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Urlaub – Odyssee 2024

Meine Kollegin Sandrine hatte mir den Rest gegeben … Piepende Ohren kannte ich nur von Anderen, oder aus dem Bekanntenkreis und Psychologiefachzeitschriften … Jetzt hatte es mich selber voll erwischt … Munter surrte und piepte es in meinen Muscheln …

Arbeite ich zu viel? …

Hab ich zu viel gehört, zu viel geredet? … Keine Ahnung! Ich wusste es nicht … Nur, dass ich mich platt, irgendwie geschafft fühle … plötzlich klingelt mein Telefon … meine Mutter … Sie hat gute Laune … „Hallo, wie geht es dir? Wo bist du denn gerade? Ach sag bloß! Ja wirklich?

Wie schön!

Ach, im Grunde geht es mir eigentlich ganz gut … doch-doch … Was sagst du? Nein, das Festnetztelefon geht wieder … hat ja auch lang genug gedauert … Ja, danke das du fragst, ist lieb von dir … sag mal, was ganz anderes, wo ich dich am Telefon habe …

hast du deinen Anteil …

für den Friedhofsgärtner schon überwiesen? Ach wirklich? Hast du schon? Wie schön! Nöh-nöh, sonst ist alles soweit in Ordnung. Ruf ruhig auch mal wieder an, hörst du? Ja, danke. Du auch. Hab einen schönen Tag, bis bald … Tschüß!“ …

Knacken in der Leitung …

ich entscheide mich, nach Mallorca zu fliegen … Freunde besuchen, abschalten … nichts hören, nichts sehen, nur Meer und Sonne … Für Ostermontag finde ich ein günstiges Ticket, super! … Ha! Schön erste Reihe sitzen … diesmal aber „gönn dir“ …

Zack! Los gehts …

Ostermontag, ich bin zwei Stunden vor dem Wecker wach … Flipp ich jetzt völlig aus? Erst das Piepen in den Ohren … dann unruhiger Schlaf … bin ich etwa anfällig für kosmische Strahlung, oder wie oder was? … Ich packe meine sieben Sachen …

Schon steht mein Rucksack …

reisebereit vor der Tür … brav trinke ich meinen Kaffee aus, während mein Nachbar über mir schon mitten in seinem Video-Ballerspiel steckt … In voller Lautstärker deckt er seine Gegner mit Kugelhagel ein … mörderisch die Schreie der Verzweifelten …

Muss eine Bazooka …

oder was ähnlich Fettes sein … bei jedem erfolgreichen Shot kreischt er hysterisch auf! … Leise ziehe ich die Tür hinter mir zu, schließe zwei Mal ab … gehe gemütlich aus dem Gebäude, höre hier oder da leises Keuchen … Irgendwo ertönt lautes Klatschen …

Dann ein lauter Schrei! …

Häusliche Gewalt ist was Schönes, wenn es in gegenseitigem Einvernehmen geschieht, denke ich mir … Irgendjemand möbelt immer jemanden durch … Laut krachend fällt unser Haupttor ins Schloss … Nach ein paar Minuten Fußweg spring ich auf meinen Rappen …

Laut röhrend …

erwacht der Motor zum Leben … vorbei an alten Backsteinhäusern der Altstadt schlängeln wir uns durch die engen Gassen … letzter Gruß an die Pont Neuf … schon knattern wir aus der Stadt, Richtung Flughafen …

„Attention please!

