Archiv für den Monat: Dezember 2013

Überraschung

Die ganze Welt spricht vom Jahreswechsel. Alles redet ganz aufgeregt über das neue Jahr. Was waren die Highlights im Alten, was werden die Neuen im Neuen. Warum Menschen aber so sind, immer nach hinten oder nach vorne sehen und dann noch nach Zahlen, Jahren, Monaten und Zeit geordnet, das habe ich nie verstanden. Zeit. Das ist doch eine Erfindung des Menschen. Die Natur hat keine Ahnung was Zeit ist. Das Krokodil hat keine Armbanduhr und ein Bartgeier keinen Flugplan. Jedenfalls meistens nicht. In der Natur ist immer jetzt. VOR 1000 Jahren und IN 1000. Ich bin. Jetzt. Fertig. Keine Ahnung warum die Menschen immer über Dinge reden, die nicht jetzt sind. Oder Dinge für die Zukunft, anstelle Richtiges für das JETZT zu tun. Als kleiner Junge verstand ich das damals schon nicht. Besonders dann nicht, wenn Menschen wie Tante Maria, oder meine Mutter von DAMALS sprachen. Oder wenn sie mir ausmalten, was in meinem Leben noch auf mich zukommen würde. Da ging es oft um Tugenden wie Fleiß, Disziplin und Demut. Für sie war das ganze Leben ein einziger Kampf. Mit ihren Tugenden machten sie sich dann ans Werk, machten die Dinge, die noch heute ihr Lebensinhalt und Lebensmittelpunkt sind: Entsagung, Kampf und harte Arbeit.

Ich erinnere mich: Ich war noch jung, vielleicht 10 Jahre alt, als ich das erste Mal darüber anfing nachzudenken. Was sie da sagten klang irgendwie anstrengend. Richtig mühselig. Gar nicht so lustig und fröhlich wie ich mich fühlte. Ich fand, dass ihre Welt so gar nicht zu Meiner passte. Eines Morgens, ich saß mit meiner Mutter beim Frühstück, Piero und Christoph zwei sehr gute Freunde waren mit dabei, da nutzte ich einen Moment der Stille, stand auf, stellte mich mitten in die Küche, sah meiner Mutter fest in die Augen und sprach:

„Die Welt in der du lebst ist dunkel. Was du tust, vor Allem wie du es tust, ist nicht so, wie ich es tun würde. Deine Welt ist doof, unfreundlich und hässlich und ich will sie nicht. Wenn ich an das Leben und die Welt denke, fühle ich Farben, Bilder und Musik. Keine dunklen Räume in denen ich stumm arbeite und büße. Ich will deine Welt nicht.“

Totenstille. Sekundenlang. Minutenlang. Die ganze Zeit blickte ich meiner Mutter fest in die Augen. Ich zuckte keine Sekunde. Ich dachte und fühlte so. Keinen Millimeter würde ich weichen. Sie wusste das. Schon damals. Sie sah an diesem Morgen grau aus. Ein bisschen farblos und traurig. Nach einer Weile lächelte sie wieder, wie es nur Mütter können, obwohl sie ihr Kind nicht verstehen. Ich konnte sehen, wie sie in ihrem Kopf den Muttersatz zusammenbaute. Gerade fing sie an Luft zu holen, da wurde die Stille von Christoph unterbrochen. Er lächelte, so wie Jemand der genau verstanden hatte.

„Sag mal, wie stellst du dir das vor? Du gehst doch zur Schule. Wie kommst du denn da zurecht? Denken die Lehrer denn nicht wie du? Oder deine Mitschüler?“

Mama sah ihn entsetzt an, nicht nur, weil er auf meine Worte ernst einging, sondern, weil sie Angst vor dem hatte, was er noch alles sagen könnte.

„Die sind alle ganz anders. Die sind so komisch. Ich weiß auch nicht wie. Sie sind irgendwie nicht da. Sie sind so weit weg. Wenn sie spielen, setzen sie sich auf den Boden und machen irgendetwas Langweiliges. Oft kämpfen sie gegeneinander. Einfach so zum Spaß, glaube ich. Ich klettere dafür lieber auf Bäume, weil ich die weite Sicht toller finde und weil ich oft denke ein Vogel zu sein und herumfliegen zu können. Ich weiß, dass ich keiner bin, aber ein bisschen vielleicht schon. Den Unterricht verstehe ich ganz gut, meistens jedenfalls. Aber er ist so langweilig und so still. Ein bisschen wie Mama.“

Christoph lächelte zu ihr herüber und schüttelte den Kopf. Er wusste, sie wollte eingreifen. Mich einbremsen und zur Raison bringen. Doch sie schwieg und wartete. Christoph ließ nicht locker.

