Archiv für den Monat: Dezember 2020

Alltagswahnsinn – Odyssee 2020 CW52

27.Dezember – D hatte schlecht geschlafen. Nur mühselig kam er gegen elf Uhr hoch und wusch sich die schlafenden Zähne. Als er nach der Zahnpasta griff, stellte er fest, dass sie leer war; beim Griff in den WC-Schrank, nestelten seine Finger durch allerlei Krams, fanden aber keine neue Tube. „Scheiße!“, stöhnte D und begann sich die fahlen Beißwerkzeuge mit Resten seiner Baldrian-Tinktur zu putzen, während er den ungewohnt krautigen Geschmack genoss, der ihm in langen Speichelfäden aus dem müden Maul tropfte.

Nach einer Weile – D hatte flüchtig sein Gesicht gewaschen – kam er aus dem Bad gekrochen und schlurfte angesäuert durch seine Bude, um sich einen ersten Kaffee zu machen; ungeduldig prasselten Kaffeebohnen in die alte Mühle von D’s Ur-Ur-Großältern (extra mit „ä“ geschrieben, für alle Regel-Fetischisten) und er begann zu kurbeln; nachdem das Mahlen und Knirschen seine Wohnung erfüllt hatte, als ob man die Gebeine des heiligen Fellatios von Päderastien zerkleinerte, blieb nichts mehr übrig, außer brauner wohlriechender Kaffee-Staub.

Geduldig füllte D das duftende Mehl in den Becher, huschte geschwind um den Tresen seiner offenen Küche herum, um Milch aus dem Kühlschrank zu holen, als er beim Rückweg völlig überrascht an der Arbeitsplatte hängen blieb: Erbost fluchte D die schwere Holzplatte an, „Blödes Arschloch!“, als einer seiner Füße unerwartet auf dem verstaubten Boden ausrutschte, so dass D eine gründliche Bauchlandung machte, die unglücklich verlief, da er sich den Kopf an einer der zwei leeren Bierkisten stieß, die er mehrmals vergessen hatte wegzubringen.

Donnernd kippte eine um; alle Flaschen verteilten sich über den Boden, wobei einige zu Bruch gingen und sich sorgfältig mit der leerlaufenden Milchtüte vermischten, die D in seiner unkoordinierten Verzweiflung durch die Wohnung geschüttet hatte, was er aus immer schmaler werdenden Sehschlitzen beobachtete, weil ihn der Schlag auf den Kopf ins Land der Träume katapultierte, bis seine schlaffen Mundwinkel ein gnädiges Lächeln umflorte!

Nach einer Weile kam D wieder zur Besinnung, stöhnte und ächzte wie eine alte Lokomotive, „Was ist denn das jetzt wieder für ein Anschlag gewesen? Hab ich etwas verbrochen?“, fragte D sich, während Glasscherben unter seinen Sandalen knirschten und er den Fehler wiederholte, die Haftung des schmierigen Untergrunds zu überschätzen, dass D erneut ausrutschte und mit aufgerissenen Augen auf einige empfindlich weit hochragende Scherben niedersauste, dass sein Gedächtnispalast Alarm schrie, während er im Sausetempo auf die gläsernen Stacheln zuraste!

Instinktiv wusste D‘s Körper, dass es ihm an die Wäsche ging; das Wegziehen des Armes verhinderte ein jesus-ähnliches Durchstechen der Hand, aber nicht die empfindlich tiefe Schnittwunde, die sofort zu Bluten begann, als hätten sich Pulsadern geöffnet; in großen Schüben pumpte sein Herz roten Saft raus, während der Blutdruck empfindlich abrutschte, dass D ganz schummrig wurde, als er Richtung Sofa schlingerte, um Beine und Leben hoch zu halten.

Unterdessen drückte er mit seinem Daumen instinktiv die blutende Wunde zu, von der bleicher werdenden Hoffnung unterstrichen, „Wird so schlimm nicht sein!“

D lachte über die Absurdität des benutzt schmeckenden Tages immer lauter und lauter, bis ihm Tränen der Freude die Wangen runterliefen und sein pochender Kopf ihn an den ersten Sturz erinnerte. Nach einer Weile stand D erneut auf. „So schnell kriegt ihr mich nicht, das habe ich euch die letzten Male schon gesagt!“, fluchte er, den Griechischen Göttern dabei mit erhobener Faust drohend.