Last call für Mr. Quad el Habib, kommen sie sofort zum Gate 25, wir schließen das Boarding in wenigen Minuten! Mr. Quad el Habib, Last call … you need to come to Gate 25. Thank you!” … Im Flughafen das übliche Gewusel …

Besonders bei der Security …

Ein sehr schwarzer Sicherheitsbeamter baut sich vor mir auf … „Guten Tag, führen sie Kosmetika, Flüssigkeiten, oder irgendwelche elektronischen Geräte wie Laptops mit sich? Bitte legen sie alles in diese Schalen, vielen Dank für Ihre Kooperation!“

Tue wie mir geheißen …

Mein Tintenfass erregt seine Aufmerksamkeit … „Entschuldigen Sie! Was ist das?“ … nichts bleibt einem erspart … „Das ist Tinte, Sir“ … bin immer super-korrekt und formell mit denen … machen auch nur ihren Job … „Was bitte, sagen Sie, ist das?“ … ich ahne es …

„Tinte!“

„Wofür verwenden Sie das?“ … er will seinen Job supergut machen, ich verstehe das … ist mir schon oft aufgefallen … Ausländer und Zugereiste geben sich Mühe in Frankreich … werden oft französischer als die Franzosen …

Sieht man bei Eric Zemmour …

Sohn algerischer Einwanderer … mausert sich zum ausgewachsenen Faschist und Nazi … wunderbare Stilblüte menschlicher Entwicklung, zu denen demokratische Staaten fähig sind … altmodische Menschen wie ich haben es schwer, es sei denn, du bist Nationalist …

Dann hast du …

Naja, das kneif ich mir mal, im Anblick des 20.April den wir gestern hatten … „Schreiben! Ich benutze die Tinte zum Schreiben! Schauen Sie …“ … Übereifrig hole ich meinen Füller aus dem Etui zeige ihm meinen Schreibapparat … Runzeln füllen die …

schwarze Stirn …

die am längeren Hebel sitzt … „Okay! Ist in Ordnung! Gute Reise!“ … Seine Vernunft siegt … bleibe Freund von Demokratie, im Ernst! … Vor mir filzt man eine Mulattin mit vierzig Kilo Übergewicht … Schweiß läuft ihr in Strömen aus den Armen …

Sie stöhnt wie eine Lokomotive …

Hinter mir piept es laut … ein bärtiger Araber zuckt zusammen … zwei Farbige kommen und filzen auch ihn … man kann die Spannung zwischen ihnen sehen … hier genügt ein leises Lüftchen … ein wenig arrogant seufzt der orientalische Bart …

„Bitte drehen Sie sich um!“

„Sind wir fertig?“ … Er lässt es sich nicht nehmen, den Ungeduldigen zu spielen … doch die Sicherheitsbeamten lassen sich nicht reizen, sehr gut! … „Einen kleinen Moment noch; es handelt sich um eine Standarduntersuchung …“

Erleichtert seufze ich …

Als ich mich vom Krisenherd entferne … „Attention please! Last call for Mrs. Severine De-Stefani, you need to come with immediate effect to Gate 55! Thank you!“ … Im duty free shop die üblichen Preisfallen … Wein im angeblichen Discount …

Abertausende Düfte …

Vernebeln meine Sinne … wie angetrunken gehe ich durch den Konsum-Sumpf … Hinterm Ausgang klimpert jemand auf ’nem Flügel rum … Victoria’s-Secret Werbung lockt mit Reizwäsche, getragen von Frauen, die es nur im Kino gibt …

Hektisch herumrennende Fluggäste …

Wie ein Schwarm verrückter Hummeln, denke ich … so dröhnt das hohle Rollen der Trollies um mich rum … Menschen schreien in Smartphones … manche lassen Youtube-Videos in voller Lautstärke dröhnen … Kinder kreischen … Erwachsene fluchen …

Überall klingelt es …

Immer schaue ich mich reflektorisch um … Summen meine Ohren jetzt etwa lauter? … Kommt wohl doch alles vom Stress … Nur welche Sorte, frage ich mich … Vom Lärm etwa? Von den vielen Geräten die uns umgeben, die ständig senden …

So wie wir?

