Archiv für den Monat: Mai 2023

28.Mai – Athen – Odyssee 2023

Kam gestern aus Hellas zurück … mir schlottern jetzt noch die Knie … nicht, weil’s doof war … Im Gegenteil … fand es großartig … schlicht der Wahnsinn … vor Allem, als ich auf’s Moped stieg und mit Athener Rhythmus am Toulouser Flughafen losballerte …

Barbaren leben UND fahren anders,

so viel steht fest … waren nur drei Tage … die ich in der kosmischen Hauptstadt verbrachte … wenngleich es sich … mindestens … wie‘ ne Woche anfühlte … jedem, der noch nie da war kann ich nur raten … halte dich fern … wenn du denkst, dass deine Weltanschauung die richtige ist …

wenn du wenig vom Leben überrascht wurdest …

weder Ehestreit, Suff, Tod … Scheidung, Pleiten, Unfälle … eins davon … wahlweise zusammen … weder dunkle Erlebnisse durchlebtest … dem kann ich nur raten … mauer dich ein … versichere dich über beide Ohren … trag Fahrradhelm beim Wandern im Stadtpark …

lege dein Geld rechtzeitig in …

ADAC-Plus-Mitgliedschaft und Sterbeversicherung an … bügle Unterwäsche … verwende Weichspüler … Dinge müssen gut riechen, nicht wahr … gehe in den Schützenverein … kauf dir ’ne fette Wumme … schaff dir ‘nen Weber … noch besser …

Napoleon-Grill an …

was denn sonst … bist du ein Loser oder was … fahr’n fetten Geländewagen in der Stadt  … gerne mit dicker Batterie … schön schwer … schau mal … wie geil ist das denn … hat ne verdammte Kamera in der Heckklappe … wie James Bond …

verstopfe die Stadt …

fahre kein altmodisches Fahrrad … was sollen die Nachbarn … deine Buddys denken … es sei denn … ein scheiß-piss-drecks-modernes E-Bike … schau Bundesliga … oder les das Managermagazin im Abo … mach Sylt.- und Cluburlaub … deine geliebten …

Kreuzfahrten …

ziehe in schicke Szene-Viertel … beschleunige Gentrifizierung … planiere die Welt wie sie dir gefällt … alles schöner Beton … brauchst keinen Rasen mähen … kauf jeden Scheiß Online … nachdem alle Preise verglichen … lass die kleinen Krämer verrecken …

geiz ist immer noch geil …

mach den Uber-Trend mit … ist doch cool … alles schön digital und anonym … schau mal, sogar meine Aktien … genial … alles über ’ne App … hier guck mal … zack … alles auf einen Blick … bin der Käpt’n meines Leben …

aber, im Namen deines Gottes …

welcher auch immer das ist … sei es … Reichtum … Macht … Erfolg … Porsche … BMW … irgendeine andere tolle Technologie … Singularity und so … Elon Musk findest du schon cool … so ganz tief drinnen …nicht wahr … pflege …

nein, besser noch …

verbessere den schon sehr guten Ruf, den du … deine Vorzeige.- … jetzt bitte wahlweise … Partner, Familie, Kinder, oder Firma … als nächstes Dominosteinchen einsetzen … Wachstum ist großartig … ein schöner Gott, oder was … immer mehr … höher weiter … wenn du so tickst …

dann bleib Hellas … besonders Athen fern!

Wenn man mit Athenern über ihre Stadt plaudert hört man’s sofort raus … selten anzutreffende Form von Hass-Liebe … tief geht sie … aber richtig … man kann sehen, wie sie alle gebückt gehen … gebeugt von der Last … dies sie seit Jahren tragen …

was in  tausenden Jahren geschah …

man ahnt es … spürt es … wenn man sich in ihr aufhält … wenn man in ihr lebt … alles ist hier dunkel … gleichzeitig gleißend-hell … man verbrennt sich die Augen … verzweifelt beim Zuhören … keine Schweinerei hat man ausgelassen …

es ist auch nicht die Reizüberflutung …

schon alleine an der gehst du kaputt … egal, womit du anfängst … Licht, Wetter, Geräusche, Sprache, Landschaft, oder antike Monumente … der Verkehr … nein, all das, ist es nicht … wenn gleich eins davon langt …

