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Delphi – Odyssee 2024

Ein Taxifahrer namens Stavros fährt mich zur Akropolis … drei Töchter haben seine Frau und er … 16,17 und 18 … er ist glücklich und müde … 20h arbeitet er pro Tag … seine vier Königinnen würden ständig Krieg miteinander führen …

manchmal könnte er weglaufen ….

Er gibt mir seine Karte … versichert, dass er mich nächsten Samstag zum Flughafen zurückbringen will … ich zahle bar und mit Direktorentrinkgeld, dann verabschieden wir uns … Savvas wartet auf mich … wie gewohnt spulen wir die Formalien für’s Mietmoped ab …

Dann gibt’s Schlüssel …

Heute ist es merkwürdig diesig und frisch in Athen … eher Luft wie in Hamburg, statt Ägäis … ich lass mich vom Verkehr treiben, vorbei am chaotischen Omonia-Platz … wir schwimmen Richtung Karaiskaki … an einer roten Ampel liegt ein halbnackter Mann …

mitten auf dem Fußgängerweg …

wie wild strampelt er mit Beinen und Armen … er flucht und brüllt aus Leibeskräften … vielleicht ist er die Reinkarnation von Diogenis von Sinope … seine Erscheinung fesselt mich und macht mich nachdenklich … wir sind alle verdammt, bin mir da ganz sicher …

zwecklos aufs Paradies zu hoffen …

wird nur den Styx nebst Fährmann geben … tja, so sieht es aus … unnachgiebig treibe ich mit dem Blechstrom Richtung Piräus … vorbei an alten Kirchen und verlassenen Öllagern … ich roller ganz rechts, lass die Ungeduldigen vorbeirasen …

am rechten Straßenrand liegt ein totes Wildschwein …

Satelliten und Sterne geleiten mich weiter Richtung Parnass … immer dünner wird der rigorose menschliche Fußabdruck … links und rechts verbrannte Skelette … Häuser, Bäume, Tiere oder Menschen … man kann es nicht erkennen …

Alles verkohlt, einsam, abgebrannt …

Es geht weiter ins Landesinnere … rauf und runter, kilometerlang schlängelt sich die Python, vorbei an Weinreben und Olivenbäumen … zerrupfte Hunden wachen über Besitz und Eigentum … hier und da huschen Containersiedlungen vorbei …

hagere Menschen winken mir zu …

mein Herz schnürt sich zu … ein paar Mal schlucke ich schwer, ringe um Fassung … was für ein unbarmherziges furchtbares Tier ist der Mensch … jedem seine Wirtschaftskolonie, modernes Sklaventum, fluche ich … und bin selber die Quelle …

Geiz ist geil …

nur mühsam krieg ich die dunklen Wolken weggeschoben … in weiter Ferne der Gipfel des Parnass, lasst euch grüßen, holde Musen … vergesst mich nicht … ich schraube mich weiter in bergige Höhen … mal wird es kühler, dann wieder wärmer …

die Luft erfüllt von Kräutern, Kiefern und Feigen …

fahre mit Rückenwind … plötzlich wird es dunkler … Wolken hängen immer tiefer und tiefer … sind das Regentropfen oder Insekten auf dem Visier … laut Smartphone soll es nicht länger als drei Stunden dauern …

gefühlt fahr ich den ganzen Tag …

endlich ein erstes Schild … Delphi 22km … ach sieh an, das geht doch … gegen 19:30 erreiche ich mein Ziel, Chrisso … ziellos irre ich umher, wieder typisch … ich finde die Tür mit dem Schlüsselkasten nicht … ein kräftiger Hellene erbarmt sich und kommt aus seinem Haus …

