wirklich und ist keine Erfindung von Douglas Adams … Leonidas von Sparta war in Wahrheit stock-schwul, faul, schlecht in der Schule und schmierte seine Popel schon in der ersten Klasse unter den Tisch …

Seine Affäre mit Xerxes …

hielt man geheim … Wahrheiten wie diese sind schwer verdaulich … Besonders bei südeuropäischen Machos … So erfand man diese völlig überdrehte Geschichte mit den Thermopylen … 300 Spartaner gegen 10.000 Perser …

Ist richtig …

Sowieso, die Geschichte der Menschheit … Pyramiden, Osterinseln, Jesus, die griechischen Götter, Babylon und seine Sprachverwirrung … schnell kamen Chemtrails … Alles erstunken und erlogen! Überhaupt! … Maria Magdalena und Jesus … Nordkorea und Putin …

China und Russland …

meine arme Mutter, die seit 40 Jahren Blumen und Vasen malt, ihr Smartphone nicht bedienen kann, dafür die Gräber der Eltern und Urgroßeltern bei Wind und Wetter pflegt … Vater, der vergisst, dass er Mitte 80 ist …

tapfer Auto fährt …

einen Brief pro Monat an die Gemeinde schreibt … Entweder wegen der Raser … oder wegen Radfahrer, die sich nicht an 30 halten … oder wegen der späten Müllabfuhr, der neueingeführten Regensteuer … und vermutlich nicht selten aus Langeweile …

Mein tapferer Kumpel F.

der im AK-Altona die Welt rettet und aus dem Staunen nicht rauskommt … wie die Kluft „Arm & Reich“ … „Büro & Malocher“ größer werden … Gentrifizierung, Krankheit aller Großstädte … Alles wird teurer, sicherer und gesünder … Gott sei Dank …

Was für ein Glück …

In Toulouse fahren über-morgen keine Autos mehr … Zeitumstellung … Sommer.- und Winterzeit … Abholzung des Regenwalds am Amazonas … Wegen Rindfleisch … Futter statt Bäume … Bald gibt es keine Bienen mehr …

Dann ist der Bock fett …

Dann helfen weder Elon Musk, Markus Söder & Fritze Merz … Hoffentlich sind wir bis dahin alle abgesoffen … Wir bohren immer dickere Bretter … Gerade fahren wir mit unserem High-Speed-Boot an Korsika vorbei … Aus den Boxen die Doors mit dem Ende …

da geschah es …

Meine Freunde hissten die weiße Fahne … Heut war ich nicht kaputt zu kriegen … Meine Gastgeber krabbelten in die Koje … Ich taumelte die Wendeltreppe herunter … Mein rechtes Knie war immer noch im Eimer … So eine Scheiße …

Wo kamen eigentlich Schmerzen her?

Wie wlde Tiere, aus dem Zoo ausgebrochen, hastete ich durch die toten Straßen … Keine Ahnung was ich suchte … oder wie spät es war … Überall Friedhof … Totentanz … In meinem Kopf donnerten Bässe … Trump schreit Scholz zusammen …

Wir welken immer weiter …

Ein Sternenkreuzer vom Imperium brachte mich nachhause … Irgendwie kam ich meine Treppe hoch … Kuwait hat wenig mit der Ukraine gemeinsam, obwohl die Worte mich an siamesische Zwillinge erinnern …

Es geht immer weiter …

Menschen laufen unter 2h Marathon … Bremen hat Hochwasser … Wilders hat Haar.- und Ausländerphobie … ein wenig Faschismus hat noch niemandem geschadet … Nur weil man Patriot ist, muss man ja nicht jeden Gruß herausbrüllen …

Am nächsten Morgen …

sendete ich ein erstes PING zu den Sternen … erfreut wach und am Leben zu sein … ohne die leiseste Ahnung … tja, was soll’s … mein Katerjammer hielt sich in Grenzen … Ich kroch aus den Federn … Kaffee, Karottensaft, Morgentoilette …

Alles wie immer …

alle Genies und Freaks schienen noch da zu sein … die griechischen Götter sein Dank … Wenn die USA endlich einen eigenen Hitler hätten, dann kämen sie ins „Next-Level“ bei ihren imperialistischen Spielchen …

