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23.Juli – Schönheit – Odyssee 2023

Herr M. hat wieder geschrieben … er ist einer meiner treuesten Leser … seit fast 10 Jahren begleitet er mich … man könnte sagen, wir haben eine Art Beziehung … nicht selten ertappe ich mich beim Schreiben, was Leser wohl über dies und jenes denken. Manche ihrer Briefe sind ähnlich lang wie meine Geschichten.

Hut ab dafür an dieser Stelle.

Meine Geschichte von letztem Sonntag hat Herrn M. aufgeregt … er fühlte sich verarscht … es wäre offensichtlich, dass ich mir alles ausdenke … durch den Wolf drehe und durch den Kakao ziehe … ob ich das nicht weniger offensichtlich machen … er würde seine Illusion behalten können …

Fast fühlte ich mich schuldig …

Es ist ein wenig wie bei Verfechtern der Chemtrailtheorie … on man zustimmt, oder dagegen ist … meistens langt das nicht … dabei habe ich meinen letzter Beitrag auf Wunsch anderer Leser bewusst positiv gehalten … ich schuldete das dem Vorwurf des Meckerpotts und ewigen Pessimisten …

meine Art des hocherhobenen Zeigefinger à la Peter Handke …

War auch wieder falsch … nie macht man’s richtig … einige Autoren lassen per Abstimmverfahren ihre Leser entscheiden, was sie als nächstes schreiben … ich halte da nichts von … Demokratie als Methode, um Mehrheiten zu beglücken … als ich das las, dachte ich nur …

geht’s noch?

Man müsste zuerst fragen, ob’s nicht Tätigkeiten gibt, die mehr Menschen interessieren, als Schreiben … in meiner Umgebung wird geheimwerkelt … richtige Wettbewerbe in Sachen Rasenmähen habe ich beobachtet … anständig Auffahrten pflastern … akkurat tapezieren … Bastler sind die Mehrheit der Burschenschaften in

vorwärts Teutonia und vive La Trance.

Welche Klinker man … genau … dreifachgebrannte … die dunkelroten … schön anzusehen, wie ich finde … überhaupt … Dinge sollen nicht nur schön … aussehen … sie soll’n es auch sein … Autos waschen … Gartenzäune streichen, einmal die Woche rasen mähen … samstags und Sonntags grillen … das ist der Nährboden für goldene Hochzeiten …

Überhaupt … Schönheit …

Wenn man das mal nachliest … dann scheint das was Individuelles zu sein … quasi überall kann man sie finden … in Natur … in Museen … wirklich überall … angeblich sogar in uns Menschen … Ästhetik … altgriechischen Philosophie … da geht‘s weniger

um Klinker und Edelstahlgrille …

Laut Gábor Paál kann man unterm Mangel an Schönheit leiden … kann das nur bestätigen … kaufe mir dagegen weiße langstielige Lilien … hin und wieder bügeln und sauber machen soll auch helfen, habe ich gehört … Dinge in Ordnung bringen … sie erhalten … sieht ja sonst nicht aus …

was sollen Nachbarn denken … also wirklich …

Schönheit ist essentiell … aber eben wie gesagt … höchst individuell … auf dem Rückweg von Helgoland fuhren wir an einem wahrhaftig schönen Hotel und Dorfkrug vorbei … herausragend, seine Architektur … alleine der Eintrittsbereich … Glasbausteine …

ich liebe sie …

energieeffiziente moderne kleine Fensternischen … friesisch Frischgezapftes … auf das schön hingewiesen wird … ein Ort, der mich irgendwie an Najac erinnert … ein wenig anders in Lage und Erscheinung …

aber man kann die Nähe förmlich spüren …

bei Auto’s … und Menschenfrauen … ganz wunderbare Exemplare gibt‘s da … richtige Schönheiten … ganz natürlich gewachsen, wie Stadtteile … oder Alleen … meiner Theorie nach ist das Erschaffen von Schönem wichtig …

Wir wollen es alle nett haben …

Schöne Kleidung … was geben Frauen für Schönheit aus … in Toulouse gibt es so viele Schönheitssalons, Floristen und Friseure wie Bistro’s und Galerien … alles dreht sich um Schönheit … Baumärkte, Reifenhändler, Werkstätten … Werkzeug und Autozubehör?

Sucht man vergeblich in Toulouse …

Über Musik und Kunst haben wir noch gar nicht gesprochen … machen wir heute nicht … viele sind in den Ferien … schön Urlaub machen und so … Seele baumeln lassen … Hektik, Termine und Smartphones beiseite legen … einfach mal so … Müßiggang …

auf Kalliope warten …  

17.Juli – Hitze – Odyssee 2022

Boa hey! Alter Schwede ist das warm. Schon die ganze Woche haben wir um die 40 Grad; und ich muss euch sagen, es ist beeindruckend! Nein, es ist mehr als das, es ist heiß! Beim Foto oben war es bereits 21:00 Uhr. Ich konnte richtig merken, wie sich mein selbst zurückzieht, wie alle Wahrnehmungen länger brauchen, wie allemeine Sinne insgesamt, mehr Zeit und Aufmerksamkeit brauchen, um zu begreifen, was passiert.