auch ist‘s nicht jenes unbeschreibliche Gefühl,

dass einen schnell beschleicht … das Athen in Wahrheit eine Riesenkrake mit unendlich vielen Armen und Beinen ist … stadtgewordene Medusa … ständig weiterwachsend, wenn du sie mit Gewalt beschneidest … es ist auch nicht Athen bei Nacht … dann glaubst du sofort …

an die Monster-Medusen-Theorie …

nein … all das verblasst … vor den beeindruckenden … Menschen … die vegetieren, hausen, überleben … residieren, schlemmen … herrschen … es sind ihre lautlosen Schreie … zum Überleben gezwungen … mit glühender Mistforke … vor sich hertreibend …

nach Jahrhunderten … Jahrtausenden …

voller Unterdrückung … voller Leid … Könige … Diebe … Tyrannen … hier reden, propagieren Menschen sie nicht nur … sie leben sie … Solidarität … der Zauber eines oft unterdrückten Volkes … das seinen unbedeutenden Platz im …

Maschinen-Gewehr-Donner der Neuzeit …

mit Turbo.- … Heuschreckenkapitalismus zugewiesen bekam … dutzendfach durchgevögelt und bestohlen von Venezianern … Briten … Franzosen … Germanen … Persern … Türken … schönes Land … reiche Kultur und Vergangenheit … all das macht noch keinen Eindruck bei Blackrock …

auch der Aufstand am Polytechnio …

Schatten der Vergangenheit … und doch … Athener tragen das mit sich herum … ihre Gesichter … ernst … schnell gealtert … intensiv gelebt … man wundert sich … dass man immer noch da ist … und doch … lacht man aus Leibeskräften …

mit Tränen in den Augen …

über Vergangenes … kommendes Leid … über die Ausweglosigkeit … menschlichen Daseins, dass am Ende für alle … Prinz … Fürst … König … Bettler … Tyrannen … Oligarchen und Autokraten … die gleiche Dunkelheit naht … möge sie bitte nicht morgen kommen … vielleicht etwas später …

wäre das möglich …

kein Tag gleicht dem Anderen … immer ändert sich Rhythmus … Geschwindigkeit … zu Fuß halte ich tausendmal an … kann mich nicht sattsehen … Pracht … Leid … Armut … ich lache, weine … verzweifle … spreche kaum einen Satz … und doch ahne ich …

mein Motorrad brachte ich pünktlich weg …

nun wieder zu Fuß unterwegs … jeder Schritt den ich überwinde … zahlt Athen mir mit zwei weiteren heim … pilgere still und leise … vorbei an Hadrians Bibliothek … alle Sprachen des Kosmos … Metronom gleich … setze meinen Weg fort …

am Omonia-Platz überkommt mich Melancholie …

keine Ahnung warum … höre laute Bässe … scheinen aus dem Erdinnern … aus Athens Körper zu kommen … Herzschlag … Autos, Motorräder rasen vorbei … Freitagabend … 19:30 local time … Wochentage … Zeit … nichts hat Bedeutung … alles kämpft weiter …

zum Horizont …

ein kleines Bisschen noch … Sonne scheint in Strömen … Verzweiflung und Liebesrausch, alles gleichzeitig … schwitzen Mensch und Erde aus Poren … glühende Lava, kalter Schnee … Feuer und Wasser … alles gleichzeitig … Geburt und Tod … Heraklit … sagtest es ganz recht …

alles fließt …  

21.May – Ellada – Odyssee 2023

Bin seit gestern wieder in Hellas … habe mich oft gefragt, was der Unterschied zwischen Heimat und zuhause ist … für Heimat hab ich bis heut‘ keine Erklärung … nicht mal’n Gefühl, oder ‘ne Erinnerung … fühle mich in Toulouse wohl … Freundin und Freunde leben dort … klingt nach zuhause.

Griechenland ist was anderes.

Wenn ich dort bin, hab ich ‘nen Klos im Hals … keine Ahnung warum … wirklich, null Scheckung … ganz egal, ob ich in Athen, um die Akropolis streune, oder irgendwo in der Pampa um Kalamata verloren gehe … mich haut’s um … klar kenne ich manche der Gründe, warum mich Landschaft, Kultur, Sprache und Menschen anfixen,

wirklich erklären, tut’s jedoch – nichts.