Endlich geht unser Boarding los … Wir stehen in zwei Reihen .. Priority-Boarding und die anderen, mit mir dabei … wie die Entlein watscheln wir ins Flugzeug … 1A mein Sitzplatz, richtig so! … Hinter mir machen es sich drei Frauen auf 2A, 2B und 2C gemütlich …

Kräftige Knie knallen mir in den Rücken …

Schweigend erdulde ich … wir heben ja gleich ab … irgendwann rollen wir … steigen flott in den Himmel … mein Surren in den Ohren wird weniger … „Zeig mal her Severine, was hast du für ein Buch mit?“ …

Ach du Scheiße!

Sitzt etwa „Last-Call-Severine“ hinter mir? … Wenn ihr ganzes Leben so abläuft, wie die Ankunft am Flughafen, dann … „Ach sieh an, das kenne ich gar nicht … und? Ist das gut? Wie weit bist du? Tatsächlich? Und? Gefällt es dir?“

„Das ist total super, wie 50s!“

„Was? So gut wie 50 Shades of Grey? Kann ich mir gar nicht vorstellen, Sev! Was?“ … Irgendwann wechseln sie ihr Thema … der gemeinsame Urlaub … Wo sie unterkommen, wie sie sich freuen, was sie an welchem Tag vorhaben, ich weiß alles über sie, wann sie aufstehen wollen …

Ob Café oder Tee …

Bevorzugt wird … womit sie als aller-erstes … sie planen ihren gesamten Urlaub durch, wie schön … „Nein, wirklich!“ … „Das muss du unbedingt, also, nein, so was auch! … „Nicht auszudenken, wenn man“ … „Nun stellt euch das mal vor!“

Irgendwann schlaf ich ein …

6.August – Homer – Odyssee 2023

Heureka! Gestern landete ich wieder in Athen … nicht gerade vorbildlich, mein CO2-Fußabdruck … ich hätte Juni einfach bleiben sollen … daran wird gearbeitet … Wenn ich Griechisch höre, werde ich sentimental! … Keine Ahnung warum … Gibt vermutlich viele Gründe … Es fing in Toulouse an …

als Kapitän Giannis Petrakis uns willkommen hieß …

Während des Fluges meditierte ich … bereitete mich vor … Hellas besuchen ist eine Pilgerfahrt für mich … Kaum aus dem Aerodromio Eleftherios Venizelos raus, ertappte ich mich, dass ich stiller werde … lautlos schlich ich über Hellas Boden … Eleftheria wartete auf mich mit dem Mietwagen …

wir hatten 30min Verspätung …

trotzdem ist sie nett und geduldig … kein Wunder … bei dem Namen … Elefteria heißt Freiheit in der Sprache Homers … Wahlspruch der Griechen … „Freiheit oder Tod!“ … bei Deutschland ist es „Gerne und Sofort!“ oder so ähnlich, wenn man einen hätte … wenn du deine Tochter Elefteria nennst hat das auf jeden Fall Tiefe …

Einschläge kommen dichter …

Habe jedes Mal ‘nen Kloß im Hals, wenn mich durch die Straßen von Homer, Sokrates, Platon, Aristotelis und all den Anderen hindurchschlängle … es ist, als liefe ich barfuß durchs Nordsee-Watt … bei jedem Schritt sackst du ein … nach kurzen Metern ist dir warm …

du beginnst zu schwitzen …

ich kämpfe mich durch Hellas Geschichte … die wenig Platz für Neues lässt … zu viel hat man erlebt … hier ist man Europa nah und fern zugleich … man spürt, dass dies hier die Quelle von Allem ist … Sprachen, Kultur, Wissenschaften, Demokratie … Mensch gewordener Widerspruch und doch bist du den Göttern hier näher als nirgends …

ständig liegt man in den Wehen …

Nie wird man fertig, nie kommt man an … immer ist man verzweifelt, am Limit, oft drüber … genau deswegen freundlich und nett … gastfreundlich … Hier spürst du es körperlich … Nichts hat Sinn … Aufmüpfen zwecklos … Man weiß am Ende sowieso nichts … Nicht mal den Auftraggeber kennen wir …