Vergesst Klimaerwärmung und den ganzen Scheiß!

Lebt zwei Wochen in Südeuropa – JETZT – und wir werdet wissen, wovon ich rede. Hellenen wissen genau was ich meine, darum ist es umso besser, wenn deutschsprachige Bürger mehr von der Erfahrung des Südens proftieren. Man ist dort nicht faul, im Gegenteil! Man arrangiert sich mit der Natur. Gaspacho ist keine coole Suppe, sondern eine andalusische Variante kalt zu essen.

Versteht ihr das – wirklich?

Gestern fuhr ich mit dem Motorrad. Voll auf Greek-Style, will sagen, kurze Hose und kurzärmliges Hemd. Was soll ich sagen – es ist und war großartig. Aber auch verdammt warm. Als setzt man dich vor ’nen riesigen Fön, der dir mit 50 Grad vor die Nase pustet, verstehst du? Als würde dich die Sahara – persönlich – anhauchen.

Was soll ich euch sage?

Es ist, als würden sich alle Sorgen, Nöte, Ängste und Bedürfnisse pulverisieren. Man steigt quasi ohne Bedürfnisse und Willen vom Drahtesel ab. Ein wenig fühlte ich mich wie willenloses Gemüse. Ferngesteuert und doch – schuldfähig. Wer bei 43 Grad im Schatten funktioniert wie ein Schachgroßmeister, sollte sich einäschern lassen oder über Befruchtung nachdenken. Ist am Ende das Gleiche. Kapiert nur keiner.

Zur Zeit bin ich dabei diese Homepage umzubauen.

Es wird geschehen, aber das WANN ist noch offen. Leute mit Kompetenzen sind rar gesät, noch dazu in gefragtem Business.  Es wird auf jeden Fall eine Fortsezung von dontangoworld.com geben, allerding als echte Homepage und nicht nur als Blog. Solltet ihr Ideen haben, oder Empfehlungen und Wünsche, schreibt sie mir – bitte. Nur zur Erinnerung:

Alles was ich hier mache, soll – EUCH – gefallen.

Und dann gibt es noch die Domain mit dem Namen – alltagsterroristen.com – sie soll das Ruder rumreißen. Keine Ahnung wie, wann und mit wem, aber sie wird es tun, soviel ist sicher. Alles nur eine Frage der Zeit. Was also gilt es zu tun, wenn man keinen Fernseher, keine Kinder und Haustiere hat? Es gilt – die Dinge zu tun, zu denen nur und ausschließlich Menschen fähig sind.

Kreatürliche Erschaffung von Kunst.

Egal ob Bilder, Schriften oder Skulpturen. Sei eine erschaffende Kreatur, nur so wirst du zum Menschen. Wem das zu hoch ist, der möge lesen. Zur Erinnerung: Die deutsche Sprache umfasst mehr als 5.000.000 Wörter. Und diese Wörter und Begrifflichkeiten wiederum erzeugen deine Landkarte, so dass du / sie die Welt erkennst.

Ohne das Wort „Schiff“ hätten die Indianer kein solches – erkannt.

Drum reist umher, oder lest so viel es geht, am Besten – Beides. Je mehr Wörter du hast oder kennst, desto besser. Frag dich, wie viele Wörter du im Alltag gebrauchst. Sind es 100? Gar 1000? Ist das viel, im Vergleich zu 5.000.000? Einverstanden: Fünf Millionen ist ’ne ganze Menge.

Doch wieviel Wörter gebrauchen wir wirklich – täglich?

Fragt euch das – und – schreibt es mir. Seit nicht faul, macht was, prüft ab, wieviel ihr verwendet; vielleicht habt ihr Tolstoi „Krieg und Frieden“ gelesen; eventuell sogar „Meister und Margarita“ von Bulgakow; möglicherweise habt ihr „Naked Lunch“ und „Unendlicher Spaß“ gelesen. Wenn ja, wäre das wunderbar. Prüft wieviel ihr nutzt.

Je nachdem, was ihr schreibt, werde ich meinen Internetauftritt anpassen.

Wollt ihr, dass ich podcasts mache? Oder mehr Kurzgeschichten? Oder mehr Videos von Allem Möglichen? Oder Hauptsache es rockt, ganz im Sinne von „Alltagsterroristen“? Lasst uns etwas Großartiges machen, heute, hier, jetzt – sofort!

Los geht’s…

Tiwar’s Tag

Marmorsäulen rahmten die mächtige Halle. Sie erinnerte mehr an einen Tempel, als an einen Raum zum Schlafen; Blumen standen in schönen barocken Bodenvasen; weiße Lilien, überall. Ihr betörender Duft strömte durch den Raum, wie auslaufende Gletscherzungen, die alles unter sich begruben, was sich ihnen in den Weg stellte. Eine schlichte, sehr bequem aussehende Sitzgarnitur stand in einiger Entfernung herum. Ihre Mitte zierte ein filigraner Tisch. Ein paar runde flache Bücherregale schwammen wie kleine Inseln herbei, sobald sein Bewohner die Lust zu lesen verspürte. Säulen, rundherum. Mächtig, schön, erhaben und hoch. Schon lange stand die Sonne am Himmel und warf dicke milchig-gelbe Strahlen herein.

