Schlagwort-Archive: Gott

Corona und Verschwörungen – Odyssee 2020 CW22

Pfingst-Sonntag, 14.45 in Saint Germain du Puch – D saß im Garten seines Freundes K und genoss die südfranzösische Sonne. Ein großes Glas Rosé leistete ihm dabei erfrischende Gesellschaft, während D den gestrigen Abend Revue passieren ließ.

Jay-Bee, ein gemeinsamer Freund kam gegen Abend vorbei, was den weiteren Verlauf nicht nur kurzweiliger, sondern auch umso lehrreicher machte. Letzteres, weil Jay-Bee nicht nur ein talentierter und erfahrener Winzer, sondern, weil D ihn immer als sehr belesen und gut informiert erlebte.

Nicht nur die Tatsache, dass Jay-Bee ein konsequenter Umsetzer der biodynamischen Lehre Rudolf Steiners ist, was sich jedes Jahr in leckeren Rotweinen wiederspiegelte, inklusive seiner zufriedenen Anhänger, sondern auch seine Fähigkeit, aus vermeintlich einfachen Gegebenheiten, eine komplexe vierdimensionale Realität zu erschaffen.

Am gestrigen Abend bekam D reichlich neues Wissen eingeschenkt, sowie die beeindruckende Erkenntnis, dass wirklich alles miteinander verbunden ist.

Langsam dämmerte D, dass Corona kein zufällig entstandenes Virus, sondern eine Geheimwaffe ist, die weitsichtige Chinesische Forscher intelligent eingesetzt hatten, um dafür zu sorgen, dass es den reichen europäischen Staaten an den Kragen ging – wie sich immer mehr herausstellte, gleich doppelt und dreifach. D faszinierte Jay-Bee’s Scharfsinn, wie er virtuos komplexe Zusammenhänge erkannte.

Natürlich war absehbar, dass jeder einzelne EU-Staat seine Grenzen eigenmächtig schloss und damit den eigenen Bankrott beschleunigte – schnell wurde ersichtlich, dass dahinter die reichen Eliten steckten, angeführt von Bill Gates und der WHO.

Doch diese Tatsachen verblassten vollständig, nachdem die Gemeinschaft einige Flaschen Wein intus hatte und Jay-Bee mit detaillierten Ausführungen zur Wahrheit über Hitler und den USA begann. Jay-Bee konnte fundiert und eindeutig herleiten, viel beeindruckender, er schien physische Beweise zuhause zu haben, dass in Wahrheit die USA hinter Hitler steckten; man hatte sich die ganze Sache mit Braunau und dem abgelehnten Kunststudium ausgedacht, wie er farbenreich schildert. In Wirklichkeit hatten die Geheimdienste der USA ihn aufgebaut.

D nippte an seinem Rosé und erkannte messerscharf, zwar verspätet verglichen zu Jay-Bee, aber immerhin, dass Adolf H eine Art Geheimdienst-Angestellter gewesen sein musste, vermutlich mit Personal-Nummer und Gehaltszettel. – Wer war dann sein Vorgesetzter? fragte sich D – der amerikanische Präsident Roosevelt, oder einer der Direktoren von NSA, FBI oder CIA? D wusste es nicht – noch nicht!

Doch eins war D klar:

Er würde nicht ruhen, bis er den ganzen Zusammenhang herausfand und verstand, warum auch Stalin, dazugehörte, wie Jay-Bee gegen Mitternacht, bedeutsam zum Ausdruck brachte. Sein immer breiter gewordener Entre-deux-Mer-Slang machte das herausfischen von klarverständlichen Fakten zum wahren Abenteuer, dass D irgendwann nach drinnen ging, um eine Angel zu holen.

Als D dann seine Vermutung mit den zwei vertrauten Freunden teilte, dass Pfingsten, in Wahrheit ein Fest des Teufels sein musste, was D gekonnt damit belegte, weil das Wort Pfingsten aus dem griechischen, nämlich von Pentikosti kommt, woran man sofort Teuflisches erkannte. Penti = Pentagramm = Zeichen des Teufels und dass die ganze christliche Kirche in Wahrheit eine Luziferische ist.