Muss man auch nicht …

in Hellas spürst du, das du zwischen Tier und Göttern stehst … deswegen legen wir uns ins Zeug … operieren am offenen Herzen … immer schon … hier schmiedet man das Eisen, während es noch glüht … täglich, stündlich, immerzu … hier haben Menschen wenig und doch …

mehr als alle Reichen der Welt …

Menschen leben hier so, wie es sich für solche ziemt … Erleuchtet im Widerspruch des großen Ganzen … verzweifelt im Angesicht des Unausweichlichen … man lebt Werner Heisenbergs Unschärfe-Relation … hier steht Newtons Physik Kopf … Schrödingers Katze … Liantinis Gemma …

Hellas ist das Laboratorium des Kosmos …

Stehe deswegen fassungslos in der Gegend rum … und kapiere nichts … und doch ahne ich tief drinnen … Alles … vier Stunden später … es ist dunkel geworden … Ich komme 1,5h Stunden später als verabredet … Dimitrios Vater wartet auf mich … heißt mich willkommen … fragt, wie es mir geht … wo ich herkomme … was ich mache …

Alles auf Griechisch …

Und obwohl mein griechischer Wortschatz unauffindbar klein ist … klappt es … wir reden über Gott und die Welt … er mehr als ich … zeigt mir Garten, Grill, das Wassersystem … plötzlich regnets … wir lachen einfach weiter … 15min später verabschiedet er sich … lädt mich morgen zum Suflaki ein … spätestens da ist klar …

Es ist noch weit bis Elysion …

Am nächsten Morgen erstrahlt alles im Sonnenlicht … was ein Anblick … hab einen Kloß im Hals … mache meinen Rundgang … Aristotelis ist mit von der Partie … was für ein unglaubliches Blau hat das Meer … die Berge Manis … Taygetos … Profitis Ilias …

Mit Dimitris letzter Kammer …

Dahinter Sparta … mit Kaiadas … dem steingewordenen Verhängis der Spartiaten … dem Lindwurm für hre Gegner … nur wenig weiter Argos, Nafplio … Mykene und Epidavros … wie soll ich davon jemals wieder loskommen …

Muss ich vielleicht gar nicht …

Heute bleibe ich hier … einen Tag staunen … den Gänsen und Hühnern zuhören … dem Wind … wie er Bäume und Sträucher sachte … dann urplötzlich heftig durchpflügt … wie er kleine weiße Schaumkronen auf Poseidons Rücken zaubert … das Zirpen der Zikaden … Symphonie des Mittelmeeres …

Hier kann ich begreifen …

30.Juli – Hawaii – Odyssee 2023

Hab jetzt Urlaub … ich grübelte lange, was machen, wohin und so … bin irgendwie unschlüssig, auf der einen Seite würde ich gerne weg, auf der anderen Seite ist Klimakrise und mein schlechtes Gewissen.

Vor mehr als 30 Jahren entschied ich

niemals in die USA zu reisen … viele meiner Freunde rieten mir, dennoch hinzufahren … atemberaubend, Landschaft, Frisco, Kunst, Detroit, Los Angeles, New-York, diese Weiten etc. …. ich kann aus ethisch-moralischen Gründen nicht hin …

ist ‘ne lange Geschichte …

als Standardantwort, um das Thema in Unterhaltungen höflich abzuschließen, sag ich Dinge wie … die US-Amerikaner und ich haben unterschiedliche Werte … das klingt seriös … meist kommen Antworten zurück wie …. das es auch andere Länder gibt, auf die das eventuell zutrifft …

leichten Fußes bejahe ich das immer …

mit einem ähnlich schmerzhaftem Lächeln, wie mein Deutschlehrer, wenn er mir eines meiner Diktate wiedergab, in dem ich gerade mal … ausreichend war … vor 20 Jahren weitete ich mein Reise-Embargo auf Gesamt-Asien aus … Russland und Türkei folgten …

