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12.Juni – das Bad des Hades – Odyssee 2022

Nach langer Planung besuchte ich meinen Kumpel Pierre-André. Für mich ist PA in Wahrheit Druide. Offiziell ist er Winzer und lebt bei Langon, genauer gesagt in Toulenne. Wenn er sich nicht um Wein kümmert, kocht oder trinkt, oder beides zugleich, liest er die Zukunft aus Knochen, Eingeweiden eines Kaninchens, oder von den Schenkeln seiner Freundin. Letzteres hat mich auch immer interessiert; oft habe ich mich versucht,

gefunden habe ich meistens was anderes.

Es liegt daran, dass ich leicht abgelenkt bin, besonders wenn Frauen im Spiel sind; hier sind PA und ich uns sehr ähnlich. Schon vor Jahren vermutete ich, dass er in Wahrheit der Präsident des Universums sein müsste, natürlich ohne davon zu wissen;

solche Ämter bekommt man verliehen.

Diesmal fand ich nicht nur Indizien, sondern echte Beweise. An diesem Wochenende lernte ich die Wahrheit über ihn. Es gehen nämlich nicht nur die griechischen Götter bei PA ein und aus, nein, es ist viel beeindruckender. Sein Haus ist der Beweis dafür, dass die Milchstraße schon vor Jahren implodierte!

Sie krempelte ihr Innerstes nach außen – und umgekehrt.

Seit dem Zeitpunkt, befindet sich die Milchstraße im Haus von Piérre-André. Ganz erstaunlich wie ich finde ist dabei, dass es vor den Augen von Hawking und all den anderen Wissenschaftlern passierte. Als ich gestern sein Haus betrat, da geschah es. Ich spürte es sofort. Ein unaufhaltsamer Sog, wie ich ihn nur von schwarzen Löchern kenne.

Doch das war es nicht.

Je länger ich grübelte, erinnerte es mich mehr ans Verbrennen durch’ne Supernova, wenn sie sich aufbläht und man verschlungen wird. Gegenüber vom Eingang thronte der viel zu große Kamin, vor dessen Feuer ein aufgespießtes Kaninchen seine Runden drehte; zur Linken prunkte eine mächtige Anrichte. Hier erlebte ich das Gleiche. Kaum sah ich genauer hin, gab’s einen weiteren Strudel. Wohin ich auch sah, überall wuchsen neue Welten und Milchstraßen.

Und alles direkt vor meinen Augen.

Ein paar Türen der Anrichte hatten kleine Fenster, aus den weitere Planeten neugierig herausschielten. Auch Flaschen und Gläser standen dort, viele halbvoll, vor langer Zeit geöffnet, nicht ganz ausgetrunken, für später weggestellt, es mochte Jahre her sein; ein beachtlicher Berg Tabletten und jegliche Form von Medizin, die man PA verschrieben,

die er jedoch nie eingenommen hatte.

Eine nicht minder eindrucksvolle Auswahl Werkzeuge, Feuerzeuge, Aschenbecher, Rechnungen, Bücher und ein meine ganze Anerkennung und Aufmerksamkeit auf sich ziehender Vorratskarton Kondome, der Bordellbesitzer*innen in der gesamten Galaxis

feuchte Augen geschenkt hätte.

Schon dieser Kosmos verschlang mich mit Haut und Haaren. Nie würde ich hier wieder wegkommen, soviel stand fest. Doch das war längst nicht alles. Irgendwann musste ich aufs Klo. Auf dem Weg dahin, durchschritt ich auf leisen Sohlen die Küche, um nicht die gewaltigen Berge Töpfe, Pfannen Gemüsereste beim Plausch aufzuschrecken,

deren Gesprächs-Takt ein stetig tropfender Wasserhahn gab,

der wie ein galaktisches Metronom unendlich weit und tief klang; erfolgreich, ohne Aufsehen zu erwecken und Wegzoll zahlen zu müssen, passierte ich diesen Isthmus, der mich beim Durchschreiten an ein Wurmloch erinnerte, in dem die Zeit still steht.

Endlich bin stehe ich vor der Tür vom WC.

Langsam öffnete ich die Tür. Ein elegisch-schummriges Licht glomm darin, obwohl keine Lampe brannte. Noch ahnte ich nicht, welchen großen Schritt ich für die Menschheit wagte. Vorsichtig schob ich mich hinein, aus mir unbekannten Gründen war ich sprungbereit. Endlich traute ich mich und knipste Licht an. Beim Aufblitzen zuckte ich zusammen, gefolgt von Stöhnen:

„Oh mein Gott….!“,

entfuhr es mir. Denn ich stand im Bad des Hades. Ihr kennt ihn, jenen einen Moment im Leben, der Alles ändert. Nun kam er zu mir. Jener stumpfe totenbleiche Spiegel, in dem sich schon die gesamte Unterwelt rasiert hatte lächelte wie aus anderen Welten; eine unzählbare Menge Tassen, Gläser und Tuben breiteten sich hier unaufhaltsam

wie die Wüste Gobi aus.