„Was würdest du denn lieber machen? Oder anders?“

„Ich würde es spielerischer machen. Ich würde zuerst erzählen, wie die Sachen das geworden sind, was sie sind, bevor ich Namen auswendig lerne. Wenn ich weiß warum etwas ist, was es ist, dann brauche ich es nicht lernen; dann weiß ich es. Letztens sollten wir Hauptstädte von Ländern lernen. Wir hatten eine große Karte und da waren viele Namen drauf. Daneben war eine Liste mit den Ländern und den Hauptstädten. Wir haben zur Hausaufgabe bekommen, alle zu lernen. Das ist doch total blöd!“

„Warum? Findest du nicht, dass es gut ist die Namen zu lernen?“

„Ich will sie ja kennen, aber das geht doch erst, wenn ich weiß was eine Hauptstadt ist? Wie kann ich etwas lernen, was ich nicht kenne? Die anderen fingen einfach an. Sie lernten einfach drauf los. Ich saß da und schaute nach links und rechts. Aber keiner hatte ein Fragezeichen im Gesicht. Dann fragte ich die Lehrerin. Sie sah mich genauso an wie Mama. Sie sagte, dass jedes Land eine hat und es wichtig ist, dass wir sie kennen. Man müsse als Land eine erste Stadt haben, weil dort die Regierungen ihren Sitz haben und dort die Entscheidungen getroffen werden. Warum sagte sie sowas nicht zuerst? Warum erzählt sie es erst, wenn einer fragt? Noch dazu ein Schüler, der doch gar nicht weiß, was eine Hauptstadt ist? Ich verstehe das nicht. Ich fragte sie, ob sie wüsste warum man nur in der Hauptstadt welche treffen könnte. Ich meinte, dass man das doch überall machen würde. Da sah sie mich wieder so komisch an und wiederholte, dass ich lernen solle. In Bio war das genauso. Wir sollten Bäume auswendig lernen, obwohl keiner weiß, was ein Baum ist. Herr Sanchez sagt, dass Bäume Wurzeln und Verästelungen haben und sehr groß werden. Wenn ich aber in der Natur bin, glaube ich nicht, dass das alles Bäume sind, die ich da sehe. Manche sehen ganz anders aus. Gibt es in der Natur denn nur Bäume, Blumen und Nicht-Bäume? Das mit den Tieren war besser. Da hat er uns zuerst erklärt, was Säugetiere, Fische und Vögel und das Alles sind. Und danach fingen wir an, die verschiedenen Arten und Rassen zu lernen. Die Lehrer machen die Dinge ganz oft in verkehrter Reihenfolge. Sie bringen alles durcheinander und wundern sich, dass Viele es nicht verstehen. Nuria und Xus geht es ähnlich; sie lernen und lernen und bekommen es nicht in ihren Kopf. Sie weinen nächtelang durch und keinen interessiert es.“

Ich glaube, ich machte meiner Mutter damals viel Kummer. Sie sah sehr müde aus. Christoph hingegen, lächelte mehr und mehr. Er freute sich offensichtlich, obwohl ich nicht verstehen konnte warum. Ich wusste damals noch nicht, dass er und Piero Anthroposophen waren. Es kam wie es kommen musste: Ich ging nach einer Weile von der Schule. Das war nicht weiter schlimm, weil ich danach die besten Lehrer bekam, die man sich vorstellen konnte. Die beiden unterrichteten mich. Auf einmal machte Schule jeden Tag Spaß. Nie musste ich lernen, oder Hausaufgaben machen. Alles lernte ich im Unterricht. Und es ging ganz leicht. Auch bekam ich viel mehr beigebracht. Natürlich lehrten sie mich Mathematik, Physik, Chemie und Anderes. Aber das Wichtigste waren für sie Natur, Musik, Philosophie, Kunst, Literatur und Sprachen. Nicht das ich viele Sprachen gelernt hätte: Sie lehrten mich was Sprache ist, was man mit ihr erreichen kann und das sie im Grunde wie eine Karte eines bestimmten Landes, oder einer Region ist. Ich fragte mich damals, warum nicht alle so unterrichtet werden. Heute bin ich glücklich darüber die Welt mit meinen eigenen Augen zu sehen und nicht mit den Augen von Menschen die demütig, fleißig und diszipliniert sind.