Nachdem die Gemeinschaft sich gegen 01:30 nachts mit Argumenten in den Armen lag, fragte D sich beim Nachschenken, ob Hitler und Stalin Gehaltserhöhungen, so wie ihre Kollegen, bekommen hatten; ob es zu der Zeit Team-Booster gab? D wusste es nicht – nahm sich aber vor, alles herauszufinden.

Nachdem D am Pfingst-Sonntag weiter am dritten Buch arbeitete, fragte er sich – war es wirklich reiner Zufall war, dass sein Rosé alle war? Steckte am Ende viel mehr dahinter? Konnte er sich wirklich sicher sein? D wusste es nicht.

Nach und nach schob er diese Frage in den Hintergrund, weil er sich vielmehr begann damit zu beschäftigen, ob er in zwei Wochen, wie geplant, zur Heimat fliegen konnte, oder ob auch Mallorca von außerirdischen Echsen und deren Superkräften beherrscht war.

Man hörte doch so viel von abgewiesenen Touristen.

Doch wie sollte das gehen? Man landete, stieg aus dem Flugzeug und dann was? Wurde man dann vom spanischen Geheimdienst in Empfang genommen? Kam man in ein Flughafen-Gefängnis, eine Art spanisches Guantanamo-Bay, bis man einen ungewollten und verfrühten Rückflug erstanden hatte?

Befanden sich diese Gefängnisse am Flughafen? Waren es Provisorien, solche Blech-Container? Mussten die im Sommer nicht unmenschlich heiß sein? War das die Bestrafung für verfrühte Eingereiste? D wusste es nicht – noch nicht!

Das einzige, was er wirklich wusste, war, dass er jetzt aufstehen und nachschenken musste – mochten Hitler, Stalin und Bill Gates auch zur gleichen Elite zählen, die die Menschheit versklaven und unters Joch bringen wollte.

D wusste nicht warum sie das wollten – noch nicht – doch er würde alles tun, um es herauszufinden und keine Ruhe geben, bis die ganze Wahrheit ans Licht kam.

Doch unabhängig von all seinen Recherchen, nahm D sich weiterhin vor, das Leben weiterhin zu genießen, mochte die ganze Menschheit irgendwann, in ferner Zeit, zur Hölle fahren.

 

 

Adam’s Welt

Reich beschenkt hatte die Natur das Land. So reich, dass sich sogar die vielbeschäftigte Evolution daran störte, das es unter der vermeintlich schweren Last ach so sehr keuchte und stöhnte; alles war viel und toll; da waren die Wälder: Soweit die Augen eines faulen Adlers blicken konnten, endeten sie am Horizont; die Wiesen waren so grün, dass es sogar die Tiere aufregte und sich darüber beschwerten, dass sie zu saftig wären; und dann die Berge: Ihre kitschig-weißen Spitzen gaben einem den Rest; selbst das Wasser der Seen war so klar, das man das Lächeln der tiefschwimmenden Fische sehen konnte.

Würzig und frisch war die Luft. Pittoreske Küsten schmiegten sich gleich einem Geländer eng an ihm entlang, Küsten, an deren Klippen schwere Wellen theatralisch donnerten, sich jeden Tag aufs Neuste austobten, gefüttert vom ewighungrigen Ozean, der auf hilflose Fischerboote wartete. Wo sich viele Menschen niedergelassen hatten, oft an schönen Plätzen, entstanden Siedlungen die sich wie gierige Amöben ausdehnten und quer durch die Landschaft fraßen. Städte wuchsen und wuchsen. Zu jener Zeit führten die Menschen normale Leben. Sie kamen zur Welt, wurden groß und immer größer; irgendwann wurden manche sogar reifer, erfahren und weise. Die Humorvollen unter ihnen gründeten Familien und zogen Kinder groß, ähnlich wie es die Eltern vorgemacht hatten. Manche wurden mit der Zeit älter und älter. Einige wurden so alt, dass sie kindlich, lustig und still wurden, bis sie am Ende nur noch schwiegen. Alles in diesem Land war schön und perfekt, wirklich alles.