PA scheint jede Woche ’ne neue Zahnbürsten zu verwenden, bei den vielen Sträußen, die in bunt bedruckten Senfgläsern das Bad bewachen. Gewaltige Berge Cremes und Shampoos warten auf Benutzung oder Entsorgung; kein Zweifel, jede seiner Freundin bestand auf ihre eigene Pflegeserie; war dies alleine schon eine Fahrt in der kosmischen Achterbahn, entschied ich mich glücklicherweise doch dafür,

kein genaueres Auge zur Dusche zu werfen.

Ein aus hellblauer Keramik geschmiedetes Tor ließ all meine Hoffnungen und Ängste wahr werden: Hier stand ich nun – einsam und alleine vor der Pforte zum Tartaros. Und dieser Moment ließ mich erzittern. Wie hätte ich mich auf diese unbeschreibliche Unterwelt hätte setzen können? Mit zitternder Hand klappte ich die Brille hoch und versuchte meinen Reißverschluss zu öffnen – vergeblich.

Vor diesem gähnenden Schacht gab alles klein bei.

Doch wie entstand dies Kunstwerk? War es ein Akt des Zufalls, bei dem Musen und Götter nachhalfen? Hatte PA ein klares Bild im Kopf, an dem er aktiv drauf hin arbeitete? Oder entstand alles aus reinem Zufall, was bedeuten musste, dass des Künstlers Botschaften und Anliegen, mit dem Werk selbst mitwuchsen und sich so

zu einem unsterblichen Gesamtwerk aufschwangen?

Das Bad des Hades verlässt du als anderer Mensch. Das änderte sich auch nicht, als PA zum Abend hin nach ausgiebiger Siesta, die bei größeren Weinmengen wichtig sind, eine zweite Genusswelle aus „Trüffel-Eier-Champignon-Suppe“ sowie wild gewachsene Jacobsmuscheln über uns zusammenbrechen ließ, was seinen Gipfel in einem Côte du Boeuf fand.

PA wissendes Lächeln setzte Allem die Krone auf.

Wusste er mehr als er preisgab? Vermutlich. War es wichtig, ob er Winzer, Druide, Magier, Präsident des Universums, Künstler, Frauenheld, Vagabund oder mit den Göttern im Bunde war? Nein. Sein Universum, seine Zeit mit mir zu teilen, noch dazu mit solchen Speisen und Weinen zeichnet wahre Freundschaft aus. Sie bleibt Motor des Universums und macht

ehrerbietend andächtig…

Ochsen und Messer – Odyssee 2021 CW13

Oster-Sonntag, 04.Apil – Richtig, falsch oder neutral blieben die Kategorien, in denen D seine Welt erschloss. D bemühte sich, seinen philosophischen Anspruch in seinem Alltag anzuwenden; besonders leicht ging ihm dies bei Wein von der Hand.

Natürlich kannte D nicht alle Rotweine der Welt, vermutlich blieb es ein verschwindend kleiner Teil, den er in seinem Leben bis heute kosten durfte, was nichts daran änderte, dass es mehr als Beispielsweise zehn waren; realistischen Einschätzungen nach mussten es bereits mehr als hundert gewesen sein, womit D zumindest für sich eine statistisch beweisbare Aussage machen konnte, woraus sich über die Jahre passende Begrifflichkeiten weiterentwickelt hatten, wie eben richtig und falsch.

Ein für D’s Gaumen, leichter Rotwein aus dem Ahrtal blieb für ihn so leichtgewichtig, dass er sie tendenziell zu den falschen als zu den neutralen Rotweinen einordnete, abhängig davon, wieviel Charakter sie hatten; kamen sie mit heraus-schmeckbarem Körper daher, schafften sie es in D’s Wein-Liga immerhin auf einen soliden neutralen Platz.

Natürlich wollte D nicht jeden Tag den gleichen Wein trinken, was alleine schon deshalb schwierig blieb, weil er ja täglich in anderen Stimmungen und Momenten lebte, weswegen er auch mit anderen Geschmacks-Idealvorstellungen daherkam, so dass sich in der Familie der „Richtigen“ eine bunte Mischung südeuropäischer Rotweine angesammelt hatte, die D’s Leben verschönerten.

