Archiv für den Monat: August 2021

Griechischer Wein – Odyssee 2021 CW34

29.August – Gestern hatte Goethe Geburtstag. An sich nichts weltbewegendes, hat doch ständig irgendjemand Jahrestag; meinen Trip in Hellas hat das nicht beeinflusst. Meine Zeit im schönen Gythio ging nämlich genauso vorüber, wie jeder andere schöne Moment im Leben.

Mein Rappe drängte weiter Richtung Kalamata.

Nach einem beeindruckenden Ritt über den zweiten Finger der Peleponnes – von Italien aus gezählt – landete ich auf der Artfarm der Familie Marini. Ein bezaubernder Ort, voller Baumhäuser, Kunst und tollen Menschen. Es wird wenig überraschen, dass ich auch dort eine fantastische Zeit hatte, nicht nur, weil ich wieder in der Kaiadas Höhle von Sparta vorbeisah – jeder erinnert sich an den Film 300, wo Leonidas den Boten von Xerxes, mit einem Fußtritt ins schwarze Loch trat…..

dies Loch gibt es wirklich.

Man hat es schon oft untersucht aber Ende und Tiefe bis heute nicht bestimmen können; stattdessen hat man abertausende menschliche Skelette aller Größen gefunden; man sortierte damals die schwachen Exemplare früh aus; ob sie mich leben gelassen hätten, weiß ich nicht. Hauptgrund meines Lebens ist Neugier….

der des ersten Ausflugs – Mystras.

Doch wie Manches im Leben war auch jener Ort von Entfernung beeindruckender und schöner, als von Nahem. Wie unterschiedlich Architektur selbst in Hellas ist; Mystras sieht aus, als wenn man sich irgendwie weniger Mühe gegeben hat; vermutlich ist das aus architektonischer Sicht eine ungeheuerliche Frechheit, die ich hier von mir gebe, aber irgendwie ist der Funke nicht übergesprungen.

Anscheinend stehe ich mehr auf Antike, statt auf Byzanz.

An den kommenden Tagen knatterte ich durch die Berge, rollte gemütlich durch Kalamata, genoss atemberaubende Aussichten und bekam ständig großartiges Essen serviert; doch auch so großartig schwindet die Zeit dahin; am letzten Abend spielte man extra für mich ein zweistündiges Konzert mit Bouzouki, Gitarre und Violine, während Raki aus Kreta floss – ich dacht an Henry Miller’s Jahr bei den Hellenen vor 90 Jahren – meine Reizüberflutung schritt weiter fort.

Ständig liefen meine Sinnes-Fässer über.

Irgendwann merkte ich, dass ich schweigsamer wurde; vielleicht sind das erste Nebenwirkungen vom Leben, wenn man davon reichlich, oder gar zuviel von abbekommt, ich weiß es nicht; so war es regelrecht erleichterdn, als ich Freitag zum letzten Ort aufbrach,

Kyparissia

Wieder atemlose Landschaften und eine Unterkunft, die dem Premier von Hellas ebenfalls gut zu Gesicht gestanden hätte; doch das Highlight war der gestrige Samstag; nicht nur das ich an einem wirklich paradiesischen Strand lag, der noch dazu völlig leer blieb: Höhepunkt sollte mein griechisches Abendessen sein.

Nicht nur das der Gastgeber mit seinem Kumpel früh morgens zum Fischen raus war und wir also den Frischesten der Welt auf die Tisch bekamen, den ich mir in meinem Leben vorstellen konnte; es wurden so viele Dinge im Superlativ getan und vorbereitet, einschließlich Weine und aller Speisen, die ich mir vorstellen konnte, dass der Gastgeber zurecht irgendwann auf das Symposium von Platon zu sprechen kam; hätte er‘s nicht getan, schien mir gesichert, dass ich daran erinnert hätte.

Plötzlich – aus heiterem Himmel – spürte ich meine Grenzen!

Man stelle sich vor, unser Gastgeber, hätte mit Poseidon persönlich gefischt; natürlich konnte dann nur Prometheus höchstpersönlich das Feuer am Grill entzündet haben; und weil der liebe Feuerspender der Menschheit von Zeus verstoßen wurde – ihr kennt ja die Geschichte mit dem Adler, der tagsüber seine Leber fraß und die sich des nachts generierte – muss natürlich der Göttervater höchstpersönlich mit am Tisch sitzen. Also, Dinner mit Zeus und Anhang.

Und zum ersten Mal spürte ich, dass es mir egal wär!

