Archiv für den Monat: Juli 2018

Hormigas

Ich hatte geträumt. Langsam öffnete ich die Augen. Ein seltsames Gefühl befiel mich. Ich war mir ganz sicher: Ich war nicht allein. Langsam sah ich an die Decke, deren Dachbalken vor sich hinschlummerten; dann an die Wände, deren Bilder mich abschätzend beobachteten; leichter Wind blies quer durchs Haus, als wäre es eine uralte Kreuzung; der alte Schrank stand mit einem schiefen Lächeln herum, völlig in sich versunken. Wie es schien, standen auch die zwei Truhen am gleichen Platz wie gestern.

Wer mich letzte Nacht besucht hat verstand ich, als ich an meinem Körper entlang sah: Ameisen! Überall im Zimmer waren sie, besonders viele in meinem Bett. Schon seit Wochen hatten sie Bärenhunger. Kaum vergaß man die Natur, übernahm sie sofort die Herrschaft. Meine Beine sahen aus, als wenn der alte Jesus seine Schrotflinte auf mich abgefeuert hatte. So lange war es noch nicht her, dass die sechsbeinigen Soldaten mein Fleisch verlassen hatten. Ich meinte noch Messer und Gabel in meinen Beinen stecken zu sehen. Das große Jucken hatte angefangen. Wieder hatte die Natur Brocken aus mir rausgebissen. Dass sie am Ende als Gewinner dastehen würde, war ja schon nach der Geburt klar. Aber hinauszögern finde ich okay.

Während die zufrieden in der Morgensonne dahindösenden Ameisen ihr Mitternachtsmahl verdauten, übergoss ich sie und ihre mittlerweile vollständig nachgerückte Sippe, mit dem endgültigen Hauch des Todes. Humanes töten, tierfreundliches schlachten oder friedliches schächten sind doch Widersprüche. Jedenfalls für mich. Im Schlaf finde ich es aber okay. Man hatte eine reale Chance drüben zu bleiben. Das war der einzige Gedanke, den ich reizvoll fand und der mir am Tot gefiel. Sonst war ich kein Freund von ihm. Er machte soviel Freude, wie der Gang zur Toilette. Beides war ganz natürlich, aber man war kein Fan.

Um 10:30 hatte ich einen Termin in Palma. Die Calle Morey liegt mitten in der historischen Altstadt, gleich neben der Kathedrale. Weil parken ein echtes Problem in Palma ist, hatte ich mir vorgenommen, rechtzeitig loszufahren. Nachdem ich mein Zimmer in ein Massengrab verwandelt hatte, putzte ich meine friedlichen Zähne und wusch mich. Die Beine auch, wegen dem Jucken und so. Es störte mich, auch wenn es natürlich und gerecht ist. Die roten kleinen Krater leuchteten wie Gedenksteine. Ich ging runter in die Küche und knipste das Licht an. Mich traf der Schlag: Eine quirlige Ameisenautobahn verlief quer über Gasherd, Arbeitsplatte und Spüle. Ich hatte vergessen die Reste vom Mitternachtsmahl in den Kühlschrank zu stellen.

Ich ließ alle am Leben und stellte den Teller raus. Diesmal war ich selber Schuld. Wenn ich Essen in den Garten stelle, brauchte man sich nicht wundern. Ich fand das irgendwie fair, denn eigentlich war ich selber schuld. Ich füllte Wasser und Pulver in die Kanne, schraubte sie zusammen, drehte den Gashahn auf und schnippte mit dem Feuerzeug ein paarmal den fauchenden Atem an: Donnernd stand die Gasflamme. Während das Feuer dem Kannenboden Feuer machte, hörte ich Radio.

