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Mesolonghi – Odyssee 2024

Delphi setzte mir zu … all die Touristen, die nach Sonnencreme, Giorgio Armani und Chanel No.5 riechen … mit ihren Smartphones die Welt digitalisieren … sich von ChatGPT Gratulationskarten für Geburtstage und Hochzeiten schreiben lassen …

Bin vielleicht altmodisch …

Oder schleichend, über die Jahre, ein wenig depressiv geworden … am nächsten Morgen breche ich meine Zelte ab, ich verlasse Homer … mein nächstes Ziel heißt Mesolonghi … Heimat der hellenischen Revolution, heilige Stadt darf sie sich nennen …

imposant, wie ich finde …

Also rauf auf meinen schwarzen Drahtesel und los geht’s … mein Maultier und ich fahren am antiken Krissa vorbei, meiner kleinen BMW wohnt zwar keine tierische Lebendigkeit inne, aber ich gebe ihr leichten Herzens den Namen Platero …

Wir reiten runter zum Wasser …

Zum Golf von Itea … es ist warm, die Sonne scheint, bestimmt 30 Grad … einfach herrlich, wir traben gemütlich mit 50km/h Richtung Westen, schlängeln uns an der Küste entlang … LKW’s, Auto’s und Busse …

alle lass ich vorbei …

habe keine Lust zu hetzen … außerdem werden mir die Helden von Mesolonghi nicht wegrennen … drei Stunden knattern wir am Wasser entlang, ständig an dicht bewachsenen Bergen vorbei … gegen 14 Uhr erreichen wir die Lagunen-Stadt …

Krampfadern gleich ist sie durchzogen von Kanälen …

umgeben von Sumpflandschaft und Schilf … hab Geruch von Seetang in der Nase … merkwürdig still der Ort … vielleicht liegt‘s an der Zeit, sitzen wahrscheinlich alle am Napf … endlich finde ich das grüne Haus … Konstantinos könnte den Paten spielen …

Spricht nur griechisch …

Braun gebrannt … mit einem vollbärtigen Sekretär … vielleicht 40 … sein Haus ist immer offen, nie schließt man hier ab, erklärt er mir … er zeigt mir mein Zimmer … alles vom Feinsten, Jalousien, Bad, Küche, Bett, alles drin was man zum Leben braucht …

reicht mir die Schlüssel …

sowie einen Teller griechischen Salat … und empfiehlt sich … meine Tür zum Zimmer ist schwer wie von Fort Knox, ebenso der Schlüssel dazu, mit seinen 1000 Schließmechanismen … sein Haus glänzt in Grüntönen … Konstantinos strahlt Macht und Erhabenheit aus …

Vielleicht war er früher Politiker …

Oder hat sein Glück im Geschäftemachen gefunden, was auch immer das heißt … sein Sekretär entpuppt sich als Sohn, der mit Frau und Töchtern im Haus wohnt … ich spring in Shorts, Leinenhemd und mache mich auf die Suche …

Des Ortes Schambein …

Schnell begreift man, Mesolonghi ist nicht Athen … alles ist klein und kompakt, ein wenig provinziell, dafür sympathisch und völlig unaufgeregt, kein Vergleich zur pulsierenden Megacity an der Ägäis … nach wenigen Minuten bin ich im Zentrum …

Was für ein Chaos, herrlich …

Staunend bleibe ich an der Kreuzung stehen, an allen Ecken Coffee-Shops … alt und jung knattern mit ihren Scootern rum … alle in Flipflops, Shorts, T-Shirts und Sonnenbrillen und natürlich ohne Helm und Handschuhe …

Ich enter eines der Café’s …

Bestelle einen Espresso freddo, mettrio sacharie … Busse kommen und gehen, zischend öffnen ihre Türen … Ampeln such ich vergeblich … ich lehne mich an einen Stützpfeiler, während ein mächtig dicker Mann um die sechzig auf mich einredet …

Mit Armen und Beinen gestikuliert …

Wir lachen und nicken einander an … keine Ahnung was er sagt, aber wir verstehen uns blendend … wahrscheinlich hat er Mitleid mit einem armen Barbaren … zwei Frauen setzen sich zu uns in den Schatten, auf mitgebrachte Klappstühle …

Ich bestelle einen zweiten Espresso freddo …

Latsche damit gemütlich zurück, klemme den Pappbecher zwischen die Armaturen von Platero und springe, so wie ich bin, im Greek-Style auf seinen Rücken … zum ersten Mal ohne Helm, dafür in kurzer Boller-Bücks und Flatterhemd zum Meer …

Was für ein Feeling!