Geisteswissenschaftler und Künstler behaupten, dass Manches nicht erklärt werden kann … auch nicht sollte … man geht zugrunde, sollte man Erfolg haben … Dimitri Liantini, Professor für Philosophie (1942 – 1998)

beschreibt in seinem Buch „Gemma“,

dass der Untergang vom antiken Griechenland mit der Fertigstellung der Akropolis begann … klingt nach Heisenberg und Schrödingers Katze … nach Gesetzen der Natur … jede Pflanze hat ein maximales Wachstum,

nachdem der Niedergang beginnt.

Dimitri nennt kulturelle, geistige Gründe … gefällt mir gut … nicht nur als theoretischer Ansatz … auch aus epigenetischer Sicht … Bruce Lipton beschreibt, wie aus seiner Sicht unsere geistige Einstellung Körperzellen, Gesundheit, unseren ganzen Körper beeinflusst.

Seht unten sein Interview.

Als ich in jungen Jahren einen Leichtathletik-Wettbewerb gewann wartete ich wochenlang auf eine Veränderung in mir … getan hat sich nichts, auch nach Monaten nicht … lediglich bei Mitschülern hatte ich offensichtlich an Achtung gewonnen,

was jeglichen Wunsch auf Wiederholung beerdigte.

Schlimmer noch … betrogen fühlte ich mich … man musste mich um was gebracht haben, wie konnte es sein, dass die ganze verdammte Welt sich um Zielflaggen drehte? Entweder war alles ein Riesenschwindel … oder, ich kapierte nichts.

Vermutlich gibt‘s noch weitere Gründe,

aber bis heute, stößt Erfolg mich ab … von Krieg, Kampf, Leid, Exzellenz, Elitenbildung, Dominanz, Alphatiergehabe usw. brauchen wir gar nicht erst reden … was das alles mit Hellas zu tun hat … keine Ahnung … habe meine eigenen Theorien, die ich aber, siehe oben,

nicht niederschreibe … nicht erzähle.

Will nicht als Esoteriker, oder Sonstwas verstanden werden … alles erklären kann man, wie wir seit Sokrates wissen, sowieso nicht … bewahre mir daher lieber diese magische Beziehung, die eine andere wäre, wenn ich … Dinge des Alltags …

Behördengänge, Handwerker finden …

Familie besuchen, die genauso wenig zuhört, interessiert ist, wie man selbst … nicht auszudenken … also mach ich es lieber nicht … ich surfe weiter, wie’s Kumpel F. gern beschreibt … hoffe nicht, dass es nach Opportunismus klingt,

wenngleich man mir auch das schon vorwarf …

zumindest habe ich heute in Hellas zum ersten Mal richtiges Scheißwetter … Sturmböen und Starkregen, den ganzen Tag … man glaubt in Sankt Peter-Ording zu sein … ein Wunder, das ich nur wenige Tropfen abbekam … saß fünf Stunden in der Taverne fest.

Aus Eimern kübelte es.

Bestimmt ist Poseidon sauer, wegen der ganzen Umweltverschmutzung, besonders der Weltmeere … Grund genug hätt‘ er … die Kombination aus wolkenverhangenen Bergen und peitschender See ist wirklich

ein Wahnsinn!

Mal ist‘s kalt und feucht … wenige Minuten später pustet‘s trocken-heiß … tropisch das Ganze … selbst Straßenköter rennen kopflos über Straßen … zwei hätte ich heute fast umgemangelt … verzweifelt wie die aussahen, hätten die’s nicht mal bemerkt.

Ganz anders die Herren in den Tavernas.

Stille graubärtige Gesichter … in Stein gemeißelt … von Homer persönlich … war mit ’ner Freundin beim Wählen … kleines Dorf … Süden Peleponnes … fand in ’ner Schule statt, wie in andern Ländern … Foto mit ihrem Vater in Wahlkabine … beschützt von Plakaten … sag’s ja immer …

Europa ist dichter beisammen als wir denken,

angeblich bekommen wir in der Politik was wir verdienen … irgendwie landet alles immer wieder bei uns … merkwürdig … gibt anscheinend keinen, der mir was abnimmt … nun ja, ich werde weiter forschen … wenn ich das Ergebnis kenne,

werde ich‘s schnell wegwerfen…

14.Mai – Nachschenken – Odyssee 2023

Zur Zeit achte ich auf meinen Alkoholkonsum. Was will man machen, jeder braucht Disziplin, sonst landet man in der Hölle. Tief in mir drin hasse ich sie zutiefst, erinnert sie mich doch an meinen Alten. Was ging er uns mit seiner Scheißdisziplin auf’n Wecker.

