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Traktat – Odyssee 2024

Anlass für mein Traktat auf und über Kultur ist der zweite Urnengang in Frankreich … das überall beobachtbare erstarken der Rechten … sowie Polemik und Populismus, die den nötigen Freiraum für Dialoge immer kleiner werden lassen, manchmal selbst zuhause …

in den eigenen vier Wänden.

Letzte Woche schrieb ich über große Errungenschaften der zentraleuropäischen Demokratien, sowie die Angst davor, alles wieder zu verlieren. Daher versuche ich heute Antworten zu finden, um Zusammenhänge aus Kultur, Angst und Veränderung sichtbar zu machen,

die keinesfalls ein gleichschenkliges Dreieck,

entstehen lassen. Vielleicht ergeben sich daraus schlussendlich Erkenntnisse, die eventuell Angst verkleinernd wirken, bei gleichzeitig wachsender Neugier und Bereitschaft gegenüber Veränderungen. Nun denn. Optimismus und Naivität liegen dich beieinander. So sei es.

Glück auf.

Schauen wir 75 Jahre zurück. Adenauer ist 1949 der 1.Bundeskanzler der BRD. Im Jahr zuvor haben die Alliierten den Marshall-Plan abgesegnet. Deutschland erlebt sein Wirtschaftswunder, wie ganz Teutonia es auch Jahrzehnte später oft nennen wird.

Eine Zeit, geprägt von …

harter Arbeit, Fleiß, Entbehrung, Qualität und Ideenreichtum. Zeit und Geld für Kultur hatten nur ein paar Prozent der Eingeborenen, die immer noch genügend davon übrighatten, oder in Haushalten gekalbt wurden, denen Bildung und Kultur wichtig blieb.

Alle anderen lernten: Nur Leistung zählt.

Wachstum an allen Fronten folgt dann automatisch, so Hoffnung und Annahme der damaligen politischen Doktrin, inkl. Alliierten. Ein kurzer Sprung vom Zehner, ins kalte Wasser der Realität vom 7.Juli 2024. Während man 1949 alles vermisste, haben die Kinder und Enkel von damals …

heute quasi – ALLES.

Rein linguistisch und philosophisch gesprochen und gedacht: Wenn ich Alles habe, kann mir nichts fehlen. Wenn mir nichts fehlt, muss ich glücklich und zufrieden sein. Es kann nicht anders sein. Sollte ich aber nun tatsächlich nachweislich all das NICHT sein …

Nämlich glücklich und zufrieden …

dann gibt‘s zwei Optionen, warum das so ist … Erstens, ich habe zwar alles, erkenne es aber nicht mehr, ähnlich wie Gläubige, die ins Paradies kommen, aber erschrocken feststellen, dass sie genauso unglücklich sind wie auf Erden … anscheinend ist man für …

für Zufriedenheit und Glück nicht gemacht.

Oder aber, ich habe nicht alles, weil mir was fehlt … Was ist Kultur? Anders gefragt … Wann hat man Kultur? … Wie erwirbt man sie? Langt mein Interesse daran? Habe ich Kultur, weil ich mich damit beschäftige, weil sie mich …

weil mich Musik, Kunst und Literatur interessieren?

Wenn meine Grundbedürfnisse gesichert sind, angeblich sind sie das bei allen, die konservativ, rechtspopulistisch, gar faschistisch wählen … Was fehlt mir also, um so zu wählen? Und wie sicher fühle ich mich, meinem eigenen Urteil zu glauben?

Was fehlt mir heute, Juli 2024 …

dass ich das Risiko in Kauf nehme, wichtige Errungenschaften zu verlieren? Sitze ich einem Betrug auf? Ist es mir gar egal? Hauptsache ich kan grillen und so? Lasse ich mich an der Nase herumführen? Von Medien und Politikern? Was ist meine eigene Meinung?

Was sind meine eigenen Bedürfnisse?

Zurück ins Nachkriegsdeutschland … Damals fehlte es an Allem … Man hatte ein großes Ziel, nämlich das zu ändern … Jeder rackerte, wie man wohl noch nie in diesem Land vorher malochte, seit der 1.Industriellen Revolution … Aber halt …

Schon 1962 hält die Welt den Atem an …

die Menschheit steht am Rand eines dritten Weltkriegs … Vietnam folgt, 68-Generation … der nahe Osten, das Zweistromland, der gesamte Orient bleibt ein Pulverfass … Abgesehen vom Nürnberger Prozess, wo man Nazi-Eliten aburteilte … kamen tausende ungeschoren davon.