„Gia sas file mou“

Mit meinem kleinen hellenischen Wortschatz erklär ich ihm, dass ich meine Unterkunft suche … vorsichtshalber entschuldige ich mich für mein schlechtes Griechisch … er strahlt mich an, es ist besser als ich denke, schüttelt meine Hand und zeigt mir den Eingang …

vor dem ich, gerade eben …

ich schwör‘s … nur 30m weiter, bereits zwei Mal stand … anscheinend mit geschlossenen Augen … nach einer heißen Dusche gehe ich zur Taverna Liostasi … Irini, die Bedienung ist super nett und spannt einen Schirm für mich auf … es tröpfelt … sie meint …

Pflanzen gießt man, Menschen eher selten …

Ich habe einen unglaublichen Ausblick auf den Golf von Korinthos … es gibt Souflaki, Tzatziki und griechischen Bauernsalat, dazu ein halbes Kilo Weißwein und ‘ne Flasche Wasser … los geht die wilde Fahrt … drei Stunden später …

ich liege mit Schnappatmung auf‘m Rücken …

fühl mich wie‘n vollgefressener Gregor Samsa, nach seiner Verwandlung … auch ich strample mit den Beinen … fühle mich aber munter und guter Dinge … wenn mir jetzt jemand das Licht ausknippst, wär‘s gar nicht schlimm …

Irini gibt Nachtisch & Schnaps aus …

Was will man mehr vom Leben, wenn dich solche Frauen umgeben, noch dazu in Chrisso … passend zu Pfingsten .. schon Homer erwähnte den Ort in seiner Ilias, was soll da also schiefgehen, denke ich … sollten mir die Götter, ausgerechnet hier …

das Licht ausblasen …

gegen ein Uhr nachts falle ich ins Bett … tief und fest mein Schlaf … erst gegen neun Uhr taucht mein Uboot wieder auf … Wow! Bin anscheinend noch am Leben … Musen und Götter haben mir des nachts ordentlich eingeschenkt …

Was hatte ich für Träume!

Noch immer ist mein Kopf voller Gespenster … wie passend zum Pfingst-Sonntag, noch dazu der 19.Mai, was sagt man dazu! … Ich krabble in die Küche, mache mir einen fürstlichen Topf griechischen Kaffee … draußen scheint die Sonne in Strömen …

Homerischer Ausblick von meiner Terrasse …

da bleiben einem die Worte im Halse stecken … gegen Mittag spring ich auf meinen Rappen, endlich nach Delphi … langsam schrauben wir uns wieder die Serpentinen hoch … vorsichtig taste ich mich zum Ortszentrum vor … mühseliges waten durch …

Ego und Touristenbedürfnisse …

Sieh an, ein Parkplatz vorm Orakel, gerade groß genug für zwei Räder … Garnisonen von Reisebussen kühlen meine Vorfreude ab … wir haben schon anständige Mittagshitze … viele knallrote Gesichter, Arme und Beine erinnern mich daran …

den Hut aufzusetzen …

tatsächlich, die Sonne sticht schon … ein paar Touristen gehen mit Schwindelanfällen zu Boden … langsam schreite ich den Apolllo-Tempel ab, klettere zum Theater rauf … nur wenige Fotos mache ich … die wilde Touristenmeute macht mir zu schaffen …

eine Stunde später …

sitze ich mit Espresso-Freddo im Schatten und mampfe Tiropita … mein Kopf hängt voller loser Fetzen … dafür ist das Piepen meiner Ohren weg … sieh einer an … immer mehr Busse karren reiche Touristen heran … zahllose Louis-Vuitton-Taschen hält man …

wie Schutzschilde vor die Brust …

Prada-Sneaker und teure Uhren senden eindeutige Signale … hier gibt’s nichts mehr zu tun, geschweige zu sehen … perfekter Moment, um zu gehen … zufrieden schreite ich an fremden Sprachen vorbei … schwinge mich auf mein dunkles Pferd …

und reite zurück zu Homer …

Torwächter mit Filterlosen

-Hallo, sag mal, kennen wir uns nicht?

-Doch natürlich, wir sind uns schon oft begegnet, aber du hast mich immer ignoriert.

-Tatsächlich? Sehr oft?

-Ja, jedes Mal. Du bist der Einzige, übrigens.