So auch diesen Ostersonntag.

Perikles von Korinth hatte sich nach langem wieder mal angekündigt. P, wie D ihn gerne nannte, hatte einen ähnlichen Weingeschmack und auch sonst sich ähnelnde Rituale, weswegen sie sich vorgenommen hatten, mal wieder einander physisch zu-zu-prosten.

Ein Krug „Sang de Bou“ stand auf dem Tisch, den D leichthändig über dem Tisch kreisen ließ, das P an Kettenkarusselle und Achterbahnen dachte, als der Krug dann leicht nachwippend vor ihm halt machte und mit lautem Gluckern seinen Kelch füllte.

D war in Hochstimmung.

Durchaus mochte es an den Tonbechern liegen, die er sich bereits zu Gemüte geführt hatte, bevor P seine gute Stube betat, die ihm bereits einen nicht zu unterschätzenden Vorsprung gaben, sowie Kredit auf Nachmittag und Abend auszahlten, das Perikles sich achtungsvoll am Tisch festhielt, als D seinen Trinkspruch hinterherschob – que fa rem – was auf mallorquinisch so viel hieß wie „man kann nichts machen / oder was soll man machen?“ und D seinen Becher augenzwinkernd zum Mund führte, nicht ohne zufriedene Seufzer aus tiefster Kehle strömen zu lassen.

Nachdem die andächtige Stille, kulturell angemessen untermalt durch das gurgelnde Schlucken der zwei angegrauten Kater, ausreichend gefüllt und schlussendlich vertrieben wurde, machten sich beide mit einem erwartungsvollen Dialog-Sparring warm, dass sich beide wohlig fühlten und am Zusammensein labten.

„So, mein Lieber – da wären wir mal wieder; und..?“

„Wie und…?“

„Du weißt mindestens so gut wie ich, dass es sich hier um eine Art Einleitung, quasi eine Brücke handelt, um einen angeregten Dialog mit dir zu beginnen, in dessen Zentrum eine hoffentlich anspruchsvolle These steht; du weißt, wie sehr mich belangloses Palieren langweilt…“

„Aber natürlich…wenngleich ich hinzufügen muss, dass ich noch nicht ganz verstanden habe, was diesen Wein, zu einem „Richtigen“ macht; ja, ich mag ihn, aber es gibt doch sicherlich noch viele andere, die ebenfalls richtig sein dürften, oder etwa nicht?“

„Natürlich! Es ist wie mit dem Guten; auch dort gibt es ja mehr als ein „Gutes“ – und so ist es natürlich auch mit den „Richtigen“ Weinen; wenn du dir eine Skala von links nach rechts vorstellst, befinden sich auf der einen Seite…“

„Ich kann es mir vorstellen, lieber D; weiter weiter…“

„Okay; dann spule ich vor; wie weit…?“

„Wie du magst…“

„Okay; wir müssen uns den Weinen, wie bei Allem übrigens im Leben, über Extreme annähern; welche sind trinkbar, aber nicht besonders charaktervoll, also vielleicht neutral, welche gehen gar nicht und welche sind schlicht und ergreifend „richtig“; ein Beispiel mit etwas völlig Anderem, aber repräsentativ für quasi Alles; kennst du das Messer-Experiment?“

„Nein, noch nie gehört; kommt das wieder aus deiner dunklen Psycho-Kiste? Von wem hast du das…?“

„Nein, es ist ne Eigenkreation…“ Im Hintergrund schenkt D erneut die Tonbecher gluckernd voll. Sich fröhlich zunickend stoßen die zwei Männer erneut an und heben dabei die tulpenförmigen Gefäße in die Höhe.

„Na, dann bin ich gespannt…“ P lächelt breit und erwartungsvoll und legt sich ein paar stramme Argumente, als Dialog-Munition zurecht, um den derart motivierten D schnell zurück auf den Boden zu holen, bevor er in zu große Höhen abdriftet, von denen er nur langsam wieder hinuntersegelt, meist erst nach Stunden, wenn seine sprudelnden Gedanken zur Ruhe kamen.

„Also…“ D stand auf und machte sich in der Küche zu schaffen.

„Ich höre…“ Überrascht sah sich P um und versuchte zu ergründen, was D anstellte, als dieser mit Holzbrett und großem Messer zurückkam; überrascht blickte Perikles auf.

„Was soll denn das..?“ Perikles rückte unbewusst vom Tisch ab.

„Leg deine Hand auf das Brett, los doch…“

„Wie bitte? Und dann…?“

„Los doch…“

„Welche denn…?“

„Ist völlig egal…“, worauf P seine linke Hand auf das Holzbrett legte.

