Archiv für den Monat: April 2024

Dorf am Meer – Odyssee 2024

„Cabin Crew, 10 minutes to landing!” … dröhnt es aus den Lautsprechern … erschrocken schieß ich hoch … wir schrammen über den Puig Major, drehen ein paar Kurven über der Insel … dann geht der Kapitano auf Landeanflug …

Es schaukelt mächtig …

Scherwinde, glaube ich … es wirde ziemlich still im Flieger … unser Easyjet taumelt wie ein betrunkener Seemann … das Cockpit entscheidet auf Angriff zu gehen, drückt die Nase runter … schon geht’s abwärts, aber nicht zu knapp …

rumpelnd landen wir …

hinten klatschen sie, wie früher … starker Wind lässt uns auch am Boden rumschlingern, wie ein überhitzter Leguan … kaum stehen wir, springen erste Passagiere auf und plündern die Overheadstorages … Tumult bricht aus … Flugbegleiter brüllen Befehle …

Kinder schrein …

Stewardessen rollen mit Augen … kaum ist die Tür freigegeben, stürmen Ungeduldige an mir vorbei … ich falle zurück in meinen Sitz … in welcher Kinderstube man ihnen das wohl so beigebracht hat … werde von der hinausströmenden Menge herumgeschubst …

Wie früher …

Aua! Stoße mir den Kopf, berappele mich … suche schnell das Weite … du meine Güte! Hyänen sind nichts gegen diese wilde Meute … durch den Finger vom gate wanke ich ins Terminal, dort herrscht Karnevalstimmung … bunte Klamotten, Tätowierungen …

Viel rote und braune Haut …

Große, kleine, dicke, dünne Menschen … Briten, Deutsche, Skandinavier, alle betrunken, oder kurz davor … dazwischen ein paar zielstrebig herumstolzierende Spanier und Mallorquiner … Touristen in weiten Trekkinghosen und Kostümen …

Gruppen mit Motto-Dress …

Mache um Alles einen großen Bogen, schlängle mich ungesehen vorbei … im Terminal gibt’s Baustellen, mehrmals leitet man uns um, ratlose Passagiere verstopfen Gänge, habe längst die Orientierung verloren …

Sehe irgendwann Licht …

Da! Schau nur, der Ausgang … ein Wunder, nicht zu fassen … Sonnenlicht, endlich draußen, wie in Trance taumle ich zu den Taxis, Hauptsache weg … ein netter stiller spanischer Achttagebart fängt mich ab, scheint mir meine Verzweiflung anzusehen …

„Hola, que tal …“

Endlich wieder normale Menschen … „alles gut, und bei dir?“ … wir schmalltalkten uns aus dem Flughafengewimmel … nehmen Fahrt auf Richtung Palma … auf der Rocade der übliche Verkehr … „Nein! Besser ist das Geschäft seit Corona nicht, aber“ …

Wir biegen ab Richtung A20 … surfen über den Strom heißblütiger Schwachstrom-Machos, die mal so kurz nebenbei auf der Straße Druck ablassen … wildes Gehupe, aufheulende Motoren, manches ändert sich wohl doch nicht mehr …

Mein Fahrer heißt Oktavio …

Schöner Name, finde ich … auch er nimmt Fahrt auf … „Aber was will man machen, ich beklage mich nicht, wir sind bei vielleicht 70 bis 80% vom Umsatz 2019, ist nicht berauschend, aber genug zum Leben, zurück nach Barcelona gehe ich auf keinen Fall!“

Kann ihn verstehen …

Wer sich einmal umtopft, kehrt nicht zurück in alte Gärten … „Und du? Arbeitest du hier, oder bist auf Urlaub?“ … wir schunkeln durch Esporles, schrauben uns die Sierra-Tramuntana hoch, vorbei an Port des Canonge und Son Buñola …

„Ein wenig von Beidem“ …

gebe ich zum Besten … dann geht es wieder hinab Richtung Banyalbufar … wir sind beide der Meinung, dass zu viel Tourismus schlecht ist, dass die neu ausgegebenen Beherbergungs-Lizenzen der Insel gut tun usw. … wie überhaupt grundsätzlich jedes „zu viel“ …

schlichtweg zu viel ist …

unsere vermeintliche Weisheit lässt uns lachen … könnten jetzt ein Bier zusammen trinken … wie ein Leuchtturm schleicht das Orstschild Banyalbufar an uns vorbei … in langsamer Tauchfahrt waten wir durch den Ort …

Weiter geht’s Richtung Estellencs …

selbst nach dem 1000sten Mal ist die MA-10 herrlich … sie hat nichts von ihrer Magie verloren … nach dutzenden Kurven öffnet sich die Insel, da liegt das kleine Dorf am Meer … meine Perle, fehlen nur blaue Fenster und geweißte Mauern …

