Archiv für den Monat: Februar 2018

Eisenstürme und Stahlgewitter

Früher fand ich Gerechtigkeit toll, zumindest die in geschriebener Form. An die Andere kann ich mich nicht mehr erinnern. Heute ist sie fast ausgestorben – alle gegen alle, heißt das neue Spiel, in dem alle alles dürfen – vor allem verlieren – entfesselt von der Gier nach Macht und Reichtum – angeheizt durch die Feuer der Globalisierung.

Angefangen hat es, als die Menschen anfingen digital zu plaudern – sie redeten und redeten – über soziale Medien verbreiteten sie ihre Meinungen in Terra-Bytes pro Sekunde – schnell, schneller und breiter als jemals zuvor – erst Nachrichten, dann Entertainment, Bio und Nachhaltigkeit – alles redete von Gerechtigkeit, doch keiner spürte sie – das WAS war in aller Munde – über das WIE dachte niemand nach – warum jedoch die Altersarmut drastisch stieg, insbesondere bei Menschen über 65 in den letzten 10 Jahren um mehr als 60%, interessierte niemand – zumindest nicht die Mächtigen und Jüngeren.

Doch einige leisteten Widerstand.

Sie wollten nicht hinnehmen, dass sie sich nur für andere aufbrauchten, ohne selbst ein wenig den Schnabel benetzen zu können. Sie gründeten Geheimorganisationen – warum noch warten und vor Allem, wie lange noch? Sie waren doch so viele – die Reichen und Mächtigen so Wenige – warum weiter die Knute spüren, wo man alle digitalen Neuzeitwaffen legal besitzen und bedienen durfte?

Doch die Zeit war noch nicht reif.

Sie fingen an, erste Agenten auszubilden. Agenten und einen, der sie hüten sollte. Niemand kannte seinen Namen. Hinter vorgehaltener Hand nannte man ihn –den Schäfer-. Doch wie er aussah und wo er lebte, wusste niemand. Es schien, als würde er ein Gespenst sein – genährt aus den Wünschen und Hoffnungen des Volkes, dessen Durst nach Helden groß wie nie war.

Aber anders als zu früheren Zeiten, blieben sie geduldig.

Unverhohlen geißelten die Mächtigen ihre Völker, zeigten die lachenden Fratzen des Reichtums und der Dekadenz – selten so vereint, feierten sie ihre Imperien und Autokratien, unter den Deckmänteln der Demokratien, nichtsahnend, das ihre Zeit längst abgelaufen war.

Dann endlich war die Zeit gekommen, das Ende der alten Macht-Eliten stand bevor – die Mächtigen und ihre Familien wurden zum Aderlass gebeten – Ende des globalen Matriarchat – ausgeführt, von Menschen, die nicht mehr für Macht und Gold sterben wollten, organisiert von den Frauen der Mächtigen, die nach Jahrzehnten des Wartens ihre Verantwortung an sich rissen – Hüterinnen der Rasse, Amazonen des Zorns, Mütter und Großmütter, dem sinnlosen Sterben jahrhundertelang überdrüssig – sie hatten genug.

Gnadenlos und Unbarmherzig schlugen sie zu. Alle merzten sie aus, gründlich und sorgfältig, wie es nur Frauen können. Keiner kam mit dem Leben davon. von langer Hand geplant, ohne Krach und Lärm, wie der Schnitt mit einem Skalpell – sauber, glatt und endgültig, als hätte es das blutige Gestern nie gegeben.

Fürchtet euch nicht – die Zeit ist gekommen – Widerstand kriecht ans Licht.

Gibt es 2018 die erste literarische Revolution?

Kann man Frühling riechen?

 

Torwächter mit Filterlosen

-Hallo, sag mal, kennen wir uns nicht?

-Doch natürlich, wir sind uns schon oft begegnet, aber du hast mich immer ignoriert.

-Tatsächlich? Sehr oft?

-Ja, jedes Mal. Du bist der Einzige, übrigens.

