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Urlaub – Odyssee 2024

Meine Kollegin Sandrine hatte mir den Rest gegeben … Piepende Ohren kannte ich nur von Anderen, oder aus dem Bekanntenkreis und Psychologiefachzeitschriften … Jetzt hatte es mich selber voll erwischt … Munter surrte und piepte es in meinen Muscheln …

Arbeite ich zu viel? …

Hab ich zu viel gehört, zu viel geredet? … Keine Ahnung! Ich wusste es nicht … Nur, dass ich mich platt, irgendwie geschafft fühle … plötzlich klingelt mein Telefon … meine Mutter … Sie hat gute Laune … „Hallo, wie geht es dir? Wo bist du denn gerade? Ach sag bloß! Ja wirklich?

Wie schön!

Ach, im Grunde geht es mir eigentlich ganz gut … doch-doch … Was sagst du? Nein, das Festnetztelefon geht wieder … hat ja auch lang genug gedauert … Ja, danke das du fragst, ist lieb von dir … sag mal, was ganz anderes, wo ich dich am Telefon habe …

hast du deinen Anteil …

für den Friedhofsgärtner schon überwiesen? Ach wirklich? Hast du schon? Wie schön! Nöh-nöh, sonst ist alles soweit in Ordnung. Ruf ruhig auch mal wieder an, hörst du? Ja, danke. Du auch. Hab einen schönen Tag, bis bald … Tschüß!“ …

Knacken in der Leitung …

ich entscheide mich, nach Mallorca zu fliegen … Freunde besuchen, abschalten … nichts hören, nichts sehen, nur Meer und Sonne … Für Ostermontag finde ich ein günstiges Ticket, super! … Ha! Schön erste Reihe sitzen … diesmal aber „gönn dir“ …

Zack! Los gehts …

Ostermontag, ich bin zwei Stunden vor dem Wecker wach … Flipp ich jetzt völlig aus? Erst das Piepen in den Ohren … dann unruhiger Schlaf … bin ich etwa anfällig für kosmische Strahlung, oder wie oder was? … Ich packe meine sieben Sachen …

Schon steht mein Rucksack …

reisebereit vor der Tür … brav trinke ich meinen Kaffee aus, während mein Nachbar über mir schon mitten in seinem Video-Ballerspiel steckt … In voller Lautstärker deckt er seine Gegner mit Kugelhagel ein … mörderisch die Schreie der Verzweifelten …

Muss eine Bazooka …

oder was ähnlich Fettes sein … bei jedem erfolgreichen Shot kreischt er hysterisch auf! … Leise ziehe ich die Tür hinter mir zu, schließe zwei Mal ab … gehe gemütlich aus dem Gebäude, höre hier oder da leises Keuchen … Irgendwo ertönt lautes Klatschen …

Dann ein lauter Schrei! …

Häusliche Gewalt ist was Schönes, wenn es in gegenseitigem Einvernehmen geschieht, denke ich mir … Irgendjemand möbelt immer jemanden durch … Laut krachend fällt unser Haupttor ins Schloss … Nach ein paar Minuten Fußweg spring ich auf meinen Rappen …

Laut röhrend …

erwacht der Motor zum Leben … vorbei an alten Backsteinhäusern der Altstadt schlängeln wir uns durch die engen Gassen … letzter Gruß an die Pont Neuf … schon knattern wir aus der Stadt, Richtung Flughafen …

„Attention please!

Last call für Mr. Quad el Habib, kommen sie sofort zum Gate 25, wir schließen das Boarding in wenigen Minuten! Mr. Quad el Habib, Last call … you need to come to Gate 25. Thank you!” … Im Flughafen das übliche Gewusel …

Besonders bei der Security …

Ein sehr schwarzer Sicherheitsbeamter baut sich vor mir auf … „Guten Tag, führen sie Kosmetika, Flüssigkeiten, oder irgendwelche elektronischen Geräte wie Laptops mit sich? Bitte legen sie alles in diese Schalen, vielen Dank für Ihre Kooperation!“

Tue wie mir geheißen …

Mein Tintenfass erregt seine Aufmerksamkeit … „Entschuldigen Sie! Was ist das?“ … nichts bleibt einem erspart … „Das ist Tinte, Sir“ … bin immer super-korrekt und formell mit denen … machen auch nur ihren Job … „Was bitte, sagen Sie, ist das?“ … ich ahne es …

„Tinte!“

„Wofür verwenden Sie das?“ … er will seinen Job supergut machen, ich verstehe das … ist mir schon oft aufgefallen … Ausländer und Zugereiste geben sich Mühe in Frankreich … werden oft französischer als die Franzosen …