Mittelmeer …

ich zahle Octavio ein Direktorentrinkgeld … steige aus und klopfe mir Arme & Beine aus, orientiere mich … pünktlich auf die Minute bimmelt die Kirchenglocke … ich sehe ein paar Freunde in Entfernung spazieren gehen … rufe ihnen hinterher …

Keine Reaktion …

Merkwürdig! Ich pilgere die kleinen Gassen vom Dorfkern entlang, keine Menschenseele, alle Türen, oder Fensterläden sind verschlossen … vermutlich Zufall … im Sa Tanca ist es brechend voll, auf Katzenpfoten schwebe ich geräuschlos vorbei …

Niemand sieht, oder erkennt mich …

Fange an mich aussätzig zu fühlen, gehe zum Haus meiner Freunde … auch dort sind alle Türen verschlossen … komisch, sie erwarten mich doch wohl hoffentlich, oder etwa nicht … ich zücke meinen Schlüssel, fingere ihn unsicher ins Schloss …

er passt nicht …

Ratlos gehe ich zurück in den Ort, setze mich auf eine Bank, blicke zum Mittelmeer, stelle mir hunderte Fragen, bekomme keine Antworten, so wie früher … Autos fahren vorbei, alle ohne Kennzeichen … Insassen samt Fahrer mit ausdruckslosen Gesichtern …

Gähnende Leere, überall …

Unruhig zücke ich mein Smartphone … wähle ein paar Nummern „Kein Anschluss unter dieser Nummer“ … was ist hier los … „Versuchen sie es später noch einmal. Auf Wiederhören“ … ich hinterlasse ein paar Sprachnachrichten, schreibe ein paar Whattsapp-Texte …

Doch nichts …

Abenddämmerung zieht herauf, Wind frischt auf … es wird kühl, niedergeschlagen mache ich es mir auf einer Bank vor der Kirche bequem, rolle mich gegen die Kälte ein … trinke zwei kleine Bier, werde müde, schlafe ein …

Und falle in einen traumlosen Schlaf …

Urlaub – Odyssee 2024

Meine Kollegin Sandrine hatte mir den Rest gegeben … Piepende Ohren kannte ich nur von Anderen, oder aus dem Bekanntenkreis und Psychologiefachzeitschriften … Jetzt hatte es mich selber voll erwischt … Munter surrte und piepte es in meinen Muscheln …

Arbeite ich zu viel? …

Hab ich zu viel gehört, zu viel geredet? … Keine Ahnung! Ich wusste es nicht … Nur, dass ich mich platt, irgendwie geschafft fühle … plötzlich klingelt mein Telefon … meine Mutter … Sie hat gute Laune … „Hallo, wie geht es dir? Wo bist du denn gerade? Ach sag bloß! Ja wirklich?

Wie schön!

Ach, im Grunde geht es mir eigentlich ganz gut … doch-doch … Was sagst du? Nein, das Festnetztelefon geht wieder … hat ja auch lang genug gedauert … Ja, danke das du fragst, ist lieb von dir … sag mal, was ganz anderes, wo ich dich am Telefon habe …

hast du deinen Anteil …

für den Friedhofsgärtner schon überwiesen? Ach wirklich? Hast du schon? Wie schön! Nöh-nöh, sonst ist alles soweit in Ordnung. Ruf ruhig auch mal wieder an, hörst du? Ja, danke. Du auch. Hab einen schönen Tag, bis bald … Tschüß!“ …

Knacken in der Leitung …

ich entscheide mich, nach Mallorca zu fliegen … Freunde besuchen, abschalten … nichts hören, nichts sehen, nur Meer und Sonne … Für Ostermontag finde ich ein günstiges Ticket, super! … Ha! Schön erste Reihe sitzen … diesmal aber „gönn dir“ …

Zack! Los gehts …

Ostermontag, ich bin zwei Stunden vor dem Wecker wach … Flipp ich jetzt völlig aus? Erst das Piepen in den Ohren … dann unruhiger Schlaf … bin ich etwa anfällig für kosmische Strahlung, oder wie oder was? … Ich packe meine sieben Sachen …

Schon steht mein Rucksack …

reisebereit vor der Tür … brav trinke ich meinen Kaffee aus, während mein Nachbar über mir schon mitten in seinem Video-Ballerspiel steckt … In voller Lautstärker deckt er seine Gegner mit Kugelhagel ein … mörderisch die Schreie der Verzweifelten …