Nachdem er ein gefaltetes Stück Klopapier auf die blutende Wunde gepresst und ein Pflaster provisorisch drüber geklebt hatte, fing er an sich zu fragen, ob er das vielleicht nähen sollte, immerhin machten das Männer im Antiken Griechenland so, warum also nicht jetzt, in modernen Corona-Zeiten, dachte D, wo man in Krankenhäusern weit Wichtigeres zu tun hatte, als unglücklich hingeschlagene Zeitgenossen zu flicken?

Für D schien alles klar zu sein, schmierte Jod auf die Wunde und sah sich den Milch-Scherben-Schlamassel an, den er in seiner Wohnung angerichtet hatte und lachte erneut auf, diesmal jedoch mit respektvoller Vorsicht.

Eine sprudelnde Kopfschmerztablette bildete die Vorspeise, bevor D sich dem Hauptgang widmete, seinem Café, den er mit den letzten Resten der verbliebenen Milch färbte und sich mit pochender Hand aufs Sofa setzte und sich langsam, aber achtsam über das Leben wunderte.

Merry Xmas nachträglich  an alle, die im Leben straucheln, es aber mit Würde erdulden….

Horus und die RAF – Odyssee 2020 CW51

20.Dezember – D war ungewohnt gut gelaunt und zufrieden. Merkwürdig und ungewöhnlich daran war vor Allem, dass man es ihm ansah. Nach langem Ringen zwischen Verlag und D und diversen Durchläufen bei Lektorat und Korrektorat lief man Gefahr die Übersicht zu verlieren: Doch endlich war sein neues Buch „Die Augen des Horus“ veröffentlicht worden.

Und nicht nur das: Es gab bereits Buchhändler, die das neue Werk bestellten; sogar erste Rückmeldungen, von Lesern lagen vor; offensichtlich hatte D mit diesem Buch ins Schwarze getroffen und die Schattengewächse einiger Leser berührt. Sogar der Verlag schien zufrieden; offenkundig hatte D ein Buch für viele, statt für Wenige geschrieben.

Sein „Horus“, wie D sein neuestes Buch nannte, passte in der Tat gut in diese unsichere Zeit, voller Corona-Pandemie und sich anbahnender Wirtschaftskrise, die aus D’s Sicht keine Naturgewalt, sondern rein menschlicher, sozusagen ein hausgemachtes Problem blieb, auch wenn Politiker das nicht hören wollten, was D ebenfalls in den Plot des neuen Werks eingewoben hatte, wie die ächzende Erde, die unter der Gier und Habsucht der Menschen längst zu stöhnen begonnen hatte.

Daher war es für D und seinen Verlag natürlich, zu einem weiteren Interview mit Frau Dr. Claudia Meyer-Paradiso eingeladen zu werden. Und so geschah es. Nach einem kurzen Knacken in der Leitung, erschienen die zwei bekannten Gesichter auf den Laptops.

CMP: Guten Abend Don, wie geht es dir am Ende des Jahres, mit frisch veröffentlichtem Buch?

DT: Spéra Claudia, ganz gut soweit; ein wenig müde, aber zufrieden.

CMP: Kann ich mir gut vorstellen; ich habe gehört, dass es schon erste positive Rückmeldungen von Lesern gibt?

DT: Ja, in der Tat! Es haben so viele Buchhändler nach diesem Buch gefragt, dass wir wirklich überrascht sind, woher das plötzliche Interesse und die starke Nachfrage kommen……

CMP: Wieso überrascht euch das? Deine Bücher sind spannend geschrieben und der Horus trifft den Zeitgeist……

DT: Danke für die Blumen; vermutlich hast du Recht, aber der Autor kann das selber schwer einschätzen….

CMP: Ach komm schon, mach dich nicht unwissender als du bist, das steht dir nicht!

DT: Nein, wirklich Claudia: Ich weiß nie, ob irgendeins meiner Bücher gut ist, geschweige, ob es gut ankommt, völlig unabhängig, ob Kritiker es gut rezensieren, oder ob sie es in der Luft zerreißen; ich schreibe sie halt so runter, wie ich meine es tun zu müssen und fertig; was dann am Ende rauskommt, kann man nie wissen, ahnen vielleicht, aber nicht wissen…..

CMP: Na gut. Was war deine Hauptmotivation, für den Horus?