-Wie meinst du das? Wir kommen doch am Ende alle, oder nicht?

-Natürlich, aber bei dir hat es sehr lange gedauert, meine Güte, wie oft stand ich dir gegenüber!

-Kam mir gar nicht so vor.

-Natürlich nicht, du wirst mich nicht jedes Mal gesehen haben, sonst hättest du vermutlich Angst bekommen, so wie die anderen.

-Wie meinst du das, die anderen?

-Na komm schon, sei nicht so einfallslos und langsam, du weißt, von wem ich rede.

-Nein wirklich nicht.

– Deine Mitmenschen, wer sonst!

-Achso!

-Sag ich ja, du hast es nicht so mit denen, nicht wahr?

-Das kannst du so nicht sagen, ich helfe schon, entschuldigen bitte. Habe immer gerne geholfen und war für die anderen da, selbst wenn ich mal….

– Nun halt mal die Luft an. Du bist schon ein stumpfer Gesell, findest du nicht?

-Nein, eigentlich nicht, warum?

– Ey, na komm, schau doch mal hin. Während alle anderen nach ein paar Mal in der Regel esoterisch werden, Kerzen anzünden und Hände falten, machst du stumpf weiter, als wenn nie was gewesen wär. Ich nenne das stumpf, selbst jetzt hast du keine Furcht und diskutierst mit mir. Glaub mir, das hab ich selten.

-Warum auch, du siehst doch sympathisch aus. Warum sollte ich Angst haben? Ich bin ja freiwillig hier.

-Nun, das stimmt. Es hat mich, wenn ich ehrlich bin, eigentlich auch sehr gewundert. Erst lässt du nichts anbrennen, raubst, branschatzt, betrügst und hinterlässt verbrannte Erde, am laufenden Band und auf einmal…

-Hast du mal ne Zigarette?

-Wie bitte? Du kommst hierher und fragst MICH nach einer Zigarette?

-Ja, warum nicht? Du rauchst doch bestimmt auch, oder nicht?

-Ich habe aber nur ohne Filter.

-Kein Problem, hab ich früher auch nur geraucht. War klar, dass du so was kräftiges smökst.

-Darf ich weiter-erzählen, ja?

-Oh ja, natürlich, entschuldige!

-Also, du bist sowas wie ein Gefahrensucher, ständig High, auf oder im Speed und dann dieser Kurzschluss. Da stimmt doch was nicht. Was ist uns da entgangen?

-Hast du auch Feuer?

-Ja, natürlich, wer denn wohl sonst, hier nimm das!

Der dunkle Umhangträger holt mit seinem Arm aus, sieht mich furchterregend an und lässt einen Feuerstrahl aus seinem Arm schießen, wie ich es zuletzt bei LSD erlebt hatte, nur diesmal in echt. Ganz schön imponierend. Vorsichtig halte ich die Zigarette in die Feuersbrunst.

-Hm ist die gut!

-Das hoffe ich für dich!

-Nun sei mal nicht böse, ich habe ja nett gefragt. Komm setzen wir uns. Hier wird ja wohl kein Bistro in der Nähe sein, oder?

-Du hast wirklich Nerven! All die Jahre bist du ein Satansbraten und plötzlich ändert sich alles für dich, hüpfst von der Brücke, tauchst hier auf und fragst ausgerechnet MICH nach Feuer und Kippen! Ja, Zeit hast du jetzt in der Tat unendlich. Du machst mich neugierig, was du für ein Kerl bist. Komm mit, ich kenne eine schicke Düne da hinten, da können wir plaudern.

Und so gingen sie zusammen zu einer beachtlich großen Wanderdüne, die eine fast ähnliche Geschwindigkeit hatte, so wie sie beide, weswegen sie ein wenig länger brauchten, als gedacht. Dann endlich saßen sie und der dunkle Umhang begann ihm höchstpersönlich die Regeln zu erklären, die es natürlich auch in seinem Reich gab.