„Gut! Jetzt nehme das Messer in deine Rechte….“

„Was? Wieso, was soll denn das alles…?“

„Wirst du gleich sehen; es ist nicht gefährlich und schmerzhaft, aber im wahrsten Sinne einschneidend…“

„Jetzt machst du mich ein wenig unruhig…“, dennoch nahm Perikles von Korinth das große scharfe Messer in seine rechte Hand, genauso, worum ihn D gebeten hatte.

„So! Jetzt streck deinen kleinen Finger aus und lege das Messer mit der Klinge auf das Ende deiner Fingerkuppe, so als würdest du sie abschneiden…“

„Wie bitte, spinnst du…?“

„Nein, sei unbesorgt, es passiert dir nichts…“

„Na gut; und jetzt?“ Tatsächlich tut P wie ihm geheißen und zuckt zusammen, als die kalte scharfe Klinge auf der Fingerkuppe seines kleinen Fingers lag; schon alleine durch das Eigengewicht von Hand und Arm, spürte P, wie die Haut angeritzt wurde, wenngleich ohne dass Blut hervortrat.

„Wie fühlt sich das an, mein teurer Freund…?“

„Merkwürdig, irgendwie falsch…und jetzt?“

„Was würdest du jetzt üblicherweise tun…?“

„Wie meinst du „üblicherweise“; so etwas hätte ich ja nie getan, wenn du mich nicht darum gebeten hättst; wie soll ich also jetzt wissen, was ich als nächstes tun würde…?“

„Ganz genau! Du machst das zum ersten Mal und hast keine Ahnung, was als Nächstes kommt…dann frag ich dich jetzt, was tust du als Nächstes, wenn du ab dieser Sekunde frei bist, zu tun und lassen, was du willst?“

„Wie bitte?“

„Du hast ganz richtig gehört; los doch, was machst du als Nächstes?“

„Ich würde das Messer entfernen und weglegen…“

„Warum?“

„Wie warum? Wieso denn nicht? Was denn auch sonst?“

„Du würdest dir also nicht die Fingerkuppe abtrennen, wie ein Yakuza-Mitglied, das einen Auftrag nicht völlig zufriedenstellend ausgeführt hat?“

„Natürlich nicht, was soll denn der Quatsch?“ Perikles nimmt das Messer von seinem Finger weg und legt es etwas skeptisch auf den Tisch, neben das Holzbrett.

„Du würdest dir also keinen Schaden zufügen und stattdessen das Messer weglegen, habe ich dich richtig verstanden? Waum…?“

„Wie warum? Ich verstehe ich nicht, was soll das alles?“

„Warum fügst du dir keinen Schaden zu? Versuche die Frage so präzise wie möglich zu beantworten…“

„Weil ich mir keinen Schaden zufügen möchte; ich fühle mich unversehrt und gesund wohler!“

„Ganz genau! Sehr gut…“

„Und?“ Perikles nimmt jetzt einen großen Schluck aus dem Becher.

„Nichts, das war das Experiment…“

„Wie bitte? Und was ist die Erkenntnis?“

„Das du dich offensichtlich ungerne selber beschädigst…“

„Dafür brauchte ich kein Experiment…!“, gab Perikles ziemlich forsch und angespannt heraus und zündet sich eine Zigarette an, während D immer zufriedener lächelt.

„Vorsichtig! Was denkst du, wobei kann dir dies Experiment helfen, wenn es dir offenkundig so wenig Mehrwert gibt? Wozu könnte es anregen…?“

„Hm, lass mich mal nachdenken…“

„Nur zu…“

„Hmm……“ Perikles runzelte die Stirn und stemmte seine Hand unter das Kinn, so wie man es bei alten Statuen. Doch es kam nichts Nennenswertes aus seinem Mund, auch nach mehreren Minuten nicht, so das D sich eingeladen fühlte, seinen Erkenntnisprozess auf andere Art und Weise anzuregen, weil er ein großer Freund der Mäeutik blieb.

„Wieso brauchst du nicht lange grübeln, ob du dir deine Fingerkuppe abschneiden willst…?“

„Na weil ich recht gut weiß, was mir guttut und was nicht…“

„Ganz genau! Doch wieso ist etwas offensichtlich Einfaches dennoch im Alltag sehr hilfreich, auch wenn es dir so simpel und selbsterklärend erscheint…?“ Langsam erhellte sich die Miene von Perikles; mehr und mehr lächelte er, bis er D breit anstrahlte.

„Aber natürlich; die offensichtlichen Dinge, entschlüpfen uns am schnellsten, weil wir quasi den einzelnen Baum vorm Wald nicht mehr erkennen können…!“ D schwieg und ließ seinen Freund allen gedanklichen Auslauf.