DT: Zuerst einmal wollte ich einen Roman schreiben, der in einer vor uns liegenden Zukunft spielt, nach weiteren 10 Jahren Heuschrecken-Kapitalismus.

CMP: Story und Figur sind dir einfach so eingefallen?

DT: Ich habe vor einigen Jahren auf meinem Blog ein paar Kurzgeschichten geschrieben, die mir Spaß machten und den Lesern Freude bereiteten; dass war eine neue Erfahrung für mich…..

CMP: Wie bitte? Du schreibst doch, um zu…..

DT: Halt-halt-halt, Claudia! Ich habe dir schon einmal erklärt, dass ich nicht wegen „um zu“ schreibe; ich schreibe einzig und allein, weil ich schreiben MUSS; ich muss das rauslassen; wenn es Lesern Spaß macht, ist das natürlich toll, aber wenn es nicht gut ankommt, wird meine Schreiberei sich nicht ändern; ich schreibe NIE, um zu gefallen, oder um für viele lesbar zu sein;

viele machen das und ich sollte das vielleicht nicht so offen und ehrlich sagen; wahrscheinlich schimpft mein Verleger morgen mit mir; ich schreibe ausschließlich, was mir die Eingebung sagt; allerdings, und das ist vermutlich das große Novum:

Beim Horus wusste ich von Anfang an, dass es Leser gab, denen vereinzelte Teile gefielen; dass darf einen nicht auf die falsche Fährte locken, dass dein Buch ein Erfolg wird…….dass weißt du nie, wenn du ein Nobody bist und man keine Unsummen in Werbung steckt……

CMP: Okay. Kommen wir also wieder auf den Horus: Was hat dir am Meisten beim Schreiben gefallen? Oder anders gefragt, was war deine Hauptmotivation?

DT: Wie sonst auch, werde ich nicht über das Buch selbst reden, sondern mich darauf beschränken, was mein Hauptanliegen war: Ich wollte eine fiktive Zukunft erschaffen, eine, in der unser globaler Wirtschaftskrieg sich in etwas noch Düsteres und Menschenverachtenderes weiterentwickelt; in etwas, dass jegliche Menschlichkeit und Solidarität verschlingt und für alle Zeiten vom Erdball vertilgt; es ist ein wenig so, wie heute, nur noch kälter…….

CMP: Das kann man sich kaum vorstellen; was für Konsequenzen siehst du voraus? Oder anders gefragt: Was für Entwicklungen siehst du am Horizont?

DT: Dass die Rote-Armee-Fraktion (RAF), oder eine ähnliche Gruppe, die in den Deutschen Sechzigern aus den Studentenbewegungen herausgegangene Bewegung wiedergeboren wird.

Wenn wir den eingeschlagenen Weg nicht ändern, werden sich die jungen Menschen mit dieser altbackenen, menschenverachtenden Wirtschaft und Politik nicht abfinden; und, das will ich hier noch einmal unterstreichen:

UND, das es eine natürliche Konsequenz ist, dass sich die Menschen mit Idealen wieder radikalisieren könnten. Es bleibt ihnen keine andere Wahl. Noch haben wir diesen Punkt nicht erreicht, aber wenn das passiert, werden wir das viel schneller merken, als damals beim deutschen Herbst….

CMP: Das klingt nach einem düsteren Szenario; warum glaubst du, dass wir das schneller merken, als damals, ob sich die Menschen radikalisieren?

DT: Weil wir im digitalen Zeitalter leben! Was glaubst, du, was du heute mit ein paar Weltklasse Hackern anstellen kannst? Denk nur einmal an die Iranischen Zentrifugen, die angeblich amerikanische Geheimdienste lahmgelegt hatten;

du kannst heute so viel bewegen, während du im Schlafanzug vor deinem Laptop sitzt. Stell dir vor, du kombinierst diese Tatsache mit modernen Waffen; versuch dir diesen Cocktail vorzustellen; dann hast du einen Ausblick auf eine mögliche Zukunft!

CMP: Was ist zu tun, um so eine Entwicklung abzuwenden?

DT: Wir müssen die Wirtschaft und ihre Funktionsweise verändern; wir können nicht von dauerhaftem wirtschaftlichen Wachstum ausgehen; nichts wächst unbegrenzt, jeder Gärtner weiß das; unendliches Wachstum existiert nur in den Vorstellungen von sogenannten Wirtschaftsexperten……

CMP: Was, ganz konkret gesprochen, müssten wir tun?

