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Mallorca und Interview Teil! – Odyssee 2020 CW26

28.Juni – schon seit Mittwoch befand sich D auf seiner Heimatsinsel. Nach Vielem hin und her, hatte ihn eine Maschine von Eurowings dort hingebracht, was ihn immer noch in Erstaunen versetzte, wenn er an sein halbes Dutzend Flüge dachte, die er in den letzten vier Monaten gekauft und allesamt, wie sie da waren, storniert bekam. Doch was jetzt? D verstand schnell, dass die Stille auf der Insel nur die Ruhe vor dem Sturm sein konnte, oder nach den Worten einiger Freunde, sein musste.

Zu sehr hatte der Lockdown die Geldbörsen aller Bürger und Bewohner geschädigt; zu viele Existenzen standen auf dem Spiel, als das man einfach so, zur Tagespolitik übergehen konnte; oder wie D es nannte, nachdem er es genauer betrachtete, gab es sie überhaupt nicht mehr.

Das schlafende Europa hatte sich in ein Ansammlung völlig fragmentierter Einzelstaaten verwandelt, die diese Fragmentierung innerhalb der eigenen Grenzen weiter fortführten – das große Ganze, erfüllt von Solidarität, Einigkeit und Brüderlichkeit gab es nicht mehr – stattdessen herrschten von Egoismus und Machthunger getriebene Lokalfürsten, die lediglich von zentralen Spitzenämtern in ihrem reaktiven Treiben überboten wurden.

D dachte viel darüber nach, als er in seiner Kammer saß und schwer gepeinigt von der Suche nach der verloren gegangenen Solidarität erkannte, dass jetzt alles auf die Aufwachgeschwindigkeit aller Bürger Europas ankam; wenn Regierungen im Stande waren, ohne Rücksicht auf Verluste, für einen unermesslich hohen Preis, mit Verzweiflungstaten wie Confinement, Ausgangssperren und anderen Mandatsüberschreitungen ihre Daseinsberechtigung zurückzukaufen versuchten, konnte sich jeder Einzelne ausmalen, welchen Mehrwert diese Administrationen boten.

Längst hatte D genug in den Spiegel geschaut, um zu erkennen, was zu tun war – er musste bei sich anfangen, um Zeit vernünftig zu verwenden. Doch wie sollte das aussehen? Was war ihm wichtig, was die Dinge im Leben, für die er brannte, die es Wert zu sein schienen, ganz oben auf der Liste zu stehen?

Ein paar kannte D, doch wie konnte er sich sicher sein, dass er nichts vergaß? D ließ die Frage offen stehen, setzte sich auf die Terrasse und wählte die Nummer der Journalistin, um mit ihr über das Interview zu reden; man musste ja irgendwo anfangen.

Knacken in der Leitung, ein langanhaltendes Tuten, abgelöst von einigen Wiederholungen, angerufene: Frau Dr. Claudia Meyer-Paradiso)

Angerufene: Meyer?

DT: Sie melden sich ja gar nicht mit vollem Namen, wie soll man bei vielen Meyers wissen, wen man am Rohr hat?

CMP: Hallo Herr Tango, waren wir nicht längst beim DU?

DT: Stimmt – Claudia, nicht wahr?

CMP: Richtig – ich freue mich, dass du so schnell zurückrufst, wie kommt es dazu?

DT: Lass uns mal über den Inhalt des Interview reden……

CMP: Na, du kommst ja auf den Punkt, okay, keine Umschweife heute….

DT: Hast du bestimmte Themen im Kopf?

CMP: Natürlich, ich hatte dir die Themen sogar schon genannt, falls du dich erinnerst; lass uns einen Termin vereinbaren, wann passt es dir?

DT: Hattest du? Stimmt, jetzt erinnere ich mich – okay, dann lass uns doch einfach……

CMP: Wie wär es, wenn wir es in viele kleine Gespräche aufteilen?

DT: Warum nicht?

CMP: Wie wär es, wenn wir einfach anfangen?

DT: Wie meinst du das?

CMP: Na ich meine jetzt?

DT: Jetzt? Wow, das ist ja mal….warum eigentlich nicht….?

CMP: Super! Lass uns mit einer Frage beginnen…..

DT: Müssen wir uns im Interview wieder Siezen….?

CMP: Formal wäre das korrekter und daher besser, einverstanden?

DT: Okay! Welche Frage brennt dir unter den Nägeln?

CMP: Wir fangen dann jetzt einfach an, okay?

DT: Okay!