-Wie meinst du das? Wir kommen doch am Ende alle, oder nicht?

-Natürlich, aber bei dir hat es sehr lange gedauert, meine Güte, wie oft stand ich dir gegenüber!

-Kam mir gar nicht so vor.

-Natürlich nicht, du wirst mich nicht jedes Mal gesehen haben, sonst hättest du vermutlich Angst bekommen, so wie die anderen.

-Wie meinst du das, die anderen?

-Na komm schon, sei nicht so einfallslos und langsam, du weißt, von wem ich rede.

-Nein wirklich nicht.

– Deine Mitmenschen, wer sonst!

-Achso!

-Sag ich ja, du hast es nicht so mit denen, nicht wahr?

-Das kannst du so nicht sagen, ich helfe schon, entschuldigen bitte. Habe immer gerne geholfen und war für die anderen da, selbst wenn ich mal….

– Nun halt mal die Luft an. Du bist schon ein stumpfer Gesell, findest du nicht?

-Nein, eigentlich nicht, warum?

– Ey, na komm, schau doch mal hin. Während alle anderen nach ein paar Mal in der Regel esoterisch werden, Kerzen anzünden und Hände falten, machst du stumpf weiter, als wenn nie was gewesen wär. Ich nenne das stumpf, selbst jetzt hast du keine Furcht und diskutierst mit mir. Glaub mir, das hab ich selten.

-Warum auch, du siehst doch sympathisch aus. Warum sollte ich Angst haben? Ich bin ja freiwillig hier.

-Nun, das stimmt. Es hat mich, wenn ich ehrlich bin, eigentlich auch sehr gewundert. Erst lässt du nichts anbrennen, raubst, branschatzt, betrügst und hinterlässt verbrannte Erde, am laufenden Band und auf einmal…

-Hast du mal ne Zigarette?

-Wie bitte? Du kommst hierher und fragst MICH nach einer Zigarette?

-Ja, warum nicht? Du rauchst doch bestimmt auch, oder nicht?

-Ich habe aber nur ohne Filter.

-Kein Problem, hab ich früher auch nur geraucht. War klar, dass du so was kräftiges smökst.

-Darf ich weiter-erzählen, ja?

-Oh ja, natürlich, entschuldige!

-Also, du bist sowas wie ein Gefahrensucher, ständig High, auf oder im Speed und dann dieser Kurzschluss. Da stimmt doch was nicht. Was ist uns da entgangen?

-Hast du auch Feuer?

-Ja, natürlich, wer denn wohl sonst, hier nimm das!

Der dunkle Umhangträger holt mit seinem Arm aus, sieht mich furchterregend an und lässt einen Feuerstrahl aus seinem Arm schießen, wie ich es zuletzt bei LSD erlebt hatte, nur diesmal in echt. Ganz schön imponierend. Vorsichtig halte ich die Zigarette in die Feuersbrunst.

-Hm ist die gut!

-Das hoffe ich für dich!

-Nun sei mal nicht böse, ich habe ja nett gefragt. Komm setzen wir uns. Hier wird ja wohl kein Bistro in der Nähe sein, oder?

-Du hast wirklich Nerven! All die Jahre bist du ein Satansbraten und plötzlich ändert sich alles für dich, hüpfst von der Brücke, tauchst hier auf und fragst ausgerechnet MICH nach Feuer und Kippen! Ja, Zeit hast du jetzt in der Tat unendlich. Du machst mich neugierig, was du für ein Kerl bist. Komm mit, ich kenne eine schicke Düne da hinten, da können wir plaudern.

Und so gingen sie zusammen zu einer beachtlich großen Wanderdüne, die eine fast ähnliche Geschwindigkeit hatte, so wie sie beide, weswegen sie ein wenig länger brauchten, als gedacht. Dann endlich saßen sie und der dunkle Umhang begann ihm höchstpersönlich die Regeln zu erklären, die es natürlich auch in seinem Reich gab.

