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28.Mai – Athen – Odyssee 2023

Kam gestern aus Hellas zurück … mir schlottern jetzt noch die Knie … nicht, weil’s doof war … Im Gegenteil … fand es großartig … schlicht der Wahnsinn … vor Allem, als ich auf’s Moped stieg und mit Athener Rhythmus am Toulouser Flughafen losballerte …

Barbaren leben UND fahren anders,

so viel steht fest … waren nur drei Tage … die ich in der kosmischen Hauptstadt verbrachte … wenngleich es sich … mindestens … wie‘ ne Woche anfühlte … jedem, der noch nie da war kann ich nur raten … halte dich fern … wenn du denkst, dass deine Weltanschauung die richtige ist …

wenn du wenig vom Leben überrascht wurdest …

weder Ehestreit, Suff, Tod … Scheidung, Pleiten, Unfälle … eins davon … wahlweise zusammen … weder dunkle Erlebnisse durchlebtest … dem kann ich nur raten … mauer dich ein … versichere dich über beide Ohren … trag Fahrradhelm beim Wandern im Stadtpark …

lege dein Geld rechtzeitig in …

ADAC-Plus-Mitgliedschaft und Sterbeversicherung an … bügle Unterwäsche … verwende Weichspüler … Dinge müssen gut riechen, nicht wahr … gehe in den Schützenverein … kauf dir ’ne fette Wumme … schaff dir ‘nen Weber … noch besser …

Napoleon-Grill an …

was denn sonst … bist du ein Loser oder was … fahr’n fetten Geländewagen in der Stadt  … gerne mit dicker Batterie … schön schwer … schau mal … wie geil ist das denn … hat ne verdammte Kamera in der Heckklappe … wie James Bond …

verstopfe die Stadt …

fahre kein altmodisches Fahrrad … was sollen die Nachbarn … deine Buddys denken … es sei denn … ein scheiß-piss-drecks-modernes E-Bike … schau Bundesliga … oder les das Managermagazin im Abo … mach Sylt.- und Cluburlaub … deine geliebten …

Kreuzfahrten …

ziehe in schicke Szene-Viertel … beschleunige Gentrifizierung … planiere die Welt wie sie dir gefällt … alles schöner Beton … brauchst keinen Rasen mähen … kauf jeden Scheiß Online … nachdem alle Preise verglichen … lass die kleinen Krämer verrecken …

geiz ist immer noch geil …

mach den Uber-Trend mit … ist doch cool … alles schön digital und anonym … schau mal, sogar meine Aktien … genial … alles über ’ne App … hier guck mal … zack … alles auf einen Blick … bin der Käpt’n meines Leben …

aber, im Namen deines Gottes …

welcher auch immer das ist … sei es … Reichtum … Macht … Erfolg … Porsche … BMW … irgendeine andere tolle Technologie … Singularity und so … Elon Musk findest du schon cool … so ganz tief drinnen …nicht wahr … pflege …

nein, besser noch …

verbessere den schon sehr guten Ruf, den du … deine Vorzeige.- … jetzt bitte wahlweise … Partner, Familie, Kinder, oder Firma … als nächstes Dominosteinchen einsetzen … Wachstum ist großartig … ein schöner Gott, oder was … immer mehr … höher weiter … wenn du so tickst …

dann bleib Hellas … besonders Athen fern!

Wenn man mit Athenern über ihre Stadt plaudert hört man’s sofort raus … selten anzutreffende Form von Hass-Liebe … tief geht sie … aber richtig … man kann sehen, wie sie alle gebückt gehen … gebeugt von der Last … dies sie seit Jahren tragen …

was in  tausenden Jahren geschah …

man ahnt es … spürt es … wenn man sich in ihr aufhält … wenn man in ihr lebt … alles ist hier dunkel … gleichzeitig gleißend-hell … man verbrennt sich die Augen … verzweifelt beim Zuhören … keine Schweinerei hat man ausgelassen …

es ist auch nicht die Reizüberflutung …

schon alleine an der gehst du kaputt … egal, womit du anfängst … Licht, Wetter, Geräusche, Sprache, Landschaft, oder antike Monumente … der Verkehr … nein, all das, ist es nicht … wenn gleich eins davon langt …