Sieht man bei Eric Zemmour …

Sohn algerischer Einwanderer … mausert sich zum ausgewachsenen Faschist und Nazi … wunderbare Stilblüte menschlicher Entwicklung, zu denen demokratische Staaten fähig sind … altmodische Menschen wie ich haben es schwer, es sei denn, du bist Nationalist …

Dann hast du …

Naja, das kneif ich mir mal, im Anblick des 20.April den wir gestern hatten … „Schreiben! Ich benutze die Tinte zum Schreiben! Schauen Sie …“ … Übereifrig hole ich meinen Füller aus dem Etui zeige ihm meinen Schreibapparat … Runzeln füllen die …

schwarze Stirn …

die am längeren Hebel sitzt … „Okay! Ist in Ordnung! Gute Reise!“ … Seine Vernunft siegt … bleibe Freund von Demokratie, im Ernst! … Vor mir filzt man eine Mulattin mit vierzig Kilo Übergewicht … Schweiß läuft ihr in Strömen aus den Armen …

Sie stöhnt wie eine Lokomotive …

Hinter mir piept es laut … ein bärtiger Araber zuckt zusammen … zwei Farbige kommen und filzen auch ihn … man kann die Spannung zwischen ihnen sehen … hier genügt ein leises Lüftchen … ein wenig arrogant seufzt der orientalische Bart …

„Bitte drehen Sie sich um!“

„Sind wir fertig?“ … Er lässt es sich nicht nehmen, den Ungeduldigen zu spielen … doch die Sicherheitsbeamten lassen sich nicht reizen, sehr gut! … „Einen kleinen Moment noch; es handelt sich um eine Standarduntersuchung …“

Erleichtert seufze ich …

Als ich mich vom Krisenherd entferne … „Attention please! Last call for Mrs. Severine De-Stefani, you need to come with immediate effect to Gate 55! Thank you!“ … Im duty free shop die üblichen Preisfallen … Wein im angeblichen Discount …

Abertausende Düfte …

Vernebeln meine Sinne … wie angetrunken gehe ich durch den Konsum-Sumpf … Hinterm Ausgang klimpert jemand auf ’nem Flügel rum … Victoria’s-Secret Werbung lockt mit Reizwäsche, getragen von Frauen, die es nur im Kino gibt …

Hektisch herumrennende Fluggäste …

Wie ein Schwarm verrückter Hummeln, denke ich … so dröhnt das hohle Rollen der Trollies um mich rum … Menschen schreien in Smartphones … manche lassen Youtube-Videos in voller Lautstärke dröhnen … Kinder kreischen … Erwachsene fluchen …

Überall klingelt es …

Immer schaue ich mich reflektorisch um … Summen meine Ohren jetzt etwa lauter? … Kommt wohl doch alles vom Stress … Nur welche Sorte, frage ich mich … Vom Lärm etwa? Von den vielen Geräten die uns umgeben, die ständig senden …

So wie wir?

Endlich geht unser Boarding los … Wir stehen in zwei Reihen .. Priority-Boarding und die anderen, mit mir dabei … wie die Entlein watscheln wir ins Flugzeug … 1A mein Sitzplatz, richtig so! … Hinter mir machen es sich drei Frauen auf 2A, 2B und 2C gemütlich …

Kräftige Knie knallen mir in den Rücken …

Schweigend erdulde ich … wir heben ja gleich ab … irgendwann rollen wir … steigen flott in den Himmel … mein Surren in den Ohren wird weniger … „Zeig mal her Severine, was hast du für ein Buch mit?“ …

Ach du Scheiße!

Sitzt etwa „Last-Call-Severine“ hinter mir? … Wenn ihr ganzes Leben so abläuft, wie die Ankunft am Flughafen, dann … „Ach sieh an, das kenne ich gar nicht … und? Ist das gut? Wie weit bist du? Tatsächlich? Und? Gefällt es dir?“

„Das ist total super, wie 50s!“

„Was? So gut wie 50 Shades of Grey? Kann ich mir gar nicht vorstellen, Sev! Was?“ … Irgendwann wechseln sie ihr Thema … der gemeinsame Urlaub … Wo sie unterkommen, wie sie sich freuen, was sie an welchem Tag vorhaben, ich weiß alles über sie, wann sie aufstehen wollen …