Schaun mer Mal …

Ach, den gibt es auch nicht mehr … Tapfer dreht sich die Erde weiter … Sie lächelt von unten herauf, die Sonne von oben herab … Beide haben ’nen Mordsspaß mit uns Menschen … Aufbauen, um zu zerstören …

Von einem Imperium ins Nächste …

Nur echte und wahre Heiterkeit hilft … Ein Lied pfeifend ging ich die Rue Mage runter … biege am Ende bei der Schwulen-Schule von Thomas von Aquin ab … Sonnenschein … was für ein Leben … „palimm-palimm“ … schon stehe ich im Blumenladen und kaufe …

weiße Lilien …

26.Februar – wegen Thomas – Odyssee 2023

Gestern ist Thomas gestorben. Mit Anfang sechzig, einfach so. Ist die Treppe runtergefallen. Wir wissen nicht warum. Nur, das er nicht mehr da ist. Wenige Tage vor Geburtstag und wohlverdienter Pension. Keine Ahnung welche Gefühle stärker sind, Wut oder Trauer.

Schon mein ganzes Leben kenne ich ihn.

Oft haben er und seine Frau Carin, Cousine meines kleinen Bruders und mir, auf uns aufgepasst. Später als Teenies besuchten wir regelmäßig Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg. Kontakt hielten wir auch später, als wir Führerscheine hatten und in alle Winde verstreut blieben.

Lehrer war er aus Leidenschaft.

Gourmet und Weinliebhaber auch. Immer kochte er mit Leidenschaft, wusste alles über Whiskeys und Weine. Wenn er an seinem Jaguar E-Type Cabriolet schraubte, trug er karierte Holzfällerhemden, was den Vollbart mit stattlicher Größe wie einen kanadischen Holzfäller aussehen ließ.

Nie hab ich ihn sauer gesehen.

Oder ungehalten, gar ungeduldig. Immer ein Ausbund an Ruhe und Ausgeglichenheit, mit Pfeife zwischen den Zähnen. Englische Lebensart, britischer Gentleman durch und durch. Immer hilfsbereit, aber in Echt, nicht gespielt. Durch ihn habe ich gelernt, was ein netter zuvorkommender Kerl ist, der ich im Geheimen immer sein wollte und es,

trotz meiner Anstrengungen – nie wurde.

Merkwürdig, vor Wochen fing ich an mich am Treppengeländer meiner Bude festzuhalten. Ich sagte mir, nein ich schwor mir laut ins Weltall hinaus-dozierend, niemals, unter keinen Umständen wegen einer Absurdität abzutreten. Als meine Großmutter mit Ende Achtzig die Treppe runterfiel trug sie außer blauen Flecken und wüsten Flüchen nichts davon.

Warum dann jetzt dieser Scheiß mit Thomas?

Jetzt, wo ich genau das aufschreibe überwiegt Wut, ja mehr noch, richtiger Zorn. Verzweifelt kommen beide daher, weiß ich doch, wie schwer es ist, Hades zu entkommen. Einzig übrig bleibt mir, wie immer, die Hoffnung, dass es Thomas wie Herakles und König Sisyphos gelingt, den Herrn der Unterwelt zu überlisten und zurückzukommen.

Schlau genug ist er.

Erst mal müssen wir ohne ihn weitermachen. Mal schauen wie das läuft. Irgendwie geht es ja immer weiter, in Wahrheit wundere ich mich darüber. Anscheinend steckt in uns allen ein wenig Sisyphos und Prometheus. In Thomas auf jeden Fall.

Haarsträubend, wenn er aus seinem Schulalltag berichtete.

Obwohl immer höflich und liebevoll vorgetragen, waren Verzweiflung und wachsende Hoffnungslosigkeit herauszuhören, dass der Schleswig-Holsteinische Schulbetrieb ungebremst aufs offene Meer der juristischen Verfahren gegen Lehrerautoritäten hinsteuerte.

Oft blieb ich unsicher,

ob das alles so stimmte und rügte mich gleichzeitig für meine Zweifel, wusste ich doch wie ehrlich und aufrecht Thomas bei Allem blieb. Denn immer war ebenfalls offensichtlich, das es auf ein immer raueren schulischen Umgang hinauslief. Mehr als einmal sprach Thomas den Gedanken offen aus,

dass man eigentlich nur noch bewaffnet unterrichten dürfe,

wenn man nicht gerade Kampfsportler war, oder andere körperliche Überzeugungskraft besaß. Mehr als einmal trug er Schüler samt Stuhl hinaus, um dem Rest der Klasse das Lernen zu ermöglichen. Dank Statur und Charisma war ihm sowas möglich.