Muss eine Bazooka …

oder was ähnlich Fettes sein … bei jedem erfolgreichen Shot kreischt er hysterisch auf! … Leise ziehe ich die Tür hinter mir zu, schließe zwei Mal ab … gehe gemütlich aus dem Gebäude, höre hier oder da leises Keuchen … Irgendwo ertönt lautes Klatschen …

Dann ein lauter Schrei! …

Häusliche Gewalt ist was Schönes, wenn es in gegenseitigem Einvernehmen geschieht, denke ich mir … Irgendjemand möbelt immer jemanden durch … Laut krachend fällt unser Haupttor ins Schloss … Nach ein paar Minuten Fußweg spring ich auf meinen Rappen …

Laut röhrend …

erwacht der Motor zum Leben … vorbei an alten Backsteinhäusern der Altstadt schlängeln wir uns durch die engen Gassen … letzter Gruß an die Pont Neuf … schon knattern wir aus der Stadt, Richtung Flughafen …

„Attention please!

Last call für Mr. Quad el Habib, kommen sie sofort zum Gate 25, wir schließen das Boarding in wenigen Minuten! Mr. Quad el Habib, Last call … you need to come to Gate 25. Thank you!” … Im Flughafen das übliche Gewusel …

Besonders bei der Security …

Ein sehr schwarzer Sicherheitsbeamter baut sich vor mir auf … „Guten Tag, führen sie Kosmetika, Flüssigkeiten, oder irgendwelche elektronischen Geräte wie Laptops mit sich? Bitte legen sie alles in diese Schalen, vielen Dank für Ihre Kooperation!“

Tue wie mir geheißen …

Mein Tintenfass erregt seine Aufmerksamkeit … „Entschuldigen Sie! Was ist das?“ … nichts bleibt einem erspart … „Das ist Tinte, Sir“ … bin immer super-korrekt und formell mit denen … machen auch nur ihren Job … „Was bitte, sagen Sie, ist das?“ … ich ahne es …

„Tinte!“

„Wofür verwenden Sie das?“ … er will seinen Job supergut machen, ich verstehe das … ist mir schon oft aufgefallen … Ausländer und Zugereiste geben sich Mühe in Frankreich … werden oft französischer als die Franzosen …

Sieht man bei Eric Zemmour …

Sohn algerischer Einwanderer … mausert sich zum ausgewachsenen Faschist und Nazi … wunderbare Stilblüte menschlicher Entwicklung, zu denen demokratische Staaten fähig sind … altmodische Menschen wie ich haben es schwer, es sei denn, du bist Nationalist …

Dann hast du …

Naja, das kneif ich mir mal, im Anblick des 20.April den wir gestern hatten … „Schreiben! Ich benutze die Tinte zum Schreiben! Schauen Sie …“ … Übereifrig hole ich meinen Füller aus dem Etui zeige ihm meinen Schreibapparat … Runzeln füllen die …

schwarze Stirn …

die am längeren Hebel sitzt … „Okay! Ist in Ordnung! Gute Reise!“ … Seine Vernunft siegt … bleibe Freund von Demokratie, im Ernst! … Vor mir filzt man eine Mulattin mit vierzig Kilo Übergewicht … Schweiß läuft ihr in Strömen aus den Armen …

Sie stöhnt wie eine Lokomotive …

Hinter mir piept es laut … ein bärtiger Araber zuckt zusammen … zwei Farbige kommen und filzen auch ihn … man kann die Spannung zwischen ihnen sehen … hier genügt ein leises Lüftchen … ein wenig arrogant seufzt der orientalische Bart …

„Bitte drehen Sie sich um!“

„Sind wir fertig?“ … Er lässt es sich nicht nehmen, den Ungeduldigen zu spielen … doch die Sicherheitsbeamten lassen sich nicht reizen, sehr gut! … „Einen kleinen Moment noch; es handelt sich um eine Standarduntersuchung …“

Erleichtert seufze ich …

Als ich mich vom Krisenherd entferne … „Attention please! Last call for Mrs. Severine De-Stefani, you need to come with immediate effect to Gate 55! Thank you!“ … Im duty free shop die üblichen Preisfallen … Wein im angeblichen Discount …

Abertausende Düfte …

Vernebeln meine Sinne … wie angetrunken gehe ich durch den Konsum-Sumpf … Hinterm Ausgang klimpert jemand auf ’nem Flügel rum … Victoria’s-Secret Werbung lockt mit Reizwäsche, getragen von Frauen, die es nur im Kino gibt …

Hektisch herumrennende Fluggäste …

Wie ein Schwarm verrückter Hummeln, denke ich … so dröhnt das hohle Rollen der Trollies um mich rum … Menschen schreien in Smartphones … manche lassen Youtube-Videos in voller Lautstärke dröhnen … Kinder kreischen … Erwachsene fluchen …

Überall klingelt es …

Immer schaue ich mich reflektorisch um … Summen meine Ohren jetzt etwa lauter? … Kommt wohl doch alles vom Stress … Nur welche Sorte, frage ich mich … Vom Lärm etwa? Von den vielen Geräten die uns umgeben, die ständig senden …

So wie wir?

