Archiv für den Monat: Januar 2018

Obdachlose

Liebe Hinz und Kunzt Redaktion

Seit Jahren lese ich euch und ich möchte euch sagen, immer sehr gerne.

Aber seit heute, Samstag den 27.01.2018 – nachdem ich eure aktuelle Ausgabe fertiggelesen habe, bin ich jemand anderes geworden.

Keine Ahnung warum, oder wieso – ist alles nicht wichtig – richtig ist jedoch,
dass ich die Ausgabe zur Seite gelegt und geweint habe – einfach so.

Die Tränen liefen und liefen – sie hörten gar nicht mehr auf – und sie tun es immer noch – während ich diese Zeilen hier schreibe.

Plötzlich sprudeln so viele Dinge aus meinem Kopf – auf einmal sind so viele Fragen und Bilder in meinem Gedächtnispalast – steht mir soviel Fassungslosigkeit im Gesicht und wuchert soviel haltloses Unverständnis in meinem kleinen Garten, dass ich diese Dinge loswerden muss.

Verzeiht mir daher bitte, wenn manche meiner folgenden Fragen naiv klingen, oder euch verlegen machen, weil ihr durch eure Erfahrungen soviel dichter am Leben seit – denn nachdem meine Tränen jetzt anfangen zu trocknen, überkommt mich Scham, Wut und Zorn – und das reichlich!

Scham, weil mich der Artikel über Nicole so sehr mitgenommen hat, dass ich wirklich nicht weiß, ob ich mein Leben, so wie ich es bis eben gerade geführt habe, so weiter vor sich hintröpfeln lassen kann.

Wut, weil ich den menschlichen Reflex, sich hinter Vorschriften zu verstecken, sich hinter ihnen immer mehr zur Regungslosigkeit zu verbarrikadieren, so peinlich und unmenschlich empfinde, dass es mich ankotzt.

Und zu guter Letzt – Zorn – weil Gesetzte und Vorschriften von Menschen für Menschen gemacht worden sind, um unser gesellschaftliches Leben, im Rahmen der Gesetze zu organisieren und zu fördern – daher sollten sie entweder schnellstens abgeschafft oder geändert werden, wenn sie den Menschen nicht oder nur teilweise gut tun und sei es nur ein repräsentativer Einzelfall – und parallel fangen wir endlich an, sie ab sofort als roten Faden mit Flexibilität und Bemessensspielraum zu sehen, um in unserem gemeinsamen Alltag der Wärme und Menschlichkeit Vorrang zu geben, auch wenn es heißt, eine Verordnung kurzfristig zu beugen!

Wie ist es möglich, dass in dieser reichen Hansestadt auch nur ein einziger Mensch obdachlos ist? Wie? Könnt ihr mir das mal erklären?

Wissen wir, wie viele in Hamburg auf Platte leben? (Ich bin mir sicher, ihr wisst das) Sind es so viele, wo doch unsere Stadt, unser Land so reich ist? Wie kann das sein?

Wieviele leerstehende Wohnungen haben wir in unserer Weltstadt Hamburg?

Können wir die Herzen der Menschen mit Vermögen nicht erreichen? Ist es so schwer, dem Hamburger die Augen zu öffnen? Halten wir Hanseaten uns nicht für modern, hilfsbereit und ehrbar genug, die Obdachlosigkeit mit allen Mitteln, mit vereinten Kräften abzustellen?

Ich halte fest: Fakt1 – wir haben vermutlich mehrere Hundert Obdachlose und vermutlich ausreichend Vermögen in der Stadt, um sie alle von der Platte zu holen, ohne dass auch nur ein Spender seinen Lebensstandard reduzieren muss.

Fakt2: Unsere Obdachlosen haben die gleichen Rechte, wie jeder andere Bürger und Mensch – Menschenrechte eingeschlossen. Ihnen gebührt der gleiche Respekt, die gleiche Achtsamkeit und Höflichkeit, wie jedem Anderen, mit einem großen Unterschied – sie sind mehr an der frischen Luft, mit widerstandsfähigen wetterfesten Appetit und haben daher eine robustere Gesundheit, weswegen sie in Gänze vermutlich weniger krank und auf der Coach sind!

Wenn ich also meine Synthese zusammenfassen darf, steht für mich Folgendes fest: Ich werde NICHT so weitermachen wie bisher – ich werd mir etwas einfallen lassen und zwar zeitnah – ich halte euch auf dem Laufenden – ich möchte, nein ich MUSS bei mir anfangen – sofort – ich hasse es, nur zu reden – ich werde handeln – das  verspreche ich.

Das schulde ich den Obdachlosen Bürgern und Menschen Hamburgs.

Don Tango

 

2018 – das neue 1968?

Heut bin ich schon wieder spät aufgestanden – ich glaub es war Mittag oder so. Spät aufstehen finde ich ziemlich in Ordnung. Man geht keinem auf den Wecker – der Vorteil daran ist – auch umgekehrt.