So kam alles wie es kommen musste. Dieser Blick auf die Welt und die Dinge darin ist geblieben. Auch heute noch sind meine Fragezeichen zahlenmäßig so stark vertreten, dass ich darüber lächeln muss. Je mehr ich wusste, desto weniger verstand ich. War das möglich? Das ging doch nicht. Immer wenn ich etwas begriffen hatte, in mich reinhorchte, was es für mich ist, musste ich hinterher feststellen, dass ich meist etwas anderes sah oder fühlte als die anderen. Wirklich. Es ist ein bisschen so, wie wenn der Abstand zur Masse sich linear im selben Verhältnis vergrößert, wie mein Wissen zunimmt. Ist nicht schlimm. Aber manchmal ein wenig komisch und befremdlich.

Die Sache mit der Macht und dem ganzen Geld zum Beispiel: Das war noch nie mein Thema. Das ist manchmal ziemlich schwierig, wenn die Mehrheit danach strebt. Warum sollte jemand nach Macht streben? Verstehe ich gar nicht. Macht ungefragt verliehen zu bekommen, wenn man vorher nichts davon ahnte, ist doch etwas anderes, als alles Mögliche zu tun, um sie zu bekommen. Dinge tun, um zu. Kann ich nicht verstehen. Natürlich verstehe ich warum es alle haben wollen. Genauso wie das Geld. Doch damit leben sie doch nie im Jetzt. Das ist doch traurig. Ich kaufe eine Ware für 1000 Euro und verkaufe sie für 2000. Was ist denn daran so spannend, oder interessant? Wenn er das oft macht, hat er viel Geld. Und dann? Dann investiert er, um mehr Ware zu lagern, weil er mehr verkaufen will um noch mehr zu bekommen. Oder er drückt den Preis, weil er Großabnehmer ist. Alles um mehr zu bekommen. Mehr Geld. Wenn er dann in einem Palast lebt und seine Arbeiter für 8,50€ die Stunde arbeiten lässt, weil die billiger sind, als vielleicht gut ausgebildete Fachkräfte, die 25€ die Stunde kosten, wenn er dann so noch mehr Geld verdient, obwohl sein Betrieb gar keinen Mehrwehrt schafft, sondern nur die Lohnkosten drückt, um noch mehr Geld zu bekommen, wo ist denn da der Charme? Was ist daran toll, spannend und interessant? Was denn? Das ist doch ein armer Mensch. Wenn jemand von einer 2 Millionen Villa in eine 25 Millionen Villa umzieht, aber noch nie das Glück hatte, einen Menschen an seiner Seite zu haben, bei dem er ganz er selbst sein kann und mit ihm einen schönen Sonnenuntergang bei Wein und Käse verbringen konnte. Dann ist er doch bedauernswert und nicht reich. Das Geld hilft ihm doch gar nicht dabei, die Dinge zu bekommen, die ihn berühren.. Das Gleiche mit Macht: Wenn jemand Macht hat, dann kann ich sagen: Okay, du bist mächtig. Und jetzt? Kannst du damit rücksichtsvoll umgehen? Tust du deinem Gefolge gut? Wirst du deiner Macht gerecht? Bist du selbstkritisch genug, um dich nicht an deiner Macht zu besaufen? Hast du genug Cojones, um Menschen um dich zu scharen, die dir auch die Wahrheit sagen, obwohl du viel Macht hast? Oder würdest du sie dann missbrauchen? Macht ist für mich Verantwortung. Nichts Erstrebenswertes. Eher etwas, was man verliehen bekommen sollte, am besten dann, wenn man sie nicht will.

So sind in all den Jahren viele Dinge passiert. Oft sind ganz unterschiedliche Welten zusammengekommen und dann begann, was beginnen konnte. Ich meine alles, was ich erlebt habe ist wirklich passiert. Heute sitze ich hier, habe meine Erlebnisse in meinem Kopf, während sie aus jeder Naht und Knopfleiste herausquellen, wie es meine sozialverträgliche, zivilisierte Verkleidung zulässt. Ich bin wie ein Pulverfass, dessen Lunte darauf wartet angezündet zu werden.