 

Sesam, öffne mich!

Stock und Steif stolpere ich vor mich hin, eine Marionette, die Fäden hinterherzieht, ein Fisch der mit dem Netze flieht. Wind bläst Sand in Wirbelschleppen durch mich hindurch, längst ist er überall. Blinzelnd sehe ich mich um, nichts als Dünen und Sonne, Sonne und nochmals Sonne, ein Scheiß-Meer voll Hitze, das meine Haut verbrennt.

Längst sind meine Lippen aufgeplatzt und gerissen, vertrocknet, kantig dunkelrot. Dachpfannen, die sich wie ein wachsendes Schuppentier weiter übereinander-schieben. Nach ein paar staksigen Schritten bleib ich stehen. Überall gleißendes Licht, selbst riechen tue ich nichts außer erbarmungslosen Hitze.

„Durst, mein Gott, was habe ich für ein Durst.“ Plötzlich fahre ich zusammen, wie Blitz und Stamm. Irgendwo weit hinten auf ner Dünen stehend eine dunkle Gestalt. Sie stützt sich auf was ab. „Hallo!“ Winkend schwenk ich meine Arme. Keine Regung, doch was ist das? Grell schmettert funkelndes Metall fette Brocken Licht ins Gesicht. Mechanisch stolpere ich weiter, tief staksend durch den Sand, rudernd meine dünnen Arme. Knochen die Winde fächernd quirlen. Verzweiflung sich an schwindende Hoffnung krallt. Windmühlen der Trostlosigkeit.

Taumelnd schaffe ich es vorwärts, falle zweimal hin, rapple mich immer wieder auf. Sand zwischen meinen Zähne, knrischend legt er sich auf meine Kiemen, rasselnd sägt mein röchelnder Atem, knorrige Hitze in feine Scheiben, die versperren meinen Rachen, wie Herbstlaub die Kloaken.

Langsam komme ich näher, schwarzer Talar, tiefe Kapuze. Erschrocken fahre ich zusammen, knallend tiefe Gedanken-Furchen zieren mein Gesicht. Langsam sehe ich erste Formen, flatternd weite Kleidung, umrahmt nen weißen Rauschebart, pechschwarz Kleidung und Gebeine, düster dunkel seine Erscheinung, weiße Zähne blitzen lachende Gewitter – schockierende Erkenntnis in meinem Bauch – bis ins Mark infiziert die Knochen – Verstörung gräbt tiefe Löcher, Schrecken trocknet langsam wie der Regen.

„Guten Abend, ich habe auf dich gewartet!“

Sandiges Tor

Eine Wüste, irgendwo im Niemandsland. Wind heult hin und wieder, legt sich, wimmert leise gelangweilt träge vor sich hin – Luft, so trocken, staubig, heiß, dicht, wie zerriebene Borke, längst vergangener Bäume – weiße Asche zerriebenen Muschelkalks, längst vergessen ihre letzten Seufzer – irgendwo gehn ewige Sonnen auf – erste Strahlen kündigen kommende Hitze an.

-Wo bin ich? pocht mein dumpfer Kopf, schwer sind meine Augen, bekomme sie nicht auf, sind verklebt, wie zugenäht, meine Lippen vertrocknet, morsch, wie versteinert. Sand prasselt an mein Ohr, kühl seine müden Geschwister, auf denen ich liege, irgendwo im Nirgendwo. Bum-bum, höre ich es in mir schlagen – leise fauchend der Atem, es ist meiner. Sand knirscht zwischen meinen Zähnen, blind greifen meine Hände zu, taube Krabbenscheren, unbeholfene Werkzeuge wachsender grauer Urzeit, die sich langsam vergraben, immer tiefer im dunklen Welten-Sand – nimmersatte Wüstenwürmer, wären sie doch unendliche Meter lang. Ziehe behutsam an meinen Lidern, zaghaft, dann mit aller Gewalt, dichtgekleistert vom ganzen Lebens-Zeugs, weigern sich beharrlich zu sehen.