Langsam zog er die Augen auf. Wie zwei müde Jalousien rafften sich die Lider langsam hoch und stöhnten um die Wette. Grell und gleißend sprang das Licht ihm ins Gesicht und biss in den Augen, als wären es saftige Äpfel. War nichts zu machen, er gewöhnte sich einfach nicht daran, auch nach Jahren nicht: Sonnenlicht, blieb ihm am Morgen ein Dornen im Auge. Schwer seufzend setzte er sich auf, rülpste überrascht und mächtig dröhnend durch sein Schlafgemach, als wäre er ein Hirsch in der Brunft. Tiefe Furchen gruben sich in der Stirn ein, als er sich an den gestrigen Rotwein und an das reichlich mit Knoblauch gewürzte Essen erinnerte, dass sich wie ein pelziger Schleier auf Zunge und Rachen legte und beides übertapezierte, als wäre es ein Erstbezug. Missmutig blickte er sich um, kratzte sich am Hinterkopf. Sein langes graues Haar hing ihm in schweren Strähnen wirr um den Kopf. Faltig und zerknittert hing das ehemals weiße Nachthemd von ihm herab. Er sah sich um und fuhr dabei kratzend über seine Unterlippe, während er den kleinen rechten Finger gerade abspreizte und sich im Ohr kratzte. Das schmatzende Geräusch verriet ihm, dass an seinem Ohr alles seinen gewohnten Gang nahm.

Behäbig, ein wenig gequält, beugte er sich über den Nachtisch und griff nach der Glocke. Ihr Bimmeln schellte fein, aber durchdringend durch alle Wände. Kurze Zeit später kam sein Sekretär hastig hereingerannt:

„Guten Morgen my Lord; haben Sie gut geschlafen? Womit kann ich Ihnen dienen?“

„Geht so; einigermaßen; danke der Nachfrage. Bringt mir einen Tee.“

„Was für einen?“

„Einen Grünen; und bringen Sie das Programm für heute gleich mit; habe keine Lust aufzustehen.“

„My Lord, Sie haben auch heute eine Menge Termine; die Menschen brauchen Sie.“

„Ach papperlapapp: Hören Sie auf mit dem Geschwafel, niemand braucht irgendjemanden! Und jetzt Abmarsch, ich will den Tee und das Programm, verstanden?“

Dunkles Donnergrollen ließ die mächtige Halle erschüttern. Der Sekretäre schlotterte und rannte mit wehenden Haaren aus den heiligen Hallen. Kurze Zeit später kam er schwer hechelnd, auf der einen Seite mit einem goldenen Buch und auf der Anderen mit einem Tablett in den Händen angelaufen, blieb dann formell und kerzengerade vor ihm stehen und goss ihm einen ersten kleinen Schluck in die Tasse ein, die er ihm hinhielt. Skeptisch sah er hinein, roch daran. Dann griff er die Tasse und schlürfte den Tee; genussvoll wie einen erfrischenden Gebirgsbach ließ er ihn durch den Mund spülen. Dann nickte er zufrieden. Sein Sekretär schenkte erleichtert nach und schlug das Buch auf:

„Darf ich euch euer heutiges Programm vortragen, my Lord?“

„Bitte, bitte; nur zu, Sie dürfen.“

„Zum Frühstück sind Vertreter der verschiedenen Systeme eingeladen; alle haben zugesagt. Daran anschließend bekommen My Lord einen aktuelle Überblick zur Galaxis, Schwerpunkt Milchstraße, Sonnensystem. My Lord erinnert sich vermutlich, dass es dort ein paar Schwierigkeiten gibt. Anschließend Lunch mit den Vertretern der Spiralarme. Der Präsident bedauert zutiefst seine Abwesenheit, ist aber zuversichtlich, dass es fruchtbare Unterhaltungen trotz seiner überraschenden Empfehlung geben wird, da seine getreuen Spiral-Senatoren ihre Teilnahme vollzählig bestätigt haben.“

„Das weiß wahrscheinlich auch nur der Kaiser der dunklen Materie, ob es fruchtbar „trotz“ oder „wegen“ seiner Abwesenheit sein wird; dieser langweilige Crétin. Der dreht sich seine Planung jeden Tag neu zurecht; der ist so Zuverlässig wie die interplanetaren Eiszeiten. Soll mir Recht sein, wenn er wegbleibt; weiter bitte, fahren Sie fort.“

„Nach dem Mittagessen, halten My Lord wie üblich ein Mittagschläfchen; anschließend machen My Lord eine Stunde Yoga, bevor My Lord dann zur Teestunde geladen hat. Sie erinnern sich, vielleicht? Nein? My Lord wollte sich auf neuesten Stand von „Anfang“ und „Ende“ bringen lassen und was heute state-of.the-Art ist; My Lord erinnert sich wahrscheinlich, dass es in den verschiedenen Galaxien unterschiedlich gehandhabt wird; My Lord mag es kaum glauben, aber es haben sich alle Dekane des galaktischen Instituts angekündigt, angefangen vom Dekan für schönes Erschaffen, bis hin zum Dekan für stilvolles Untergehen; er hat sogar versprochen, einen besonderen Gast mitzubringen; My Lord, stellen Sie sich vor, er will Clarence-Henry Hiob, seinen emeritierten Professor für heillose Zerstörung mitbringen, ist es nicht großartig, My Lord?“