Schnell saßen viele …

wieder an den Hebeln der Macht … Jetzt hatten Arbeit und wirtschaftlicher Erfolg Vorfahrt vor Allem … viel wichtiger … denn nur wer was leistete, durfte sich was gönnen … Faulheit wurde gebrandmarkt und abgestraft, nicht nur bei Protestanten …

War Müßiggang früher das Höchste …

anzustrebende im bürgerlichen Milieu, schmiss man ihn nun in den selben Pott, wo Faulpelze und Systemverweigerer landeten, die gesellschaftlich nicht nur herabgewürdigt, sondern auch meidet und systematisch ausgrenzt … bis heute …

Doch es ging immer weiter …

Deutsche Schaffenskraft kannte keine Grenzen … Baumärkte wuchsen wie die Pilze aus der Erde … womit Männer und Frauen tagsüber ihr Geld verdienten, schien ihnen auch in der Freizeit eine immer willkommenere Tätigkeit zu sein … gelernt ist gelernt …

Carports baute man jetzt auch zuhause …

Endlich gab’s den Zweitwagen für Mutti … Aldi half beim Sparen … rackerte rund um die Uhr … Gut essen und trinken? Kultur? Schwierig … viele Männer bauten stattdessen Eisenbahnen auf Dachböden … reparierten Autos … selbst ist der Mann … man bastelte sich …

in die handwerkliche Unabhängigkeit …

wurde ein Tausendsassa … der moderne deutsche Mensch … verwandelte sich selbst in die mit bürgerlichen Rechten und Pflichten ausgestattete eierlegende Wollmilchsau … Natürlich hatte man Bücher zuhause, wer hatte die nicht … Simmel, Grass, vielleicht Hesse …

selbstverständlich Thomas Mann …

und noch ein paar mehr solcher Tortenheber … man hörte Stones, James Last und Rex Guildo … für jeden war was dabei … natürlich gab es auch Mitmenschen, die sich in Konzerthallen klassische Symphonieorchester anhörten, oder in Kunstausstellungen gingen …

aber Kultur …

behielt stiefmütterliche Bedeutung … was man zuletzt 2020 bestätigt sah, als man die Kulturbetriebe „abklemmte“ … sie als nicht „Systemrelevant“ bewertete … ein schöner Beleg für unsere tiefsitzende Wirtschaftswunder-Ethik, die selbst 70 Jahre später …

den Ton angab. Warum?

Wusste keiner, dass mit dem Wirtschaftswachstum der 60iger, 70iger und 80iger unmöglich so weitergemacht werden durfte, ohne soziale und solidarische Errungenschaften auf der Strecke zu lassen? Solche Gedanken musste man sich zum Glück nicht machen, kam doch1989 …

die Wiedervereinigung.

Welch Selbstbedienungsladen für den Westen … Zusammenschluss in Augenhöhe? Eine gemeinsame neue Verfassung? … Grundrechte und Grundwerte, die man zusammen gestaltet hatte? Fehlanzeige … Kultur, hat wohl doch auch was mit Ethik und Moral zu tun …

Längst war sie über alle Berge …

Bald schon kam der Euro … wieder ein Schlachtfest für Kapitalisten … und die Krise der Hellenen zehn Jahre später zeigte nicht nur, wie undemokratisch man mit den Nachbarn umging, sondern, dass man keine Skrupel hatte, im alten Kolonialstil weiterzumachen …

Was all das mit Kultur zu tun hat?

Warum ich das in einem Traktat über / zur / für Kultur aufführe? Weil Mangel an Kultur immer eine Entmenschlichung und Enthemmung bedeutet … nicht heute in 2024 … sondern immer schon … solange es uns Menschen gibt … Gewalt, Dominanz und Krieg …

Pflastern den Weg der Menschen …

Moral und Anstand, muss man entwickeln … so wie ein Auto, oder andere tolle Maschinen, für die Deutschland weltberühmt ist … Niemand braucht Platon und Aristoteles lesen, um beides zu haben … alles beginnt mit dem Interesse an nicht Physischem …

am sogenannten „Feinstofflichen“

Kultur ist nichts anderes … es ist Interesse und Freude an Nichtphysischem … ein Essen mit Weinbegleitung und Freunden … ein Buch, eine Zeitung … Musik, per Kopfhörer oder live … Kultur löst Emotionen aus … lädt zum Nachdenken ein …

Öffnet Türen …

erweitert Horizonte … ohne Kultur, der Neugier daran … bleiben wir Tiere, die sich gegenseitig bekämpfen, übervorteilen … um Autos und Yachten zu sammeln … Besitz und Eigentum mit unserem Selbst gleichsetzen … letzter Schritt zur Neutralisierung …

des eigenen Selbst.