Doch wie machten es die anderen?

Dies und eine unüberschaubare Menge von Dingen, blieben mir unklar, bis zum heutigen Tag. Zum Schluss trat er von seiner Rolle als Abteilungsleiter zurück, ein kluger Schachzug, um sich auf den Ruhestand vorzubereiten. Letzten Sommer besuchten wir ihn.

Freudestrahlend skizzierte er, was er ab März 23 vorhatte.

Merkwürdig. Da ordnet man alles, ist höflich, hilfsbereit, bleibt sein Leben lang altruistisch, noch dazu als Lehrer an der Berufsschule, rackert sich ab, schluckt hinunter, macht weiter, unermüdlich, watet täglich durch ein Meer aus Bürokratie und Heuchelei, um Dienst am Menschen zu tun Und bekommt – trotz allem,

verfrühten Besuch vom Fährmann des Styx.

Noch dazu Thomas, der Wasser und Boote nicht sonderlich mochte. Angeblich fließt der Styx neunmal um den Hades herum, da wird ihm bestimmt schwindelig. Doch halt, vielleicht hat er Glück und hat keinen Wegzoll / Obolus dabei. Vielleicht findet er einen Weg zurück.

Oder er unterrichtet Hades und Persephone.

Auch ‘ne schöne Vorstellung. Vielleicht kann er seinen Charme bei der Dame des Hauses einsetzen, wer weiß. Einen Schlag hat er ja bei Frauen, ganz ohne Zweifel, wenngleich er sich nie dafür abstrampelte, das kam für ihn nie in Frage. Immer die Eleganz in Person.

Nun bist du uns vorausgefahren, mein Lieber.

Ich werde hier weiter die Stellung halten. Alleine schon aus Bosheit hab ich mir vorgenommen, mindesten 100 Jahre alt zu werden, nicht müde werdend, der Welt den Spiegel vorzuhalten, und im Zweifel auch zu drastischen Worten zu greifen, immer ganz nach dem Motto,

Worte sind stärker als Waffen!

Denn, ganz genau, da waren wir uns immer einig, weswegen Machthaber jeglicher Couleur, Politik, Wirtschaft, Medizin, Götter, alle jene, die Macht ausüben, das Unwissen der Menschen ausnutzen, um sie zu übervorteilen, ihnen Mist zu verkaufen, oder gar – beizubringen.

 Ich werde weitermachen, versprochen…

Natur – Odyssee 2020 CW46

15.November – sogar D hatte mitbekommen, dass die Amerikaner einen neuen Präsidenten wählen. Jedoch stand diese Wahl nicht auf D’s Prioritäten-Liste. Zu viel Aufmerksamkeit für zu wenig Menschen, fand er. Auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten machte man mit Spotlights auf die politische Führung weiter, während die wahren Herausforderungen bei allen anderen darunter lagen. Ständig blickten die Menschen in die falsche Richtung – bewusst oder unbewusst – zu wenig änderte sich, wenn man von uns umgebenden Gegenständen absah.

Seit zwei Wochen war D in Norddeutschland – Masken trug man hier auch und der fortschreitende Kontaktverlust der Menschen richtete auch hier verheerenden Schaden an. Nicht so sehr auf dem ersten Moment sichtbar, sondern diffiziler im Verborgenen.

Schneller als sonst, missverstanden sich Menschen, auch ihre Geduld war beim Zuhören noch schneller als sonst verbraucht. Warum sollte man also ausgehen, wenn man sich kaum noch etwas zu sagen hatte?

Ein wenig sprachlos betrachtete D diesen Trend und konnte doch wenig dagegen tun – doch dann kam ihm ein Gedanke: Vielleicht war es jetzt an der Zeit für seine erste Lesung; vielleicht fand sich eine Buchhandlung, mit der D’s Verlag etwas auf die Beine stellen konnte. Ein alter Freund D’s machte diesen Vorschlag und D dachte zum ersten Mal ernsthaft darüber nach.