Und heute ist es  passiert. Vielleicht ist es auch schon ein paar Tage oder Wochen her. Sie brennt. Stark, leuchtend und lichterloh. Ich merkte es, als ich heute aufstand. Ich dachte ich wäre gestern und vorgestern schon wach. Aber heute war ich es noch mehr. Ich war so da, so wach, dass ich plötzlich ganz andere Sachen als sonst machte. Die Welt stand Kopf. Komplett. Ich duschte, ließ die Haare einfach trocknen, statt sie wie sonst üblich zu föhnen. Dann ging ich an den Vorratsschrank und wühlte ohne zu wissen warum unter dutzend Papiertüten mit ihren unzähligen, völlig vertrockneten Brötchen, die ich für den Fall aufbewahre falls ich mal überraschend Frikadellen machen möchte, bis ich die Packung Coca-Tee fand, die seit langer Zeit in einer stillen Ecke darauf wartete getrunken zu werden. Ich ließ Wasser kochen und frühstückte nach über 10 Jahren mit Tee, statt mit Café. Ich war völlig überrascht. Über alles. Den ganzen Ablauf. Nichts habe ich heute gemacht wie vorher. Meine Tage waren vorher schon bunt. So bunt, dass ich mich oft ganz schwarz kleide, damit ich einen gewissen Gegenpol zu all der Farbe habe. Und jetzt das. Wenn etwas Neues kommt, fühle ich das. Ich brauche dafür keinen Kalender, oder eine Uhrzeit. Es passiert einfach. So war es immer. Heute gab es einen Gezeitenwechsel.

Ich glaube, dass kein Stein auf dem Anderen bleibt. Ich komme mit wenig Schlaf aus, bin aber trotzdem wach wie nie, mache überraschende Dinge und finde längst vergessen geglaubte Tee-Beutel, ohne sie zu suchen. Was ist nur los? Ich lächelte immer mehr. Vor allem über das Leben. Es hatte mich wieder mal überrascht. Völlig. Ganz und gar. Es sprudelt in meinem Kopf. Überall. Ich habe das Gefühl das mein Gedächtnispalast hell erleuchtet ist. So als wenn ich auf einem Mal Zugang zu Allem habe. Zu allem, überall und gleichzeitig. Ich habe Zugang zu ganz alten Dingen wie zur Baumorgel und Tante Maria. Oder zu ganz Neuen. Oder ich finde meine vergessenen Coca-Teebeutel. Keine Ahnung warum die Sachen jetzt auf einmal so lebendig vor mir herumhüpfen. Im Grunde ist es mir auch egal. Es fühlt sich gut an. Es ist jetzt offensichtlich genau das, was passieren soll.

Vielleicht sollte ich wieder mit dem Malen anfangen. Ich habe so viel Farben, Düfte und Gefühle in mir drinnen, dass ich daraus eigentlich ein ziemlich schönes Bild machen können müsste. Vielleicht mach ich das. Wahrscheinlich muss ich das sogar machen, so wie sich das gerade anfühlt. Ich glaube Señor Thalamus bekommt bald wieder Besuch. Vielleicht bin ich bald wieder bei ihm. Vielleicht ist die schöne Mademoiselle wieder mit von der Partie. Das wäre schön. Obwohl ich die ganze Zeit irgendwie das Gefühl habe, dass sie bei mir ist. Das ist schon alles sehr seltsam. Sehr schön und ungewöhnlich. Sozusagen, ungewöhnlich schön. Ich werde versuchen das zu malen, was ich fühle. Vielleicht gelingt es mir auch beim Schreiben. Vielleicht sollte ich auch eine Melodie erschaffen? Vielleicht alles? Schreiben, malen und Musik? Geht nicht? Ist zu viel? Wirklich? Ich habe gerade nicht das Gefühl, als wenn mich jetzt irgendetwas überfordern könnte. Oder zu viel sein könnte.

Der Junge von damals ist auch heute immer noch da. Und wie. Er ist genauso bunt und lebendig wie eh und je. Er hat immer noch viele Farben und viel Freude in sich und freut sich wenn er sich so richtig ausleben kann. Er rennt wie wild in den Parkanlagen des Lebens herum und macht allerhand schöne Sachen. Lange Zeit haben viele geglaubt, dass er ein Grenzgänger ist. Jemand der nur Extreme kennt. Jemand der nur null und eins, ganz oder gar nicht kennt und nicht anders leben kann. Viele haben vermutet, dass seine Struktur es so braucht.