Endlich geht unser Boarding los … Wir stehen in zwei Reihen .. Priority-Boarding und die anderen, mit mir dabei … wie die Entlein watscheln wir ins Flugzeug … 1A mein Sitzplatz, richtig so! … Hinter mir machen es sich drei Frauen auf 2A, 2B und 2C gemütlich …

Kräftige Knie knallen mir in den Rücken …

Schweigend erdulde ich … wir heben ja gleich ab … irgendwann rollen wir … steigen flott in den Himmel … mein Surren in den Ohren wird weniger … „Zeig mal her Severine, was hast du für ein Buch mit?“ …

Ach du Scheiße!

Sitzt etwa „Last-Call-Severine“ hinter mir? … Wenn ihr ganzes Leben so abläuft, wie die Ankunft am Flughafen, dann … „Ach sieh an, das kenne ich gar nicht … und? Ist das gut? Wie weit bist du? Tatsächlich? Und? Gefällt es dir?“

„Das ist total super, wie 50s!“

„Was? So gut wie 50 Shades of Grey? Kann ich mir gar nicht vorstellen, Sev! Was?“ … Irgendwann wechseln sie ihr Thema … der gemeinsame Urlaub … Wo sie unterkommen, wie sie sich freuen, was sie an welchem Tag vorhaben, ich weiß alles über sie, wann sie aufstehen wollen …

Ob Café oder Tee …

Bevorzugt wird … womit sie als aller-erstes … sie planen ihren gesamten Urlaub durch, wie schön … „Nein, wirklich!“ … „Das muss du unbedingt, also, nein, so was auch! … „Nicht auszudenken, wenn man“ … „Nun stellt euch das mal vor!“

Irgendwann schlaf ich ein …

Ostern – Odyssee 2024

Karfreitag musste ich arbeiten … Bienvenue en France! … Gleichwohl ich mich zu 51% eher als Atheist sehe … zugegebenermaßen ist dieser eisig-nordische Anteil in den letzten Jahren gehörig abgeschmolzen, wie die versammelte Gletscherlandschaft in den Alpen …

was ich humanistisch gesehen,

als menschlichen Zugewinn erlebe … das Älterwerden scheint, ziemlich überraschend, auch seine guten Seiten zu haben … was den schmelzenden Gletschern vermutlich wenig helfen wird, unabhängig davon, ob CO2 oder El Niño dafür verantwortlich sind …

was arbeitenden Katholiken

genauso egal sein dürfte, wie sozial eher schwächer gestellte Bürger hohe Priorität für Christian „Durchmarsch“ Lindner haben … warum meine katholischen und protestantischen Brüder und Brüder*innen unterschiedlich …

Ostern feiern,

erschloss sich mir Zeit meines Lebens nicht … die einen haben Karfreitag und Ostermontag frei, die anderen nur Montag … bis ich eines Tages lernte, dass die Kurie selber Hand anglegte … man stelle sich das vor … als würde Olaf Scholz sagen …

Strom kommt aus der Steckdose …

Nur ein Schlingel könnte denken, dass den Katholiken 1642 alle Hoffnung verloren ging … als Papst Urban VIII den Karfreitag wieder als … gewöhnlichen Arbeitstag festlegte … laut Wiki Bestandteil seiner 382 Jahre alten Festordnung … womit, bewusst oder unbewusst …

der Heilige Stuhl …

ist sich bis heute nicht ganz sicher … nicht unerheblich Aristokratie und Gutsherren in die Hände spielte, wie zuletzt seine … russischfreundliche Durchlaucht … Gerd „Acker“ Schröder, letzter noch lebender SPD-Kanzler vor Olaf Scholz … offensichtlich sind Protestanten …

in Wahrheit optimistischer …

als die katholische Kirche wünscht … mühselig schleppte ich mich durch meinen letzten Arbeitstag … Kaffeetrinken, Akten lesen, Pinkelpause, dann wieder Zahlenbetreuung … Zwischendurch rauschte die Spülung von der Herrentoilette, wo immer noch …

die Hälfte aller Pissoirs …

für Stunden nachtropfen … Immer wieder kreisen meine Gedanken um das nahende Wochenende … Ostern ist mir wichtig … warum kann ich gar nicht sagen … vielleicht ist es der protestantische Nordeuropäer in mir, der sich stärker im Süden reibt …

so wie ein Pool-Besitzer …

der nicht schwimmt, wo er täglich könnte, aber plötzlich ständig schwimmen muss, wo er den Pool nicht mehr hat … Ostermontag wollt ich nach Mallorca fliegen, so mein Plan … in der Zwischenzeit hatte ich mir fürs Wochenende vorgenommen zu schreiben …