Ob Café oder Tee …

Bevorzugt wird … womit sie als aller-erstes … sie planen ihren gesamten Urlaub durch, wie schön … „Nein, wirklich!“ … „Das muss du unbedingt, also, nein, so was auch! … „Nicht auszudenken, wenn man“ … „Nun stellt euch das mal vor!“

Irgendwann schlaf ich ein …

Zivilisation – Teil1

Draußen scheint die Sonne. Es sieht wirklich sehr einladend aus. Immerhin was. Wenn man sich in Norddeutschland in diesen Stunden warm genug anzieht, kann man einen erfrischenden Spaziergang machen. Drinnen ist es aber auch ganz schön, wenn man all die bunt angezogenen Fische, Schnecken und Kraken am Aquarium vorbeiziehen lässt und sie dabei beobachtet.

Ich habe mit meinem Frühjahrsputz begonnen. In 2019 ist mein Mindpalace, wie ihn der Angelsachse nennen würde, als Erstes dran. Als ich vom Nebengang 3 A, sein beschaulicher Name ist „Krokodilgehirn“ – ich fange immer in der Steinzeit an, da kenn ich mich am Besten aus – zum Zentrum schlendere, all die Eindrücke, Sinneswahrnehmungen, einschließlich deren Täuschungen, Erinnerungen und Schnappschüsse an mir vorbeihetzen sehe, was mich immer mit einem warmen Bauchgefühl beglückt, da es mir sagt, haha wir leben noch und da ist sogar richtig was los, mit der Absicht, beim moderneren, manchmal avantgardistisch-anmutenden Haupt-Trakt 7B, mit dem schönen Namen „Neokortex“ auf einen Kaffee vorbeizuschauen, stolpere ich über einen gewaltigen Karton, der mitten im Gang steht und um den herum sich schon herbe Verwirbelungen und Wirbelschleppen gebildet haben, weil seine kantige, würfelförmige Statur nicht gerade zum reibungsarmen Vorbeigleiten einlädt.

Als ich mich diesem Hindernis nähere, springen mich die übergroßen Buchstaben so aggressiv an, dass ich kurz davor bin umzudrehen und wegzulaufen, so bösartig kletten sie sich fest, dass ich schnell aufgebe, sie loszuwerden und sie stattdessen sorgfältig betrachte, mit reichlich Douglasien-Borke auf der Stirn, bis ich Klang und Bedeutung entschlüsselt habe, was letzten Endes nur dafür sorgt, dass beides mehr und mehr in meinem Mund wächst, bis es meinen ganzen Rachen verstopft und ich ihn nur noch gedacht, aber auf keinen Fall ausgesprochen bekomme, ist er doch so groß in den wenigen Sekunden gewachsen:

Zivilisation!

Andächtig nehme ich meinen nicht vorhanden Hut ab:

„Hallo, darf ich mich vorstellen?“

„Ja, bitte. Nur zu.“

„Ich bin Don Tango“

„Tango, wie der Tanz?“

„Ja genau.“

„Dann will ich es Ihnen gleich machen – man nennt mich Zivilisation“

„Tatsächlich? So, wie..?“

„Genau, so wie DIE Zivilisation – will sagen, ich bin die…“

„Zutiefst erfreut, sehr geehrte – entschuldigung, was sind Sie eigentlich?“

„Wie meinen Sie das, was bin ich? Ich dachte, das wäre Allgemeinbil…“

„Ist es auch, aber..“

„Wie, aber? Wollen Sie jetzt etwa…?“

„Nein, auf keinen Fall, eher im Gegenteil; wenn ich schon das Glück habe Sie zu treffen, dann möchte ich…“

„Ja-a?“

„Ich meine, alles fängt doch mit einer gescheiten Ansprache, oder sagen wir mal, Anrede an, finden Sie nicht?“

„Hm-m-m-m, ja-ja – weiter-weiter!“

„Also, die Zivilisation ist doch das Aller-aller…“

„Nun übertreiben Sie nicht, Herr Tango; so wichtig habe ich mich noch nie genommen; es gibt doch so viele wunderbare…“

„Aber bitte, bitte, liebe – ja, was denn jetzt? Herr oder Frau?“

„Was erlauben Sie sich! Sieht man mir etwa nicht an, dass ich eine Dame bin?“

„Ehrlich gesagt, nein; vergessen Sie bitte nicht, meine Teuerste, Sie stecken in einem Karton!“