Entlang auf einer schmalen Straße, die mich, sie ist wirklich kilometerlang, in die Weiten des Golf von Patras bringt … am Ende gibt es ein paar kleine Anleger, zwei Bars, ein Salzmuseum und sehr viel Meer … alleine mach ich es mir auf einer Bank bequem …

Direkt am Wasser …

Keine Menschenseele außer mir, was ein Wahnsinn denke ich mir und schlürfe meinen Espresso Freddo durch Strohhalm, wie es sich gehört … keine Ahnung wie lange ich bleibe, sind bestimmt Sunden … wieviel Zeit man plötzlich hat, wenn man nichts macht …

Gegen Abend suche ich was zu essen …

Und werde in einer Bar am Hafen fündig … ebenfalls völlig leer, nur der junge Inhaber wischt gerade Tische ab … ich bestelle ein Glas Weißwein, sehe mich ein wenig um … herrlich ist es hier, nur Einheimische … merkwürdig …

Wir kommen ins Gespräch …

„Ich heiße Paolo … meiner Familie gehört das Lokal …ja, so leer ist es oft … ein paar Touristen mehr könnten wir schon gebrauchen!“ … für die einen der Segen, für die anderen ein Fluch … er macht noch nebenbei in Honig und handelt mit Lebensmitteln …

Ständig klingelt sein Smartphone …

Ich mach es mir gemütlich und schmöker ein wenig in der Geschichte von Mesolonghi … mein liebes Bisschen! … Vor 200 Jahren ging hier schwer die Post ab … haben ihren Widersachern ordentlich einheizt, vor Allem den Türken …

Krieg und Frieden …

Ewiges pulsieren … hin und her, wie ein Pendel … später reden Paolo und ich noch über KI und deren Auswirkungen … Paolo ist 32, er hat zwei Kinder 2 und 4 … er sieht, wie immer weniger Menschen im Garten arbeiten … wie alte Handwerke aussterben …

Jeder will heute Influencer sein …

Maurer, Imker, Alten.- und Krankenpfleger, Erzieher, Gärtner, Gas-Wasser-Scheiße, oder gar Bauer will heute niemand mehr werden … alles will chic aussehen und in der Lounge mit Cocktails abhängen … Paolo geht mit seinen Mitmenschen hart ins Gericht …

„Heute will jeder studieren!“

Es gebe kaum noch Nachwuchs, um die notwendigsten Arbeiten zu verrichten, weiß Paolo mir seine Beobachtungen mitzuteilen … „Wer geht heute freiwillig zur Mülle?“ … wir sind zwar einige Jahre auseinander, aber ziemlich einer Meinung …

Gegen zehn gehe ich heim …

Rolle mich weinselig ein und warte auf Morpheus … meine Birne ist voller Bilder und bunter Schnipsel … mühselig wälze ich mich rum … draußen knallt die Schweinesonne … Vollmond, auch das noch … innerlich fluche ich noch ein wenig …

Bis mich der Schlaf übermannt …

Eisenstürme und Stahlgewitter

Früher fand ich Gerechtigkeit toll, zumindest die in geschriebener Form. An die Andere kann ich mich nicht mehr erinnern. Heute ist sie fast ausgestorben – alle gegen alle, heißt das neue Spiel, in dem alle alles dürfen – vor allem verlieren – entfesselt von der Gier nach Macht und Reichtum – angeheizt durch die Feuer der Globalisierung.

Angefangen hat es, als die Menschen anfingen digital zu plaudern – sie redeten und redeten – über soziale Medien verbreiteten sie ihre Meinungen in Terra-Bytes pro Sekunde – schnell, schneller und breiter als jemals zuvor – erst Nachrichten, dann Entertainment, Bio und Nachhaltigkeit – alles redete von Gerechtigkeit, doch keiner spürte sie – das WAS war in aller Munde – über das WIE dachte niemand nach – warum jedoch die Altersarmut drastisch stieg, insbesondere bei Menschen über 65 in den letzten 10 Jahren um mehr als 60%, interessierte niemand – zumindest nicht die Mächtigen und Jüngeren.