„…und weil wir uns daher sehr häufig im Leben gar nicht sicher sein können, was gut oder schlecht für uns ist, weil wir nie genug Distanz aufbauen, um eine vernünftige Lösung zu finden…“ D trank aus seinem Becher und schenkte lächelnd und nickend nach; er konnte förmlich spüren, wie Perikles den Kreis in den nächsten Minuten schließen dürfte.

„Ha, jetzt hab ich es! Du kleiner Schlawiner, du ausgekochtes Schlitzohr! Es geht bei dem Experiment gar nicht um Messer und Finger…du benutzt dies haptische, in der Tat sehr einschneidendes Beispiel als psychologischen Anker für jeden Moment, in dem ich mir unsicher sein könnte….das ist wirklich perfide, mein Lieber…so scheuche ich mich in Zukunft selber zur ausreichenden Distanz auf, dank der kalten scharfen Schneide, die mir in der Tat den Finger geritzt hat…um mit genügend Distanz und Ruhe meine eigene, statt übernommene Entscheidungen der anderen unbewusst zu kopieren…herzlichen Dank dafür…also, dann lass uns auf den Osterhasen, den Leib der Herren da draußen, die griechischen Götter und das Blut kastrierter Bullen anstoßen:

Santé!“

Horus und die Philosophie – Odyssee 2020 CW32

9.August – seit Monaten, Wochen und Tagen brütete D über sein neues Buch „Die Augen des Horus“. Vorgestern sah er Licht im Tunnel – endlich durchgestoßen, dachte er. Dabei ging es nicht darum es fertig, sondern vielmehr es rund zu haben. Denn ähnlich wie Maler, die im Grunde ewig an etwas arbeiten können, weil sie sich ständig verändern, können Schreiberlinge ebenso ewig auf Worten, deren Inhalte und ihre offenen, sowie indirekten Botschaften herumkauen.

Viele Jahre traute D sich nicht all die vielen Buchstaben und Worte zu benutzen – viel zu gefährlich, dachte er damals. Irgendwann jedoch hatte er genug Mut gesammelt und fing an. Mittlerweile ist das über zwanzig Jahre her. Am Anfang schrieb er heimlich. Erst zum Jahrtausendwechsel fing er an darüber zu sprechen. Schreiben war D von jeher ein Bedürfnis, mindestens so wichtig wie Atmen!

Daher hatte D viele Gründe, sich auf ein weiteres Interview mit Frau Dr. Claudia Meyer-Paradiso zu freuen. Als Themen vorgesehen waren sein neues Buch und Literatur im Allgemeinen. D saß mit einem Becher griechischen Café, sowie seinem Headset bewaffnet vor dem Laptop und pfiff fröhlich vor sich hin. Fast ging ihm seine eigene gute Laune auf den Wecker, was auch seine Gesprächspartnerin bemerkte, die kurz darauf vor der Kamera auftauchte. (Kurz vor Beginn der Aufzeichnung verabredeten die zwei, dass sie sich in Interviews duzen – Anmerk.d.Red.)

CMP: Hi Don, dir schein es gut zu gehen, was ist passiert?

DT: Das dritte Buch ist endlich rund.

CMP: Was? So schnell? Wie ist das passiert?

DT: Keine Ahnung – vielleicht, weil ich es losgelassen habe.

CMP: Erzähl uns bitte mehr davon…..

DT: Wie fange ich an? Schreiben an sich ist eine ziemlich einsame Sache. Niemand kann einem dabei helfen. Auf der einen Seite ist es das was man braucht und will, auf der anderen Seite ist es auch ein Fluch, weil man ständig wie König Sisyphos alleine vorm Berg steht – das ist ziemlich zermürbend!

CMP: Wie sollen wir uns das vorstellen?

DT: Es kommt auf deine Absicht an: Was willst du schreiben? Wie soll es klingen? Willst du lediglich Worte und Inhalte transportieren, oder soll man auch zwischen den Zeilen lesen? Und dann ist da noch die Wahl der Sprache – sie alleine schon wählt die Leserschaft aus.

CMP: Natürlich, alles dreht sich um deine Zielgruppe……

DT: Diesen Begriff kannst du gerne in Zukunft ungenutzt lassen, der taugt nichts….

CMP: Warum? Mit Zielgruppe fängt doch alles an…..

DT: Nein, tut es nie! Das ist ein Begriff von Kaufleuten, die ein Produkt verkaufen, mehr nicht. Man will Eine Abschätzung haben, wie groß die Leserschaft ist usw. – es dreht sich immer um Geld und deren Wachstum – DAS ist aber das Gegenteil, von dem ich rede.