„Sicher, sicher; die hatten ein paar gute Ideen; ich erinnere mich; die hatten da so ein paar schöne Bedienungsanleitungen; oder waren das die Erinnerungen und Memoiren des jungen Henry-Edwin Moses aus Nebraskar? Wo kam der her? Wie hieß das noch? Babylon, Kanal, oder Canaan? Ich weiß es schon nicht mehr; jedenfalls das Buch war nicht schlecht; ein wenig trocken und ernst, aber im Ansatz gar nicht schlecht; ich bin gespannt; weiter, was noch?“

„Achja, Entschuldigung: Dann macht My Lord ein wenig Sport; Sie wollten heute mit Mademoiselle Styx laufen gehen; danach wollte My Lord….“

„Wessen Idee war das? Meine, oder Ihre?“

„Entschuldigung My Lord, es war Eure; Sie haben sich beschwert, dass Sie so träge geworden sind, weswegen Sie mich ganz explezit darum gebeten haben, die junge Dame um einen gemeinsamen Lauf zu bitten; nach langer Zier und Scheu, hat Sie zugesagt; My Lord, bitte lassen Sie es uns nicht verschieben, ja? Wer weiß, wann sie sich dazu wieder durchringt.“

Es donnerte und blitzte. Er riss die Augen auf, funkelte und fauchte den armen Sekretär an.

„Schweigt! Denken Sie nicht, dass ich das weiß? Sport, Bewegung, Laufen, Stretching; mein Terminplan ist schon voll genug; dieses ewige durch die Landschaft hüpfen ist doch meiner unwürdig, finden Sie nicht?“

„Verzeihung, My Lord; mit Verlaub, wenn Sie gestatten, frische ich Ihre Erinnerung auf; es geht hier mit Nichten um mich, oder gar was ich „finde“; My Lord hat mich sogar darauf vorbereitet, dass My Lord mit dieser Ausrede kommen würde, weil My Lord die regelmäßige sportliche Betätigung verabscheut; sicherlich; My Lord ist noch gut beisammen, bestimmt nicht fett, oder unförmig, aber My Lord würde es bestimmt gut…“

Dunkle Wolken zogen sich in der Halle zusammen; Blitze zitterten in den Boden, direkt vor die Füße des armen Sekretärs. Seine Stimme schwoll zu einem furchteinflößendem Beben an.

„Schweig er still! Sofort!“

Mit zusammengekniffenen Augen wartete der arme Sekretär auf gerechte Bestrafungen; Totenstille; alles hielt die Luft an. Die in großer Entfernung zaghaft gespielte Harfenmusik, ertönte übermächtig im Schlafgemach, als wäre es ein riesiges Himmelsorchester; Stille, man konnte den Marmor atmen hören:

„Na gut; wenn es so auf dem Plan steht, dann laufe ich halt. So, nächster Punkt, zack zack.“

Der Sekretär lächelte, ruderte mit den Armen und überschlug sich fast vor Erleichterung.

„Gut-gut, My Lord; also, nach dem Sport, will My Lord in die Sauna; Mademoiselle Styx war von ihrer Idee so angetan, dass sie sich freuen würde, sie zu begleiten; ich glaube sie steht auf Sie, My Lord.“

Mit einem Auge zwinkernd, lächelte der Sekretär ihn an, als wären sie zwei Verschworene, die wissen wie das Spiel ausgeht. Süffisant überging er die Randbemerkung.

„Schön, wie geht es weiter? Los los, der Tag ist noch nicht rum.“

„Achja; wie auch immer My Lord sich entscheidet; ich habe für My Lord einen Tisch beim Italiener um die Ecke serviert; dort gibt es die köstlichste Pasta Tonno, in der ganzen verrückten Galaxie!“

„Wie war das, bitte? Halten Sie sich ein wenig an die Etikette; verrückte Galaxie; erinnern Sie sich an ihren Job und wer ihr Dienstherr ist; wir sind hier nicht bei den Verrückten auf dem Pluto, oder gar bei den Punks auf der Erde!“

„Entschuldigen Sie My Lord; mir gingen ein wenig die Pferde durch; My Lord ist heute sehr lebendig, ganz anders als sonst. Nach dem Dinner, hat My Lord wie üblich die Möglichkeit in eine der Opern zu gehen, oder ins Spielcasino, oder…“

„Das sehen wir dann; das braucht sie nicht kümmern; was machen die Zahlen? Haben Sie die mit?“

„Oh, ja; natürlich My Lord; warten Sie…“

„Ich warte….“

Der Sekretär fummelt in seiner goldenen Aktentasche herum, holt ein scharlachrotes Brevier heraus.