Ähnlich wie das Paradies – das aus meiner Sicht die größte Lügengeschichte der Menschheit ist, genauer gesagt, ein perfekt-perfides Marketing-Konzept der Religionen, die uns prophezeien, dass wir vielleicht irgendwann dorthin kommen, vorausgesetzt wir verdienen es – ist ein Leben in ständiger Maximierung, oder sprich permanenter Exzellenzjagd, unmöglich bewusst ertrag- und genießbar.

Zumindest nicht für mich!

Ich muss nicht gleich wie Bukowski leben, oder wie mein Freund Diogenes im Holzfass schlafen, oder mich wie Nietzsche und viele andere Intellektuelle bis auf die Knochen selbstkasteien, wenngleich das bestimmt ehrbar ist, aber Hank’s Leben war aus meiner Sicht quasi der Gegenentwurf, zum obig beschriebenen Maximierungs-Olymp, natürlich gewürzt und sogfältig abgeschmeckt mit Musik, Literatur und Wein.

Ich bin eher der Typ „Stamm-Bistro“ als Götter-Olymp, Himmel oder Paradies.

Es muss auch nicht zu sauber sein; ein gewisses Maß an Ordnung ist natürlich wünschenswert, aber die permanente Suche zur klinischer Reinheit, dem Maximum, oder zur Perfektion, oder gar zum Sieg, ist mir wirklich fremd; natürlich mag ich guten Wein lieber, als Schlechten – was nicht heißen muss, dass ich ständig edle Tropfen trinken muss; ich mag auch nicht jeden Tag Sterneküch; ein paar Tage griechischer Joghurt langt völlig.

Ich bin mehr für Gemütlichkeit und Hügge; das skandinavische Pendant ist irgendwie kosmopolitischer – bei Gemütlichkeit, kommen mi gleich so komische Bilder in den Kopf – was vermutlich eine Art Erbe des Deutschsein ist – wer weiß das schon. Einfach mal schlichten Vin de Table trinken, wie die Franzosen, kann an vielen Tagen völlig genügen; auch muss ich nicht ständig mein Essen im Internet bewerten.

Manchmal ist gut einfach gut genug.

Und das brachte mich dann heute auf die Idee, womit wir Menschlein am Meisten zu kämpfen haben. Ich besuchte das antike Olympia; es sieht nicht mehr so ganz frisch aus; Erdbeben, Überschwemmungen und zerstörerische Imperatoren wollten es dem Erdboden gleichmachen; ist doch wirklich ein Defekt des Menschen, dass er dazu neigt, schöne Bauwerke kaputt machen muss, wenn sie nicht von ihm sind.

Wegen Ketzerei, soll man angeblich Olympia planiert haben; dabei ist man ja selbst einer, aus der Sicht der anderen; irgendwie suhlen wir uns ständig im eigenen Saft; zu selten kommt Neues hinzu – und wenn, dann machen wi es kaputt, weil es jemand anderes erschaffen hat – was ist bloß los mit uns? Im kleinen neide ich dem Nachbarn den schönen Garten und schneide heimlich alles ab, was über die Genze wächst und im Großen, als ausgewachsener Kaiser, Diktator oder weiß der Geier was, zerstöt man wundersame Bauwerke, oder warum nicht gleich ganze Völker und Landschaften…..

Stumpfsinn bleibt was es ist – im Großen oder Kleinen.

Was das mit meinem Hellas-Urlaub zu tun hat? Tja, dreimal dürft ihr raten; wenn man genau hinsieht, sind wir rein menschlich gesehen nicht so viel weiter gekommen; rein technisch betrachtet natürlich schon, wenngleich immer der schnöde Kommerz hinter Allem steckt; irgendwie nervt das.

Warum das so ist ..?

Sprich, warum wir uns in Wahrheit so gut wie gar nicht, von Generation zu Generation menschlich weiterentwickeln, konnte ich Samstagabend erleben; wenn die Jungen nicht die guten Dingen Dinge der Alten erkennen und übernehmen – und die Alten nicht das Neue der Kinder-Generation, dann wurschteln wir uns halt so durch und hangeln uns von einer Krise zur Nächsten, bis uns die Zunge auf besagtem Boden hängt – und das nun schon seit tausenden Jahren!

Wollen wir das nicht mal ändern…?

Spartanischer Regen – Odyssee 2021 CW33

22.August – Seit Donnerstag bin ich wieder in Hellas. Ich landete am Nachmittag und wurde von griechischen Freunden willkommen geheißen; die liebevolle Herzlichkeit haut mich immer wieder um, besonders wenn man teutonische Wurzeln hat; Deutsche lieben es, zum Griechen um die Ecke zu gehen; auch fühlen sich nahezu alle Gemanen in Hellas pudelwohl, weil Griechen bekanntermaßen gastfreundlich und herzlich sind.