DT: Wir müssen weg, vom rein monetär getriebenen Wachstum, hin zu einem Multidimensionalen kommen; Geld allein, bemisst nicht den Wert einer Firma, oder eines Produktes; es sind die Menschen, die an der Wertschöpfung teilnehmen; mehr möchte ich aber nicht sagen, sonst greife ich zu viel aus dem Buch auf und es sollen ja möglichst viele lesen, nicht wahr? (D zwinkert in die Kamera)

CMP: Nun, zähle ich auch zu denen, die das Buch schon gelesen haben, wie du dir denken kannst; ohne jetzt unangekündigt eine Vorab-Rezension abzufassen: Am besten gefällt mir die gleitend-schleichende Verwandlung und Radikalisierung des Protagonisten; sein innerer Kampf, den wir alle kennen und regelmäßig ausfechten und immer wieder zurückstecken; dein Protagonist tut das irgendwann nicht mehr, warum nicht….?

DT: Die Frage kannst du dir selber beantworten; da du es offenkundig nicht tun willst, werde ich das Gleiche mit dir tun, anhand eines unschönen alltäglichen Beispiels, bist du bereit?

CMP: Okay, gerne; ich bin gespannt!

DT: Dein Nachbar über dir verprügelt regelmäßig seine Frau; täglich hörst du, wie ihr Kopf auf den Boden schlägt, so sehr, dass du dies Geräusch nicht mehr aus deinem Kopf bekommst, weil du des nachts auch ihr leises Schluchzen ahnst zu hören; was tust du? Gehst du zur Polizei?

CMP: Natürlich!

DT: Gut. Die Polizei klingelt an seiner Tür, nimmt die Daten auf und geht wieder. Aber die Frau des Nachbarn bleibt und verlässt ihn nicht; auch zeigt sie ihn nicht an. Was tust du jetzt, wenn er ihren Kopf wieder als Fußball benutzt und du dich immer öfter fragst, ob er mit den gemeinsamen drei Kindern Ähnliches macht?

CMP: Schwieriges Thema! (leise schluchzt Claudia Meyer-Paradiso, fängt sich aber sofort wieder)

DT: Alles okay, Claudia? Wir können das Thema wechseln…..

CMP: Nein, schon gut; okay, ich habe es kapiert: Du hältst uns allen den Spiegel vor, wann ist wieviel genug; wann muss jeder von uns handeln, nicht wahr….?

DT: Genau! Und im neuen Buch zeige ich den Weg, den mein Protagonist geht…..

CMP: Mir hat das Buch sehr gefallen und offensichtlich gibt es noch ein Weiteres, nicht wahr…?

DT: Das kann ich noch nicht verraten…erstmal schauen wir, wie sich die Auflage verkauft.

CMP: Wie groß ist die erste Auflage?

DT: Keine Ahnung. Ich glaube drei oder fünftausend.

CMP: Habt ihr auch schon Lesungen geplant?

DT: Noch nicht. Aber es wird welche geben.

CMP: Vielen Dank für das Gespräch. Nenn mich euphorisch, aber ich glaube, dass ihr noch im ersten Semester 2021 eine zweite Auflage produzieren werdet.

DT: Wir werden sehen……

CMP: Komm schon, Don: Freu dich über dein neues Buch, endlich ist es draußen!

DT: Ich lächle mehr von drinnen……

CMP: Was machst du heute Abend?

DT: Gleich kommt ein Freund zu Besuch, wir werden Wein trinken und etwas essen.

CMP: Dann guten Appetit, Prost und auf Wiedersehen.

DT: Ja, bis bald.

Lautes Knacken in der Leitung. Dann ging D in die Küche, öffnete eine Flasche Wein und begann das Abendessen vorzubereiten.

 

Krieg und Frieden – Odyssee 2020 CW50

13.Dezember – schon seit langem trieb D ein Thema um, dass er mitten in der Nacht erschrocken hochschoss; die unruhige Triebfeder und rohe Natur des Menschen, seine Welt mit Krieg zu überziehen.

D musste mit jemandem darüber sprechen; ein paar bekannte Größen waren zu sehr mit dem Weltgeschehen beschäftigt, so dass D sich entschied, mit Perikles von Korinth zu video-telefonieren.