ich war meiner Zeit voraus …

in den letzten Jahren wuchs die Liste weiter an … bis … ja, bis am Ende nur Europa übrig blieb … leicht fiel mir das nicht … einer meiner großen Teenager-Träume war ja das magische Hawaii … nicht nur wegen Surfen und TV-Serie Magnum …

doch selbst mit größtem Seufzen …

musste ich eingestehen, das es in diesem Leben wohl nichts mehr mit meiner Hawaii-Reise wird … nicht nur, weil die Inselgruppe von den USA annektiert wurde … weswegen sie automatisch unters Embargo fällt … dazu kommt noch, dass ich Flugreisen länger als drei Stunden vermeide …

weswegen ich ein Freund von Direktflügen bin …

einer meiner Erklärungen und Verteidigungen gegenüber Freunden ist, dass es mein Europa-Solidaritätsbeitrag ist … manche lachen … obwohl es mir ernst damit ist … ich zahle gerne für anderer Leute Arbeitsplätze,

solange ich‘s mir leisten kann …

Vor 25 Jahren hatte ich dann Glück … Hawaii kam zu mir … ich saß in Breidscheid bei Adenau, im Herzen der Hocheifel … ich war mit Wissenschaftlern unterwegs … wir erforschten das ländliche Leben in der Hocheifel, die „früher“ …

als Armenhaus Deutschlands galt …

wie das Leben vom lokalen Tourismus beeinflusst wird … welche Auswirkungen angepasstes Verhalten und Kommunikation auf geistiges Wachstum, sowie Partnerschaft haben … unser Labor stellten wir im Gasthof „Zum Hannes“ auf … es gab hier eine wunderbare Mischung geeigneter Probanden …

Bei Single-Frauen / Männern aller Altersklassen …

sah es anders aus … hier wird es mit zunehmendem Alter schwieriger … der osmotische Druck, oder Unterdruck, je nach Betrachtung … in dieser Gegend … eine Kombination aus sozialem Status, äußerer Attraktivität, Haardichte, sowie Bekanntheitsgrad … nimmt exponentiell zu … weswegen Exemplare dieser Gruppen

kaum auffindbar sind …

Single-Frauen / Männer über 40 … sind sogar so schwer zu finden, dass wir mit attraktiven Studentinnen bewaffnet dazu übergingen, uns in den Ortschaften durch zu klingeln … Gott sei Dank wurden wir glückliche Opfer Mütterchen / Väterchen Zufalls …

wir saßen gerade zu Tisch …

auf der Terrasse des besagten Gasthofs „Zum Hannes“, der sich vor einigen Jahren mit dem passenderen Namen „Bistro Cockpit“ umbenannte, der seine Restauration damals selbst „Schnellrestaurant“ nannte … eine Bezeichnung, die ich nie wieder sah … es war gegen Abend, zwischen 19 und 20 Uhr …

ich aß Gourmet-Schnitzel …

Trank ein lokales Pils … da kam unser Eifelprinz angeflogen … hagere 1,88m hatte ihn die Natur hochschießen lassen … blutarm arbeitsscheu, so wie wir … selbst die äußerst eng geschnittene Jeans hing ihm wie eine luftig flatternde Gardine um die dünnen Trommelstöcke, die Mediziner als Beine identifiziert hätten …

dunkelblond, mit Schnurrbart …

eine Mischung aus Bismarck, Hindenburg und Lemmy Kilmister von Motörhead … halb nach hinten, zur Seite gekämmte Haare … wir konnten nicht eindeutig identifizieren, ob es Pomade, Gel, Schweiß oder Haaröl war … oder eine Mischung aus Allem .. seine Bürste kringelte sich wie Schweineschwänze, wenn es ihnen gut geht …