Warum Teutonen daraus nicht lernen und selber auftauen – so, wie Deutschland umgekehrt nach der Finanzkrise 2008 erwartete, dass man von Hellas erwartete, deutsche Renten- und Steuertugenden zu übernehmen – entzieht sich genauso restlos meinem Verständnis, wie all die ungezählten anderen Dinge, die ich mit mir rumschleppe und die mir die Arme immer länger ziehen, dass meine Handrücken drohen, auf der Erde zu schleifen…

Wie immer habe ich ein Motorrad von meinem Freund Savvas; seine Firma Motorent zu den Füßen der Akropolis ist meine erste Wahl; nachdem ich mich über das nagelneue Suzuki Touring-Moped freute, knatterte ich aus dem quirligen Stadtzentrum Richtung Korinth; Athen ist für mich die unglaublichste Stadt der Welt!

(da ich unsere alte europäische Welt noch nie verlassen habe, und es nicht so aussieht, dass sich daran etwas ändert, beschränkt sich meine Welt auf Europa.)

Ich habe in vielen anderen Geschichten Ähnliches erwähnt und bekam deswegen eine Menge Leserbiefe, die sich um die Frage drehen, warum ich ausschließlich Europa bereise; daher antworte ich exemplarisch mit zwei Beispielen, warum ich aktuell – das heißt bei mir gestern heute und morgen – nicht verlassen möchte.

Beispiel eins – USA,

Umwerfendes Land, aber fü mich der Ursprung allen modernen Übels, sei es Rassismus und Heuschreckenkapitalismus, der schon vor hundert Jahren große Erfindungen wi z.Bsp. von Nikola Tesla verhinderte, mit dem Selbstverständnis, Weltmacht Nummer eins zu sein; alleine die Arroganz und Selbstherrlichkeit sich „United States of America“ zu nennen ist Witz genug; als würde es kein Kanada und Südamerika, mit dutzenden Ländern geben, als bestünden beide Kontinente aus den USA.

Beispiel zwei – Asien,

China zu besuchen ist mir genauso unmöglich, da ich aus den gleichen ethisch-moralischen Gründen, wie ich die USA nicht bereise, auch den Gegenpol nicht heimsuche, wenngleich es unfassbar viele beeindruckende Dinge in deren Kulturen gibt; ich halte mich an Europa, weil es dort fü mich mehr als reichlich zu sehen und lernen gibt.

Gemütlich schaukelte ich die Autobahn entlang.

Immer wieder sah ich links und rechts vebrannte Bäume, Sträucher und kohl-schwarze Flächen, sowie Qualm am Himmel, was mich daran erinnerte, das Hellas unter aberdutzenden Waldbränden leidet; aus Pietät und Anstand machte ich keine Fotos, weil es einem Stiche ins Herz gibt und solche Fotos genauso wenig angebracht sind, wie von übefahenen Tieren…

Bei knapp vierzig Grad, fühlte ich mich mit Shorts und T-Shirt ausreichend angezogen, wenn man von Helm und Handschuhen absah; als ich über den beeindruckenden Isthmus von Korinth fuhr, hielt ich wie immer die Luft an; es geht da so tief runter, das ich jedes Mal heilfroh bin, wenn er vorüber ist – wachsende Höhenangst sei Dank!

Ich muss gestehen, dass es wirklich nach all dem verfickten Corona-Wahnsinn Balsam für meine freiheitsberaubte Seele ist, quasi nackt mit‘nem Moped duch Hellas‘ zu fahren, dass ich es nicht in Worte zu packen vermag;

heißer Wind auf der Haut, Sonne, der Duft von Meersalz, schwitzende Kiefern, die sich hin und wieder selbstentzünden, dazu die Kräuter und all die vielen Archäologischen Stätten, die sich gefühlt alle 2Km übereinander-türmen, rühren mich zu Tränen, dass es so etwas noch in unserem biederen, geordneten Kontinent gibt.

Aus Solidarität haben meiner Meinung nach alle Akademiker und Gutverdienenden die Pflicht, maximal viel Geld in Hellas zu investieren, wenn man schon nicht hinziehen will! Aber das ist eine eigenen Geschichte – im Grunde ist s ein ganzes verdammtes Buch wert…!