CMP: Wovon redest du, wenn nicht von Zielgruppe?

DT: Es geht darum, welche Bücher man liest und gelesen hat, welche Werte man besitzt, wie weit der eigene Horizont ist und wie wieviel Toleranz jemand in sich trägt.

CMP: Klingt komplex – hast du ein Beispiel?

DT: Meine Mutter hat mir zum Geburtstag das neueste Buch von Sebastian Fitzek geschenkt, das passenderweise auch so heißt. Bücher von Fitzek lesen sich aber ganz anders als zum Beispiel „Der Mann ohne Eigenschaften“ von Robert Musil.

CMP: Und das hat nichts mit Zielgruppe zu tun?

DT: Natürlich nicht, habe ich eben gerade erzählt. Wenn man jung und wenig belesen ist, dafür aber einen selten offenen Geist und Horizont besitzt, kann man durchaus Gedichte von Kavafis lieben – dafür braucht man aber bestimmte Werte.

CMP: Das finde ich spannend! Du leitest die potenzielle Lesbarkeit von Büchern auf die Werte der Leser ab?

DT: Natürlich! Poesie ist das höchste Gut der Menschheit – um so etwas überhaupt lesen zu können, muss man einen weiten Horizont, Toleranz, viel Fantasie und Leidenschaft für das Leben in sich tragen – nicht jeder hat das.

CMP: Ich ahne was du meinst, aber könntest du es noch etwas genauer beschreiben? Ich bin mir sicher, dass es nicht alle verstehen…

DT: Ich dachte, das ist schon genau genug – okay, vielleicht so, etwas plakativer: Ein Mensch für den eine Blume nur das ist, was er sieht, dem werden Gedichte nichts sagen. Man muss das Feinstoffliche um die Blume drumherum sehen – das kann etwas romantisch und herzergreifendes sein, man kann über Rosen so schreiben, dass man sein Herz auswringen möchte. Oder aber man sieht nur eine von Millionen Blumen am Wegesrand, an der man vorübergeht, ohne sie bewusst gesehen zu haben.

CMP: Warum können intolerante Mensch die Rose nicht wirklich sehen?

DT: Weil sie Augen haben, aber nicht sehen. Weil sie nicht verstehen, was Kunst ist. Als Franco, Hitler, Stalin und Mussolini bestimmte Kunst als „Entartet“ brandmarkten, war das ein Verbrechen gegen die Freiheit des Geistes. Man muss tolerant sein, um Kunst und Poesie zu ertragen. Wer jedoch kann tolerant sein und freiheitlich denken und andere einladen, Gleiches zu tun? Nur jemand, der ähnliche Werte hat. Kennst du viele Menschen, die heute Poesie lesen?

CMP: Leider nur wenige, muss ich gestehen, was im Grund genommen traurig ist.

DT: Deswegen ist auch die Philosophie das Wichtigste für mich im Leben. Ohne sie könnte ich nicht existieren. Sie ist mein Antrieb und Kompass hinter allem, auch beim neuen Buch, „Die Augen des Horus“.

CMP: Hast du Lust mehr darüber zu erzählen? Wovon handelt das Buch?

DT: Ich werde nicht direkt vom Buch reden, sondern werde es umschreiben, damit ich nicht Gefahr laufe, dir oder irgendjemand anderem die Neugierde zu nehmen. Wie nimmst du die derzeitige Weltwirtschaft war?

CMP: Ich muss gestehen, dass ich mich nicht genug damit auseinandersetze, um darüber fundiert zu reden.

DT: Natürlich, wer kann das schon, aber dennoch – versuch es mal, wie nimmst DU sie war?

CMP: Grundsätzlich gibt es reiche Industriestaaten und weniger reiche und dann gibt es natürlich aufstrebende und abstrebende Staaten – China ist gerade dabei, neue Weltmacht zu sein, wenngleich Indien, Russland und Europa auch irgendeine Rolle spielen, neben den USA, die gerade in einer Art Abwärtsspirale sind – aber was hat das mit deinem Buch zu tun?

DT: Es ist ein Finanz-Krimi, oder ein Thriller aus der Weltwirtschaft – daher meine Frage. Es geht in dem Roman dabei um eine zentrale Frage…….

CMP: Nämlich?

DT: Wieviel Gewissen bleibt jedem von uns?

CMP: Wie meinst du das?