Irgendwann blubberte der Espresso in der Kanne. Endlich Café. Ich trank 2 Tassen und ging zum Auto. Mein Wagen stand ein paar Monate einfach herum. Er sprang sofort an. Ich finde mein Auto klasse. Gerade fuhr ich aus dem Dorf raus, als mich die müde Tanknadel ansprang. Das sah sehr leer aus. Die vielen Kurven sorgten zum Glück dafür, dass man wirklich bis zum letzten Tropfen fahren konnte. Als ich durch den nächsten Ort kam, ging es kräftig bergauf. In einer Kurve gab es erst einen großen Knall, bevor der Motor ausging. Ich kam mir vor, wie eine Fledermaus, die an einer Wand klebt. Geflogen wäre ich jetzt gerne. Ich zündete mir eine Zigarette an. Ich kannte das von früher. Wenn er lange stand, schmollte er manchmal und ging einfach aus. Nach ein paar Minuten sprang er wieder an, als wäre nichts gewesen. Ich glaube mein Auto hat ADS oder so was. Zum Glück war es noch früh, weswegen nur der Inselbus von hinten zu erwarten war. Nach der Zigarette sprang mein Auto wieder an und wir fuhren weiter. Tanken, war jetzt aber unumgänglich. Mit ruckelndem Motor holperte ich in Esporles auf die Tankstelle. Ich war sowieso schon spät. Als ich unten am Hafen dann meine Runden drehte, um einen Parkplatz zu bekommen, waren alle besetzt. Das konnte ich gut verstehen, ich wäre ja normalerweise einer von ihnen gewesen. Längst war die Uhr 10:30. Ich gab auf und parkte am Hafen. Es waren bereits 31 Grad. Was soll ich sagen: Ich weiß nicht mehr, ob es mein Durst war, die Wärme, die Tatsache, dass ich zu spät war, oder ob es die juckenden Beine waren, jedenfalls vergaß ich den Parkschein zu ziehen. Irgendwann hetzte man mit dem Kopf unterm Arm durch die Stadt. Nachdem mich drei Senores in die falsche Richtung geschickt hatten, kam ich um 11:00 in der Calle Morey an.

Zwei bis drei Stunden später war ich fertig und ging zurück zum Wagen. Ich wusste Spanien ist ziemlich pleite, aber die 60€ für falsches Parken fand ich übertrieben. Ich glaube es war die Wärme. Das große Thermometer am Hafen zeigte 38 Grad im Schatten an. Der Innenraum meines Autos war ein Backofen. Ich hatte nicht nur das Ticket vergessen, sondern auch die Wasserflasche unter den Sitz in den Schatten zu legen. Die Flasche lag auf dem Beifahrersitz, leider mit der Öffnung zum Fahrersitz zeigend und kochte vor sich hin. Irgendwann war sie dann geplatzt, wenn es nur nicht MEINE Sitzfläche gewesen wäre, sondern der Fußraum, oder irgendein anderer unwichtiger Scheißplatz im Wagen!

Wie sich das Alter anfühlen könnte erlebte ich an diesem Tag. Vielleicht war es auch alles zusammen: Die Wärme der Stadt, die Gluthitze in meinem Auto, das 60€ Ticket und das unbeschreibliche Gefühl auf einer vollgepinkelten Windel zu sitzen. Bis Esporles fand ich es immer unangenehm. Wenn sich dann aber hinter dem Ort die Serra Tramuntana öffnete, die Luft kühler wurde und der warme Kiefernharz die Luft würzte, fühlte ich mich gleich gut. Die schönen flüssigen Kurven gaben mir immer das Gefühl Ski zu fahren. Ich glaube ich fuhr zu schnell. Wirklich, ich glaube es waren auch nicht die Reifen, die besonders hinten zu wenig Luft hatten: In einer etwas zu schnell genommenen Kurve überholte mich das Heck von meinem Auto. Es war wie in Zeitlupe. Da war der Berg, die Kurve, der entgegenkommende Inselbus, die patschnassen Hosen, das 60€-Ticket und mein Auto, das ganz woanders hinwollte als es sollte. Als ich gegenlenkte hatte ich ein großes Fragezeichen im Gesicht. Als mir der Platz ausging ein Ausrufungszeichen. Der Knall war laut, als ich schräg gegen den Berg prallte.

Das Auto blieb bis auf ein paar Schrammen heil. Schlimm war das nicht, denn er sah auch schon vorher benutzt aus. An Tagen wie diesen ist man zu fast Allem fähig. Das ist nicht schön, aber nachzuvollziehen. Wir haben alle unser Limit. Abends trank ich Bier anstelle Wein. Es schmeckte frisch und kühl. Nach dem Letzten ging ich in mein Zimmer und klopfte den Bettbezug aus, damit aus dem Massengrab ein Bett wurde. Sollten sie ruhig wieder kommen. Ich bin zwar langsam, aber gründlich und gut vorbereitet.

Feuer!