Nach einer Weile ging es weiter Richtung Tripolis; mein Ziel war Sparta und wie immer hatte Lakonien ein iangemessenes Empfangskomitee bereitgestellt; ich spürte es schon, bevor ich‘s sah; bedohlich zog sich der Himmel zu; immer dunkler wurde es; man konnte riechen, das was in der Luft lag; nach dem dritten oder fünften Tunnel bekam ich erste Tropfen aufs Visier geklatscht, dass ich nur noch eins dachte:

Schnell zu nächsten Tankstelle!

Normalerweise gleite ich mit hundert Stundenkilometern über Hellas geschundenen Rücken; nachdem mir aber die ersten Tropfen signalisierten, dass ihre ganze Sippe kommen konnte, gab ich meinem Gauel die Sporen, wie einst Leonidas bei den Thermophylen und segelte mit meinem zweirädrigen Katamaran bei haarstäubenden Winden über den Strom des schwarzen Asphalts.

Endlich das rettende Schild – Tankstelle 15km

Die griechischen Götter sein Dank; unterdessen wurden die Tropfen zahlreicher; dann fing ich an mit Zeus zu reden; ich bat ihn, noch einen klitzekleinen Moment zu warten; und tatsächlich: Er lächelt milde, bis ich unter dem Dach der Tanke stand. Dann spannte ein lakonisches Unwetter seine Muskeln.

Ich dachte an Sintflut.

Mehr hatten die damals garantiert nicht; die Autobahn war ein reißender Strom; innerhalb von wenigen Minuten kühlte es von 37 auf 20 Grad ab; immer noch stand ich in kurzen Hosen und T-shirt rum; schnell legte ich Pulli und Jacke an, da der Wind an Nordsee erinnerte; Berge, die nur wenige hundert Meter entfernt standen, verschwanden im Grau der Wassermassen; die zwei Tankwarte lachten, als sie Fluten, mein Motorrad und meine kurzen Hosen betrachteten.

Es schüttete eine Stunde.

Welch ein Donnerwetter, typisch Sparta, dachte ich und fragte mich, was das eigentlich bedeutete; wenn wir sagen, etwas ist spartanisch, dann nutzen wir das Wort als Synonym für spärlich, genügsam, sparsam, einfach, knapp und hart, genauso wie wir das Wort „lakonisch“ nutzen, dass im Sprachgebrauch ähnliche Vorgänge, Zustände und Eigenschaften beschreibt; woher kommt diese Redensart, wo doch niemand weiß, wie man dort lebte, Wissenschaftker eingeschlossen – Ich nutze sie, weil ich vor Ort bin, so wie ich sagen könnte, Hamburger Nebel, wenn man Nebel in Hamburg beobachtet.

Vielleicht war deren Bildung und Essen immer reichlich?

Weil mir Sparta ‘ne ganze Stunde schenkte, grübelt ich eine Weil herum; ich kaute und kaute und verstand, warum sich so viele Redensarten verselbständigen, ohne dass sie Bezug zur Sache haben; in anderen Sprachen wie Französisch, Spanisch usw. ist das ähnlich; unsere Alltagssprache setzt sich oft aus verfremdeten Begriffen zusammen; auffallen tut das dann meist einem Dazugereisten, der die Lokalpatrioten mit merkwürdigen Fragen malträtiert.

Ein paar Beispiele, um für nachhaltige Verwirrung zu sorgen:

Apokalypse – bedeutet übersetzt, Auf-deckung, oder Ent-Manteln, vom griechischen „kalipsis“, verdecken, verhüllen, kombiniert mit dem griechischen wort „apo“ was veschiedene Dinge, wie zum Beispiel die Umkehrung von etwas bedeutet, je nachdem wo die Betonung liegt, auf „a“ oder „o“ – und doch hat sich die Apokalypse als etwas Negatives eingeprägt, wie das Ende aller Zeiten, das Jüngste Gericht usw.

Oder Selbstbewusstsein.

Umgangssprachlich wird Selbstsicherheit gemeint, jemand hat ein selbstsicheres Auftreten, obwohl es eigentlich das „sich selbst bewusst sein“ oder „sich seinem Selbst gegenüber bewusst sein“ beschreibt; im französischen sind zum Beispiel die „weisen Frauen“ die „sages femmes“, die Hebammen; als Dazugereister hat man da seine Schwierigkeiten, genauso wie mit „oeuf a la coque“, was genau übersetzt „ei mit schale“ heißt, aber man im Alltag ein weichgekochtes Ei meint…..die Liste ist unendlich lang.

Was ist die Moral von der Geschicht?

Das es viele Worte gibt, die Verschiedenes bedeuten, die wir verschieden nutzen, dass man den Eindruck bekommt, dass viele Worte nicht automatisch viel Bedeutung transportieren; ich merke es dann, wenn ein Mensch auf einer anderen Wellenlänge ist, als ich es zum Beispiel gerade bin.