DT: Kannst du ein 5€ T-Shirt kaufen, wenn du weißt, wo und für welchen Stundenlohn es gefertigt wird? Kannst du in einem Hamburger Supermarkt Knoblauch aus China kaufen, wenn du weißt, dass man ihn per Containerschiff hinbringt, während man mehr als genug davon in Südeuropa hat? Kannst du deine Bücher bei Amazon kaufen und dich gleichzeitig wundern, dass der Buchladen an der Ecke pleite macht? Kannst du all das, und vieles mehr mit deinem Gewissen vereinbaren?

CMP: Nein! Natürlich nicht – ich ahne worauf du hinauswillst, aber…….

DT: Nichts aber! Alle Menschen tragen Verantwortung. Wir können nicht einkaufen oder Waren konsumieren, ohne uns Gedanken zu machen, woher die kommen und uns dann hinterher über Konsequenzen wundern – wenn ich bei Internetgiganten kaufe, trage ich aktiv zur Arbeitsplatzvernichtung bei – deswegen haben ich meinen Verlag auch gesagt, dass wir meine Bücher NICHT bei Amazon verkaufen. Jeff Bezos ist der Tot für jeden Einzelhändler.

CMP: Und darüber handelt dein Buch? Von Arbeitsplatzvernichtung?

DT: Diese Frage lasse ich unbeantwortet, weil du alle Antworten in dir trägst.

CMP: Eigentlich dachte ich schon, dass wir ein wenig mehr darüber reden, aber ich verstehe, was du meinst. Und was kommt jetzt?

DT: Natürlich muss das Buch vom Lektorat abgesegnet werden und dann letzten kosmetischen Feinschliff erhalten – ich denke, dass es im September auf dem Markt ist.

CMP: Darauf freue ich mich – und was kommt dann?

DT: Dann kann ich mich endlich wieder der Philosophie zuwenden…..

CMP: Arbeitest du an etwas Konkretem?

DT: Ja, ich schreibe an einem Buch über die großen Themen.

CMP: Weißt du, wann du es fertig haben wirst?

DT: Nein, es hängt von Vielem ab. Auch, wer mich wie unterstützt und inspiriert. Deswegen muss ich auch nach Griechenland. Wie kann man über Philosophie außerhalb von ihrem Ursprung leben, gar schreiben? Ich überlege sogar, deswegen dort zu leben…

CMP: Das klingt spannend – wo würdest du in Griechenland leben?

DT: Ich habe drei Namen im Kopf: Athen, Peleponnes und Kreta. Mal schauen was es wird.

CMP: Willst du deinen Lesern auch heute etwas zum Schluss mitgeben?

DT: Fragt euch, ob ihr Wasser eines Flusses, oder Ufer des Selbigen sein wollt.

CMP: Poetische Worte zum Schluss. Vielen Dank. Was wirst du im Anschluss machen?

DT: Mir ein Glas Wein einschenken und dann etwas lesen und du?

CMP: Mittagessen zubereiten….

DT: Sehr gut….guten Appetit und hab noch einen schönen Sonntag.

CMP: Vielen Dank. Auf Wiedersehen.

 

Corona und Verschwörungen – Odyssee 2020 CW22

Pfingst-Sonntag, 14.45 in Saint Germain du Puch – D saß im Garten seines Freundes K und genoss die südfranzösische Sonne. Ein großes Glas Rosé leistete ihm dabei erfrischende Gesellschaft, während D den gestrigen Abend Revue passieren ließ.

Jay-Bee, ein gemeinsamer Freund kam gegen Abend vorbei, was den weiteren Verlauf nicht nur kurzweiliger, sondern auch umso lehrreicher machte. Letzteres, weil Jay-Bee nicht nur ein talentierter und erfahrener Winzer, sondern, weil D ihn immer als sehr belesen und gut informiert erlebte.

Nicht nur die Tatsache, dass Jay-Bee ein konsequenter Umsetzer der biodynamischen Lehre Rudolf Steiners ist, was sich jedes Jahr in leckeren Rotweinen wiederspiegelte, inklusive seiner zufriedenen Anhänger, sondern auch seine Fähigkeit, aus vermeintlich einfachen Gegebenheiten, eine komplexe vierdimensionale Realität zu erschaffen.

Am gestrigen Abend bekam D reichlich neues Wissen eingeschenkt, sowie die beeindruckende Erkenntnis, dass wirklich alles miteinander verbunden ist.

Langsam dämmerte D, dass Corona kein zufällig entstandenes Virus, sondern eine Geheimwaffe ist, die weitsichtige Chinesische Forscher intelligent eingesetzt hatten, um dafür zu sorgen, dass es den reichen europäischen Staaten an den Kragen ging – wie sich immer mehr herausstellte, gleich doppelt und dreifach. D faszinierte Jay-Bee’s Scharfsinn, wie er virtuos komplexe Zusammenhänge erkannte.