auch ist‘s nicht jenes unbeschreibliche Gefühl,

dass einen schnell beschleicht … das Athen in Wahrheit eine Riesenkrake mit unendlich vielen Armen und Beinen ist … stadtgewordene Medusa … ständig weiterwachsend, wenn du sie mit Gewalt beschneidest … es ist auch nicht Athen bei Nacht … dann glaubst du sofort …

an die Monster-Medusen-Theorie …

nein … all das verblasst … vor den beeindruckenden … Menschen … die vegetieren, hausen, überleben … residieren, schlemmen … herrschen … es sind ihre lautlosen Schreie … zum Überleben gezwungen … mit glühender Mistforke … vor sich hertreibend …

nach Jahrhunderten … Jahrtausenden …

voller Unterdrückung … voller Leid … Könige … Diebe … Tyrannen … hier reden, propagieren Menschen sie nicht nur … sie leben sie … Solidarität … der Zauber eines oft unterdrückten Volkes … das seinen unbedeutenden Platz im …

Maschinen-Gewehr-Donner der Neuzeit …

mit Turbo.- … Heuschreckenkapitalismus zugewiesen bekam … dutzendfach durchgevögelt und bestohlen von Venezianern … Briten … Franzosen … Germanen … Persern … Türken … schönes Land … reiche Kultur und Vergangenheit … all das macht noch keinen Eindruck bei Blackrock …

auch der Aufstand am Polytechnio …

Schatten der Vergangenheit … und doch … Athener tragen das mit sich herum … ihre Gesichter … ernst … schnell gealtert … intensiv gelebt … man wundert sich … dass man immer noch da ist … und doch … lacht man aus Leibeskräften …

mit Tränen in den Augen …

über Vergangenes … kommendes Leid … über die Ausweglosigkeit … menschlichen Daseins, dass am Ende für alle … Prinz … Fürst … König … Bettler … Tyrannen … Oligarchen und Autokraten … die gleiche Dunkelheit naht … möge sie bitte nicht morgen kommen … vielleicht etwas später …

wäre das möglich …

kein Tag gleicht dem Anderen … immer ändert sich Rhythmus … Geschwindigkeit … zu Fuß halte ich tausendmal an … kann mich nicht sattsehen … Pracht … Leid … Armut … ich lache, weine … verzweifle … spreche kaum einen Satz … und doch ahne ich …

mein Motorrad brachte ich pünktlich weg …

nun wieder zu Fuß unterwegs … jeder Schritt den ich überwinde … zahlt Athen mir mit zwei weiteren heim … pilgere still und leise … vorbei an Hadrians Bibliothek … alle Sprachen des Kosmos … Metronom gleich … setze meinen Weg fort …

am Omonia-Platz überkommt mich Melancholie …

keine Ahnung warum … höre laute Bässe … scheinen aus dem Erdinnern … aus Athens Körper zu kommen … Herzschlag … Autos, Motorräder rasen vorbei … Freitagabend … 19:30 local time … Wochentage … Zeit … nichts hat Bedeutung … alles kämpft weiter …

zum Horizont …

ein kleines Bisschen noch … Sonne scheint in Strömen … Verzweiflung und Liebesrausch, alles gleichzeitig … schwitzen Mensch und Erde aus Poren … glühende Lava, kalter Schnee … Feuer und Wasser … alles gleichzeitig … Geburt und Tod … Heraklit … sagtest es ganz recht …

alles fließt …  

Stille – Odyssee 2020 CW45

08.November – Geburtstage und vieles Mehr ließen D. nach Norddeutschland fliegen. Dort traf er, nach all dem Drunter und Drüber nicht nur Freunde und Familie, sondern auch eine alte Bekannte, die er schon länger nicht mehr gesehen und erlebt hatte; Zu viel meinen wir Menschen tun zu müssen, um unsere bekannten und unbekannten Listen zu füttern, um unserem Leben Sinn und Inhalt zu geben.

Denn was wäre sonst zu tun, wenn man nicht irgendetwas zu erledigen, oder zu beschaffen hätte. Schon sein ganzes Leben vertraute D seinem Bauch; nur er wusste, was wirklich wichtig zu sein schien – und so geschah es: D hörte Monsieur Thalamus und dem Gedächtnispalast zu und griff zum Stift, um ihr und dem Müßiggang ein paar Zeilen zu widmen.