Wenn ich positiv eingestellt bin, kann ich mich erfolgreich mit Händen und Füßen verständlich machen, selbst wenn ich ortsübliche Dialekte nicht spreche, wie uns Taubstumme täglich vorleben, während man mit jemandem, der eine gemeinsame Sprache perfekt spricht, genauso wenig Garantie hat, sich verständigen zu können.

Die Moral könnte vielleicht sein, dass man stets anstreben sollte, positiv den Menschen zugewandt durchs Leben zu gehen, statt nieder-frequent, verschlossen und negativ-pessimistisch den Menschen Energie abzusaugen; doch selbst meine spartanischen Gedanken verstrichen genauso wie lakonische Stunde…..

Schnell kam die Sonne zurück.

Gut gelaunt schwang ich mich auf mein Stahlpferd und ritt nach einer weiteren Stunde durchs dampfende Evrotas-Tal winkend an Sparta vorbei, bis ich abends bei sonnigen 32 Grad reizüberflutet in Gytheio ankam, schwer von der Meerpromenade beeindruckt, weil Gischt hier direkt auf die Straße spritzt, während sich kleine Fischrestaurants wie bunte Perlenschnüre aneinanderreihen, wo man sang und sich zuprostete, bis einem Licht oder Sonne ausging.

Am darauffolgenden Samstag erkundete ich die Umgebung und freute mich über „Dimitrios‘ Schiffswrack“ das am gegenüberliegenden Strand von einem vermutlich spartanischen Sturm erfasst und an Land geworfen wurde, um Attraktion für Strandindianer zu werden; ob Dimitrios der Name des Wracks, des angrenzenden Cafés oder des Kapitäns ist, konnte ich nicht herausfinden; vielleicht heißen alle drei so,

wer weiß das schon so genau…

Explosion in der Küche – Odyssee 2021 CW32

15.August – Vorgestern Abend wurde es wieder etwas später. Ich glaub es war so zwei Uhr nachts, als ich mich nackt aufs Bett legte und hoffte, dass Morpheus mich bald heimsucht. Doch so einfach ging das nicht. Wir hatten immer noch 30 Gad und es blies ein solch warmer Wind aus Afrika, dass ich dachte, mich aus Versehen in einen Umluftherd gelegt zu haben.

Ob das Auswirkungen der Klimakrise sind?

Irgendwann steckte ich mir Ohrenstopfen rein, um das Surren und Schmatzen der Insekten nicht mehr zu hören, während sie mich auffraßen. Ab Mitte August ist es nämlich meist schon so lange trocken, dass sich unsere lieben Feunde wirklich auf Alles stürzen, was irgendwie nach Nahung aussah oder duftete.

Zum Glück gibt es eine Müdigkeit, wo das funktioniert, während man sich bei einer Siesta meistens wütend um sich schlägt, bis man entweder erschöpft einschläft, oder voller Verzweiflung aufgibt. Als ich mich dann in der Küche zu schaffen machte, begann ich wie immer mit Tee.

Ich trinke morgens zwei Tassen Tee, bevor ich auf Café wechsle, aber nur wenn ich zuhause in meinem Dorf auf Mallorca bin; wenn ich dann meine in Tee gedippte Madeleines verzehrt habe, wird Stufe zwei gezündet. Immer mache ich italienischen Espresso, mit der alten Alukanne, also ganz klassisch – aber nur in meinem Heimatdorf auf Mallorca.

Ihr seht, wohin man auch sieht – überall Rituale.

Wie immer füllte ich Wasser und Kaffeepulver ein, schraubte das Ganze zusammen und stellte die Kanne auf die Gasflamme – wie immer setzte ich mich dann wieder an den Tisch, weil es in der Regel 10-15min dauerte, bis alles Wasser durch den Steigschacht gedampft ist, was sich mit Fauchen und Zischen ankündigte und einem sagte – du kannst mich bald vom Herd nehmen und das Feuer ausschalten.

So tat ich es und Gott sah, das es……nein, in diesem Fall nicht….!

Wie immer ging ich zum Herd, um nachzuschauen, ob das schwarze Gold sprudelte; in Wahrheit ist nämlich Café das schwarze Gold und nicht Erdöl, aber das ist eine ganz andere Geschicht, die ich im neuen Buch erzähle – heute morgen jedenfalls lief alles wie immer, bis ich kurz den Deckel hob, um reinzusehen und mich gerade umdrehte, als die Kaffemaschine….

explodierte!