Sonnenschein und gutes Wetter …

versuchten mich davon abzuhalten … Halt! Nix da! So hatten wir nicht gewettet, sprach der … Protestant in mir … Disziplin braucht es! … Meine Güte, ich rede wie mein Vater, dachte ich … nach dem Mittagessen in der Kantine …

wieder rohes Gemüse und Wasser …

raffte ich mich nach dem Café noch ein letztes Mal auf … war mehr ein Aufbäumen … ein paar Meetings fielen kurzfristig aus … Hab‘ Buntwäsche … blieb die einzige Erklärung, die ich als Ausrede identifiziere … doch die kam nicht … alle hatten ernste Gründe …

Kind, oder Partner krank …

streikende Lehrer und Taxifahrer … Stromausfall, Plattfüße und notwendige Werkstatttermine, plötzliche Todesfälle … Lang die Liste … Erleichtert sagte ich den Termine ab … sah aus dem Fenster und fragte mich, wie lange ich diesen Job noch machen würde …

überhaupt, das Konzept „Arbeit“ …

eines der vielen Paradoxien, die ich nie annahm … es blieb mir unmöglich … wie bei roter Ampel und leerer Straße … zu warten, bis grün kommt … plötzlich klopfte es an der Tür … schnell ordnete ich Gedanken und Gesichtszüge …

hatte ich einen Termin vergessen? …

Ich kam nicht drauf und rief so freundlich es mir möglich schien … „Herein!“ … Ach sieh an, eine Kollegin … Mitte / Ende Vierzig, Verheiratet, Mutter von einem Kind … „Wie geht es dir? Hast du kurz Zeit“ …

„Hervorragend, und dir? Na klar, komm rein!“

„Freust du dich schon auf deinen Urlaub?“

„Noch nicht, wahrscheinlich kommt die Vorfreude heute Abend…“

„Nach Mallorca fliegst du, nicht wahr?“

„Genau! Kennst du die Insel?“

„Natürlich! Ich liebe sie! Alles kann man da machen … Strand, Wandern, einfach herrlich! Noch dazu ist sie so dicht … fliegst weniger als eine Stunde, ich finde das toll … dadurch gewinnt man fast einen ganzen Tag, wenn man genau nachrechnet, findest du nicht?“

„Da hast du Recht …“

„Wenn du eine Gegend wählst, die wenig vom Tourismus bevölkert ist, dann kann man auch heute, 2024, wunderbar Urlaub machen … allerdings haben die Preise in den letzten Monaten extrem angezogen … keine Ahnung, ob wegen …

Inflation … und dann die ständigen Streiks!“

„Stimmt, ist wirklich anstrengend …“

„Wenn das so weiter geht, müssen wir unseren Urlaub in Zukunft in Griechenland machen, da soll ja das Lohnniveau noch niedriger sein, weswegen die Preise dort niedrig sein sollten, ich denke da an Benzin, Lebensmittel …

Energiepreise im Allgemeinen …

angeblich ist Griechenland ganz weit vorne mit den Erneuerbaren, hast du davon auch gehört? Angeblich Wasser, Wind und Sonne, alles … stell dir das mal vor! Kreta, habe ich schon oft gehört, soll unfassbar schön sein … warst du mal dort?“

„Ja, es gefiel mir sehr, ich bin damals …“

„Mir auch! Die Menschen da sind wirklich unglaublich freundlich … und das Essen dort, das Wetter, die Landschaft, überhaupt, die Natur an sich, wirklich schön anzusehen … natürlich sind die nicht auf dem gleichen hochentwickelten Stand wie wir … denk da nur mal an Hygiene, oder Wasserentsorgung …

dann deren Thema mit der Energie …

haben die reichlich aufzuholen … soll uns ja auch nicht verwundern, in so einer Umgebung hat man natürlich die Arbeit nicht erfunden … egal wo man hinsieht … immer sieht man Menschen relaxed in Cafés sitzen … einfach unglaublich … während unsereins durch den Tag hetzt … findest du nicht auch?“

„Doch, doch, sicher, allerdings denke ich, dass …“

„Aber diese Nähe zu Afrika, da muss ich sagen … weißt du was ich meine? Angeblich haben die da das gleiche Problem wie auf Lesbos … alles voller Flüchtlinge … Angst macht mir das schon … diese vielen dunklen schmutzigen Gestalten …

stell dir das mal vor …

wenn die vor deiner Unterkunft hausen … da muss man ja Angst bekommen, dass Krankheiten überspringen, wen sie dich schon nicht berauben … nein, man muss schon drauf achten, dass die Unterkünft vom Reisebüros empfohlen ist, sonst kommst du in Teufels Küche …“