Manchmal frage ich mich, warum ich nicht einfach liegen bleib. In ganz lebendigen Momenten wie heute komme ich sogar richtig ins Sinnieren – eigentlich mag ich dies ewige grübeln und nachbohren nicht – es führt meist sowieso zu nichts, weil man immer am gleichen Punkt ankommt, der einem richtig weh tut, weil man erkennt, zugeben muss, nichts geändert zu haben.

Ich bin ziemlich gut darin nichts zu ändern – geht ja auch so, oder nicht? Muss man alles hinterfragen? Kann man nicht einmal seine Klappe halten und einfach weitermachen? Nein?

Warum muss ich immer Nettes schreiben, oder lustig sein? Warum kann ich nicht sagen – fuck, heute geht es mir scheiße – ich meine so richtig kacke – dass ich keinen sehen will?

-Wie, du willst keinen sehen? Magst du uns nicht mehr, oder was? Wir waren doch für 15:00 Uhr verabredet und auf einmal kannst du nicht? Wie meinst du das, nicht sehen wollen?

– Na, es geht mir halt schlecht, keine Ahnung warum!

Manchmal hat man halt einen Scheißtag – passiert halt – ist nicht schlimm – richtig nervig finde ich nur, dass man das heute nicht mehr sagt – ist nicht mehr akzeptiert – man denkt sich irgendeine Ausrede aus – nee du, ich habe gerade Buntwäsche und muss unbedingt meine Steuer machen – man akzeptiert die Wahrheit kaum noch.

-Nein, ihr Freund / Partner / Kumpel / Bruder / Schwester / Eltern / usw. hat keinen Motorschaden, mit Nichten – er fühlt sich heute halt nicht, verstehen sie? Ist so n Software-Ding – nein, ist nicht schlimm – sie brauchen keinen Fehlerspeicher auslesen – das kommt von ganz alleine wieder in Ordnung – sowas ist nicht akzeptiert – aber, so what?

Ja, ich weiß – ist irgendwie kindisch – aber genau deswegen, ist es mir wichtig – ich hoffe, dass das Kind in mir immer Oberhand über den langweiligen Erwachsenen behält, der ich nach all den Jahren, still und leise, geworden bin!

Das Kind in mir würde sich nämlich über alles aufregen, was es sieht, hört, schmeckt, riecht und liest – über alles!

Was es macht, um nicht auszuflippen und aus dem Fenster zu springen?

(Gut, das war jetzt unpassend – ich habe mich verplappert – es stimmt, es war ein kläglicher Versuch – aber was sollte ich machen? Ich hab darüber geschrieben, im Ernst – ohne Filter – diesmall wollte ich alles rauslassen – ich weiß – gefällt nicht allen – sowas kann man doch nicht schreiben, wenn man sich an den deutschen Literatur-Knigge hält und so alles – hab ich aber trotzdem gemacht – ich wollte was Neues, was Anderes ausprobieren – was ändern)

Also, was macht es? Es schreibt sich alles von der Seele – ohne Filter, mit aller Macht, Liebe und Zorn, zu dem es im Stande ist – danach legt es sich ins Bett und schläft friedlich ein – okay, nachdem es sich zur Belohnung ein paar Gläser Wein gegönnt hat.

Okay, also mache ich wegen dem Schreiben weiter? Oder gibt es was anderes?

Stimmt – Broterwerb ist eine mögliche Antwort. Geld hab ich bitter nötig – für Lebensmittel und Miete und so alles – aber gibt es noch andere Gründe, einen anderen Sinn, sich aufzuraffen?

Als Syd Barrett und Roger Waters Astronomy Dominé live bei der BBC spielten – es war 1967, sie hatten gerade ihre Band mit dem unmöglichen Namen „The Pink Floyd“ gegründet, eine damals völlig neue und unbekannte Band, die den Vertretern des musikalischen Establishments richtig auf den Wecker ging, ein gewaltiger Dorn im Auge war – fegten sie mit ihren sphärischen und organischen Klängen so ziemlich alles in den musikalischen Abfluss des Althergebrachten, dass den Radiosendern, Fernsehanstalten, am Ende den Gesellschafften nichts anderes übrig blieb, als aus ihren muffigen Ecken herauszukommen, nachdem schon die Beatles, Stones und viele andere zum Aufbruch aufgerufen hatten – es ging nicht anders – sie mussten sich bewegen.

Zu revolutionär, schrill und grell leuchtete die Musik dieser Bands, die den Twens und Teenies von damals das Kleinhirn in Technicolour färbten, als würden sie auf einem LSD-Trip sein.

Und heute?

Ich bin zu jung, um mich an die gesamte literarische Zeit von 68 bis heute zu erinnern – wie ist es heute? Oder gestern, oder vorgestern?

Gibt, oder gab es jemals in dieser Zeitspanne eine Revolution, einen reinigenden, literarischen Flächenbrand in Deutschland – Ost, oder West – der kein Stein auf dem anderen ließ, die eine ähnliche nachhaltige und heftige Wirkung hatte, wie die musikalische Revolution der späten Sechziger und Siebziger?

Meines Wissens hat es so eine Zeit nie gegeben – weder in Deutschland, Frankreich, noch sonst wo in Europa – deswegen mache ich weiter, weil ich hoffe, dass 2018 das neue 1968 wird – werden muss!