„Sohn, das ganze Leben besteht aus Kampf!

Täglich musst du dich behaupten, dich beweisen, ohne Fleiß und Disziplin läuft da nichts…“, so klingelt‘s mir noch heute in den Ohren. Wie sehr ich seine Welt hasste. Klar hat das für ihn funktioniert. Hut ab, hat sich ganz alleine aus dem Dreck gezogen.

Ist bettelarm aufgewachsen.

Geboren 1938, Vater im Krieg geblieben, drei Geschwister, mussten auf die Felder, Kartoffeln klauen, zum überleben. Volksschulen mit Backpfeifen und Löchern im Dach, alles lag in Trümmern. Mit 14 in die Lehre, Studium konnte sich niemand leisten.

Im Lehrbetrieb gab‘s weiter Schläge.

Und das nicht zu knapp, wie er auch heute noch erzählt. 48h arbeiten, plus Samstag Werkstatt aufräumen, da wusste man, warum man Abends nachschenkte. Hatte letztlich Erfolg, all die Plackerei machte sich bezahlt, aus seiner Sicht.

Disziplin ist wichtig, schon klar.

Aber in homöopathischen Dosen, statt mit der Gießkanne. Meine Form von Disziplin sieht so aus: Ein bis drei Tage in der Woche trinke ich nur Wasser. Normalerweise klappt das ganz gut. Auch am Wochenende, versuche ich Acht zu geben.

Klingt protestantisch, ein wenig nach meinem Vater, ich weiß.

Gestern dann der Ausgleich, hab die Zügel schleifen lassen. Waren bei Cedric und Eric im Bistro „La Goulue“, zwar hatte ich ‘ne kurze Woche, dafür war sie aber Scheiße wie ein Monat. Unpünktliche Kollegen und Aggressionen am laufenden Band.

Einer schrie mich am Telefon sogar an!

Dachte mir klingeln die Ohren, all die dusseligen Meetings hätten wir uns sparen können, entweder ließen sie mich alleine wie‘n Idiot im Regen stehen, oder kamen so spät, dass es nicht mehr lohnte, was ist bloß los mit den Menschen?

Gestern dann lecker Essen und Trinken.

„Hey, schön dass ihr mal wieder reinschaut“, Cedric in bester Stimmung, ich ahnte Schlimmes. „Ach die Turteltauben schauen mal wieder vorbei“, dröhnte Eric aus der Küche, drückt uns innig, greift hinter’n Tresen und schenkt sich ein Blondes ein.

19:30

Durstig wie wir sind, bestellen wir Martini on the Rocks für Choupinette und ein Blondes für mich, bin durstig wie ein Maurer aus Bautzen. Wir gehen raus auf die Terrasse, schauen Toulouse gemeinsam auf’s Schambein, herrlich.

19:50

Wir bestellen Nachschub, sie’n zweiten Martini, ich ‘nen Campari-Spritz, lecker. Wir gehen rein, uns wird kalt, hin und wieder hängen meine Gedanken der beschissenen Woche nach. Zwei Kollegen haben mich wütend gemacht. Egoisten gehen mir auf den Wecker, klar, ‘ne gesunde Form ist lebenserhaltend, aber alles hat Grenzen.

20:10

Heute haben sie wenig Kundschaft, dafür Zeit für uns. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Cedric sich ein Pils hinterm Tresen einschenkt und in einem Zug runterspült. Wir fangen mit Sardinen-Crème und Röstbrot als Vorspeise an, zum Hauptgang Andouliette, Cedric schlägt ’nen leckeren Roten vor, schenkt sich selbst ein, nickt anerkennend.