Da plötzlich reißen die Nähte, aua, verdammt, tut das weh, wie es blendet und beißt – Licht bohrt sich in meine Augenäpfel, noch immer nicht gepflückt, wie mir scheint, zum Kotzen kosmische Unzuverlässigkeit, nichts hält was es verspricht. Langsam bekommt die Grelligkeit Konturen, erste Farben und Formen, kein Neon-Brummen von der Decke? kein Raufaser, stattdessen nur beißend bellendes Licht. Fühl mich wie untergegangen, auf den Grund, vom Meer des Lichts. Langsam gallopieren wüste Bilder, erste Reflexionen durch mich hindurch, Sanduhr wiederkehrender Vergänglichkeit.

-Was ist das? überall dieser feine Sand, wie Staub und Asche, die zwischen Fingern zerfällt. Will mich bewegen, drehe meine Hüfte wie ein schlafender Limbotänzer.                                                             -Verdammt, es ist eine Düne, sie versucht mich zu begraben.                                                          -Wie lange liege ich hier? Wo ist dieses hier?                                                                                            Ich ziehe meine befingerten Rüssel aus dem Sand, tief vergraben bohrten sie Gänge in den Zeiten-Käse, ohne Kompass, Auftrag, Anfang und Ende. Langsam kommt zurück, erste Signale, erste Gefühle, Kälte, Wärme, schmecken, Hitze, Asche, Verblendung. Liege immer noch lang im Sand, schaukle hin, dann her, wieder von vorne, Schlange stehen, Liste der Nichtigkeit. Endlich bekomme ich meinen Kopf gehoben, salzene Terracotta-Blumen rieseln aus meinen Augenwinkeln, wie Perlmutt-Schnee, schillernd geht er zu Boden, rieselnd feine kleine Rinnsale bunten Sternenstaubs.

-Wüste, eine verdammte Wüste! Kein Strauch, kein Baum, soweit das Auge reicht, keine Fatima, nicht mal eine oasige Fatamorgana, nichts, rein gar nichts, nur diese langsam kochende Hitze. Überall Sand, nichts als feiner, alles vereinnahmender Trockenschaum. Wie Dünengrass, meine störrigen Haare, planiert vom Sand unendlicher Welten-Zeit.

Quälend langsam rolle ich mich auf den Bauch, winkle, krümme, beuge Arme und Beine – Wüstenkrabbe des Irrsinns. Schaue mich um, weiß-glitzernder Sand, jetzt heiß, bald schon kochend. Müde gehe ich in die Hocke, knirschend richte ich mich auf, erloschener Leuchtturm, untergegangen am Gesäuge der Schimäre.

Sehe an mir herab, schwarze Schuhe, sowie Hose, weißes Hemd, schwarz auch das Jackett, auch der Schlips, verdreckt, versandet vom wüsten Planet – klopf mir Staub, Sand, Schmutz und Zeit vom Leib, abgebranntes Leuchtturmauge, wie es wieder rotiert, so wie einst – Gedanken rattern durchs Labyrinth – Monsieur Thalamus schläft wohl noch – hoffentlich kein Urlaub – sehe auf meine Handgelenke – finde keine Uhr, habe keinen Anhaltspunkt, wo sollen wir beginnen?

-Gehe langsam los, irgendwo muss es eine Straße geben, ein Café, dann sehen wir weiter oder nicht, immer gibt es ein danach, nie ist wirklich was zu Ende – gehe langsam ein paar Schritte, knabenhaft klein, mehr wanken und taumeln, Beine, Arme wollen nicht gehorchen – Wind lässt feine Schlangen Wüstenstaubs durch Beine gleiten – Sonnenstrahlen sich brechen in glitzernden Körnern, glänzend-leuchtend – schillernd-schöne Vergänglichkeit – funkelnd umzingelt meine Beine, verlangsamen meinen Gang – wo zum Teufel bin ich bloß gelandet?