Doch einige leisteten Widerstand.

Sie wollten nicht hinnehmen, dass sie sich nur für andere aufbrauchten, ohne selbst ein wenig den Schnabel benetzen zu können. Sie gründeten Geheimorganisationen – warum noch warten und vor Allem, wie lange noch? Sie waren doch so viele – die Reichen und Mächtigen so Wenige – warum weiter die Knute spüren, wo man alle digitalen Neuzeitwaffen legal besitzen und bedienen durfte?

Doch die Zeit war noch nicht reif.

Sie fingen an, erste Agenten auszubilden. Agenten und einen, der sie hüten sollte. Niemand kannte seinen Namen. Hinter vorgehaltener Hand nannte man ihn –den Schäfer-. Doch wie er aussah und wo er lebte, wusste niemand. Es schien, als würde er ein Gespenst sein – genährt aus den Wünschen und Hoffnungen des Volkes, dessen Durst nach Helden groß wie nie war.

Aber anders als zu früheren Zeiten, blieben sie geduldig.

Unverhohlen geißelten die Mächtigen ihre Völker, zeigten die lachenden Fratzen des Reichtums und der Dekadenz – selten so vereint, feierten sie ihre Imperien und Autokratien, unter den Deckmänteln der Demokratien, nichtsahnend, das ihre Zeit längst abgelaufen war.

Dann endlich war die Zeit gekommen, das Ende der alten Macht-Eliten stand bevor – die Mächtigen und ihre Familien wurden zum Aderlass gebeten – Ende des globalen Matriarchat – ausgeführt, von Menschen, die nicht mehr für Macht und Gold sterben wollten, organisiert von den Frauen der Mächtigen, die nach Jahrzehnten des Wartens ihre Verantwortung an sich rissen – Hüterinnen der Rasse, Amazonen des Zorns, Mütter und Großmütter, dem sinnlosen Sterben jahrhundertelang überdrüssig – sie hatten genug.

Gnadenlos und Unbarmherzig schlugen sie zu. Alle merzten sie aus, gründlich und sorgfältig, wie es nur Frauen können. Keiner kam mit dem Leben davon. von langer Hand geplant, ohne Krach und Lärm, wie der Schnitt mit einem Skalpell – sauber, glatt und endgültig, als hätte es das blutige Gestern nie gegeben.

Fürchtet euch nicht – die Zeit ist gekommen – Widerstand kriecht ans Licht.

Gibt es 2018 die erste literarische Revolution?

Kann man Frühling riechen?

 

2018 – das neue 1968?

Heut bin ich schon wieder spät aufgestanden – ich glaub es war Mittag oder so. Spät aufstehen finde ich ziemlich in Ordnung. Man geht keinem auf den Wecker – der Vorteil daran ist – auch umgekehrt.

Manchmal frage ich mich, warum ich nicht einfach liegen bleib. In ganz lebendigen Momenten wie heute komme ich sogar richtig ins Sinnieren – eigentlich mag ich dies ewige grübeln und nachbohren nicht – es führt meist sowieso zu nichts, weil man immer am gleichen Punkt ankommt, der einem richtig weh tut, weil man erkennt, zugeben muss, nichts geändert zu haben.

Ich bin ziemlich gut darin nichts zu ändern – geht ja auch so, oder nicht? Muss man alles hinterfragen? Kann man nicht einmal seine Klappe halten und einfach weitermachen? Nein?

Warum muss ich immer Nettes schreiben, oder lustig sein? Warum kann ich nicht sagen – fuck, heute geht es mir scheiße – ich meine so richtig kacke – dass ich keinen sehen will?

-Wie, du willst keinen sehen? Magst du uns nicht mehr, oder was? Wir waren doch für 15:00 Uhr verabredet und auf einmal kannst du nicht? Wie meinst du das, nicht sehen wollen?

– Na, es geht mir halt schlecht, keine Ahnung warum!