unbeschreiblich lange Arme …

wunderbar blass und dünnhäutig, wie man es nur bei Leptosomern findet … man meinte das Blut durch die transparente Haut in den Adern pochen zu sehen … Körperfettanteil unter acht Prozent, flüsterte ich … Schultern breit wie die Hüfte …

vielleicht Mitte vierzig …

große pockennarbige, leicht gerötete Nase … salatblattgroße Ohren … grau-blaue verträumte Augen, die verzweifelt Punkte in der Unendlichkeit suchten … sorgfältig gereifte mäandernde Äderchen auf beiden Wangen, die ans Zweistromland, oder ans Flussdelta des Nils erinnern …

in der rechten Hand …

eine elegante lange weiße Zigarette der Marke Dunhill Menthol … und … als Krönung von diesem unbeschreiblichen Ensemble … ein farbenfrohes Hawaii-Hemd … weswegen wir ihn ab sofort „Hawaii-Hemd-Ede“ oder „den Hawaiianer“ nannten …

nach gleichnamigem Roman von Mario Puzo …

leise, still, geradezu unsichtbar schwebte er an uns vorbei … stellte sich unauffällig in die Schlange vor der Theke, die zum Selbstservice einlud … äußerst praktisch … nickte kaum merklich der Bedienung zu … sprach keinen Ton …

selbst dann nicht …

als man genauso verschwörerisch ein 0,33er Königsbacher Pils über den Tisch schob … zwei Tische neben uns Platz nahm … trotz luftiger 15 Grad trug ich eine Jacke überm Pullover, während unser Hawaiianer …

mit seinem buntbedrucktem Fetzen Stoff …

verzweifelten Widerstand gegen die frische Waldluft leistete, die sich zum Abend die Hänge herunterwälzt … ganz bei sich und seinem Pils, nippte er das bauchige Fläschchen leer … ein zufriedener Gesichtsausdruck breitete sich langsam auf seinem durstigen und müden Gesicht aus …

das Zittern seiner Hände …

ließ nach, als er das zweite Bierchen leerte … was waren wir erleichtert, diese Frohnatur untersuchen zu dürfen … Totenstille herrschte auf der Terrasse … unser Eifelprinz war der Nabel der Welt  … lange beratschlagten wir, was er essen könnte … Wetten wurden abgeschlossen …

Currywurst Pommes lag vorne …

ganz eindeutig … nach der vierten Flasche Königsbacher ließ ich die Ohren hängen, während der vollbärtige Psychologe neben mir zufrieden lächelte … seine Erfahrung aus der Suchtberatung ließ ihn messerscharfe Diagnosen ausstellen … er war sich seiner Sache sicher … so kam es …

und wir sahen, dass es gut war …

wie sich unser Hawaiianer neu anstellte, um das nächste Fläschchen zu empfangen … unermüdlich, präzise wie ein Metronom, den ich hasste aufzuziehen, bevor mein Gitarrenlehrer mich belehrte … wie Big-Ben in London, der zur Tea-Time ruft … wie die Rolex Yacht-Master am Arm von Giovanni Agnelli, als er zu Lebzeiten sein Segelboot „Agneta“ durchs Mittelmeer manövrierte

und gegen Mittag Champagner servieren ließ …

mit eben dieser Zuverlässigkeit verspeiste unser Eifelprinz seine sieben Königsbacher … knabberte an einer Schachtel Dunnhill-Menthol, mit weißem Filter, die in Eleganz den sorgfältig in Schatten gehaltenen Extremitäten unseres Hawaiianers in nichts nachstanden …

den wir mit Begeisterung dabei beobachteten …

wie er die Flaschen … ähnlich wie seine Katze, die wir für die Haare auf seiner Jeans verantwortlich machten … sanft anstuppste … wenn die Finger seiner untätigen Hand … nichts trugen … mit nichts spielten … wenn er das Etikette der Flaschen liebevoll streichelte … wie Krystian Zimerman …