Vieles schien im November 2020 anders zu sein, als in allen anderen davor; Humor und Spaß schienen die einzigen Möglichkeiten zu bleiben, um in Zeiten wie diesen seine Lebensfreude zu bewahren. Wie also konnte das aussehen? Zuerst kam D auf die Idee, über Skurrilitäten des Alltags oder andere Dinge zu schreiben, die einen zum Schmunzeln einluden.

Als Nächstes standen Natur-Phänomene auf dem Plan, die uns daran erinnerten, dass wir alle vom Erdboden verschwinden werden, weil der ewige Sieger Mutter Natur blieb, auch wenn das 300ste babylonische Reich ganz überrascht auf die Idee kommen sollte, einen nie dagewesenen schwindelerregend hohen Turm zu bauen, um die Beherrschung der Erde zu demonstrieren.

Dann sprang es D ins Gesicht – für ihn waren es die kleinen Dinge, die den Alltag schön machten. Ein Kaffee oder Tee mit einem guten Buch; ein Spaziergang bei gutem Wetter; gutes Essen und Trinken und warme vertraute Blicke und sanfte Berührungen mit der Liebsten; erschwingliche Dinge – vielleicht war es an der Zeit, sich seiner wahren Werte zu besinnen, dachte er und sah zufrieden, wie ein Baum einen Betonpfeiler erst umwachsen und dann zerstört hatte.

Wir Menschen sollten endlich aufhören Mutter Natur

und uns gegenseitig zu bekämpfen…….

……..!

Zapfen und Schredder

Klar, lang und spitz: Da war er nun. Wie ein frostiges, langsam vor sich hin-tröpfelndes Rinnsal bildete sich im Stillen ein Gedanke, bis er wie ein großer Eiszapfen aus meinem Kopf ragte. Normalerweise passierte mir das ständig. Gedanken und Ideen wurden permanent ausgespuckt, wuchsen und wucherten vor sich hin, als wären sie eine Kreuzung aus einer chaotisch-wachsenden Amöbe und einem flammend-schnell sprießendem Schmarotzer-Pilz, den niemand gebeten hatte sich zu bedienen. Doch dieser Eine, machte mir zu schaffen.

Immer wenn ich meine geliebten Rituale feierte, egal ob es mein morgendlicher Tee oder Café, die Zeitung dazu oder das Buch, die wachsweichen 5,5 Minuten Eier und der Rot oder Weißwein zum Essen war: Immer öfter schwelte unter meiner Haut eine ungeduldig herumvagabundierende Unruhe. Es war die Selbe, wie damals vor 10 Jahren. So eine Mischung aus dekadenter Langeweile und Hoffnung endlich zu Scheitern. Immer häufiger stellte sich dieser stetig wachsende Gedanke in den Raum und versperrte mir die hysterische gute Laune, mit der ich mich immer noch hin und wieder zu-toxe. Doch weil ich nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte, wartete ich ab und versuchte mir ein Bild davon zu basteln. Ich wollte es verstehen. Seit Neuestem hielt mein Unterbewusstsein meinem Bewusstsein eine Karotte vor die Nase und fragte es, wer denn beim zu erwartenden Zuschnappen entschieden hätte. Seit 10 Jahren bin ich in Hamburg. Langsam kam ich an meine Grenzen.

Alles ödet mich irgendwie an, langweilt mich. Die gleichen Geräusche tagein und tagaus. Immer die gleichen Gerüche im Treppenhaus. Diese unverwechselbare Mischung aus Kohl, gekochten Kartoffeln und heißem Fett. Die gleichen Autos in der Straße. Christian mit seinem coolen Surfbus. Der Michael mit seinem Youngtimer aus Zuffenhausen, von dem er schon mit 5 Jahren geträumt hatte und den er als Matchboxauto damals auf seinem aus Sperrholz hektisch zusammengeleimten Nachtisch draufstehen hatte. Der Volvo von Hanno und Miriam, sowie ihre akribisch gepflegten BMW-Motorräder. Manchmal wusste ich schon Wochen vorher, wann Welches Fahrzeug neue Reifen bekam. Obwohl ich das nicht wollte. Die Dinge sprangen mich immer an.