Adam war eines von vier Kindern. Alle vier waren Jungs und seine Brüder alle jünger als er. Zusammen mit ihrem mittlerweile grauhaarigen Vater bestellten sie das Feld, von dem die ganze Familie lebte, so wie die meisten, wenn man nicht gerade Beamter, Senator oder König war und über Leben und Tod gebieten konnte. Sie wohnten in einer Hütte. Doch obwohl es kein schickes Haus aus Ziegeln war, so eines wie die reichen Menschen in den teuren Stadtvierteln, konnte die Hütte ihre Bewohner mit einer warmen und heimeligen Gemütlichkeit verwöhnen. Das Herz der Hütte behütete eine offene Küche, in der die Mutter das Essen zubereitete. So lebte und arbeitete man vor sich hin. Alles war etwas einfacher als heute; es gab keine Treuepunkte beim Supermarkt, und keine Handy’s; weder Kreditkarten, noch Fernsehen gab es. Man bekam nicht mal Stromrechnungen; überhaupt gab es weder Post von Versicherungen, noch Aufforderungen, den Lohnsteuerjahresausgleiche zu machen.

Früh am Morgen stand man auf und ging aufs Feld, um es zu düngen, pflegen, hegen und abzuernten. Abends kam man wieder nachhause, um müde still und andächtig zu essen und danach erschöpft ins Bett und in einen bleiernen Schlaf zu fallen. Der Kreislauf des Lebens, mit viel frischer Luft und einem guten Maß an Bewegung: Alles was das Herz begehrte und was man zum glücklich sein brauchte.

Während der Pubertät bekam Adam eine tiefere Stimme und an einigen, meist bedeckten, Körperstellen auch mehr Haare. Er merkte, dass sich die Welt veränderte. Sie war nicht mehr die Gleiche: Alles roch intensiver als vorher; hören tat er auf einmal feiner als zuvor; sehen tat er Dinge, die er vorher nie gesehen hatte. In seinem Kopf war so viel Chaos, dass er täglich dachte verrückt zu werden. Wirklich. Richtig verrückt. Ständig flackerten Bilder herum, wobei er oft nicht auseinanderhalten konnte, ob er sie im Kopf oder vor seinen Augen hatte. Stimmen hörte er, ohne zu wissen woher sie kamen. Es war so, als wären alle Stimmen der Welt in seinem Kopf zuhause.

Eines Tages, er stand bereits seit dem frühen Morgen auf dem Feld, da sah er in weiter Entfernung einen Regenbogen.

„Hey, schaut nur; seht euch das an: Der Himmel ist ganz bunt. Seht doch!“

So etwas hatte er noch nie vorher gesehen. Es war der Erste seines Lebens. Er war so fasziniert, dass er zu arbeiten aufhörte, offenen Mundes sprachlos dastand, trockene Lippen bekam und diesen farbigen Himmel ansah, als wäre es das größte Wunder der Erde. Auch seine Brüder hielten inne und blickten zum Horizont. Diese Farben, diese Pracht. In ihm begann es zu brodeln und zu gären. Das musste er sich aus der Nähe anschauen, unbedingt. Während sie Abends zu Tisch saßen, brach es aus ihm raus:

„Sagt mal, dieser bunte Himmel, was hat das zu bedeuten? Was ist das und wo ist das? Es sieht so weit weg aus; kann man sich das nicht mal genauer ansehen?“

Der Vater runzelte die Stirn.

„Sohn, es ist vielleicht irgendein Zeichen der Götter, aber ich bin mir nicht sicher, ob man es sich aus der Nähe ansehen kann.“

„Das heißt, du hast ihn noch nie aus der Nähe gesehen, bist noch nie hingegangen?“

„Nein, mein Sohn. Ich habe auf dem Feld gearbeitet, weil es das ist, was ich kann und das ist, was ich tun muss, um die Familie zu ernähren, verstehst du?“

„Ja, natürlich.“

Etwas resigniert schwieg Adam; er hatte den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden und wollte den Vater nicht verärgern. Er wollte aber den Ernst aus der Unterhaltung entfernen, so wie er sich lästige Splitter herauszog, wenn sie irgendwo zubissen und störten.