Kultur ist mehr, als nur ein Hobby … oder ein tiefsitzendes Bedürfnis, was ungezählte Formen und Ausprägungen hat … Kultur bleibt unser einziger Rettungsring, um nicht im gewaltigen Meer von Gier, Macht, Ego und sinnlos tobender Geltungssucht …

als vermeintlich Unsterblicher …

den nächsten Invalidendom gebaut zu bekommen … Kultur, mancher Künstler spricht von kosmischem Benzin, bleibt der Sehnsuchtsort, den es nicht nur zu schützen und erhalten, sondern vor Allem, zuallererst zu entwickeln und erschaffen gilt …

Verkümmert …

könnte man den Zustand dieser Pflanze in Deutschland am ehesten nennen … noch gehen die Wurzeln tief … die Blüten, nach wie vor kaum sichtbar … meist teuer erkauft, von den oberen zehn Prozent, die Kultur unter anderem genau deswegen …

als was Elitäres erleben …

Man denke nur an die vielen Tweet-Jacketts und seidene Einstecktücher, der Aufzug des Kulturbetriebs … Marcel-Reich-Ranicki, sowie die vielen anderen, die glauben, dass Kultur nur so, so, oder so, zu sein hat … immer etwas Ausgrenzendes, Einengendes und …

Nicht vergessen … Belehrendes.

Ob jener letzterer Teil, der erhobene Zeigefinger, innerhalb des kulturellen Elements, von Leitkulturen oder anderen Verirrungen ausgeht, bleibt irrelevant … wichtig bleibt, dass wir Kultur als was Offenes und Liberales verstehen sollten … Bücher aus Spanien, Frankreich …

oder Hellas …

funktionieren und lesen sich vermutlich anders, als unsere üblichen Verdächtigen aus dem deutschsprachigen Raum … für Musik und malende Kunst gilt Ähnliches … Was also tun, in 2024, wo Kultur ähnlichen Nachholbedarf hat, wie vor 1974?

Man kann Kultur schenken.

Jedes Buch das wir lesen, jede Musik die wir hören, jedes Kunstwerk, dass wir genießen, hält uns davon ab, im Internet nach QAnon Neuigkeiten, oder dem nächsten Chemtrail-Angriff führender Eliten zu suchen … Kultur schützt nicht vor Tod, oder Dummheit …

Aber sie ist und bleibt, was sie immer war …

geistige Nahrung, lebenswichtig, im Umgang mit Menschen, notwendig, für geistige Gesundheit und vermutlich, wenngleich Religionen glauben, sich ihr Alleinstellungsmerkmal herausnehmen zu können, menschlich und menschenwürdig mit uns und anderen zusammenzuleben.

Schutz vorm Mehr …

gibt mir nur, was das „mehr“ als unendliche Sackgasse entlarvt … „Mehr“ kann keinen Mangel beheben … Wachstum, außer Intellektuellem und Geistigen, bedeutet Reduzierung von Lebenszeit = weniger Freizeit = weniger Müßiggang …

Mehr Kultur stattdessen = mehr Mensch

Ist Kultur lebenswichtig? – Odyssee 2021 CW07

21.Februar – Erst vor wenigen Tagen las D in den Medien, dass in Frankreich, wie auch Deutschland die Frisöre wieder offen hatten. Grundsätzlich eine durchaus begrüßbare Nachricht, wenn man sich vorstellte, wie die Haartracht beider Staaten bereits ins wahrhaftig Unermessliche gesprossen sein musste.

Vermutlich hatten sich Herr und Frau Biedermeyer es sich längst selber besorgt, bevor sie wookiee-gleich durch die Straßen schlurften.

Aber wie war das mit Kunst und Kultur? War Kultur schützenswert? Gehörte Kunst nicht bis vor Kurzem zur Kultur, so wie Ying zum Yang? Wie sah es in der Pandemie damit aus? Bekamen Künstler genauso Arbeitslosenunterstützung, wie alle anderen, eher Ökonomie getriebenen?