Immer die gleichen Nachbarn grundsätzlich und im Allgemeinen. Ihr Stöhnen und Seufzen. Ihr Schreien. Ihre Verzweiflung. Ihre Menstruationen. Rhythmisch wie Musiknoten reihten sich die stillen und etwas launischen Tage der Damen des Hauses in den Wochenablauf, wie Müllabfuhr und Post. Ich sah wie sie zu oder abnahmen. Wenn das Leben neue Meteoriten in ihre Vorgärten einschlagen ließ. Wie sie strauchelten, hinfielen und wieder aufstanden. Ihre Launen und Aggressionen. Ihre Unfähigkeit Dinge zu ändern. Ihr Zagen und Zetern, wenngleich es eher eine schöne Gewohnheit, ein Ritual war, denn die Tatsache, dass sie unglücklich waren. Wir Menschen fanden uns schnell ab. Wir arrangierten uns, weil wir alle wollten, dass es gemütlich wird, oder bleibt. Man muss doch irgendwann mal ankommen, oder nicht? (Ja, wo eigentlich?)

Den immerzu gleichen Platz auf meiner, deiner oder unserer Coach einnehmen wollen zu müssen. MEIN Platz. Jeder braucht doch, sucht doch nach seinem Platz auf der Welt, in der heuchlerischen Gesellschaft, auf dem Klo, in der Familie und Partnerschaft, inklusive seinem leicht feuchten Toilette-Papier. Ist es nicht so? Oder Beim Essen: Am Tisch. Gleiche Zeiten, gleiche Sitzplätze. So auch im Bett. Im Bad vorm Spiegel, mit der Zahnbürste im Mund. Immer pflichtbewusst aber nach spätestens 1,5 Minuten nicht unerheblich gelangweilt an die Wand gelehnt, wenn es den Backenzähnen an den Kragen ging.

Die gleichen Sendungen im Fernseher; die gleichen Kartoffelchips. Das gleiche Bier, wie schon immer. Fußball am Samstag und Sonntag. Abendessen, immer um 19 Uhr. Bügelwäsche. „Ach Mensch: Den Knopf wollte ich doch schon so lange annähen.“ Ja, hast du nun aber die letzten 10 Male nicht, oder? (Manche bügelten sogar die Wäsche, die wir gar nicht sehen ;o) Die immerzu gleiche Café-Sorte. Mein Café-Becher. Ich trinke meinen Café nur aus meinem Café-Becher, mit meinem Löffel und meinem braunen Rohrzucker. Mein Waschmittel. Meine Bettwäsche. Der Frotteespannbezug aus dem skandinavischen Wohnparadies, den wir zusammen gekauft hatten, als noch alles so schön glatt, sauber und saftig war. Migräne. Die nach all den Jahren so plötzlich Wiederkehrende, weil man die Trost und Lustlosigkeit unter allen Umständen vermeiden will, die man dabei und danach empfindet und die einen fast genauso innerlich zerfrisst, wie die Einsamkeit und die Unfähigkeit über das zu sprechen, was jeder auf seiner gottverlassenen einsamen Insel erlebt und erleidet.

Dinner bei Freunden. Die gleichen abgedroschenen Themen, immer wieder und immerzu. Nochmal neu aufgewärmt, gewürzt mit vermeintlich Wichtigem aus Wirtschaft, Politik und dem geliebten Feuilleton, wo das Meiste doch mehr eine narzisstische Selbstdarstellung ist, denn echte Neugier am Gegenüber, an der anderen Meinung. Die seit Jahren gleichen Positionen. Sie ist liberal, er grün oder links. Nachhaltig sind sie beide. Sehen Arte und 3-Sat. Trennen den Müll, lesen Zeitung, sind höflich, gebildet und erfolgreich. Selten aufbrausend. Wollen die Sachen exzellent, statt nur Mittelklasse machen. Samstags, immer ins Restaurant gehen. Selber Laden, selber Platz, gleiche Uhrzeit.

Die gleichen armen Hunde, die verzweifelt versuchten, einen unbeobachteten Haufen zu machen, so wie früher, der ausnahmsweise nicht sofort in eine Plastiktüte brav aufgenommen wurde, um von Herrchen 10 Häuserblocks, noch körperwarm herumgeführt zu werden, nachdem es den Gehweg mit Sakrotan desinfiziert hat. Gott, wie ich die alten Zeiten herbeisehnen würde, wo man noch in Hundescheiße treten konnte und dann fluchen durfte.