„Ihr bucht All-Inclusive-Urlaub, nicht wahr?“

„Unbedingt! Auf Zigeuner-Urlaub lasse ich mich nicht mehr ein … die Menschen sollen gepflegt sein und vernünftig mit mir reden … sonst können wir ja gleich Urlaub in Afrika machen, da weiß du was dich erwartet, verstehst du was ich meine?“

„Natürlich, du hast völlig Recht, allerdings finde ich, dass …“

„Obwohl, wenn ich genauer darüber nachdenke … letztes Jahr waren wir auf Korsika … ich sage dir, da hatten wir ein Erlebnis, dass werde ich mein ganzes Leben nicht vergessen … was für eine tolle Unterkunft … wenngleich, man muss natürlich aufpassen mit den Korsen … sind eine Sorte für sich … immer hinterfotzige Gedanken … nur auf dein Geld aus … so wie die Juden, verstehst du was ich meine?“

„Ich glaube schon, aber wieso denkst du, dass …?“

„Na, wir jedenfalls in dieses Hotel, direkt am Wasser …ein Traum, sag ich dir … aber was für einer, wir bekamen den Mund nicht mehr zu, nein wirklich … unsere Tochter fühlte sich sofort pudelwohl … dann das gute Wetter … fast täglich rannte sie im Bikini rum … wir merken gerade, wie sie Frau wird … wenn sie sich Mühe gibt, sieht sie aus wie 19 oder zwanzig … niemals würde man ihre 15 abnehmen, verstehst du was ich meine?“

„Du ahnst nicht, wie gut …“

„Essen, Pool, Bedienstete, einfach fabelhaft, nein wirklich, bis dann dieser Neger auftauchte, vielleicht war er Mitte oder Ende zwanzig … wir sahen das sofort, wie er ein Auge auf unsere Marie-Claire geworfen hat … dieses Schwein! Ständig hatte er nur Augen für sie …

Ich meine alle drei …!“

„Was meinst du, Sandrine?“

„Zwar war seine Hose weit, aber man sah es sofort … bis in die Knie baumelte sein Pimmel, ohne Scheiß! Einen riesigen Apparat hatte der da hängen … wie ein Kinderarm, mit einem Apfel dran …

nein wirklich!

Sowas hatte ich noch nicht gesehen … klug stellte er’s an, intelligent, kaum merklich stellte er unserer Marie-Claire nach … uns fiel auf, dass er ständig im Dienst war, wenn sie im Bikini am Pool lag … das war doch kein Zufall, unmöglich, meinst du nicht?“

„Ganz sicher nicht, wenngleich ich finde, dass …“

„Ganz genau! Nie ließ er sie aus den Augen … meinen Mann bat ich, sich bei der Direktion zu beschweren … so ein Benehmen kann sich kein Hotel leisten … Na also hör mal! Sag ich ihm! Ruck-zuck kriegen die ihren Laden geschlossen!

Wenn alle Schwatten

sich so benehmen würden, wie dieser Monsterpimmel von Korsika … sofort Konkurs gehen die, aber das sage ich dir … jedenfalls, Nicolas meinen Mann konnte ich nicht zur Beschwerde bewegen … unerhört fand ich das … hab ihm eine Szene gemacht …

mehr als eine …

musste dem doch nicht entgangen sein … wie der Neger hinter unserer Tochter her ist … ganz unerhört, aber was will man erwarten vom primitiven Volk … Nicolas wollte mich allen Ernstes davon überzeugen, dass der Schwarze sich seine Schichten kaum aussuchen könne …

wegen einem französischen Gast …

Aber natürlich kann er das! Hab ich ihm mehrmals gesagt … sieht man doch! Da vor uns ist doch der Beweis! Wirklich immer war er da … vielleicht ist das so ein Männerding … man deckt sich untereinander … überhaupt, manchmal habe ich den Eindruck …

dass mein eigener Mann …

unserer Tochter auf den Hintern schaut, meinst du nicht auch, dass das möglich ist? Stell dir das mal vor, der eigene Vater! So eine Schweinerei!“

„Nein! Kaum auszuhalten! Das wäre ja …“

„Genau! Nach diesem Urlaub hatten wir eine Krise … naja, wir haben sie glücklicherweise überwunden … fürs Erste! … Wenn er mir aber noch mal so zimperlich daherkommt, wenn’s um unsere Tochter geht, drohe ich ihm mit Trennung …