Letzte Nacht hat bei uns im Dorf gebrannt. Genauer gesagt, unten an der Küste, dort wo sie in den Hafen übergeht – ein richtiger Waldbrand. Keine Ahnung, ob ihr schon mal mit Feuer zu tun hattet – Naturgewalten können ziemlich erschreckend sein.

Doch ein Waldbrand ist etwas Besonderes. Das Krachen und Knacken von Holz, wenn Harz kocht, kurze Zeit später in Flammen aufgeht, wenn der Wald trocken genug ist, wenn dann alles rasend schnell geht, wenn weglaufen keinen Sinn macht, wenn man sich lächelnd umdreht, dem Schicksal mit Würde ins Gesicht sehend.

Wenn Wind dazu kommt, wenn er die schwelenden heißen Gase verteilt, wenn nach kurzer Zeit der Funkenflug dazu kommt, dann entwickelt sich eine Flammenhölle, eine Feuerwalze, die so heiß brennt, das Löschwasser sich durch zischende Explosionen in Wasserdampf verwandelt.

2013 brannte es schon mal, allerdings weiter weg, dafür viel schwerwiegender von den Auswirkungen. Die abgebrannten Stümpfe sieht man heute noch nach fünf Jahren am Wegesrand stehen. Letzte Nacht war viel Glück im Spiel. Wind blies nur spärlich – Löschflugzeuge und Hubschrauber konnten den Brand früh eindämmen. Tagsüber brachte die Feuerwehr den Brand unter Kontrolle. Zum Glück kam niemand zu Schaden, oder verlor seine Habseligkeiten.

Eigentlich wollte ich heute schreiben – aber der Waldbrand hat mich sehr nachdenklich werden lassen – wie fragil alles ist, wie schnell ein Paradies zur Hölle werden kann. Du hast Ärger mit deinem Nachbarn – natürlich sind es immer Kleinigkeiten, weswegen man aneinander gerät, immer – oder Stress mit Frau und Mann – ebenfalls nichts weiter als ein Ausdruck von Unzufriedenheit, weil man mit dem friedlichen zufriedenen Leben nicht klarkommt – Krebs, Hirnschläge und vieles mehr – ständig kann das Unheil an der Tür klopfen.

Wenn wir ein solches Unheil dann überstehen, geloben wir so Vieles anders zu machen – jetzt ganz bewusst leben, wirklich Umwelt und Mitmenschen mehr zu achten – so schnell ist alles zu Ende, von einer Sekunde zur Anderen, man merkt es gar nicht. Und dann wacht man irgendwo auf und hat es doch überlebt, keine Ahnung warum. War es Glück? Oder gar Talent, man hat ausnahmsweise etwas richtig gemacht?

Schon komisch – es scheint so, als wenn sich der Mensch ganz ohne Leid selbst verliert – dass er seine Achtsamkeit verlernt, sie ablegt, wie Werte und gute Vorsätze.

Arme Menschen, die sich jeden Tag erkämpfen müssen, bitten jeden an ihre Tafel – bei Reichen bekommt man eine Einladung, damit sich die Tür öffnet. Auch geben Arme leichter, als Reiche, die alles haben. Man soll auch nicht glauben, dass Reiche toleranter sind, oder dass man mit wachsender Macht und gestopftem Konto bescheidener und zurückhaltender wird, mitnichten. Ich habe nichts gegen Reiche, oder Reichtum im Allgemeinen – ich habe nur etwas gegen die Auswirkungen, dass einem alles egal wird und die Tatsache, dass man gute, gar fette Jahre als selbstverständlich nimmt.

Dem Waldbrand von letzter Nacht war es egal, wie ich mich fühle – vermutlich haben erst feiernde Menschen ihn möglich gemacht, ihn geweckt – ist es so nicht mit vielen Dingen? Die Natur erneuert sich ständig und entwickelt sich weiter, ob wir das wollen oder nicht. Wir glauben immer noch, dass wir eingreifen können und Götter spielen, sein sollten – doch im Grunde genommen sieht die Natur uns nur schmunzelnd zu. Sobald wir etwas Törichtes ausprobieren, schlägt sie zurück – mit aller Macht und Konsequenz – wenn es uns erledigt, wird sie am nächsten Morgen genauso lächelnd erwachen wie eh und je – mit und ohne uns.