CMP: Herr Tango, wie geht es Ihnen?

DT: Ganz okay, glaube ich……und Ihnen?

CMP: Es geht mir gut, danke der Nachfrage; Herr Tango, woher nehmen Sie Ihre Inspiration, oder anders formuliert: Warum schreiben Sie?

DT: Weil Schreiben das wahre Leben ist!

CMP: Was genau meinen Sie, mit wahrem Leben? Sprechen sie von Wirklichkeit und Realität?

DT: Exakt!

CMP: Moment: Sie meinen, nicht das Leben ist die wahre Wirklichkeit, sondern das Schreiben?

DT: Korrekt!

CMP: Hätten Sie die Güte, das etwas genauer zu beschreiben?

DT: Können wir einen Deal vereinbaren, um die Zeit dieses ersten Interviews festzulegen?

CMP: Natürlich!

DT: Sehr gut; ich gebe Ihnen in wenigen Sekunden eine Antwort; sollten Sie damit nicht zufrieden sein und weitere Fragen haben, setzen wir das Gespräch ein anderes Mal fort, einverstanden?

CMP: Okay! Legen Sie los….übrigens…….wiessen Sie, dass Marcel Proust der gleichen Ansicht war wie Sie?

DT: Nein, wusste ich nicht; ich meine irgendwo gelesen zu haben, dass Proust seine letzten Jahre im Bett verbrachte, aber nicht, dass er ähnlicher Ansicht war…….

CMP: Doch, war er, deswegen möchte ich auch unbedingt Ihre Begründung wissen!

DT: Okay! Aber nicht vergessen….

CMP: Was?

DT; Unsere Abmachung…..

CMP: Ja-ja, natürlich – Deal ist Deal!

DT: Okay, also: Wenn Sie ihr Leben leben, Frau Valpariso, dann tun Sie das Meiste unbewusst; Tag für Tag tröpfelt es so vor sich hin; Sie arbeiten, kaufen ein, essen zu Abend, putzen sich die Zähne und gehen schlafen, zwischendurch von Kurzweiligkeit unterbrochen, sei es Kinder, Putzen, Aufstehen, Sex, Drugs, Rock-n-Roll, Urlaub und ein paar Büchern – Leben eben, sie verstehen?

CMP: Natürlich, wenngleich es irgendwie melancholisch und trist klingt, so wie sie es sagen……

DT: Wenn Sie mittendrin einen Apfel essen, wird ihnen weder bewusst sein, was sie in dem Moment alles Denken, oder gedacht, obwohl all diese Gedanken Teil Ihres Lebens sind, noch ihn bewusst gegessen und genossen haben, weil Sie dann entweder ihre Gedanken wüssten, oder den Apfel bewusst essen; beides zur gleichen Zeit ist Ihnen unmöglich, jedenfalls im klassisch-physischen hier und Jetzt – nur in der Quantenphysik ist die Dritte Variante existent, oder eben in der Literatur! Lesen Sie mal über Schrödingers Katze, das Experiment beschreibt ziemlich gut das Paradoxon der Quantenphysik.

CMP: Von Schrödingers Katze habe ich schon mal gehört; warum aber in der Literatur?

DT: Weil ich nur durch sie, einen unendlich kleinen Moment, erlebt oder nicht, zur gleichen Zeit unendlich groß machen kann – ich kann mir Zugang zu Allem verschaffen, was mir beim Apfelessen durch den Kopf ging und / oder was alles nicht – ich kann die Zeit anhalten und mit jedem Wort, einen tieferen Stollen graben, bis ich vor Monsieur Thalamus stehe.

CMP: Sie meinen, wenn Sie Erlebtes oder Nicht-Erlebtes beschreiben, können Sie….?

DT: Sehen Sie?

CMP: Was?

DT: Sie sind nicht zufrieden und haben weitere Fragen…….

CMP: Stimmt! Sogar viele…….wir pausieren hier?

DT: Deal ist deal?

CMP: Sie haben Recht……..

DT: Hat mich gefreut, Frau Valparaiso…..

CMP: Ich heiße Meyer-Paradiso, Herr Tango, haben Sie das vergessen?

DT: Stimmt, Sie haben Recht – entschuldigen Sie bitte.

CMP: Schon gut, kein Problem. Hat mich ebenfalls gefreut, Herr Tango; wann setzen wir das Interview fort?

DT: Ich melde mich und wir vereinbaren einen Termin, Frau Meypalariso?