Gewöhnliche Dekorationen in den gewöhnlich-schicken Wohnungen mit Wassernähe, von vermeintlichen Designexperten erst ins Gehirn, dann aufs Fenstersims gepflanzt. Die 4 Wände sahen irgendwie oft sehr ähnlich aus. Reisemitbringsel mit skandinavischen Papierlampen und Plasmabildschirmen, groß wie Tischtennisplatten, mit 170.000 Fernsehprogrammen.

Einkaufen. Zusammen oder alleine. Immer Samstags, zur selben Zeit. Dann Altglas und vielleicht noch das Auto waschen. Der Spaziergang, selbstverständlich immer die gleiche Route. Die Stammkneipe. Mein Stammkino; mein Stammplatz. Mein Stammhirn. Mein Leben. Mein. Deutschland.

Ich glaube, je mehr ich darüber nachdenke, drängt sich mir der Gedanke auf, dass ich meine ausgefransten Zelte in Hamburg abbrechen und sie woanders aufbauen sollte. Ich glaube ich sollte als Nächstes nach Italien oder Frankreich gehen. Ein anderes Land, eine andere Sprache und andere Sitten sollten mich neue Wege gehen lassen. Komischer Gedanke. Aus Hamburg wegziehen. Fühlt sich irgendwie komisch an. Fühl ich mich jetzt eigentlich als Hamburger? Ja? Nein? Ist schon komisch, das Wegziehen zu beschließen. Wie fühlt sich das an? Keine Ahnung.

Das ist er: Lang und klar ragt er in meine Welt, dieser eine verdammte Gedanke. Jener, der mich im Bett rumwälzen und mich meditieren lässt; dieser eine, der mein Gehirn an den Nägeln kauen lässt, ohne es zu merken und der nur von meiner blauäugigen Hoffnung ermuntert wird, gehegt und gepflegt zu werden. Neurosen sind toll. Besonders und vor allen Dingen, die von Großstadtmenschen. Nirgendwo blühen sie so gut, wie dort. Meine Eigenen genauso. Wenn ich aber so viel über sie weiß, dass ich zu bestimmten Uhrzeiten auf die Uhr sehe, weil ich das Fluchen von ihr oder ihm noch nicht gehört habe, dann wird es brenzlig. Dann sollte man über eine örtliche Veränderung nachdenken. Jedenfalls finde ich das.

Gestern ging ich einkaufen. Wein, Salat, Brot und Entrecôte. Das Übliche. Irgendetwas lag in der Luft. Ich weiß nicht, was es war. An der Fleischtheke ging es los. Der Mann hinterm Tresen war eine coole Sau: Dreitagebart, schlank, und tätowiert. Mein Alter. Vielleicht etwas jünger. Er fragte mich, was ich denn heute gerne Gutes haben wollen würde.

„Ich hätte gern ein richtig schön fettiges Stück Entrecôte.“,

Worauf er sich die Kollegin an seiner Seite greift und mich fragt, ob mir das Stück Recht wäre. Herrliches Gejohle und Lachen. Die Frau bestand drauf mitgenommen zu werden, was ich nur mit Mühe verhindern konnte, weil ich darauf bestand erst zu den Salatgurken gehen zu müssen, worauf sich der ganze Tresen wieder vor Lachen durchbog. Da wusste ich, es ist vollbracht. Nach 10 Jahren hatte ich es geschafft die Norddeutschen zum Lachen zu bringen. Mehr konnte ich nicht erwarten.

Als ich dann an den Zeitungen an der Kasse vorbeischlenderte, sprang mich die erste Seite der BILD an: Verdammt, jetzt war es sicher: Ich habe es all die Jahre immer geahnt und jetzt ist es raus: Die Bild-Redakteure lesen meinen Blog. Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt, das Land zu verlassen. Den Blog kann ich auch von Süd-Europa aus pflegen. Im Dezember schrieb ich über genau dies Thema und zwei Monate später, ist es in der BILD-Zeitung:

„Stoppt das Küken-Schreddern“, stand da geschrieben, mit dem Untertitel „21.Millionen Küken werden jährlich getötet, weil sie männlich sind“. Na sieh einer an.