„Hier haben wir sie. Also: Derzeit haben wir 2,5 Millionen Konflikte; 90% davon in der Milchstraße; das Sonnensystem ist nach wie vor Spitzenreiter; Pluto und Mars sind recht fleißig, aber ungeschlagener Rekordhalter ist nach wie vor die Erde; Respekt My Lord, wirklich. Sie hatten Recht. Die Erde bringt uns den größten Wachstum, die schönsten Erkenntnisse.“

„Gibt es ein paar herausragende Kriegstreiber und Diktatoren? Meinen Sie, dass sie das da alleine schaffen, oder soll ich nachhelfen?“

„Ich glaube, die machen sich das schon gut genug, ich meine schwer genug; da braucht My Lord nicht auch noch eingreifen; so konsequent wie die dort wirtschaften geht das flott genug.“

„Na schön, dann ist gut; sonst noch etwas?“

„Nein das wäre es, My Lord.“

„Danke, Sie können gehen.“

„Aber My Lord, wollen Sie nicht aufstehen?“

„Gleich. Ich drehe mich noch einmal um; wecken Sie mich in einer halben Stunde; sollte die Gesellschafft schon da sein, lassen Sie sich etwas einfallen, um sie zu unterhalten.“

Der Sekretär sah seinen Dienstherrn an, der gerade unter die Decke kroch und sie bis uns Kinn hochzog; dann drehte er sich auf die andere Seite und winkte ihn raus. Er lächelte und machte sich daran, mit den anderen Bediensteten den Tisch im Vorgarten zu decken. Es würde ein schöner Tag werden.

Täglicher Kampf

Ich stand auf und ging in den Flur. Wie eine tickende Bombe hing der Gaszähler gelangweilt an der weißen Wand, direkt neben dem Eingang. Vertraute Geräusche des Treppenhauses quollen in mein Reich. Ich blieb vor dem Spiegel im Flur stehen, kratzte mich hier und da, nahm eine Zigarette und zündete sie an. Halb gepfiffen sogar ein wenig wie geflötet atmete ich den ersten Zug aus. Ich ging in meine Küche, kippte das Fenster und ließ frische Sonne und strahlende Luft rein. Hamburg. Ich schaltete das Radio ein. Griechenlandkrise. Euro, Ego und verhärtete Fronten. Ich wechselte den Sender. KFZ-Maut, Flüchtlingspolitik und rechte Dänen: Skandinavier waren auch nicht mehr das, was sie mal waren. Ich reichte den Sender nach hinten durch, wie den Wirtschaftsteil meiner Zeitung. Klassikradio war meine letzte Hoffnung. Ein sehr experimentierfreudiges und anstrengendes Musikstück bohrte sich mit stumpfem Messer in meine Ohren, wickelte meine filigranen Innereien um den Stahl, presste mir erst den Zehnten ab und schaffte mich. Resigniert schaltete ich das Radio aus, zog wie zum Trotze besonders stark an der Zigarette.

Ich schaute aus dem Fenster, sah auf den kleinen Bolzplatz, der mit feuerverzinkten Stahlgittern eingezäunt und seinem robusten Netz als Dachhimmel, eher an eingesperrte Gladiatoren denken ließ, als an spielende Kinder. Der Innenhof lockte mit weiterer Zerstreuung. Hysterischen Spielbuden gleich glänzten sie munter vor sich hin, als wäre man auf dem Dom. Wippen hatte man in die Erde geschlagen, Reifen als Bremsen eingebuddelt. Wie früher. Ein übergewichtiger Vater saß fest im Sattel, lachte zu übertrieben darüber, dass die gegenübersitzende, etwas dralle Mutter selbst mit Hilfe der Leibesfrucht keine Bewegung oder irgendeine Veränderung auszulösen vermochte, obwohl sich der gequetschte Reifen gefreut hätte. Zwei Schaukeln standen ungenutzt herum. Federvieh und Meeresfrüchte waren auch mit dabei: Hölzerne Enten und Seepferdchen hatte man auf dicke Stahlfedern genagelt, damit Ross und Reiter lustig herumtaumeln konnten, als wären sie ausgelassen und fröhlich, oder betrunken. Hunde rannten herum, suchten gehetzt Stöckchen und Ball. Von weiblichen Herrchen oft angeherrscht, mussten sie ständig um Gehorsam und Gefallen betteln und sich zur Notdurft mit einer Plastiktüte an ihre Teichrose grabschen lassen, um Äpfel und Zwetschgen zu ernten, bevor sie Fallobst wurden. Nicht mal ein Hundeleben war noch das, was es mal war. Ich war hungrig, öffnete den Kühlschrank. Er war endlich wieder voll. Ich dachte an meinen gestrigen Einkauf, während ich Kaffee-Bohnen in die alte Mühle rieseln ließ.