„Papa, sag mal, die Geschichten von den Drachen und den Meeresungeheuern, die du erzählt hast, sind die alle wahr? Hast du die Ungeheuer gesehen? Hast du die Drachen gesehen?“

„Hätte ich sie alle gesehen, würde ich euch die Geschichten wahrscheinlich nicht erzählen können, weil…“

„Aber Vater, wenn du sie nicht selber gesehen hast, dann weißt du ja gar nicht, ob es sie gibt?“

„Sohn: Wenn erfahrene Seemänner und erfahrene Wandersleute von ihren Reisen nicht mehr zurückkehren, kannst du davon ausgehen, dass Drachen und Ungeheuer ihre Arbeit verrichtet haben, so wie du auf dem Feld, wenn du nicht gerade den Regenbogen bestaunst.“

Das hatte gesessen; Adam wusste das sein Vater ihn irgendwann mundtot machen würde; er war traurig, dass sein Vater ihn so schlecht verstand. Wie stumme Marionetten saßen seine Brüder am Tisch, schlürften ihr Abendbrot mit gesenktem Haupt und versuchten, so gut es ging, stumm aneinander vorbeizusehen. Schweigend sah die Mutter den Vater von der Seite an und seufzte.

Adam hatte sich gerade bettfertig gemacht und war dabei das Licht zu löschen, als es an seiner Tür klopft. Leise wurde die Tür aufgestoßen. Sein Vater trat vor das schwach flackernde Licht der müden Kerze. Adams Herz klopfte; er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt so spät zu ihm ins Zimmer gekommen war. Mit einer Mischung aus Angst und Neugier wartete er, was passieren würde.

„Adam; es tut mir leid dass ich vorhin so hart zu dir gesprochen habe; ich musste es tun, weil ich vor deinen Brüdern nicht sagen konnte, was mir schon seit Monaten auf dem Herzen liegt:“

Adam schluckte schwer und war gespannt wie ein Krokodil kurz vorm Zuschnappen.  

„Du bist nicht für die Landwirtschaft gemacht, mein Sohn. Ich sehe es, wenn du die Natur ansiehst; wenn du Bäume liebevoll betrachtest als wären es Menschen; wenn du das Salz in der Luft riechst und dich darüber freust, das es da ist; wenn du bei der Feldarbeit die Blumen am Wegesrand siehst und ihnen gerührt über die Blätter fährst, als wären sie junge Mädchen, die dich verzaubern wollen; wenn du den Regen anlächelst, während deine Brüder fluchen und sich unterstellen; wenn du mit den Schmetterlingen sprichst, mit allen Tieren, sein es Insekten, Vögel oder Ameisen; wenn du wie gebannt meine Geschichten von Riesen, Monstern, Drachen und Ungeheuern lauschst, jedes Detail wissen willst, während deine Brüder vor Angst schlottern und weinen; wenn ich sehe wie du Erde in die Hand nimmst und sie zerreibst, an ihr riechst und lächelst, als wäre es eine Zitrone oder reife Feige, dann weiß ich, was zu tun ist.“

„Papa, woher weißt du das ich…..“, der Vater überging seinen Einwand und fuhr fort, als hätte er nichts gehört.

„Hier mein Sohn, nimm diesen Beutel Goldmünzen; sie werden dich weit bringen; weiter als du dir vorstellen kannst; wenn du sorgsam damit umgehst, bringen sie dich zum Regenbogen und wieder zurück; gib darauf Acht. Es ist deine Sicherheit und Zukunft zugleich. Verwahre es so, dass es niemand sieht; halte ein paar immer in deinen Taschen bereit, damit du Zahlen kannst, ohne den Beutel hervorzuholen; Neid und Missgunst sind weiter verbreitet, als Intelligenz und Schlauheit; hier, nimm dies Amulette; es wird dir Glück bringen und dafür sorgen, dass du gesund bleibst; das eine ist ein getrocknetes Pils; frag mich nicht, woraus der Ring gemacht wurde; sollte es dir mal schlecht gehen, lutscht du an beiden, erst am Pils und dann am Ring; hier….nimm diesen Mantel; er bietet Stauraum wie ein ganzer Wohnraum, wird dich wärmen wenn der Nordwind bläst und Regen abhalten, wenn du des kalten Morgens dich weiter aufmachst.“

„Vater, Vater, warum hast du all das…“, Adam schluchzte unentwegt und bekam sich nicht wieder ein.