der seinen Flügel bei Beethovens …

fünftem Klavierkonzert sachte berührt … wie er dazwischen mit den Fingern sanft, geräuschlos auf der Klaviatur des Plastiktischs spielte … vom Trommeln ins rhythmische wellenförmige auf.- und ab-bewegen der Finger wechselte …

als zeichneten sie das nicht anwesende Mittelmeer nach …

bis die Zeit reif für den nächsten Schluck war … alle Flaschen drehte er behutsam … wir vermuteten, um jeglicher Erwärmung seiner langliedrigen Finger vorzubeugen … unsere Messreihe ergab eine Präzision, die über Stunden nur Sekunden abwich …

mit Hochachtung schrieben wir Berichte …

überglücklich, ihn jeden Tag begrüßen zu dürfen … doch stellte sich bald heraus, dass er nicht, wie vermutet zur Kategorie Single-Mann über vierzig zählte, sondern im Gegenteil … verheiratet zu sein schien … was unsere Auswertung durcheinander brachte … eines Tages sahen wir ihn Hand-in-Hand mit seiner Braut spazieren gehen …

doch diese Beobachtungen teilen wir ein anderes Mal …

11.Juni – Französische Gartenzwerge – Odyssee 2023

Ich hänge an französischen Chansons … wer mag nicht Jaques Brel’s „Ne me quitter pas“ … eben … oder der unvergessene Serge Gainsbourg … einfach fabelhaft, nein mehr noch …. magnificke … oder Boris Vian … für Feinschmecker … einfach großartig … Franzosen geht‘s mit diesen Musikern ähnlich.

Mit deutschen Liedgut nicht vergleichbar.

Warum eigentlich nicht? Hätten diese Songs in Deutschland funktioniert, wenn Roland, Marius, Herbert und Konsorten sie erfunden, gar zuerst gesungen … wenn sie zum Kanon Deutschen Liedguts gezählt hätten? Könnte ich heute … rein theoretisch … genauso an ihnen hängen, wie an den französischen Versionen, als nicht Franzose,

als nicht Mutter.- und Vatersprachler?

Ein Vergleich muss her … Beilstein an der Mosel finde ich hübsch … nein mehr noch …  regelrecht kitschig schön ist’s hier … ich kenne reihenweise schöne Orte in Allemagne … meine Theorie lautet, dass wir fremde Kulturen und Sprachen … wegen der Neugier … großartiger finden, als die eigene,

vielleicht ist‘s auch nur meine Eigenart.

Nicht Weniges in Deutschland finde ich peinlich … und das nicht erst, seit ich mehr Zeit in La France verbringe … was nicht heißt, dass es nicht ähnliche Mengen von Grässlichkeiten auch bei den Galliern gibt … ich glaube nämlich ganz und gar nicht daran, dass irgendeine Kultur oder Sprache

anderen überlegen ist,

im Gegenteil … alle sind gleich aufregend … weil sie unterschiedlich sind … ganz nach dem Motto … die Wiese der Anderen ist nicht grüner … nur anders … bin mehr und mehr davon überzeugt, dass wir unsere eigenen Kulturen erst zu schätzen wissen, wenn wir

andere kennengelernt haben.

Sonst laufen wir Gefahr unsere eigene über die andern zu stellen … was bekanntermaßen … Blicke in die Vergangenheit genügen … immer in die Hose ging … nach zwölf … andere knappe 1000 Jahre … früher oder später geht‘s bergab … spätestens wenn wir konservieren und selbstverherrlichen.

Glücklicherweise ist diese Gefahr gebannt,

dank unserer bescheidenen Art … unserer Aufgeklärtheit … und dank unserer Fähigkeit zur Selbstkritik, gepaart mit Geduld und Freude am Andersartigen … endlich haben wir zum Glück aus Vergangenem gelernt … nicht auszudenken wo wir hinkämen wenn wir nach aber-tausenden Wiederholungen

einfach weitermachten wie bisher.