Stille,

wann zuletzt spürte, hörte und fühlte ich dich,

jene unbekannte Schwester der Pallas Athene;

wenn sie sich erst vorsichtig, dann immer schneller,

weiter ausbreitet, bis du mein ganzes Selbst ausfüllt;

wenn für jenen kurzen Moment all mein Sein und Ego

sich unsichtbar machen, ergeben der Unbekannten lauschend;

wenn sich mein kleines Menschendasein mit dem Kosmos,

verbindet, für jenen seltenen Moment der Balance;

zwischen wollen, brauchen und müssen – meiner Ruhelosigkeit,

die sich bis zur völligen Betäubung Beschäftigung erwünscht;

bis ich unter den Trümmern gebildeter Zivilisationen begraben liege,

von der eigenen Zufriedenheit überwältigt und bis ins Mark erschüttert;

wenn ich für jenen kurzen Moment alles weiß und verstehe,

bis mich meine weltliche Ruhelosigkeit wieder hinfortreißt;

um wieder Teil des weltlichen Dröhnens zu werden,

bis ich mich wieder zurückziehe, um erneut

den Sternen zu lauschen…….

 

 

Poseidontempel – Odyssee 2020 CW44

01.November – es war überfällig, fand D. Nun war er schon so oft in Hellas, hatte König Minos in Knossos guten Tag gesagt, sowie Zeus` Geburts- und Jugendort aufgesucht, sowie nahezu jede antike Ausgrabungsstelle in Athen besucht und hatte doch all die Zeit einen wichtigen Baustein in der griechischen Mythologie ausgelassen: König Aigeus / Ägäis! Der alte und ehemalige König von Attika.

D’s Hang zum Melancholischen ließ ihn immer wieder bei den Erfindern der Melancholie landen – bei den Griechen und ihren Attischen Tragödien. Solch eine war auch jene von König Ägeus. Und seit einigen Monaten dachte D immer öfter an ihn, warum, war ihm dabei nie so ganz klar, aber dazu später.

Die Geschichte von König Ägeus und seinem Sohn Theseus, der später noch zu unerwartetem Ruhm kommen sollte, als er den Minotaurus besiegte – weswegen sich die natürlich schöne Ariadne in ihn verliebte, was nebenbei noch dazu Minos‘ Tochter war – soll hier nicht weiter ausgerollt werden.

D empfiehlt, die Geschichten über König Minos und seinen Minotaurus in Ruhe durchzulesen, nicht nur weil es sich lohnt, sondern weil sie auch voller Fantasie und schöner Namen sind. (Anm.: Über den Ort das Labyrinths des Minotaurus werden auch heute noch hitzige Debatten geführt, je nachdem, mit wem man darüber spricht)

Im Schnelldurchlauf also – auch wenn manche das als Vergehen gegen die Griechische Geschichte ansehen, was in Wahrheit das Gegenteil ist, aber auch dazu später vielleicht mal mehr.

Also, König Ägeus und sein Sohn Theseus verabredeten, dass er bei Erfolg weiße Segel beim Rückweg von Kreta setzen sollte und schwarze, bei Versagen. Theseus war es leid, dass die Athener, im Besonderen sein Vater, jedes Jahr sieben Jungfrauen und Jünglinge dem Minotauros opfern mussten, weil sie gegen König Minos verloren hatten, weswegen Theseus kurzerhand entschied, diese Kreuzung aus Stier und Mensch selber auszuschalten.

Weil Theseus Erfolg hatte – Schnurspannen, um sich nicht zu verirren konnten wir später noch in anderen Märchen und Geschichten lesen – und deswegen so Siegestrunken war, dass er nur noch Augen für Ariadne hatte, vergaß er doch glatt die weißen Segel zu setzen (Anm: Beim Hinweg hatten sie schon die Schwarzen) so dass der ungeduldige Vater auf dem Poseidon-Tempel in Sounion wartete, bis er plötzlich das schöngeschnäbelte Schiff mit den verräterischen düsteren Segeln sah, der Arme!

Doch statt erst einmal abzuwarten, was es damit auf sich hatte und wie groß Verlust und Niederlage wirklich waren, wie es sich für einen weisen König gehörte, fackelte König Ägeus nicht lange und stürzte sich voller Trauer von der 60 Meter hohen Klippe ins Meer und kam dabei ums Leben. Daher benannte man die Ägäis nach ihm.