20:30

Wir haben Betriebstemperatur, meine Gedanken über die verfickte Dreckswoche sind verstummt. Gerade will ich nach dem Koch fragen, der sonst in der Küche tobt, da hält Cedric vorm Tisch, „unsern Koch ham‘ wa gefeuert“, wir sind überrascht, aber diskret und fragen nicht nach dem Grund.

20:50

„Bedeutet dann doch aber eine Menge Mehrarbeit, oder nicht“, will ich wissen, leere meinen Campari, gurgle mit Wasser und gehe nahtlos zum Rotwein über, ist wirklich lecker, „doch natürlich“, lacht mich Cedric an, „aber weil ich kein Hobby hab‘, dachte ich…“, flunkert und zwinkert er uns zu; ich runzle die Stirn, blicke Eric fragend an,

„bin lieber hier, als bei Frau und Kindern“,

haut er wie aus der Pistole geschossen raus. Ich suche ein verstecktes Lachen in seinem Bart und finde nur sein tiefernstes Gesicht. „Wow“, denke ich mir und nehm‘ einen kräftigen Schluck vom Roten. Beide wirbeln wieder los, Eric in die Küche, Cedric, um Kunden zu bedienen.

21:15

Unser Futter kommt, „herrlich wie das duftet, nicht wahr Schatz?“, zufrieden nickt sie und lächelt mir zu, wer weiß woran sie gerade denkt; schenke uns Wein nach, selig kauen wir uns in eine Trance, „alles Recht bei euch?“, will Cedric wissen und strahlen ihn glücklich an.

21:35

Erste Gäste sind gegangen, Cedric setzt sich zu uns an den Tisch, holt eine andere Flasche Rotwein und Cognac-Schwenker, „die gehen auf mich“, ich ahnte es. „Ist das Rum?“, will ich wissen und ernte verständnisvolles Lächeln, man ist das lecker; meine Süße schüttelt den Kopf, gießt mir ihre Ladung in den Schwenker.

22:15

Eric setzt sich dazu, schlürft ein weiteres Glas Weißen. „Euer Kartoffelpüree ist der Wahnsinn“, lobe ich, mein’s ernst, kochen wirklich fabelhaft. Meine Arbeitswoche ist längst über alle Berge, Baal sei Dank!

22:35

„Probiert den mal, richtig knackig“, längst stehen neue Gläser auf dem Tisch, der Wein ist schwarz wie die Nacht, meine Freundin runzelt betreten die Stirn, „bin etwas betrunken“, vergnügtes Lachen von allen. „Weinselischkeit iss fass-so’n schönes Word wie Müsischgangh“, schwadroniere ich.      

22:47

Meine Freundin fängt an zu gähnen, der Neue ist ihr zu stark, wieder landet ne Ladung bei mir. Ist leider lecker. „Was macht ihr am 27.Mai?“, will ich wissen, „Arbeiten!“, schreien sie im Chor, „dann macht euch auf was gefasst!“, drohe ich, Cedric hat Sonntag den 28. Geburtstag.

23:10

Wir zahlen, „Mensch, war wieder klasse“, geb‘ ich zum Besten, bin gut angeschlagen, wie ich merk‘, „tschüß, machts gut, bis in zwei Wochen“, Küsschen links, rechts, schon sind wir auf der Straße. 30min Fußweg. „Hab zuviel gefressen“, hab Schnappatmung.

23:50

Heil zuhause angekommen fällt uns nichts Besseres ein, als uns über den Design-Vorschlag der neuen Homepage zu unterhalten. Wie so oft, wenn’s um Farben und Formen geht, sind wir unterschiedlicher Meinung. Ich rede von Schriftformen und Größenverhältnissen, sie von Überschriften und Inhalten.

00:10

Wir wechseln auf Englisch, merken beide, dass wir zu Bett gehen sollten, machen’s aber nicht. Wir reden lauter, versuchen einander zu überzeugen. Bald halten wir uns gegenseitig vor, dass wir einander nicht ausreden, nicht zuhören, was beides – stimmt.

00:25

Wir streiten. Jeder hat Recht und Unrecht. Leider kriegen wir die Kurve nicht. Wir kramen in der gemeinsamen Vergangenheit, verzweifelte Versuche, um die Thesen des anderen zu widerlegen, die eigenen zu bekräftigen. Wir sind erbärmlich, wie alle Menschen. Geradezu menschlich.