In Hamburg ist Einholen für mich mittlerweile schwierig geworden. Zu aggressiv und hektisch, zu bunt und schrill ist der gemeine deutsche Großstadt-Supermarkt. Oft passierte es mir, dass ich wie ein Schiffbrüchiger inmitten des hektischen, kosmopolitischen Wahnsinns stehenblieb und mich an der nächsten Boje festklammerte. Rastalocken, Tätowierungen, zu laute Handy-Gespräche, Blaumänner, Werbejingles, Stilettos und Piercings drohten zu überfordern. Ich ging zu den Einkaufswagen, Münzeinwurf garantiert. Ich hatte ein paar, aber keine Passende. Ich seufzte, war kurz davor aufzugeben und ging zur Seite, um die drängenden Massen nicht noch zorniger werden zu lassen. Ein paar abschätzige und zweifelnde Blicke trafen mich wie Streifschüsse. Schon früh am Morgen wurde scharf geschossen, als Erster und nicht zurück. Ich ging zur kleinen Bäckereitheke, an der gespielt-fröhliche Abiturientinnen konfektionierte Industriemassenbackware verkauften, als würde sie noch immer der gleiche pausbäckige Bäckermeister liebevoll backen, wie ihn sich schon die Gebrüder Grimm wünschten und kein metallener Industrieroboter, der leblose Brotlarven auf das Laufband spritzte, als wären es spiegelverschönernde Pickel. Die Schlange war lang, hielt mich aber nicht davon ab nach Wechselgeld zu fragen.

„Entschuldigung? Können sie mir das Kleinmachen?“  Die Bedienung war gerade dabei das Wechselgeld zusammenzusuchen, da wurde ich von einem stämmigen Rentner angefaucht.

„Hinten anstellen. Wir sind doch nicht bei den Hottentotten!“ Seine kleinen stumpfen Murmeln, musterten mich, wollten noch ein allerletztes Mal auflodern, bevor sie ganz erloschen und sich für immer zurück in ihre kleinen Vogelnester verkrochen, wo sie seit Jahren ausharrten, um vom dunklen Licht heimgesucht zu werden. Der Kommentar versetzte mir einen Stich in die Magengegend. Mir war so etwas unangenehm. Ich bin Harmoniemensch, dem Rechthaben und Rechtbekommen nicht wichtig war, solange Frieden und Selbige erhalten blieben. Ich hatte geahnt, dass die Schlange das Zeug dazu hatte, schnell zuschnappen und ihr Gift in Sekundenbruchteilen versprühen zu können.

Ich war das Risiko eingegangen. Naivität und Optimismus sind meist größer als mein Realitätsbezug. Vermutlich hat Piero damit Recht, dass ich Surrealist bin. Den zähneknirschenden Rentner sah ich lächelnd, ein wenig liebevoll an. Eine Menge Bilder und Wörter erstürmten Monsieur Thalamus, wollten rausgelassen werden, drängten ans Licht, wollten den Fehdehandschuh aufgreifen und angemessen antworten. Mittlerweile hatte die nette Bedienung das Kleingeld zusammen und reichte es mir, fast etwas beschämt über den Tresen. Ich sah sie an. Ihre Augen lächelten verzweifelt.

Sie hasste ihren Job, die alten vergrätzten, verbrauchten und ungebrauchten Kreaturen, die Sonderangebote, fünf für den Preis von vier, die ewigen Extrawünsche, die öden und nie enden-wollenden Gespräche über Dinge die niemand hören wollte, geschweige ein zehntes Mal, perfekt abgerundet durch die anzüglichen Witze, von Männern die kaum noch hören und sehen, oder sonst noch etwas konnten. Ich lächelte und wandte mich dem spuckenden Troll zu.

„Leider nicht; ich wünschte ich wäre dort.“ Ich sah die Bedienung und ihr Lächeln und freute mich, an diesem Tag wenigstens einen Menschen zum Lächeln gebracht zu haben.

Einkaufswagen warteten immer noch auf mich. Diesmal klappte es. Sie fraßen die Münzen, als wären es Oblaten zur Kommunion, aber von der Kette lösten sie sich nur ungern. Sogar Einkaufswagen wollten gefangen bleiben. Nur widerwillig ließ er die Kette los. Ungern, fast genauso störrisch wie der Troll, ließ er sich durch die engen Gänge lenken. Da bemerkte ich es: Er war behindert. Eine der Rollen machte nicht mit. Sie schlief noch. Nur hin und wieder drehte sie sich und wenn nur widerwillig, so dass ich mehrmals fast in die Auslagen rauschte und drohte einen entgegenkommenden Wagen samt Fahrer anzufahren. Ich fühlte mich wie im Auto-Scooter. Ich suchte die erste Boje. Olivenöl. Ein paar geschminkte Mädchen schwammen laut schnatternd an mir vorbei, packten Magermilch und eine Hand voll anderer fettarmer Produkte in ihren Wagen und trieben von dannen, immer noch lauthals mit den Augen rollend. Ein Handwerker um die Fünfzig paddelte an mir vorbei, in seinem Wagen eine Kiste Bier, Heringshappen mit rote Beete, Fleischsalat und Leberwurst. Toastbrot, Butter und eine Pornozeitschrift krönten seinen Einkauf. Ein Pärchen schwebte heran, blieb wie ich vor dem Olivenöl stehen.