Dies und vieles mehr, waren die Gründe, warum D bei sonnigen 23 Grad mit seinem Scooter zu genau diesen Ort fuhr, weil der zusätzlich noch genau gegenüber vom Leuchtturm von Drepano auf Kreta lag, den D bereits im letzten Jahr besucht hatte und dessen Bild er vor zwei Wochen teilte. Angeblich ist von dort auch Theseus losgefahren, wie D Ausgrabungen dort gezeigt haben.

Aus der Sicht von D ist die Geschichte von König Ägeus eine schöne Didaktik für die heutigen Politiker in Zeiten von Corona.

Schon länger ist D der Ansicht, dass selbst, wenn wir ungezählte Kontroll- und Sicherheitsmechanismen installieren, finden Menschen und Leben immer Wege, sich diesen Überwachungsmechanismen zu entziehen – häufig passiert das sogar unbewusst, was für den natürlichen Freiheitsdrang des Menschen spricht.

Während König Ägeus nun so früh wie möglich wissen wollte, ob sein Sohn Erfolg hatte, vergaß dieser das väterliche Frühwarnsystem und löste dadurch einen völlig überflüssigen Selbstmord aus.

Heutzutage würde man ihn vermutlich der Mittäterschaft bezichtigen und sowieso erst einmal einen Corona-Test machen lassen. So einfach über das offene Meer zu fahren wäre heute grob fahrlässig, auch für die Matrosen und besonders die Matrosinnen an Bord. Und dann diese Gedankenlosigkeit gegenüber dem Vater – du meine Güte! Ariadne wär das nicht passiert.

D ist sich da sicher – Männer werden schludrig, wenn sie Siege einfahren; sie nehmen es dann nicht mehr so genau; fünfe gerade sein lassen und so; nennt man heute auch noch so; dass Theseus schlussendlich durch das überraschte Ableben des ängstlichen Vaters eher als gedacht König von Athen wurde und die Demokratie einführte, mag heute in Zeiten, wo eben diese gerade auf allen Kontinenten aus verschiedenen Gründen stark beschädigt wird, besonders zum Nachdenken anregen.

Manch einer könnte auf die Idee kommen, dass die nationalen Reaktionen in Europa eine Art Ablöseprozess beschleunigen, weil genau wie König Ägeus, gute Intentionen dahinter stehen, die aus der Sicht heutiger Psychologen, selten gut sind, ganz nach dem Motto: Gut gemeint, ist selten gut!

Im heutigen C-Fall, geht es um Sicherheit und Gesundheit – die stärksten Argumente überhaupt, weswegen sich niemand traut dagegen zu opponieren – nach Religion und Glauben, wenngleich man hier aus gegebenen Anlass etwas Vorsicht im Wording walten lassen sollte.

Übertragende Botschaft / Didaktik könnte sein, dass sich das Leben nun einmal nicht kontrollieren lässt, weder in die eine, noch in die andere Richtung.

Man kann sich mit Versicherungen überhäufen, und gefühlt gegen alles absichern; alles gefährliche meiden und jedes Risiko ausschalten, oder zumindest minimieren: Am Ende ist man Sklave seiner eigenen Furcht und der abgeleiteten Überwachungsmechanismen und ist weder spontan, noch frei.

Wenn man versucht, sich ein gewisses Maß an Optimismus zu bewahren, nach dem Motto – wird schon irgendwie weitergehen, auch wenn ich gerade nicht weiß wie – dann hat man vermutlich mehr Chancen auf ein sorgenfreieres Leben, mit dem angenehmen Nebeneffekt, sich freier zu fühlen und es auch zu sein.

Was das alles mit Hellas und D zu tun hat?

Vielleicht mehr, als wir auf dem ersten Blick sehen. Es nützt ja herzlich wenig, wenn man die bestmöglichen Hygiene und Gesundheitsmaßnahmen auswählt und man anschließend pleite ist – vielleicht sind die zweit- oder drittbesten Maßnahmen passender, wenn man im Gegenzug wie üblich Arbeit und Freizeit nachgehen kann und man stattdessen regelmäßig prüft, ob man genug Krankenhausbetten hat, egal ob wegen Viren, oder anderer Verletzungen, wenn den Menschen das Geld ausgeht.