Das, wurde mir heute wieder klar – wie unbedeutend und klein ich bin – was ich bis hierher für ein Sauglück hatte und dass es nur ein schmaler Grat zwischen Freude, Leben und Leid und Tot ist. Jeden Tag will ich leben, als wär’s mein Letzter – ich werd versuchen, nichts für später aufzuschieben, so wie das besondere Porzellan, dass man üblicherweise für besondere Anlässe geerbt oder gekauft hat – jeder Tag ist ein besonderer Anlass – ich bin gesund und am Leben.

 

Kalter Kaffee – oder was bitte schön ist eine Transformation?

Mein Verleger sagt, ich muss mich auf die Zukunft vorbereiten – keine Ahnung was er meint. Mein Marketing-Experte meint, dass ich meine digitalen Vehikel aktualisieren muss – das Design wäre altbacken, nicht ansprechend und sexy genug – okay, das stimmt wohl; ist ja normal – das Haushaltsbuch von unseren Müttern ist ja auch nicht ansprechend, solange es im Haben ist. Etwas anderes wollte der Blog am Anfang auch nicht sein – nun gut, es hat sich etwas verändert, das sehe ich ein. Wenn man zum Hobby alte Möbel restauriert, ist das was Anderes, als wenn man als Möbel-Tischler seine Brötchen verdienen muss – fragt Josef.

Ich solle mehr mit Youtube machen, sagen alle – so kurze Filme, eine Art Guerilla Marketing, sagt mein Nachbar und Administrator, dieses Blog’s. Zum G20 letztes Jahr – ihr erinnert euch, das Ding in Hamburg mit der Bomben-Stimmung – da hatte er schon eine verrückte Idee. So eine mit Büchern und brennenden Mülltonnen und Krokodilen – zum Glück haben wird das dann nicht gemacht. Eine Mischung aus Angst und Bauchgefühl hielt uns ab – nicht Angst vor Steinen und Feuerwerk – es war mehr die Angst vor Geschmacklosigkeit.

Etwas wirklich Radikales, Witziges und Reißerisches zu machen ist eine Sache – etwas auf Kosten und Schäden Anderer was ganz anderes. Daher bin ich nach wie vor happy, dass es nichts Dergleichen geworden ist. Doch das ändert nichts daran, dass dieser Block langweilig aussieht. Mehr noch – ich glaube, er wird immer von den gleichen besucht, was vermutlich heißt, dass es echte Fans sind, weil das öde Design dieses Blogs offensichtlich niemanden Neues einlädt, hier öfter zu verweilen.

Vielleicht sollte ich wirklich mehr mit Youtube machen – ich könnte mich beim einsamen Weintrinken filmen und dabei munter vor mich hin-schwadronieren. Keine Ahnung, ob das witzig ist oder so aussieht, aber es wäre mal etwas Anderes, so viel ist sicher. Don Tango TeeWee sozusagen – Stammtisch mit einem Stammgast – meint ihr, ich sollte das mal ausprobieren? Wie ist eure Meinung? Schreibt sie mir – ihr könnt euch sicher sein, dass ich antworte und eure Meinung demokratisch mit einbeziehe.

So, aber jetzt wollen wir uns erst einmal das WM-Endspiel ansehen.

 

Nofretete ist im Handel

 

 

 

 

 

Nun ist es soweit – sie ist jetzt für jeden zu haben. Vorbei die Zeit, wo sie nur mir exklusiv zu Füßen lag. Jetzt, wo sie jeder haben kann, fange ich an sie loszulassen. Ich kann nicht sagen, dass es zu viel Zeit war, weil die Dinge ja immer die Zeit brauchen, die sie offensichtlich zum Großwerden gebrauchen, aber es ist nicht weit davon entfernt.

Das mein Verleger die fixe Idee mit den Widmungen hatte, macht es nicht besser – eher im Gegenteil. Er hat damit lediglich dafür gesorgt, dass sich die Zeit der Abnabelung in die Länge zieht – schönen Dank! Bleibt nur zu hoffen, dass seine Rechnung aufgeht – dass wildfremde Menschen die Widmung eines unbekannten Autors für achtenswert, oder gar als reizende Beigabe erachten. Ich selber hab da so meine Zweifel, aber die habe ich ja meistens.

Also, ab sofort ist Nofretete nun im Handel oder bei mir direkt zu erhalten.