„Was können Sie empfehlen?“ Ich sah mir weiter die Flaschen an. Sie konnten unmöglich mich meinen. Ich reagierte nicht. Sie räusperte sich, wiederholte die Frage, als wäre sie Margaret Thatcher. „Entschuldigung, könnten sie uns sagen, was Sie uns empfehlen würden?“ Einfach sprachlos konnten mich die Menschen machen. Langsam, wie in Zeitlupe drehte ich mich zu ihr hin, sah direkt in ihre Kuhaugen. Hamburgerin. Grüne gesteppte Jacke, rotes Halstuch, mit Karottenjeans, als käme sie gerade von der Rennbahn. Roter Lippenstift. Strenger Pferdeschwanz, der Gegenwehr nicht gewohnt war. Hohe Wangenknochen, ein wenig slawisch aussehend mit gerader Kleopatra-Nase, umrandet von einem rundlichen Gesicht. Teure Uhr, Ohrringe und ein paar schlichte Ringe. Fuhr wahrscheinlich einen dunklen Range-Rover, vermutlich mit beigem Conolly-Leder. Very british. Könnte eine Freundin von Charlotte sein. Typische Stute aus Blankenese oder Kleinflottbek. Ich lächelte sie an, etwas weniger liebevoll als den Troll.

„Keine Ahnung, ich habe mir die Flaschen noch nicht angesehen.“ Wie manche Menschen so sein konnten, ging mir nicht in den Kopf. Woher sollte ich das wissen? Sah ich aus, als hätte ich Fachwissen? Sie unterhielten sich ein wenig, so wie es Paare machten, die sich schon lange kannten. Ich mochte es nicht hören und ging auf die andere Seite des runden Regals und tat so als würde ich mir die anderen Flaschen ansehen. Da piepte es in meiner Jacke. Ich kam nicht weiter, es war zum Verrücktwerden, im Ernst. Das Paar hinter der Säule unterhielt sich über kaltgepresste Öle und das Alles. Sie hatten unterschiedliche Meinungen, versuchten sich gegenseitig zu überzeugen. Es gelang mir nicht wegzuhören.

„Kaltgepresst erste Pressung ist doch nur ein Teil des Ganzen; das Entscheidende ist die Temperatur.“ Das klang ganz vernünftig, was die Frau erzählte. Ihr Freund oder Mann war da weniger genau. „ Komm schon, so groß können die Unterschiede doch nicht sein; warum sollten wir für den halben Liter Zehn Euro zahlen, wenn wir für vier Euro einen Ganzen bekommen?“ Ich fing an zu lächeln. Sie wurde zornig, schwieg und sah am Regal vorbei, mir direkt in die Augen. Sie war sauer. Ich tat noch immer so, als würde ich die Flaschen genauer betrachten. Mir war das unangenehm, wenn sich Menschen in der Öffentlichkeit zankten und ich dabeistand. Ich fühlte mich dann immer wie in der Schule, wenn ich Vokabeln aufsagen sollte und mich nicht an alle erinnerte. Dann wünschte ich mir einfach wegfliegen zu können. Noch weniger wollte ich direkt neben ihnen stehen und mir die Öle ansehen, während sie sich angifteten. Sie rollte mit den Augen und ließ ihm seinen vermeintlichen Willen. Die Beziehungs-Müdigkeit saß ihnen schon lange in den Knochen, wie lästige Verwandtschaft, die nicht gehen wollte. Stillschweigend zogen sie von dannen. Ich ging um das Regal herum, dachte an meine Olivenbäume, an das was ich wusste und nahm das Teure.

Da bekam ich plötzlich ein paar Einfälle für meine Geschichten und machte mir Notizen, bevor ich sie wieder vergaß. Das konnte mir nämlich manchmal schnell passieren. Danach sah ich auf meinen Einkaufszettel. Zahnpasta, Küchenmesser und Wetzstahl stand da. Essen und Trinken brauchte ich auch. Mit Messern und Wetzsteinen war es wie mit Olivenöl. Oder mit Wein. Eigentlich mit Allem. Tabak und Hülsen brauchte ich auch. Der Strom der Kunden hatte zugenommen. Es war wie vorm Elbtunnel. Alles stand. Ich kürzte durch ein paar querverlaufende Gänge ab und nahm mir vor, mich auf meinen Einkauf zu konzentrieren. Sonst lief ich schnell Gefahr nicht fertig zu werden, im Ernst. Ich ging zum Wein und fand ein paar gute Flaschen. Sechs Eier von Freilandhühnern gab es dazu. Ich fasste sie hier und da an, sah mir ihre glatte Unterseite an, ob sie heil waren. Langsam kam ich in Fahrt. Nachdem ich Räucherlachs und skandinavischen Ziegenfrischkäse gefunden, die laut lachenden Mädchen, und Rentner und grelle Werbung und die schlimme Musik wie aus einem Achtzigerjahre-Porno ausgeblendet hatte, ging ich Richtung Kasse und packte auf dem Weg dorthin Gemüsesaft, Chips und Tomaten ein.