D ließ sich jedenfalls seine gute Laune nicht nehmen und erfreute sich an einem griechischen Salat, mit Tsatsiki und Brot, sowie einem Krug Weißwein, den er bei sommerlichen Temperaturen genoss, genauso, wie die Rückfahrt entlang an der wunderschönen Küste nach Athen, vorbei an der Akropolis und hoch nach Kifisia.

Die gesamte Woche war bereits farbenreich und voller schöner Gespräche und Momente – im Besonderen mit Nikolitsa Liantini, ihrer Tochter Diotima Liantini, sowie vielen anderen.

Sollten die Flugverbindungen aufrecht erhalten bleiben, wird D bestimmt nicht wieder ein ganzes Jahr lang warten, um das schöne Hellas zu besuchen.

Dann dürfen wir sicher sein, das er Mittel und Wege findet, um möglichst bald wieder hier zu sein…

 

Aθήνα – Odyssee 2020 CW43

25.Oktober – seit Monaten schob Schwerenöterin Corona D‘s Termin stetig weiter nach rechts, den er mit seiner Brieffreundin in Athen verabredet hatte. Ursprünglich sollte es im Sommer geschehen. Beide sprachen von Juni oder Juli. Doch die hochgekrempelten Arme aller euröpäischen Regierungen sorgten auch in Hellas für Ungemach, noch dazu spielte die Besorgnis der Bevölkerung eine große Rolle, die sich wie eine wild austreibende Weinrebe ausbreitete und das Alltagsleben immer fester umschloss, bis es quasi völlig zugewuchert zum Erliegen kam.

Mancherorts nannte man es Lockdown – aus D’s Sicht das Unwort des Jahres 2020.

Doch plötzlich bewegte sich was. Selbst die handlungswütigen unter den regierenden Südeuropäern erkannten die Sackgasse, in die sie sich gleichermaßen, wie die Nordeuropäer, hineinmanövriert hatten – den ökonomische Freitod – den sie ganz offen riskierten, wenn sie weiterhin die eigene Wirtschaft in Ketten gefangen hielten.

Dann nach regem Austausch, schien es endlich so weit zu sein: D hatte mit Nicól ein Zeitfenster verabredet, wo die griechischen Götter auf ihrer Seite zu sein schienen, allen voran Askläpios, der Gott der Heilkunst, mit dem D schon in 2019 einen innigen Austausch in Epidauros hatte – nicht auszuschließen, dass Nicól heimlich insistiert hatte, wo sie doch einen guten Draht zu ihnen hat, aber dazu später.

Blechern ertönte die Stimme des Kapitäns aus den Lautsprechern. „Cabin Crew, 10min to landing“. Schlingernd flog der Airbus A320 über die Ägäis. D sah Piräeus, den verlängerten Arm Athens am Wasser liegen, wie eine langausgestreckte Eidechse, die sich sonnte und deren Schuppen in der Sonne glitzerten. Rumpelnd setzte die Maschine auf. Hellas! – dachte D – war es erst ein Jahr her, dass er griechischen Boden betreten hatte.

Wieder empfing ihn die gleiche weiche Sonne und die gleiche würzig-flirrende Luft, wenngleich nicht mehr ganz so warm, wie im Sommer. Ein munter lossprudelnder Taxifahrer beschwerte sich über den Verkehrsinfarkt, den er täglich erlebte und der den Alltag oft nur schwer erträglich machte – wen auch immer man fragte:

Alle Athener zeichnete eine Art Hass-Liebe zu ihrer Stadt aus, die sich wie ein gewaltiger nimmersatter Organismus bis an die fern entlegenen Berge ausgedehnt hatte und in dem bereits 50% der in Hellas lebenden Griechen ihren Alltag beschickten.

Nachdem D einen Scooter bei Savvas von Motorent.gr bekam – D’s geliebte Honda Innova war leider noch nicht aus der Werkstatt wiedergekommen – preschte er schon an der Akropolis vorbei und bewegte sich in dem wahnwitzigen Verkehrsfluss der verrücktgewordenen Stadt, als hätte er die letzten Jahre nichts anderes gemacht.

Zwar blieb er wieder mal einer der Wenigen, der mit Helm und Handschuhen fuhr, aber das störte D wenig, hatte er doch in 2019 bereits ausreichend Bodenkontakt mit griechischem Asphalt gemacht. Bunten Pilotfischen gleich wuselten dutzende Scooter und Mopeds um Busse und Auto’s als wären sie gemästete Opferanoden von König Kekrops.