überhaupt, seit Monaten …

ach was rede ich, seit Jahren kümmert er sich nur noch um seine Mineralien … leidenschaftliches Liebesleben? Das ich nicht lache! Aus und vorbei ist es damit! Was? Das glaubst du nicht? Doch, wirklich! Keine Ahnung, wann wir zuletzt …na gut, das gehört hier nun wirklich nicht hin … aber du verstehst was ich sagen will?“

„Aber so was von, Sandrine! Allerdings …“

„Meinst du ich sollte mich von  ihm …?“

Es ging noch länger so weiter … irgendwann war ihr Kropf leer … ihre Frage zur Arbeit? So verschwindend klein, kurz und unwichtig … verzagt ließ ich die müden Schultern hängen, als sie die Tür hinter sich schloss …

Mittlerweile war es dunkel geworden …

Ich fuhr meinen Laptop runter, zog meine Motorradklamotten an, packte meinen Rucksack, löschte das Licht, schloss preußisch ab, und ging zügig aus dem Gebäude, damit mich nicht noch jemand vorm Urlaub abhielt …

Jetzt durfte die Wiederauferstehung kommen …

Broterwerb – Odyssee 2024

7 Uhr am Morgen … mein Wecker klingelt … ich trinke einen Kaffee, sehe aus dem Fenster, was ist denn das? Es regnet Bindfäden … Meine Lust Regenklamotten anzuziehen hält sich in Grenzen …

meine Hoffnung, dass es gleich aufhört?

Entpuppt sich als Fehlannahme … Unser Stadtzentrum? Ein Superstau … mit dem Motorrad zumindest erträglich … langsam schiebe ich mich an der Blechschlange vorbei … hin und wieder muss ich abrupt bremsen, wenn Menschen hektisch über Straßen rennen …

und hinter Bussen auftauchen …

Dann endlich raus aus der City … wenige Kilometer Autobahn … mein Helm ist beschlagen … ich sehe nichts … mache das Visier auf … Gischt peitscht mir ins Gesicht … vorbeirasende Busse und LKW’s verpassen mir eine zweite Dusche …

taste mich mit 80 km/h vorwärts …

Nach drei Kilometern runter von der Schnellstraße … Kommt mir vor wie ein ganzer Tag … Meine Hosen sind durchnässt … ein paar Baustellen sorgen für Verstopfung … nur mühselig geht‘s durch Wohngebiete … eine letzte Ampel, Moment …

die Straßenbahn kommt …

Glück muss man haben … Regen läuft mir den Nacken runter … dann endlich parken … tropfnass steig ich vom Motorrad … alles klebt … kalt ist mir auch … ich lass meinen Helm auf … So bleiben vielleicht die Haare trocken …

Wie Frankenstein …

Stapfe ich über die Straße … klingelnde Lastenfahrräder, mit und ohne Kinder … rasen an mir vorbei … Helme und Lampen auf Köpfen von Vätern und Müttern … alle mit reflektierenden Leuchtwesten …

gehe vorsichtig …

vorbei an rasenden Fahrradkolonnen … von Elektromotoren auf Trab gebracht … beim Haupteingang mustert mich eine kräftige Schwarze vom Sicherheitsdienst skeptisch, scannt mich von oben bis unten ab … leuchtend gelb auch ihre Warnweste …

orangerot baumeln Schlagstock …

und Handschellen drohend vom Gürtel herab … schön schön, denk ich … „Halt! Stehenbleiben!“ … Kraft durch Freude auch hier … hat ja auch lang genug gedauert … erschrocken fahre ich rum, fühle mich schuldig …

„Setzen Sie sofort ihren Helm ab!“

wieso denn das auf einmal … jahrelang ist’s kein Problem … und dann auf einmal, habe bestimmt irgendein Memo wieder überlesen … „Mützen und Helme sind auf dem Werksgelände verboten …

man muss ihr Gesicht erkennen!

Ist eine neue Vorschrift!“ … Ach! Ständig gibt es was Neues … Natürlich zum Schutz unserer Sicherheit … nehme meinen weißen Helm ab … lächle zu ihr rüber … „Sehr gut! Vielen Dank!“ … meine klammen Hände fummeln …

den Firmenausweis aus der Jacke …

zittrige Finger halten ihn ans Lesegerät der Drehtür, die mit Militär-Sicherheitsdraht abgesichert ist  … es piept eindringlich … eine grüne Lampe leuchtet auf … gehe vorsichtig durchs Drehkreuz … ist eng mit Rucksack … nur langsame Bewegungen sind möglich …