Natürlich war absehbar, dass jeder einzelne EU-Staat seine Grenzen eigenmächtig schloss und damit den eigenen Bankrott beschleunigte – schnell wurde ersichtlich, dass dahinter die reichen Eliten steckten, angeführt von Bill Gates und der WHO.

Doch diese Tatsachen verblassten vollständig, nachdem die Gemeinschaft einige Flaschen Wein intus hatte und Jay-Bee mit detaillierten Ausführungen zur Wahrheit über Hitler und den USA begann. Jay-Bee konnte fundiert und eindeutig herleiten, viel beeindruckender, er schien physische Beweise zuhause zu haben, dass in Wahrheit die USA hinter Hitler steckten; man hatte sich die ganze Sache mit Braunau und dem abgelehnten Kunststudium ausgedacht, wie er farbenreich schildert. In Wirklichkeit hatten die Geheimdienste der USA ihn aufgebaut.

D nippte an seinem Rosé und erkannte messerscharf, zwar verspätet verglichen zu Jay-Bee, aber immerhin, dass Adolf H eine Art Geheimdienst-Angestellter gewesen sein musste, vermutlich mit Personal-Nummer und Gehaltszettel. – Wer war dann sein Vorgesetzter? fragte sich D – der amerikanische Präsident Roosevelt, oder einer der Direktoren von NSA, FBI oder CIA? D wusste es nicht – noch nicht!

Doch eins war D klar:

Er würde nicht ruhen, bis er den ganzen Zusammenhang herausfand und verstand, warum auch Stalin, dazugehörte, wie Jay-Bee gegen Mitternacht, bedeutsam zum Ausdruck brachte. Sein immer breiter gewordener Entre-deux-Mer-Slang machte das herausfischen von klarverständlichen Fakten zum wahren Abenteuer, dass D irgendwann nach drinnen ging, um eine Angel zu holen.

Als D dann seine Vermutung mit den zwei vertrauten Freunden teilte, dass Pfingsten, in Wahrheit ein Fest des Teufels sein musste, was D gekonnt damit belegte, weil das Wort Pfingsten aus dem griechischen, nämlich von Pentikosti kommt, woran man sofort Teuflisches erkannte. Penti = Pentagramm = Zeichen des Teufels und dass die ganze christliche Kirche in Wahrheit eine Luziferische ist.

Nachdem die Gemeinschaft sich gegen 01:30 nachts mit Argumenten in den Armen lag, fragte D sich beim Nachschenken, ob Hitler und Stalin Gehaltserhöhungen, so wie ihre Kollegen, bekommen hatten; ob es zu der Zeit Team-Booster gab? D wusste es nicht – nahm sich aber vor, alles herauszufinden.

Nachdem D am Pfingst-Sonntag weiter am dritten Buch arbeitete, fragte er sich – war es wirklich reiner Zufall war, dass sein Rosé alle war? Steckte am Ende viel mehr dahinter? Konnte er sich wirklich sicher sein? D wusste es nicht.

Nach und nach schob er diese Frage in den Hintergrund, weil er sich vielmehr begann damit zu beschäftigen, ob er in zwei Wochen, wie geplant, zur Heimat fliegen konnte, oder ob auch Mallorca von außerirdischen Echsen und deren Superkräften beherrscht war.

Man hörte doch so viel von abgewiesenen Touristen.

Doch wie sollte das gehen? Man landete, stieg aus dem Flugzeug und dann was? Wurde man dann vom spanischen Geheimdienst in Empfang genommen? Kam man in ein Flughafen-Gefängnis, eine Art spanisches Guantanamo-Bay, bis man einen ungewollten und verfrühten Rückflug erstanden hatte?

Befanden sich diese Gefängnisse am Flughafen? Waren es Provisorien, solche Blech-Container? Mussten die im Sommer nicht unmenschlich heiß sein? War das die Bestrafung für verfrühte Eingereiste? D wusste es nicht – noch nicht!

Das einzige, was er wirklich wusste, war, dass er jetzt aufstehen und nachschenken musste – mochten Hitler, Stalin und Bill Gates auch zur gleichen Elite zählen, die die Menschheit versklaven und unters Joch bringen wollte.

D wusste nicht warum sie das wollten – noch nicht – doch er würde alles tun, um es herauszufinden und keine Ruhe geben, bis die ganze Wahrheit ans Licht kam.

Doch unabhängig von all seinen Recherchen, nahm D sich weiterhin vor, das Leben weiterhin zu genießen, mochte die ganze Menschheit irgendwann, in ferner Zeit, zur Hölle fahren.