Der pensionierte Torwärter vom Isthmus war ihm ein willkommener Freund und Gesprächspartner. Und so geschah. Es knackte in D’s Kopfhörern und kurze Zeit später tauchte das bärtige Gesicht des Griechen auf.

PvK: Giasou Don

DT: Giasou Perikles

PvK: Wie geht es dir?

DT: Gemischt, wie immer; du weißt, dass ich nie Ruhe finde; physisch schon gerne und oft, aber nicht geistig und spirituell – besonders nicht in Zeiten wie diesen!

PvK: Da sagts du was……

DT: Wo bist du gerade?

PvK: In Kechries, ich sitze am Strand vorm Isis-Tempel…..und du?

DT: Ich sitze in meinem Dachsbau in Toulouse……

PvK: Schöne Umschreibung……

DT: Du sag mal…..

PvK: Was kann ich für dich tun?

DT: Warum war Krieg im antiken Hellas so weitverbreitet?

PvK: Das ist eine merkwürdige Frage, besonders von dir; du kennst doch die menschliche Natur…..

DT: Ja, ich will sagen nein…..ich meine……

PvK: Jaha….?

DT: Wieso habt ihr den Krieg so sehr kultiviert? Hättet ihr nicht in Frieden leben können, wär das nicht einfacher?

PvK: Natürlich, aber nur wenn man dich lässt…..wenn jemand an deiner Tür klopft, weil er dich unterwerfen, oder deine Stadt erobern will, dann hast du wenig Wahl, findest du nicht?

DT: Natürlich! Aber warum so gründlich…?

PvK: Das hat etwas mit Arete zu tun….erinnerst du dich noch?

DT: Natürlich, wie kann ich sie vergessen……du meinst, alles was ihr damals getan habt, wolltet ihr mit maximaler Leidenschaft tun…?

PvK: So in etwa……aber das ist nicht das, was dich umtreibt, nicht wahr?

DT: Richtig! Es geht um Frieden und Krieg….

PvK: Du meinst Krieg und Frieden…?

DT: Nein, Frieden und Krieg….ich nenne den Frieden zuerst, weil er mir wichtiger ist…..

PvK: Du weißt aber schon, dass du für Krieg gerüstet sein musst, wenn du Frieden möchtest, wie wir alten Griechen zu sagen pflegten….oder?

DT: Ja,ja, natürlich…..so wie Sparta zum Beispiel…..

PvK: Genau, wenngleich man in der ganzen Weltgeschichte das wahre Wesen der Sparti missgedeutet hat; sie waren keine Kriegstreiber, oder gar Freunde des Krieges…..sie wollten lediglich frei leben und sich von niemandem etwas vorschreiben lassen…..ein wie ich finde, leicht nachvollziehbarer Gedanke…..deswegen, begriffen Lykurg und die Geronta, dass man ein schlagkräftiges Militär brauchte, wenn man so klein war……

DT: Natürlich, aber heute……schau dich mal um, überall ist Krieg, so wie damals……

PvK: Vor Allem auch viel im Verborgenen……in unserem Selbst……

DT: Genau darum geht es mir…….um die weitverbreitete Unfähigkeit des Menschen, in Stille und Frieden zu leben; beide sind unerträglich für ihn; ohne Lärm und Feindbild, kann er nicht existieren….heute mehr denn je…..

PvK: Aber natürlich! Wie sollte es auch anders sein; für die Menschen ist die Corona-Pandemie ein Glücksfall…..

DT: Wie bitte? Das musst du mir genauer erklären….ich ahne zwar, was du meinst, aber……

PvK: Tust du das? Wirklich….?

DT: Naja, das die Menschen sich schwer mit Frieden tun, ist ja nicht neu……es gibt natürliche Gründe, warum man den Nachbarn verklagt, wenn sein Apfelbaum über den Zaun wächst……

PvK: Weiter, weiter…..was noch?

DT: Jetzt haben wir endlich wieder einen Krieg mit Feindbild, wahlweise im Virus selbst, oder in Politiker und diverse Reiche und Mächtige hineinprojiziert…….wenngleich das meist unbewusst passiert….schlussendlich ist auch das wieder nur Ablenkung, wie das Meiste im Leben…….