„Ach-ja, richtig!“

„Da kann alles möglich in Erscheinung treten und drin sein, meinen Sie nicht?“

„Nun-gut, ich will mal nicht so sein und Gnade vor Recht ergehen lassen, dass Sie heute morgen, ganz offenkundig, mit dem falschen Bein aufgestanden sind und ihre Umwelt, aus literarischer Sicht, mit einem, sagen wir mal vorsichtig, taumelnden, leicht torkelnden Gang, beglücken, als hätten sie hinten rechts einen Plattfuß, oder nur einen Schuh, beim vor die Tür treten angezogen!“

„Tatsächlich? So charmant sind sie nun auch nicht gerade, meine Durchlauchtigste!“

„Was erlauben Sie…?“

„Diva würde eher passen, was natürlich, da muss ich Ihnen schon wieder zustimmen, ganz eindeutig weiblich, nahezu erzengel-gleich feminin daherkommt, dass ich geneigt bin..“

„Junger Mann, ich nehme Ihnen ihre flegelhaften Allüren, ausnahmsweise, nicht – mit Betonung auf, NICHT, übel, da meine Großzügigkeit und Großherzigkeit..“

„Sicher-sicher, alles groß und mächtig..:“

„noch viel gewaltiger ist, als mein Charme und Humor!“

„Da gebe ich Ihnen schon wieder recht…“

„Wie bitte? Wobei jetzt denn schon wieder? Habe ich einen Lauf, ja?“

„Das weiß ich nicht, ich lerne Sie ja gerade jetzt erst kennen…“

„Wie bitte? Sie kannten mich vorher etwa nicht? Sie belieben zu scherzen!“

„Jedenfalls gebe ich ihnen Recht….“

„Wobei denn jetzt, biite-schön…“

„Sehen Sie?“

„Was?“

„Sie lassen einen nicht zu…“

„Tue ich wohl!“

„Sehen Sie?“

„Was?“

„Okay, ich gebe es auf…“

„Wobei wollten Sie mir denn wieder zustimmen?“

„Das ihre Großherzigkeit größer als Charme und Bescheidenheit ist!“

„Ich danke Ihnen – Moment: von Bescheidenheit war nie die Rede!“

„Das stimmt in der Tat; das wäre mir aufgefallen“

„Aber genau – äh, Moment mal – wie bitte?“

„Sehen Sie, wie wir uns im Kreis drehen? Wir sind nicht einen Schritt weiter, weil…“

„Junger Mann…“

„Danke, das habe ich länger nicht gehört; ihr Charme ist tatsächlich größer als..“

„Danke, aber lassen Sie jetzt bitte das ständige Unterbrechen..“

„Na gut“

„Jedes Kind weiß, dass – die Zivilisation – feminin ist; auch und sowohl in anderen Sprachen; ich dachte, solche Banalitäten müsste ich ihnen nicht…“

„Sie haben Recht!“

„mehr erklären, weil…“

„Wieder Mal! Sie haben wirklich ziemlich viel davon, muss ich Ihnen sagen..“

„Wovon?“

„Vom Recht!“

„Ach so, tatsächlich?“

„Natürlich, das sag ich doch die ganze Zeit, aber wo wir beide jetzt schon aufeinander-getroffen sind, was mich aufs Äußerste mit Glückseligkeit erfüllt, dass ich mich am liebsten satt-saufen würde bis….“

„Sie drohen abzuschweifen, merken Sie das…?“

„Nein, nein – es ist die reine Freude, dass ich…. nun, es ist das erste Mal, dass ich Sie hier treffe; wo waren Sie all die Zeit? Und wenn sie da waren, ja, wo denn?“

„Das sind jetzt eine Menge Fragen..“

„Wie geht es Ihnen überhaupt? Ca va?“

„Das wird ja immer mehr; da verliere ich ja den Überblick…“

„Sagen Sie…“

„Ja, bitte?“

„Finden Sie nicht auch, dass wir die Unterhaltung viel besser bei einem..“

„Ja, das finde ich auch..“

„Sie wissen doch gar nicht, was…“

„Doch, weiß ich..“

„Okay, lassen Sie es mich trotzdem, der vollendeten Form halber, wo wir hier ja am Hofe sind, vollständig ausformulieren; finden Sie nicht auch, dass…“

„Ja-ha?“

„Wir unsere Unterhaltung besser mit einem Aperitif fortsetzen sollten?“

„Ja, unbedingt; schlagen Sie eine Location vor..“

„Mit größtem Vergnügen, allerdings wäre es von größtem Vorteil, wenn wir Sie erst einmal auspacken und aus dem Karton lassen, meinen Sie nicht auch?“

„Das klingt nach einer hervorragenden Idee – fangen Sie an, junger Mann!“.