Ein paar überraschende, nicht minder beeindruckende Bocksprünge zeigten, dass die Straßenverhältnisse trotz Asphalt an vielen Stellen eine Art Acker blieb, bei dem D nur durch spontanes Aufstehen, seine letzte Rettung fand, um stechende Schmerzen im Souterrain zu vermeiden.

Innerlich hob D seinen Hut, als er durch Marousi sauste, erinnerte er sich doch noch gut an das Buch von Henry Miller „Der Koloss von Marousi“, dass er schon als junger Mann gelesen hatte, was schon damals seine Neugier auf Hellas wachsen ließ. Nach vierzig Minuten kam er ans Ziel – Kifisia, nördlichster Stadtteil der Hauptstadt.

Und nach kurzem Klingeln öffnete Nicól die Tür – trotz, oder gerade wegen Corona, umarmten sie sich lange und stießen fluchs mit einem Glas Weißwein auf ihr erstes Treffen an – nun war es also geschehen: Ihre Liebe zur Philosophie und zum Leben hatte sie zusammengebracht – schon nach wenigen Minuten ging in Nicóls Küche ein wahres Feuerwerk großer Namen hoch.

Schnell kamen sie von Heraklit, zu Sokrates, Platon, Aristoteles – bis sie einen kurzen Zwischenstopp bei den Herren der Aufklärung machten und die grundsätzliche, leicht erkennbare Missmutigkeit bei Schopenhauer und Kant einstimmig entdeckten, bis Nicól zu einem Vortrag über die drei Hauptthesen Heraklits ansetzte, dass D lächelnd lauschte, während er an seinem Wein nippte.

Hintergrund des ganzen war D’s Versuch, die heraklitischen Thesen, die man nämlich so auslegen konnte, dass Eros und Thanatos das Gleich sind, in Resonanz mit dem Freud’schen Lustprinzip und Todestrieb zu bringen, um diesen Kreis mit Wilhelm-Reich und Heraklit zu schließen, um das allgemeingültige Naturgestz der neutralen Lebenskraft zu beweisen, sowie die heraklitische Regel „παντα ρεί“ nicht nur natürlich, sondern auch meta-physich erneut zu beweisen und zu unterstreichen.

Über eine gemeinsame mögliche Abhandlung, über die alltägliche Begegnung mit der Heisenbergschen-Unschärferelation in Bezug auf das menschlichen Bewusstsein, hatten sie ebenfalls bereits gesprochen, was den Abend nicht nur zum Leuchten brachte, sondern auch zusätzliches Fleisch für D’s Messer lieferte, sowie sein nächstes Buch.

Nicól war für D nämlich mehr als eine unabdingbare Gesprächspartnerin; sie war vielmehr auch feste wissenschaftliche Größe, dessen Nordwand D nun mit all seinen Thesen im Gepäck, begonnen hatte zu besteigen, mit der festen Absicht, eine neue Gesamtheitliche These und Abhandlung zur Menschwerdung zu erarbeiten, bei der Nicól geneigt schien, unterstützen zu wollen.

Nikolitsa Georgopoulou-Liantini ist Professorin für Philosophie in Athen und ist sehr aktiv, wenn es um die Deutung der antiken, sowie jungen Philosophen geht, sowie allzeitbereit, wenn es darum geht, neue Thesen zu entwickeln, die möglicherweise auf Bekannten aufbauen.

Und so geschah es – Nicol und D begannen bereits Sonntag-Mittag mit einer Fortsetzung, ihres angeregten Gedankenaustauschs, der darin mündete, dass D begann sich Notizen zu machen, weil er bei der täglich wachsenden Gedanken-Pflanze kaum Schritt halten konnte, weswegen er sich erstmalig gezwungen sah, auf altmodischen Zettel und Stift zurückzugreifen, um Monsieur Thalamus in seinem Gedächtnispalast bei seiner Arbeit zu unterstützen.

Gerade in diesem Moment zogen sich die zwei zu einer kleinen Siesta zurückgezogen, um bei späterem Kaffee und Kuchen fortzufahren.

Wir werden sie weiterbegleiten, um zu sehen, was sie zusammen anstellen……

……