Gehe hundert Meter …

Bis zum nächsten Gebäude … Regen pladdert herunter … die meisten Dachrinnen hängen schief, fehlen oder sind verstopft … eine weitere Drehtür … meine Füße schmatzen in den Stiefeln …

quietschend zerschneiden …

sie die Totenstille auf dem Flur … Linoleum, Gipswände und ein Warnhinweis „Safety First!“ erinnern an Gefängnis, Turnhalle und Schlimmeres …schließe meine Tür hinter mir … sitze seit geraumer Zeit alleine …

von der Herde getrennt …

keine Ahnung warum … hat sich so ergeben … meine nassen Handschuhe lege ich auf die nicht funktionierende Heizung … langsam pelle ich mich aus der tropfnassen Jacke, schüttle sie aus, hänge sie an den Haken der Tür …

seit zwei Jahren …

sitze ich in diesem abgelegenen Trakt …  keine Ahnung wie oft ich fragte, ob man vorhat Heizung und Klimaanlage zu reparieren … auch Raumpfleger sprach ich an, ob sie nicht hin und wieder Lust hätten, bei mir vorbeizuschauen …

Spinnenweben sind mehr geworden …

mit den Pappkartons, die sich auf Tischen türmen habe ich mich abgefunden … immerhin ist einer noch frei … selten hör ich Schritte draußen auf dem Gang … meist nur, wenn sich jemand verirrt …

lasse mich seufzend …

auf den kaputten Bürostuhl nieder und öffne die Schublade unterm Tisch … hab dort ein Paar Schuhe und trockene Socken … die Nassen wickle ich in Zeitungspapier … mit dem Rest stopfe ich Stiefel aus … Ah! Herrlich! Trockene Schuhe …

Welch Wonne! …

Ich starte meinen Rechner … Login mit User und komplexem Passwort! … Groß.- und Kleinbuchstaben, Sonderzeichen und Zahlen … zwei Mal gebe ich‘s falsch ein … beim dritten letzten Versuch klappt‘s …

Regen prasselt ans Fenster …

während der Rechner hochfährt melde ich meine Anwesenheit im HR-Tool … habe dutzende neue E-mails … von einem auf den anderen Tag … mit und ohne Anhang … ich überfliege sie, vor Allem Erinnerungen …

mein Handy klingelt …

ich gehe nicht ran … draußen immer noch Regen … ich öffne meinen Kalender … habe heute einige Termine … vormittags „follow-up’s“ von irgendwas … am Nachmittag F2F Termine … ich verbringe den Vormittag mit Reden …

remote, per Video …

obwohl manche im Gebäude nebenan sitzen … ist immer die gleiche Reihenfolge … „Wie geht es dir? Wie deiner Familie? Wie war dein Wochenende? Was hast du denn Schönes gemacht?“ … von 30min sind 2-5min Content …

der Rest Wohlbefinden …

und humanistische Menschenpflege … alle Gespräche sind höflich und diskret … selten sprechen wir Dinge direkt an … Vieles muss wiederholt werden … bei den meisten Gesprächen fühle ich mich als Moderator … zuhören und einander verstehen?

Ist längst nicht mehr selbstverständlich …

viele machen alles Mögliche parallel während der Video-Meetings … Zum Beispiel E-mails schreiben … in allen Diskussionen gibt es viel Verständnis und Nicken … Ob wir das Gleiche meinen, werden wir in den nächsten Tagen wissen …

Gegen 13:00 Uhr Mittagessen …

Ich wärme mich in der Kantine auf … bin am Überlegen eine Suppe zu essen, mir ist arschklat … entscheide mich aber dagegen … vertrage warmes Kantinenfutter nicht mehr … wähle geraspelte Karotten, Sellerie und Obst …

danach Café …

habe am Nachmittag zwei Face-2-Face-Termine … wir unterhalten uns … hören einander zu … keine Ahnung ob wir uns verstehen … ich stelle Fragen, bekomme indirekte oder keine Antworten … blicke aus dem Fenster … merke, mir ist alles egal …

mach mir daher Notizen …

die ich später nicht wiederfinde … Nachmittags lesen von Präsentationen und Akten … geht Letztendlich immer um’s Selbe … mehr schaffen, mit weniger Kosten … gegen 17 Uhr fahre ich heim …

Es hat aufgehört zu regnen …

meine Klamotten sind nass … ziehe mich zuhause um … muss Laufen, um warm zu werden … die viele Sitzerei macht mich mürbe … muss sie mir täglich aus dem Körper klopfen … gegen 19 Uhr sitze ich am Schreibtisch …

gegen Mitternacht …

geben meine Augen auf … ich falle müde ins Bett … ein traumloser Schlaf trägt mich hinfort … morgen klingelt der Wecker um 7 Uhr … Hoffentlich regnet es nicht mehr, denke ich …

dann fallen meine Augen zu …