Gerade, als ich mich vom Herd wegdrehte – die griechischen Götter sein Dank – gab es einen lauten Knall, wie man ihn am ehesten auf dem Truppenübungsplatz in Munster erwartete, wo man mit richtigen Granaten und nicht mit italienischen Kaffeemaschinen übte – und in seiner Küche erwartet man so etwas schon mal gar nicht!

Warum das Sicherheitsventil nicht funktionierte, weiß ich nicht.

Viel interessanter fand ich das Gemälde, in das das kochende Kaffeepulver meine Küche verwandelte. Alles war mit feinstem schwarzem Pulver überzogen, während um den Bombenkrater eine grobkörnige Druckwelle die weiße Wand, samt Herd, Kücheninstrumente, Geschirr und was noch so alles herumlag, in ein zum Sterben schönes mattschwarz tunkte, dass es eine Wonne war, wie wunderbar dies Stillleben jede Form von Licht verschlang.

Tja – was sagte man dazu?

Man konnte manchmal Glück im Leben haben, oder war es Vorsehung? Wer weiß das schon – meine Freunde im Dorf jedenfalls sagten sofort, dass es ein Zeichen sei – welches sagten sie nicht – auch unser Dorfdruide blickte ernst drein und sah das Ganze als Zeichen des Kosmos und des globalen Wandels.

Vermutlich las er es in den Knochen vom Lamm…..

Als dann noch Internet und Smartphones von 16:00 Uhr bis morgens tot blieben, war für ihn klar, dass es an Feitag dem Dreizehnten oder Blackfriday lag, der die neue Worldorder ausrief, worauf er schon so lang wartete – als dann niemand darüber schrieb und sprach und es so aussah, dass es nur Mallorca betroffen hatt, weil vormittags dutzende Nachrichten aus allen Herren Ländern reintröpfelten, die man unterdessen gesendet hatte, wunderte er sich und sah enttäuscht aus. Schnell wechselte er das Thema auf Corona, um was zum Meckern zu haben.

Manchmal glaube ich, dass Komfort sich wirklich nur negativ auswirkt; ständig nörgelt man an Allem rum; wenn es dann noch still und friedlich ist, muss man ja regelrecht ausflippen oder nicht? Ich sag’s ja immer – ohne Krieg ist der Mensch nicht glücklich und sei es ein Streitgespräch unter Freunden – ich für meinen Teil hatte jedenfalls genug, nachdem sich meine Küche in einen Handgranatenwurfstand verwandelte…..

Zum Glück gab‘s in unserer Dorfbar auch leckeren Café….

Müßiggang und Waldbrände – Odyssee 2021 CW31

08.August – Letzte Nacht habe ich viel geträumt. Ich war auf einer Art Flughafen. Menschen kamen und gingen, mit und ohne Trolleys. Ein paar Gesichter aus meiner Vergangenheit erkannte ich. Irgendwie war das ganze überdacht und ziemlich groß. Überall standen kleine Stände verstreut herum; überwiegend Frauen boten dort verschiedenste Waren an, ähnlich jenen, die einem auf dem Flughafen von Palma Kreditkarten andrehen.

Mein Gedächtnispalast hat da vermutlich ein paar neue Puzzleteile hinzugefügt und das ganze bei kleiner Flamme gegart, bis diese Film rauskam. Interessanterweise war ich nicht nur Beobachter, sondern selber auf reisen. Mein Rucksack sprach Bände. Nur wohin, wusste ich im Traum nicht; ich kam nicht bis zum Gate. Vielleicht beim nächsten Mal; oder auch nicht – wer weiß das schon. Muss man immer Ziele haben, oder wissen, wohin man will?

Eben – finde ich auch!

Vielleicht hat das Ganze weniger Tiefgründigkeit, als ich wahrhaben will. Oft ist das Leben ja einfacher, als man denkt. Der Traum könnte mit meiner anstehenden Entscheidung zusammenhängen – soll ich, oder soll ich nicht – in elf Tagen nach Hellas fliegen, trotz der vielen Brände, die den Hellenenbund in Angst und Schrecken versetzen?

Flüge habe ich nämlich schon, nur wenn es stimmt, dass dort dutzende Walbrände Leben, sowie Hab und Gut tausender Griechen bedrohen, wie übrigens auch in der Türkei, dann erklärt sich mein Traum als ausgesprochen pragmatisch und nicht spirituell-esoterisch.

Allerdings hat unser Dorfdruide mich gleich heute Morgen beim Frühstück darüber aufgeklärt, dass alle Brände von Menschenhand gelegt wurden, besonders die, in der Türkei. Dort haben unterdrückte Kurden ein Zeichen setzen wollen. In Griechenland waren es unzufriedene Bürger, um der Mitsotakis Regierung zu zeigen, dass sie mit der Politik nicht einverstanden sind.