PvK: Weswegen du nicht unruhig sein brauchst…..der Mensch ringt und kämpft sein ganzes Leben, ohne die Eischale zu durchbrechen und zu erkennen, dass er gegen sich selbst kämpft…..

DT: Genau das lässt meine Katze im Gedächtnispalast um Monsieur Thalamus Beine herumstreichen, dass er närrisch wird…..

PvK: Warum das?

DT: Weil, weil……

PvK: Ja-ha…..?

DT: Es ist zum Haareraufen……

PvK: Das sehe ich…(lächelt und lacht dann leise in sich hinein)

DT: Ich komme mir so albern vor……warum……

PvK: Weil niemand weiß, wie heiß die Herdplatte ist, bis er draufgefasst hat…….

DT: Du meinst, ohne Erfahrung kein Wissen…?

PvK: Richtig…….ohne Erfahrung kannst du lediglich von Bildung sprechen, jedoch nicht von Wissen. An jene rare wahre Erkenntnisform gelangt man nur durch Erfahrung…….oder in den modernen Worten von Nassim Nicholas Taleb: Skin in the Game…..

DT: Also hast du aufgegeben?

PvK: Nein, ganz im Gegenteil; wie kommst du denn darauf?

DT: Weil du so selenruhig über die Nichterkenntnis sprichst……

PvK: Das kann ich nur, weil ich positiv geblieben bin, wie sonst sollte es möglich sein…?

DT: Wieso habe ich eigentlich immer hinterher vergessen, worüber ich grollig war, wenn wir beide miteinander sprechen?

PvK: Weil ich dir zuhöre; niemand tut das mehr; wenn du mir erzählst, was dich umtreibt, geht es dir selbstverständlich besser; du hast dir dann alles von der Leber geredet, wie die alten Deutschen früher sagten; heute sagt man in dem Land ja nicht mehr allzu viel……

DT: Findest du?

PvK: Na hör mal! Überall herrscht zurzeit Gleichmacherei und Sprachlosigkeit…..man redet sich um Kopf udn Kragen, sagt aber kaum etwas…..die Menschen sind noch genauso ängstlich wie eh und je, nur deswegen rufen sie immer in gewissen Abständen nach Führern, weil sie Angst haben sich selbst zu führen.

DT: In der Tat; können wir ihnen nicht helfen?

PvK: Doch natürlich, indem wir mit ihnen reden……

DT: Mach ich, mach ich……

PvK: Weswegen bist du dann unruhig…?

DT: Keine Ahnung……vielleicht sollte ich wieder regelmäßig meditieren.

PvK: Denke ich auch……inneren Frieden zu pflegen erfordert Disziplin und Ausdauer…..

DT: Danke.

PvK: Wofür?

DT: Das du zugehört hast.

PvK: Gern geschehen. Wann kommst du eigentlich wieder nach Hause nach Hellas?

DT: Hoffentlich bald!

PvK: Das ist nicht sehr konkret, musst du zugeben…….

DT: Ich weiß.

PvK: Was hindert dich?

DT: Keine Ahnung…..

PvK: Klingt nach einem schwierigen Sonntag…….lass es dir trotzdem gut gehen und lass den Kopf nicht hängen, versprochen?

DT: Versprochen!

PvK: Bis bald….

DT: Pass auf dich auf.

PvK: Danke. Du ebenfalls. Giasou.

DT: Giasou.

Es knackte in der Videoleitung. D war wieder alleine, mit sich und seinen Gedanken. Und da sein Magen zu knurren begonnen hatte, macht er sich in der Küche zu schaffen und bereitete sein Mittagessen zu.

 

Freiheit – Odyssee 2020 CW49

06.Dezember – Nikolaus Gedenktag; D erinnerte sich noch gut an seine gefüllten Stiefel, die er als kleiner Junge am Vorabend vor seine Zimmertür gestellt hatte. Meist fand er dann Orangen, Nüsse und Schokoladenfiguren, die an Weihnachtsmänner, oder eben an – Nikoläuse – erinnerten.

Viel mehr freute sich D darüber, dass er nun seit genau sieben Jahren jede Woche diesen Blog pflichtbewusst gepflegt hatte, ohne ihn auch nur einmal ausfallen gelassen zu haben. Darauf war D zwar nicht stolz, aber ihn erfüllte eine Art Wohlwollen mit sich selbst, dass ihm das offensichtlich gelungen war.