00:50

Trinken Wasser. Langsam kommen wir runter, „mein lieber Herr Gesangsverein“, denke ich, „sie kann wirklich energisch sein“, staune ich, ein echtes Cowgirl. „Wir sollten keine ernsten Themen besprechen, wenn wir besoffen sind“, schlage ich vor.

Zwei Holzköpfe nicken.

Sind wieder im Harmonieland. „Merkwürdig“, grüble ich, während Choupinette sich im Bad fertig macht, „bin wohl friedlicher geworden, aber unverändert angriffslustig“, murmle ich nachdenklich, nippe am Wasser und denke an mein neues Buch von Céline, „Tod auf Raten“

und muss laut lachen…

https://goo.gl/maps/sJZuSoBjJsaQw3Qz9?coh=178571&entry=tt

7.Mai – Wahres Leben – Odyssee 2023

Es passierte gestern. Kumpel F. und ich hatten uns zur medialen Aufgeregtheit in Sachen Stuckrad-Barre ausgetauscht. Treffender und nüchterner als ich, ordnete er den derzeitigen Tumult ein, was mir doppelt guttat.

Zum Einen zeigte es mir die Tatsache auf,

dass meine Übersicht des deutschsprachigen Literaturmarktes nach wie vor unverändert, mit einer derart rudimentären Ungepflegtheit daherkommt, was mich zugegebenermaßen dennoch wenig einlädt etwas dagegen zu unternehmen,

sondern im Gegenteil,

das Ergebnis multifunktionaler Langeweile und tiefverwurzelter Ablehnung gegenüber Mainstream bleibt, ohne genau festzulegen was genau ich mit Mainstream meine, was F. selbstverständlich weiß, aber nonchalant wie immer gekonnt übergeht und höflich, diskret und nüchtern wie er ist, weder

kommentiert noch interpretiert

ins kosmische Klassenbuch der Zeit eintrug, so wie man Bekannte, Familienmitglieder, Freunde, oder auch unbekannte Menschen Dank Kinderstube, Höflichkeit und Achtsamkeit, nicht auf den Popel im Nasenloch, die Laufmasche in der Nylonstrumpfhose, den offenen Hosenschlitz,

den ungeplanten Rülpser und Furz,

oder die beharrlich insistierende jugendliche Akne hinweist. Auch heißt es mitnichten, das mein lieber Kumpel F. an Mainstream interessiert ist, sondern das seine Übersicht und sein Horizont zu dieser Thematik besser entwickelt sind, als die Meinigen, was ich nur schwerlich aufholen dürfte.

Und zum Anderen,

wie schnell ich mich von alltäglichem Lärm ablenken lasse. So erkannte ich, dass es bei aller Disziplin und Arbeit am geschriebenen Wort, natürlich nahezu überlebenswichtig für die eigene Kreativität und Inspiration ist, regelmäßig auf Abstand zu gehen,

ich nenne es, ‘ne Runde fliegen gehen,

um sich von Medien-Tsunamis nicht vereinnahmen, runterziehen, ja gänzlich metaphorisch gesprochen, nicht unterdukern zu lassen. Ganz besonders, wenn man genug zu tun hat. Zu schnell verlaufe ich mich in meinem Gedächtnispalast, wo dann

sämtliche Türen und dunkle Schächte auffliegen,

je nachdem wo ich langlaufe, bis ich betrunken vor Rennerei, Erinnerungen und Eindrücken, die Orientierung verliere und mich von meiner Aufgabe entferne, nicht selten ablenken lass, bis ich weinselig im Bett liege. Auf diesem Erlebnis kaute ich rum.

Heute morgen dann – Heureka – die Befreiung.