Auch hat unser Dorfdruide verkündet, dass es nicht genügend Löschflugzeuge in Hellas gibt, weil die Fördergelder, um neue zu kaufen und vorhandene zu warten, auf dem Weg dahin versickert sind, so wie immer, weil sich seinem Vortrag nach lauschend, jeder sich dort nach wie vor die eigenen Taschen füllt, bis am Ende nichts übrig bleibt, um die ursprüngliche Sache umzusetzen. Klingt plausibel.

Unser Druide erinnet mich an die weise Müllhalde bei den Fraggles.

Ob er das Wissen aus Knochen, oder schlicht, wie wir alle, im dem Internet gelesen hat, weiß ich nicht. Fakt ist, dass er auf alles eine Antwort hat – UND – viel wichtiger, jedem einen Vortrag zu allem Menschenmöglichen geben kann, inklusive buntem Strauß Lebens- und Ernährungs-Ratschlägen.

Sein Register ist so breit, dass er mich schlicht demütig zum Schweigen bringt. Egal ob Ernährung, Politik, Wirtschaft, Medizin, Gesundheit: Einfach alles weiß er, oder hat zumindest eine ziemlich weise Antwort parat. Ganz im Gegensatz zu mir.

Ich weiß kaum was.

Oft beschleichen mich Ahnungen und Vermutungen. Doch wahres Wissen macht immer einen Bogen um mich. Ich vermute, es liegt an meiner Neugier. Sie ist kaum zu befriedigen. Viellicht nistet sich Wissen deswegen ungerne bei mir ein. Denn ob die Brände von Menschenhand gelegt, oder selbst entzündet wurden, ändert nichts an den verheerenden Schäden und dem Verlust der Menschenleben.

Auch habe ich Zweifel, dass alle Feuer das Werk menschlicher Unzufriedenheit sind. Vielleicht hat man den heißen Wind aus Afrika unterschätzt und hat tatsächlich ein paar gelegt, um bedrohlich zu sein und der unterschätzte Wind hat dann die Wirkung vervielfacht.

Denn vielleicht kann der moderne Grieche weniger Hitze ab, als seine antiken Vorfahren, weswegen er auf solche merkwürdigen Ideen mitten im glühend-heißen Sommer kommt. Vielleicht ist aber auch alles ganz anders, wer weiß das schon?

Ich jedenfalls nicht.

Gleichzeitig schaltet man in Frankreich einen weiteren Gang hoch, um die Demokratie vollständig zu begraben, wie unser Dorfdruide beim dritten Cortado hinten an schob, den er mit einem extra gereichten Grappa, in einen Carachilio verwandelte. So hochwertig erweckte Lebensgeiste lassen Superkräfte entstehen, weswegen er weitere Weisheiten, aus seiner pandorischen Glaskugel mit uns teilte.

Ab morgen muss man in La France Impfpässe mit sich führen, um Supermärkte und andere öffentlich zugängliche Geschäfte und Institutionen zu betreten. Natürlich darf man dann auch nur noch mit Impfpass fliegen und per Zug und Bus reisen.

Was machen dann alle die Mitbürger, die keine Smartphones haben, wie zum Beispiel die Älteren unter uns, und sich somit keine digitale App runterladen können? Müssen die dann in Zukunft analoge Exemplare mit sich führen, wenn sie einkaufen wollen? Was ist, wenn manche sich nicht impfen lassen wollen?

Können die dann nur noch online einkaufen?

Was aber, wenn man WEDER Internet, noch Smartphone hat und NICHT geimpft ist und daran nichts ändern will? Ist man dann Bürger zweiter Klasse? Muss man das volle Bürgerrecht dann neu erwerben, zum Beispiel mit gemeinnütziger Arbeit, oder beim Ausüben von besonderen Arbeiten, unter schwierigen Bedingungen?

In Deutschland zum Beispiel, war man während und nach dem Dritten Reich ja seiner Zeit weit voraus. Man verdiente sogar gut. Vielleicht macht das Beispiel der IG-Farben europäische Runde, wäre das nicht auch eine Form von Fortschritt?

Die Straße zu unserem kleinen Dorf zum Beispiel, wurde während der Franco-Zeit von Kriegsgefangen gebaut. Und der reichlich gedeckte Tisch, französischer Sozial-Incentives, während und nach dem Algerienkrieg, biegt sich ja bis heute so mächtig durch, dass man sich wundert, warum er nicht schlicht und ergreifend bricht.