„…keine Widerreden, mein Sohn; hör mir zu: Wenn du morgen früh wach wirst, ziehst du dich an, nimmst all diese Dinge, sowie diesen Wanderstock und machst dich auf den Weg.“

„Auf welchen Weg, Vater, Ich verstehe nicht..:“, Krokodils-Tränen kullerten ihm die Wangen herab.

„Von was für einem Weg sprichst du? Was soll diese Kette, der Mantel und der Beutel mit dem Gold? Warum hast du das alles? Was bedeutet das?“

„Als ich in deinem Alter war, habe ich das gleiche gemacht; ich bin raus in die Welt. Es scheint mir auch, dass ich sie ähnlich wahrnehme wie du. Nachdem ich die Welt ein wenig kannte, habe ich mich hier mit deiner Mutter niedergelassen, weil es das war, was ich machen wollte.“

Adam bekam immer größere Augen. Plötzlich ging langsam die Tür auf und die Mutter kam mit dazu. Wortlos umarmte sie ihren Sohn, drückte ihn fest an sich und ging weinend wieder raus, ohne das leiseste Wort gesprochen zu haben. Mütter waren immer gut für Diskretion und große Auftritte.

„Aber was ist mit dem Feld, Vater? Wenn ich weg bin, dann seid ihr nur noch zu viert.“

„Deine drei Brüder werden älter, so wie du; auch sie werden irgendwann erwachsen sein und es sieht so aus, dass sie alle drei sehr gut für die Landwirtschaft geeignet sind. Mach dir mal um uns keine Gedanken. Pack du lieber dein Leben am Schopfe. Hörst du? Am Schopfe, nicht an den Beinen. Du braucht sie zum Gehen. Und für alles andere gebrauche deinen Bauch, nicht deinen Kopf. Dein Bauch weiß alles; auf ihn kannst du dich verlassen.“

Stumm lauschte Adam dem Vater. Er war traurig und glücklich zugleich. Eine Weile sahen sie sich stumm an. Dann gab ihm sein Vater einen Kuss auf die Stirn und ging, ohne sich ein letztes Mal umzudrehen, aus dem Zimmer.

Der neue Morgen leuchtete aus vollen Farben. Sonnenstrahlen schienen in Strömen, tunkten alles in gelbgoldenes Licht; Bäume säumten den Weg, der vor der Hütte mündete; Vögel flogen munter herum, zwitscherten um die Wette, als wäre es eine Meisterschaft; Löwenzahn und ein paar an Veilchen erinnernde Blumen standen wild wuchernd herum. Leise zog Adam die Tür zu und blickte den Weg entlang, der vor ihm lag. Dann gab er sich einen Ruck. Vorsichtig wie auf Watte ging er los; Schritt für Schritt entfernte er sich von seinem Zuhause, wo er jeden Tag seines Lebens gelebt hatte, dort, wo er jeden Stein kannte, jede Blume, jeden Strauch und jedes Geräusch, mochte es auch Sommer oder Winter sein. Leicht und beschwingt ging er gemütlich vor sich hin und bemerkte, wie ein merkwürdiges und neues Gefühl seine Seele hochkroch, als würde es sie umschließen. Er war allein. Zum ersten Mal in seinem Leben. Mutterseelenallein wanderte er die Straße entlang; Adam fühlte sich wie ein einsames kleines Boot, das auf einem gewaltigen Meer vor sich hintrieb, wie eine Boje, die sich von der Kette losgerissen hatte.

Er musste schon sehr lange gegangen sein. Mittag war lange durch. Er bekam Hunger und setzte sich unter einen Baum. Gerade wollte er in den Apfel beißen, den seine Mutter ihm eingepackt hatte, als er jemanden schreien und fluchen hörte. Verwirrt blickte er sich um, alle Seiten. Nichts. Keine Menschenseele. Da war es wieder, lautes Pöbeln:

„Verdammter Mist, das geht ins Auge, das geht richtig…..verdammte Scheiße….“

Rums, knack, Peng. Äste brachen, Zweige und Blätter prasselten zu Boden. Adam blickte erschrocken hoch. Irgendetwas großes war in den Baum gekracht. Wieder knackten und brachen Äste. Immer mehr Blätter rieselten zu Boden. Noch immer konnte Adam nichts sehen.