D hatte gerade alle Hände voll zu tun, weil er mit Monsieur Thalamus, sowie dem Gedächtnispalast stritt, und zwar darüber, welche Form von Freiheit eigentlich gemeint war, wenn man sie in der aktuellen C-Krise, einschränkte. War es die Meinungs-Freiheit? Oder gar die physische, die den zufriedenen Bürger sich frei bewegen ließe, oder wie in vorliegender Epoche, eben weniger, bis nicht?

War es das Recht auf Meinungsfreiheit, die auch für Politiker galt, weswegen eben jene aktiv davon Gebrauch machten, wenn sie vor harten Wintermonaten warnten und damit ältere Menschen verängstigten, dass man ihnen verantwortungslosen Umgang, mit eben jener filigranen und gleichzeitig machtvollen Pflanze vorwerfen musste?

D wusste es nicht.

Sowieso, war D schon länger mit seinem Latein am Ende.

Zurzeit wurde schlichtweg alles gespalten, sei es das Volk in zwei Lager, die Worte die man nutzte, oder gar Atomkerne, um Strom daraus zu gewinnen, wobei D sich an letzteres schon länger gewöhnt hatte. Um der griechischen Götter willen: Fast hätte D es vergessen – sogar die Demokratie versuchte man in zwei Sorten zu spalten!

Einmal gab es jene, in der Politiker mehr Einfluss nehmen konnten, um Gesundheit und Sicherheit ihrer Bürger und Wähler besser zu schützen – wenngleich immer noch ungeklärt blieb, ob man die Bürger vor die Wahl stellen wollte, ob sie diesen Schutz auch ablehnen konnten;

und zum Zweiten gab es jene Form, in der das Volk sich selbst überlassen blieb, ohne Fürsorge von Oben zu erhalten, was ein schwieriges Unterfangen zu bleiben schien, weil es in beiden Fällen voraussetzte dass der Souverän, das Volk, wusste, was es wollte – oder leidenschaftlicher ausgedrückt, für was es brannte!

Auch hier galt Selbiges: D wusste nichts !

Er wusste nur eines:

Das er über die einfachen, unterhaltenden Dinge in der Tat mit nahezu Allen reden konnte, aber nicht wollte und über komplexe und ernste Sachen stattdessen ausschließlich schreibend sich zu verständigen versuchte, was ihm nicht immer gelang, weil sich eine wachsende Sprachlosigkeit in ihm breitmachte, weil bei ihm alles an individuelle Freiheit geknüpft blieb.

Natürlich wusste D, dass es Regeln im Zusammenleben brauchte, besonders um Laib und Leben gegenseitig zu schützen; warum D sie oft brach, wusster er aus tiefstem Herzen – weil ihm das rasterfahndungsgleiche Gitter, das ihm die soziale, wie auch gesundheitlich-gesellschaftliche Hängematte bereitstellte, zu dicht war.

Nur deswegen fühlte sich für D vieles unfrei an, da sein wahres Gefühl für Freiheit ein erhöhtes Maß an Risikobereitschaft benötigte, um sich wohlig entfalten zu können.

Wie es bei den anderen Bürgern war, wusste D nicht – er war sich ja nicht mal bei sich selber sicher; wie konnte er da über andere nachdenken; ein wenig machte es D sogar traurig, weil ihm die Mitmenschen ja nicht egal blieben.

Was sich für D jedoch nicht verändert hatte, war die Tatsache, dass er wusste, dass er nichts wusste, wesegen er hoffte, dass man ihn in einer hoffentlich weit entfernten Zuklunft nicht den gleichen Giftbecher trinken ließ, wie damals den armen Sokrates – anno 399 v.Christus.

Sicher konnte D sich nicht sein, wenn er unruhig beobachtete, wie man derzeit in der Welt herumfuhrwerkte. Doch was sollte er schon anderes tun, als seinen eigenen Werten zu folgen?

Genau, rein gar nichts!

Und so kam es – alles begann sich zu verändern – sogar die Sprache – aus Medien machte man in Deutschland Leitmedien, in Spanien nutzte man Tische als Stühle, Griechenland stiftete heute am 6.Dezember den heiligen Nikolaus und in Frankreich entdeckte man christliche Werte in den Kneipen, so dass man sie in Kirchen verwandelte.

Letzteres war für D – richtig schön:

Santé!