Man könnte den Eindruck bekommen, dass jedes EU-Land seine eigene Form der IG-Farben gefunden hat. Wäre es mit diesem gewaltigen Erfahrungsschatz nicht an der Zeit, Europa endlich neu zu gestalten?

Genau das ist der Plan – sagt unser Dorfdruide.

Man muss vielleicht nicht gleich so gründlich vorgehen, wie es die damalige Großzügigkeit der IG Farben AG erlaubte, dass man privat-finanzierte KZ’s baut, um günstige Arbeitskräfte zu beschaffen – Ghettos, mit gesicherten Wohnheimen reichen heute völlig aus, denke ich.

Denn mit Fernsehen – Gott sei‘s gedankt – Zigaretten, ausreichend Alkohol und einem erzwungenen Gesundheitssystem kann man der digitalisierten Arbeitsbiene auf der einen Seite genug Zerstreuung bieten, um Zufriedenheit zu erhalten – UND – auf der anderen, das Risiko von Ausfällen durch Widerstand, Krankheit oder gar mangelnder Leistung minimieren.

Heute ist man sich selbst der beste Gutsherr!

Moderner Effizienz- und Lebensgestaltung sei Dank. Man muss heute keine Konzentrationslager mehr bauen; ein paar Siedlungen ähnlich Gebildeter und Gesinnter langen völlig aus, um die wöchentlichen vierzig bis fünfzig Stunden (Arbeit, inklusive An-Abfahrt) ertragbar zu machen.

Und das alles unter dem Deckmantel von Gesundheit und Sicherheit – ist das nicht prima? Heute ist jeder behütet und geschützt, dass er sein Leben in Frieden und Ruhe leben kann, solange er die Marktwirtschaft weiterhin unendlich lang ankurbelt, bis Selbige bricht, oder die Natur sie ihm aus der Hand nimmt.

Jedenfalls doziert das unser Dorfdruide.

Ob das alles stimmt? Keine Ahnung. Die oben erwähnten Waldbände gibt es; vermutlich werde ich wirklich deswegen nicht meine Hellenen besuchen; die verschärften Maßnahmen in Frankreich gibt es ebenfalls; ob ich deswegen wieder Schwierigkeiten bei der Einreise bekomme, weiß ich noch nicht.

Aber alle Internet-Propheten sind sich einig, dass sich jeder selber schlau machen soll. In diesem Punkt bin ich mit ihnen einig. Doch das gilt, seit es die Menschheit gibt und nicht erst, seit man es uns sagt. Was das alles für mich bedeutet?

Keine Ahnung.

Ich rauche jetzt zwei bis drei Joints pro Tag und überlege, ob ich nicht selber Marihuana anbaue. Mir erscheint gärtnern mit diesen Pflanzen sinnvoller, als im Internet zu surfen. Und wahrscheinlich werde ich mein Hellas-Urlaub in den Herbst verschoben. Der breiten Unzufriedenheit bei Kurden und Griechen wirkt das wahrscheinlich nicht entgegen.

Aber was soll ich machen?

Der eigene Wirkradius scheint sich – trotz Digitalisierung – nicht vergrößert zu haben; unser Dorfdruide behauptet sogar das Gegenteil. Wegen ihr hätten sich die Menschen von der Natur entfernt. An dem Punkt ist etwas dran, auch wenn ich das natürlich nicht beweisen kann. Es ist eher mein Bauch, der mir sagt – klingt ganz vernünftig. Ob es deswegen richtig, oder gar wahr ist, kann ich nicht sagen – findet es heraus. Ich bin noch dabei.

Ob ich mir wegen den schweren Themen mein Leben versauern lasse? Nicht die Bohne! Kommt überhaupt nicht in Frage. Es bleibt, trotz dem nahen Ende, dank menschgemachter Klimakrise, trotzdem erlaubt, das Leben zu genießen und sich des Selbigen zu erfreuen. Gute Weine, tolle Menschen und schöne Bücher helfen dabei ungemein – wenn ich darüber nachdenke, hat das schon mein Großvater immer gesagt.

Rede ich jetzt etwa schon wie Opa?

Oder galt diese Lebensweisheit vielleicht auch schon immer, seit Menschheitsgedenken? Keine Ahnung, ist mir auch egal, denn ich werde nicht den Fehler begehen, das Gegenteil meiner Eltern und Großeltern tun, nur weil sie es propagierten; dann würden wir Menschen uns ja nie weiterentwickeln, wenn wir jedes alte vorhandene Wissen ausklammern, nur weil es von Alten kommt; wie dumm wäre das denn?

Eben – ziemlich!