D wusste es nicht.

Das Einzige, was D kristallklar vor seinen Augen aus der tiefsten Steppe der Erkenntnis entgegensprang, war das Bedürfnis zu helfen!

Noch konnte man sich vermutlich über Wasser halten, doch wie lange noch? Was passierte bis Sommer? Wie würden sich die unzähligen Pleiten auf Arbeitsmarkt und viel dramatischer, Immobilienmarkt auswirken?

Stundenlang brütetet D über diese ernste Situation nach und merkte, wie sich der Ernst der Lage auf seine Unbeschwertheit auswirkte. Es konnte nicht mehr lange dauern und seine Inspiration würde erste Signale senden; Einfälle und Eingebungen mussten ganz zwangsläufig weniger werden, viellicht sogar irgendwann ausbleiben, denn selbst wenn man selber vielleicht noch die Nase überm Wasser halten konnte, musste man ganz natürlich zutiefst berührt um sich herum erblicken, wie die Mitmenschen nacheinander absoffen.

Wen ließ sowas kalt? Wer konnte noch fröhliche Lieder pfeifen, wenn er damit alleine war?

D jedenfalls lief es ein wenig kalt den Rücken runter, wenn er sich vorstellte, welche Auswirkungen es haben könnte und welche es garantiert haben musste!

Beides war nicht von Pappe. Doch es war vielmehr die Frage, was für die Europäer wirklich lebenswichtig blieb; noch spannender fand D die Frage, wer darüber entschied; wer legte fest, welche Dinge lebenswichtig blieben und welche nicht meh; wonach wurde gemessen?

Offenkundig standen Frisöre ganz oben auf der Liste.

Wie konnte ein flotter Haarschnitt wichtiger als Musik, Kunst und Literatur sein? War es nicht eher umgekehrt, dass alles ein großes Nichts blieb, wenn man die großen Drei nicht um sich hatte?

Wie hielten es die Nachbarländer, wie sah es die Eurokommission?

Waren Frisuren wichtiger als kosmisches Benzin? Könnte sich nicht jeder einen Haarschnitt verpassen, der eine Schere bedient? Natürlich, über die Ausführungen müsste man nicht weiter diskutieren; mit Sicherheit dürften einige Varianten wüst bis unmöglich aussehen.

Aber wenn ein Forstwirt, der die Motorsäge bedient und den Baum nicht mehr sieht, weil seine Matte zu lang geworden ist, sich den Pony selber schneidet, um wieder frei auf das schreiende Schwert blicken zu können, dann erfüllt es zumindest seinen Zweck!

Vielleicht lieben Forstwirte die Kunst?

Könnte er nicht eher ohne Kultur am Leben zerbrechen, anstatt mit schnittiger Frisur im kulturfreien Wohnzimmer zu vertrockne, weil er weder Geist noch Seele gießen kann?

D kannte tatsächlich ein paar Forstwirte und war durchaus erfreut, über deren Literaturgeist und Kunstverstand; einer malte soga; wie konnte man also den Friseuren, ohne schlechtes Gewissen wieder erlauben, zu öffnen, während der Rest sehen konnte, wo er bleibt?

D wusste es nicht, im Gegenteil.

Die derzeitige Verrohung, bedingt durch die ungebrochene Taktlosigkeit der Politiker, ließ erahnen, was da noch auf Europa zukommen würde; Fragen wie „was ist lebenswichtig“ konnte und durfte man nur durch Volksentscheide treffen; niemals dürften das Politiker im eigenen Kreis tun; hier ging es um Demokratie und Mitbestimmung, gerade in Zeiten wie diesen, was D letztendlich wieder zur Anfangsfrage zurückbrachte, nämlich, wie half man den freischaffenden Künstlern?

Gab es so etwas wie Rettungsfonds für erwerbslose Künstler? Auch dies wusste D nicht – was er aber wusste war, dass er handeln wollte.

Zwar hatte er nicht die leiseste Ahnung wie, aber es musste einen Weg der Solidarität für alle geben und wenn nicht, musste man sie wieder herstellen und sei es in der Not durch Eigeninitiative.

D grübelte noch ein wenig herum und merkte noch kurz, wie ihn Morpheus heimsuchte, der ihn mit komplexen Träumen in weit entfernte Länder entführte, wo es noch Freiheit und Förderung von Kunst gab……bis er dann selig udn erleichtert…..

………davonsegelte……….