Manchmal hat man halt einen Scheißtag – passiert halt – ist nicht schlimm – richtig nervig finde ich nur, dass man das heute nicht mehr sagt – ist nicht mehr akzeptiert – man denkt sich irgendeine Ausrede aus – nee du, ich habe gerade Buntwäsche und muss unbedingt meine Steuer machen – man akzeptiert die Wahrheit kaum noch.

-Nein, ihr Freund / Partner / Kumpel / Bruder / Schwester / Eltern / usw. hat keinen Motorschaden, mit Nichten – er fühlt sich heute halt nicht, verstehen sie? Ist so n Software-Ding – nein, ist nicht schlimm – sie brauchen keinen Fehlerspeicher auslesen – das kommt von ganz alleine wieder in Ordnung – sowas ist nicht akzeptiert – aber, so what?

Ja, ich weiß – ist irgendwie kindisch – aber genau deswegen, ist es mir wichtig – ich hoffe, dass das Kind in mir immer Oberhand über den langweiligen Erwachsenen behält, der ich nach all den Jahren, still und leise, geworden bin!

Das Kind in mir würde sich nämlich über alles aufregen, was es sieht, hört, schmeckt, riecht und liest – über alles!

Was es macht, um nicht auszuflippen und aus dem Fenster zu springen?

(Gut, das war jetzt unpassend – ich habe mich verplappert – es stimmt, es war ein kläglicher Versuch – aber was sollte ich machen? Ich hab darüber geschrieben, im Ernst – ohne Filter – diesmall wollte ich alles rauslassen – ich weiß – gefällt nicht allen – sowas kann man doch nicht schreiben, wenn man sich an den deutschen Literatur-Knigge hält und so alles – hab ich aber trotzdem gemacht – ich wollte was Neues, was Anderes ausprobieren – was ändern)

Also, was macht es? Es schreibt sich alles von der Seele – ohne Filter, mit aller Macht, Liebe und Zorn, zu dem es im Stande ist – danach legt es sich ins Bett und schläft friedlich ein – okay, nachdem es sich zur Belohnung ein paar Gläser Wein gegönnt hat.

Okay, also mache ich wegen dem Schreiben weiter? Oder gibt es was anderes?

Stimmt – Broterwerb ist eine mögliche Antwort. Geld hab ich bitter nötig – für Lebensmittel und Miete und so alles – aber gibt es noch andere Gründe, einen anderen Sinn, sich aufzuraffen?

Als Syd Barrett und Roger Waters Astronomy Dominé live bei der BBC spielten – es war 1967, sie hatten gerade ihre Band mit dem unmöglichen Namen „The Pink Floyd“ gegründet, eine damals völlig neue und unbekannte Band, die den Vertretern des musikalischen Establishments richtig auf den Wecker ging, ein gewaltiger Dorn im Auge war – fegten sie mit ihren sphärischen und organischen Klängen so ziemlich alles in den musikalischen Abfluss des Althergebrachten, dass den Radiosendern, Fernsehanstalten, am Ende den Gesellschafften nichts anderes übrig blieb, als aus ihren muffigen Ecken herauszukommen, nachdem schon die Beatles, Stones und viele andere zum Aufbruch aufgerufen hatten – es ging nicht anders – sie mussten sich bewegen.

Zu revolutionär, schrill und grell leuchtete die Musik dieser Bands, die den Twens und Teenies von damals das Kleinhirn in Technicolour färbten, als würden sie auf einem LSD-Trip sein.

Und heute?

Ich bin zu jung, um mich an die gesamte literarische Zeit von 68 bis heute zu erinnern – wie ist es heute? Oder gestern, oder vorgestern?

Gibt, oder gab es jemals in dieser Zeitspanne eine Revolution, einen reinigenden, literarischen Flächenbrand in Deutschland – Ost, oder West – der kein Stein auf dem anderen ließ, die eine ähnliche nachhaltige und heftige Wirkung hatte, wie die musikalische Revolution der späten Sechziger und Siebziger?

Meines Wissens hat es so eine Zeit nie gegeben – weder in Deutschland, Frankreich, noch sonst wo in Europa – deswegen mache ich weiter, weil ich hoffe, dass 2018 das neue 1968 wird – werden muss!