Übrigens hat jedes Dorf in Frankreich eigenen Käse … Rocamadour beispielsweise ist eines von vielen Dörfern, dessen gleichnamigen Käse ich im Supermarkt kauf … sehr lecker … R. zählt auch zu den schönsten Dörfern Frankreichs … man weiß das, weil man in LA FRANCE eine Liste von Dörfern hat,

die zum kleinen elitären Kreis zählen.

Bestimmt hat man ein Gremium, dass sich kümmert … man muss sicher sein, dass wirklich nur die Hübschesten die stolzen Abzeichen tragen … in der Tat … die meisten sind wirklich schön anzusehen … an diesem Wochenende besuchten meine Freundin und ich Najac.

Bildhübsch, wirklich.

Alles ist märchenhaft schön … ständig sah ich mich nach Kameras um … auch ich habe ein Faible für Schönheit, für Ästhetik … außer Frage … langstielige weiße Lilien finde ich hübscher als ein Strauß Stinkmorchel … was nicht heißt, dass die Pilze nicht auch hervorragende Qualitäten haben …

Erscheinung und Duft sind schlicht … anders.

Beim gestrigen Spazierengehen fiel es uns wieder auf … wir hatten zwei Wege zur Auswahl .. einer schön und repräsentativ, der im Dorfplatz mündete … der andere verlief parallel hinter den Häusern und ihren schönen Fassaden … da quollen Mülleimer über … struppige Katzen rannten herum … beeindruckende Fauchkonzerte,

wieder ging es um Leben und Tod.

Wie zu erwarten … meine Deern wählte Schönheit … und ich wieder … natürlich … fand es spannend den schönen Fassaden auf den ungeputzten Arsch zu schauen … wir einigten uns beide anzusehen … erst rustikale Hinterhöfe … dann Belle Fassade.

Keine Ahnung ob‘s ein Defekt ist,

schon immer wähle ich gerne Schmuddel-Ecken … nicht aus Passion, Pathologie, gar automatische Rebellion, wie mir manche unterstellen … habe eher den Eindruck, dass ich Harmonie suche  … wenn ich sieben Tage Sterneküche genieße, kann man sicher sein,

dass ich danach Ravioli aus der Dose löffle.

Was nicht heißt, dass ich gutes Essen und guten Wein nicht wichtig finde… gar Schönheit ablehne … im Gegenteil … irgendwie habe ich dies In-Maßen-Gen aus unserer Familie … so kommt‘s mir manchmal vor … ich suche die harmonische Mitte.

Geschmacklosigkeit finde ich furchtbar,

genauso wie Kitsch … beispielsweise herrschaftliche Schlösser … wenn man mit Franzosen über Versaille redet bekommen sie glänzende Augen … ich stattdessen denke an „mir-san-mir“ … und an Schlachtrufe wie „vive La France, vive La Republique“ … das man dort 20.000 Menschen verheizte interessiert heute nur am Rande,

denn schön ist es schon … gell, Ludwig?

Auch die Akropolis hat man vermutlich ohne 35h Verträge gebaut … so fürchte ich … Sklaven und Leibeigene waren ja lange Zeit normal … ob Franzosen die eigene Kultur herausragend finden weiß ich nicht … mindest bewahrenswert … Académie Francaise, ich zitiere Wiki,

„Vereinheitlichung und Pflege der französischen Sprache“,

so steht‘s da geschrieben … bestimmt gibt es ein Ministerium, dass sich um die Schönheit Frankreichs kümmert … vielleicht müssen alle Schönsten-Dörfer sich einmal im Jahr rausputzen … quasi auf den Laufsteg … man schaut, ob noch alles fest und in Form ist … immerhin ist Frankreich eine Dame

Bei Deutschland bin ich mir nicht sicher …

https://www.les-plus-beaux-villages-de-france.org/fr/