Das alles trifft es jedoch nicht mal im Ansatz. Es ist etwas ganz anderes. Wie meistens. Viel weniger provokant. Weniger nach außen und auf andere gerichtet, geschweige um andere zu ärgern und zu überfordern. Es ist tiefbrennende, glühende Neugier und Leidenschaft. Eine die mich fragen, sehen, hören, berühren, schmecken und riechen lässt. Einfach alles.

Wenn ich Café trinke, würde ich gerne wissen wie er gemacht wird. Ich will wissen, ob der Plantagenbesitzer ein freundlicher Mann ist. Ob er respektvoll zu seinen Erntehelfern und Pflückern ist, ob er wertschätzend mit der Natur umgeht. Eine Neugier die wissen will, ob er nett zu Frau und Kindern ist. Warum ich das alles wissen will? Weil ich neugierig bin und keine Lust habe etwas von einem kämpfenden, zerstörerischen Arschloch zu kaufen. Natürlich gelingt es mir nicht immer, alles herauszubekommen. Wie auch? Niemand kann alles wissen. Aber ich weiß gerne so viel ich kann.

Wenn ich mir essen koche, dann sollte es köstlich schmecken. Möglichst auch gut dabei aussehen. So köstlich wie es mir und meinen Möglichkeiten eben möglich ist. Wenn ich Musik höre, dann will ich Welche hören, die mich berührt. Wenn ich Menschen um mich habe, dann Solche, die es genauso tun, weil sie sind was sie sind. Wenn ich in die Stadt gehe, will ich einigermaßen aussehen, weil ich mir dann gefalle. Aber eitel würde ich mich deswegen noch lange nicht nennen. Nicht die Bohne. Dafür nehme ich mich nicht wichtig und ernst genug. Ich behandle mich selbst einfach wertschätzend. Ich finde das natürlich.

Wenn ich mit jemandem Zeit verbringe, dann nur mit denen, mit denen ich gerne bin. Ist das kompromisslos? Ich denke eher wählerisch. Es ist das Ergebnis von ungezählten Versuchen und Erlebnissen die mir alle viel gebracht haben, selbst wenn sie gescheitert sind. Auch dann, konnte ich lernen. Ich lerne nämlich immer. Verstehen, aber möglichst ganz. Feiern, aber richtig. Leben, mit allen Sinnen. Meine Neugier und meine Leidenschaft sorgen dafür, dass mein Leben so ist. Einfach ICH. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Ich habe gesungen, gemalt, geschrieben, gefeiert und Vieles mehr und habe dabei die Sonne angelächelt. Ist das zu intensiv? Für manche Menschen war es das. Manche sind in der Versenkung verschwunden. Hat sich so ergeben. Passte nicht. Dafür ist Neues gekommen. Neues, das besser passt. Besser nicht im wertenden Sinne, sondern in diesem Fall besser wie gleicher, oder ähnlicher. Einfach passender. Warum sollte ich daran etwas ändern? Warum sollte ich etwas anders leben wollen, als mein buntes, lebendiges und sinnliches Leben? Warum sollte ich etwas anderes tun, als mein Leben mit Menschen zu teilen, die das mögen und wertschätzen, es vielleicht sogar fördern?

Wenn ich eine schöne Landschaft bestaune, will ich nichts auslassen. Ich möchte, wenn es geht jeden Kieselstein, jeden Ast, jeden Berg kennen, der da lebt. Ich will die Gegend spüren, nicht nur durch sie durchgehen, oder fahren. Das Gleiche mit einer Frau. Wenn ich sie kennenlerne, möchte ich alles wissen, alles kennen. Ich möchte wissen wie sie im Schlaf atmet. Ich möchte wissen, wie sie sich anfühlt. Oder was sie träumt, wenn sie träumt. Wenn sie Wünsche und Sehnsüchte hat, will ich sie kennen. Wenn sie ein Bild betrachtet, will ich wissen was sie darüber denkt. Vielleicht sogar, warum. Ihr Leben interessiert mich. Ich möchte mit ihr teilen. Alles und so viel sie möchte. Ich erfreue mich an ihrer Freude und erfreue mich an den Veränderungen des Lebens, die ihr gefallen und die sie vielleicht zufrieden und glücklich machen. Wenn ich mich für etwas entschließe, dann tue ich es. Ganz. Das war schon immer so. DAS ist meine Struktur: Dinge mit Leidenschaft tun, oder gar nicht.