„Ah, verdammt, weg da unten, weg da…..!“

Bums. Mit lautem Krachen, begleitet von derben Flüchen, fiel etwas Großes aus dem Baum, ihm direkt vor die Füße. Adam lief rot an, erschrocken über die vielen bösen Worte; solche hatte er noch nie gehört; er wusste nicht das man so reden konnte, geschweige durfte. Neugierig betrachte er das Wesen; es trug Kleidung in den Farben des Waldes, weswegen seine Konturen schwer zu greifen waren. Vor ihm lag ein Mensch, der gerade dabei war sich nach dem Absturz aus dem Baum aufzuraffen.

„Wer bist du?“, neugierig pirschten sich seine Worte vorsichtig heran.

„Hallo? Kannst du erst einmal guten Tag sagen? Aus welchem unhöflichem Kaff kommst du denn gekrabbelt?“. Diese Person war alles andere als langsam und unsensibel, wenngleich ihr Gepöbel eine Herausforderung für Adam war.

„Ich bin Adam.“, er war höflich und neugierig.

„Okay, und ich Eva. Komm schon, lass den Scheiß; wie heißt du?“ Adam verstand nicht.

„Ich heiße Adam. Du hast mich gefragt und das ist meine Antwort. Wie heißt du?“

„Okay, ein Spaßvogel. Alles klar, einverstanden: Machen wir halt so weiter. Ich heiß Eva und bin eben extra wegen dir durch die Luft geflogen, um dir so einen bescheuerten Apfel zu pflücken, in den du gleich gierig reinbeißt, ich natürlich auch, logisch, obwohl wir uns gar nicht kennen und dann werden wir beide mit einem Arschtritt aus diesem Paradies geschmissen, indem du dich gerade befindest.“

Adam sah sich den Menschen an; das war eine Frau? Wirklich? Frauennamen hatte er schon gehört, aber gesehen hatte er noch keine, mal abgesehen von seiner Mutter.

„Du bist eine Frau? Wirklich?“

„Nein, ich bin ein Kaninchen; sieht man doch. Hinten weißes Bummelschwänzchen, oben schöne große Ohren, lang werden sie ja von alleine, wie du weißt; ach ja und lange Schneidezähne, damit ich meine Karotten knabbern kann. Sag mal, hast du was geraucht? Von welcher Insel haben sie dich denn runtergejagt?“

Adam war immer noch perplex und fing an sich zu fragen, was diese Frau, oben in den Baumwipfeln gemacht hatte. Er kam nicht drauf.

„Sag mal, was ist dir denn da oben passiert? Wieso hast du so geschimpft? Und wieso bist du so den Baum runtergefallen? Du hättest dir weh tun können? Was hast du da oben gemacht? Ausschau gehalten?“

„Sag mal, wer bist du? Ein kleiner schmieriger Detektiv oder sowas? Ich habe keine Zeit für so einen Kram. Ist schon spät. Sorry, ich muss weiter; pass auf dich auf und sieh zu, dass du vor der Dunkelheit am großen Baum bist.“

„Am großen Baum? Wieso? Wo ist der? Kann ich da schlafen? Ist das so eine Art Hotel?“

„Hotel? Sag  mal, weißt du eigentlich irgendwas vom Leben, oder wachst du immer morgens auf, mit einem Strauß dusseliger Fragen? Du kommst wirklich von irgendeinem weit entfernten Eiland, oder? Okay, mach‘s gut. Muss weiter.“

„Aber warte doch noch….hey, warte….wo ist denn dieser komische Baum, dieser…….verdammt, so warte doch!“

Gerade war sie um die Ecke rum, da hörte Adam auch schon ihre Schritte nicht mehr. Merkwürdig. Er sprang auf, rannte hinterher und sah um die Ecke: Weit und breit war nichts zu sehen. Sie war fort. Müde sah er sich um. In einiger Entfernung sah er einen großen Baum, er sah sehr alt aus. Rundherum war er von Moos und ein paar Pilzen bewacht. Zufrieden lächelnd ließ Adam sich auf das weiche Moos nieder. Irgendwie war ihm der Baum sympathisch. Sofort fiel er in einen tiefen Schlaf und fing an zu träumen, das er wie ein Vogel durch die Luft flog.