Wie ein Phönix aus der Asche. Neun Stunden schlief ich tief und fest. Ich träumte üppig, intensiv und bunt, welch ein Geschenk. Beim Wachwerden fuhr mir ein Geistesblitz, ein Gedanke in die Glieder, den ich sofort raus ließ:

„Bleibt mir vom Leib,

mit Kriegen, Mord und Totschlag; verschont mich mit dem Neusten von Emmanuel, Olaf, Christine, Robert, Uschi, Wladimir, Elon, Julie, Wim, Mathias, Hillary, Bastian, Julian, Alice, Klima und dem Wäldersterben;

bleibt mir gestohlen,

mit eurer Aufgeregtheit, eurer falschen Empörung, die uns alle nur ablenkt, wo wir doch genug mit uns selbst zu tun haben, noch dazu gibt‘s so unendlich viel Unbekanntes, was wir nicht wissen, gekostet und ausprobiert haben, und sei es,

ein Tag Müßiggang,

um ungeplant, ohne gnadenlos effizienten Plan in den Tag zu leben. Genau das und ein wenig mehr nahm ich mir vor. Gemütlich Kaffee trinken, Zeitung lesen, aus’m Fenster schauen, Nelken-Wasser nippend, meine Lilien bewundernd.

„Welch Luxus!“,

dachte ich, als ich um 10 wach wurde, mir ’ne kleine Poesie-Sammlung von Konstantinos Kavafis griff, um darin zu schmökern. Ich nahm mir vor „Ewigkeit“ in Griechisch auf Papier zu schreiben, aus Freude und Hingabe für

schöne Worte und berührende Sprache.

„Glück muss nicht groß sein“, dachte ich, wenngleich das hier erwähnte für ungezählt viele Menschen unerreichbar im Leben blieb. „Ich weiß“, seufzte ich andächtig, schwieg, stand auf, machte mir Kaffee und tat, wie mich mein Geist bereits anwies.

Drei Stunden lang – herrlich.

Um 13 Uhr erinnerte mich die Schließung unseres Marktes in Les Carmes daran, dass es eben doch Dinge gibt, wo wir abhängig sind, wie zum Beispiel Öffnungszeiten, Flüge, Versicherungen, Beerdigungen und andere Dinge, die zum grauen Alltag zählen.

„Für frisches Gemüse musst du dich bewegen!“,

sprach ich, sprang in meine Schuhe, schwang mir Rucksack und Jacke über und schlenderte rüber. MÄRKTE – das wirklich wahre unverfälschte Leben. Hier sind wir alle gleich. „Schau nur die leidenschaftlichen Marktbeschicker,

ihre großen Herzen und leeren Bäuche“,

seufzte ich, beim Bestaunen der vielen bunten Stände, hier Fische, Oktopusse, aufgeschnittene Thunfische, eisgekühlte Austern, orange leuchtende Gambas, dort bordeauxrot gereiftes Rindfleisch, Berge von Würsten, Töpfe voller Rillette, Foie Gras, und Pasteten, nebenan mein Gemüse-Mann, dahinter der sprachlos machende Käsestand, wunderschöne Reizüberflutung.

„Hier zählen keine Diplome“,

oder anderer Unfug, hinter denen wir uns verstecken, in der Hoffnung von ihnen aufgewertet zu werden, dass unser Selbstbewusstsein daran wächst, wie eine Weinrebe, sich stetig an Allem entlang, möglichst hochrankend, immer höher, noch höher, bis wir glauben den Göttern nahe,

für Besseres, für Höheres geboren worden zu sein.

Dabei sitzen wir auf der gleichen Toilette. Hose runter, „ist genug Papier da?“, ach-ja, das ist schön, alle Formen von Hosen in Knien oder Knöcheln, mit und ohne Bier und Zeitschrift, Hauptsache wohlfühlen; Märkte, Klo’s und Motorräder machen Menschen gleich, brüderlich und ebenbürtig.

Dazwischen Heulen und Zähneklappern,

bis das der Tot uns scheidet. Nicht heute, oder morgen, aber dennoch ganz bald, wirklich, ganz bestimmt. Was fangen wir solange an? WAS? Aufregen über Nachbarn, weil sein Apfelbaum über’n Zaun wächst? Weil wir früher in der Schule verprügelt, im Sport als Letzter gewählt wurden? Weil schräge Vögel bleiben was sie immer waren,

nämlich schräge und komisch?

Oder doch lieber alles im Hier und Jetzt abstreifen, erkennend, „wir sind immer noch da, halbwegs bei Sinnen, mit Resten von Verstand, könn‘ alleine auf Klo gehen, kochen was wir wollen, tolle Weine nachschenken, Männern und Frauen staunend hinterhersehen,

ich muss nicht zum Mars…