Es hat sehr lange gedauert, bis ich mich ganz verstanden habe. Auch hat es lange gedauert zu lernen, damit zu leben. Die Energie die ich aufbringen musste, um mein Ich zu bewahren war nicht gering. Viele haben an mir rumlaboriert, an mir rumgespielt, wollten Eigenschaften verändern, Dinge abtrainieren, obwohl ich mich die ganze Zeit wohl fühlte. Das passierte natürlich oft unbewusst. Wir können nun einmal nicht nicht beeinflusst werden. Die Umgebung formt und prägt uns. Viele sind ein bisschen wie Tante Maria. Viele Menschen finden andere spannend, weil sie anders sind. Wenn sie sie dann haben, sollen sie ihr Spiegelbild werden. Wie oft habe ich gefragt, warum sie mich auf einmal ändern wollten. Warum einen Menschen ändern, wenn man ihn doch so anders kennengelernt und schätzen gelernt hat? Sowas habe ich nie verstanden. Unsere Struktur ist, was sie ist. Mein Gedächtnispalast ist einmalig. So, wie von jedem. Eigenschafften wegreglementieren? Abtrainieren? Völliger Irrsinn. Noch dazu ungesund. Wir suchen von Natur aus die Dinge, die uns nicht so sehr ähneln. Das ist gesund und natürlich. Es macht das Leben bunt, spannend und befruchtend. Achtsam wachsen, ohne einzugrenzen.

Als ich Letztens wieder in meinem Gedächtnispalast am Tresen von Monsieur Thalamus stand und ihm beim Dirigieren zusah, spürte ich, dass er unermesslich groß ist. Da fiel mir dieser Vergleich ein: Eigentlich sind mein Leben und ich wie ein Organismus, der sich in alle Richtungen, einer chaotischen lebendigen Logik folgend ausdehnt. Ein bisschen so wie das Weltall. Die Galaxie hatte zwar sehr viel mehr Zeit so groß zu werden und so zu wachsen. Aber das Prinzip ist das Gleiche. Ganz so gewaltig ist mein Leben wahrscheinlich nicht, obwohl ich sagen muss, dass es sich im Moment tatsächlich urgewaltig anfühlt. Der wiedergefundene Coca-Tee hat es gezeigt. Deswegen habe ich jetzt das Gefühl, das es mit jedem Tag exponentiell wächst. Mal sehen wie das weitergeht.

Vorhin habe ich mich sogar dabei beobachtet, wie ich wieder Dinge weggeschmissen habe. Und das auf lustige Art und Weise. Nach dem Frühstück kam ein Freund vorbei. Wir hatten vor einiger Zeit das gleiche Hobbie. Ich habe es an den Nagel gehängt. Habe mich völlig davon getrennt und losgesagt. Ich hatte einiges an Materialien, Andenken und Überbleibsel aus der vergangenen Zeit herumstehen. Es waren 8 Umzugskartons. Sie waren randvoll. Es war wahrscheinlich kein Zufall, dass er heute kam. Er hatte mich einige Zeit nicht besucht. Jetzt ahnte er, dass ich bereit war. Ich schenkte ihm alle Acht. Er freute sich und ich freute mich mit ihm. Seit heute lächle ich noch mehr und freue mich noch mehr als gestern. Wenn das so weiter geht, nehmen Neugier, Freude und Leidenschaft wahrscheinlich auch exponentiell zu.

Mein Leben ist im Wandel. Keine Ahnung was das bedeutet. Bedeutungen zu deuten finde ich manchmal sehr schwer. Ich mache das nicht mehr. Ich horche in mich rein und warte was kommt. Meistens bekomme ich ziemlich schnell mit, was los ist. Manchmal brauche ich aber auch länger. Das ist nichts, was ich beschleunigen kann. Jeder Organismus hat seine eigene Geschwindigkeit. Manches geht mir sehr flott von der Hand. Anderes dafür weniger schnell. Auch dafür gibt es keine Regeln. Alles ist einzigartig.

Bin ich jetzt mit irgendetwas fertig? Keine Ahnung. Ich glaube ich habe Irgendetwas abgeschlossen. Vielleicht war es das schon länger. Vielleicht hat Neues schon längst begonnen, ohne dass ich das gemerkt habe. Doch jetzt spüre ich es. Genau JETZT.