Vor der Kasse war eine Schlange. Da piepte es. Eine weitere Nachricht. Ich sah nach, obwohl ich mich immer ein wenig beobachtet fühlte, seit ich dies Smartphone hatte. Nachricht von Guilia. Ich bekam einen Ständer und steckte mir schnell die Hand in die Hose, damit man ihn nicht sah. Plötzlich ging ein Ruck durch die Schlange. Auf einmal ging es schnell vorwärts. Schon stand ich vorm Laufband. Auch das noch. Er ging immer noch nicht weg. Ausgerechnet jetzt. Ich befühlte meinen Schwanz und bat ihn keinen Ärger zu machen. All meinen Mut zusammennehmend, als würde ich eine Arschbombe vom Zehner machen, zog ich meine Hand aus der Hose und begann das Laufband mit meinen Sachen vollzustellen, gerade so, dass sie direkt vor mir auf dem Band lagen. Es gelang einigermaßen. Der Kunde vor mir, ein Reiter, der sein Pferd zum Glück draußen gelassen hatte, leider aber nicht Stiefel und Hose, die mich irgendwie schnell an Schweinerolle und die hängenden Gärten der Semiramis denken ließen, bezahlte bar und fummelte die krumme Summe aus seiner Tasche zusammen, wobei es jedes Mal eine große Kraftanstrengung für ihn war, die Hand in die zu enge Hose zu stecken. Nach einer halben Ewigkeit war er fertig. Die Menschen hatten manchmal doch Nerven. Ich dachte an die Antarktis, an Holzhacken und an Queen Elisabeth in Strapsen, um mein Gemüt abzukühlen. Die Kassiererin sah mich offen an.

„Hallo. Guten Tag.“ Sie hatte einen neutralen Gesichtsausdruck und ich meine Hand wieder draußen. Alles war gut. Piepen. Eine weitere Nachricht. Das Blut lief wieder aus dem Kopf, die Hand sprang in die Hose zurück. Dann musste ich meine Sachen in den Wagen räumen. Manchmal konnten einfachste Dinge einen erwachsenen Mann die Schamesröte in den Kopf treiben und ihn zu Fall bringen. Plötzlich hatte ich das Gefühl alles würde mich anstarren, so als wäre ich durchsichtig und würde ganz nackt an der Kasse stehen. Ich sah mich um. Mochten es hektische Bewegungen oder Zufall gewesen sein: Es waren einige Augenpaare auf mich gerichtet, im Ernst.

„37, 40 bitte.“ Erleichternd hörte ich die Zahl, wurde dadurch abgelenkt, als würde ich auf dem Amt stehen. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Die Härte wich. Ich war gerettet. Ich zahlte und ging wieder zum Bäcker. Diesmal stand ich in der Schlange. Ich kaufte Brötchen. Fünf für den Preis von Vier. Ich packte alles in meine Taschen und ging langsam nach Hause. Ich hatte das Gefühl gealtert zu sein. Müde ging ich um die letzte Kurve und schloss die Tür zu unserem Flur auf, gerade in dem Moment, als zwei Nachbarinnen mit ihren laut bellenden Hunden runterkamen und sich an mir vorbeidrängten, als hätten sie keine Zeit. Es waren welche von den Zugezogenen; wir waren uns noch nie begegnet.

„Hallo. Sie können gleich hoch, wir sind sofort weg.“ Ein paar übriggebliebene Worte, lagen mir auf der Zunge. Tapfer schluckte ich sie runter, als wäre es Lebertran. Lächeln und nicken; Lächeln und nicken. Ich wollte nur noch hoch in meine Bude, kurz nach der Post sehen. Der Schlüssel hakte, ließ sich nur widerwillig reinschieben. Nach kurzem Gerangel ließ er sich endlich öffnen. Schon seit Tagen kam nichts mehr. Ich war froh und ging erleichtert die Treppe hoch, schwer beladen mit einer Tasche links und einer rechts. Da klingelte mein Handy plötzlich. Ein Anruf, ausgerechnet jetzt! Ich fluchte über die Menschheit, über Technik im Allgemeinen und pöbelte mich die Treppe hoch, die schweren Taschen nicht einmal absetzend. Ich schloss auf, schlich rein und knallte die Tür zu. Ich griff mir eine Zigarette, zündete sie an, atmete fauchend aus. Stille. Endlich. Ich brauchte sie, wie Luft zum Atmen.

Gerade hatte ich die Bohnen fertig gemahlen und goss das kochende Wasser drauf. Ich machte zwei Toastbrote, wollte gerade das Pulver runterdrücken und einschenken, als mir wieder ein paar Ideen kamen. Ich setzte mich und machte mir Notizen. Ich ließ die Kippe aufleuchten, dachte an meine neue Geschichte und sah mir die Zeilen an.

„Er saß rum. Einfach so. Er las nicht und sah nicht fern. Wenn er nicht trank, oder die Decke anstarrte, onanierte er. Manchmal, weil ihm danach war und manchmal aus langer Weile. Mehr zu tun gab es sowieso nicht, wenn man mal von Arbeit, Lotto, Fernsehen und Frauen absah.“

Das klang direkt, mit offenem Visier. Ich fand das gut. Ich wollte wieder ein paar handfeste Geschichten über das Leben schreiben und sah aus dem Küchenfenster. Der Gladiatorenkäfig war immer noch da und die traurigen Vierbeiner hatten immer noch ihr Hundeleben. Was im Radio lief hörte ich, ohne dass es an war. Dass die Allemannen keine Zeit hatten, wusste ich, ohne dabei zu sein. Die Deutschen sind wirklich ein gut organisiertes fleißiges Völkchen, das ein Faible für Vorschriften und Technik  hat. Ich zog an der Zigarette, nahm einen Schluck Café und freute mich auf Toulouse.