CMP: Einverstanden! Meyer-Paradiso, wenn es Ihnen nichts ausmacht…..

DT: Entschuldigen Sie vielmals – mit Namen tue ich mich sehr schwer…

CMP: Nichts für ungut; ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag, Herr Tango und viel Erfolg beim Schreiben…..

DT: Vielen Dank! Bis bald…..adios

CMP: Auf Wiedersehen….

Klacken in der Leitung. D geht runter an seinen Tisch und schenkt sich ein Glas Rotwein ein und beginnt weiterzuschreiben……

 

 

 

 

Ehrlichkeit

Ich finde es schwer, ehrlich zu sein. Schon beim Verständnis fangen die Schwierigkeiten an, zumindest für mich, im Zusammenhang mit meinen Mitmenschen. Was bedeutet ehrlich sein? Das man alles sagt, wie man es meint? Das man tut was man sagt und sagt was man tut? Um was geht es? Mir jedenfalls fällt es unheimlich schwer, schon mal ich damit genug mit mir zu tun habe. Oft merke ich gar nicht, dass ich gar nicht ehrlich mit mir bin. Wenn ich mich also selber betrüge und es nicht merke, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich mit diesem Schwindel auch mein Umfeld beglücke. Nennt man das dann un-ehrlich?

Für mich gibt es verschiedene Ebenen von Ehrlichkeit. Auch muss ich noch einmal entschieden unterstreichen, dass Ehrlichkeit nichts mit Wahrheit zu tun hat – ich kann ja unumwunden ehrlich sein, aber die Wahrheit nicht kennen, dass ich mich in etwas irre, was ich als wahr mein Leben lang in mir herumgetragen habe – so wie zum Beispiel, wenn ich mit 18 erfahre, dass der Bernd gar nicht mein leiblicher Vater ist, sondern der Nachfolger von Vati. Oder dass beide Teile mich zwar großgezogen, aber man mich in Wahrheit als Zwerg in eine Babyklappe gesteckt hat. Unbegrenzt sind auch die Interpretations-Möglichkeiten beim Ehrlich sein. Bin ich ehrlich, wenn ich einen Teil bestimmter Information nicht mit dem Zuhörer teile? Bin ich dennoch ehrlich, wenn ich Wichtiges unterschlage, aber beim Gesagten der Wahrheit treu geblieben bin?

Ehrlichkeitsebenen helfen mir da sehr. Natürlich bedeutet es einen Haufen Arbeit, diese Ebenen zu warten, weil ich dann auch verschiedene Zirkel pflegen muss. Welche Ebene bekommt welche Informationen, um authentisch und in dieser Ebene – ehrlich zu sein. Oder langt es, lediglich als ehrlich wahrgenommen zu werden? Ein Beispiel: Ich erzähle einem Bekannten, dass ich auf eine Hochzeit eingeladen bin und sage ihm, dass ich mich geehrt fühle eingeladen zu sein. Mein Bekannter wird eventuell anfangen sich mit mir zu freuen. Gut möglich, dass wir uns dann über Hochzeiten unterhalten, ob man auf vielen gewesen ist, welche war die Schönste, die eigene mal außenvorgelassen; die Liste ist unbegrenzt groß.

Dennoch wird mein Bekannter nicht zu erfahren bekommen, was solche Feste für mich bedeuten, was sie in mir auslösen. Ganz anders geht es mir mit einem Freund. Er wird mich eventuell besser und oder lang genug kennen und wissen ob ich mich darüber freue, denn das hat der Bekannte noch gar nicht erfahren dürfen. Mein Vertrauter darf diese Dinge, muss diese Dinge wissen, wenn er mein Vertrauter bleiben soll.

Ich denke auch, dass es Dinge gibt, die nur Eltern wissen sollten und natürlich gibt es reichlich Dinge, die Eltern niemals erfahren dürfen. Spannend ist auch die Frage, ob der Partner der oder die Einzige sein sollte, sein muss oder darf, die wirklich ALLES wissen darf, soll oder muss. Zu schnell gehen uns mit Informationen die Pferde durch. Nehmen wir mal Bücher:

Ich schreibe welche, okay. Nahezu alle Menschen nehmen unausgesprochen an, dass ich belesen bin, dass ich garantiert alle möglichen Bücher kenne, dass ich mich auskenne und so weiter. Das mündet dann gerne in Fragen wie:

-Was für ein Buch empfiehlst du mir zum Lesen?

-Was für ein Buch empfiehlst du als Geschenk für so und so…

-Wie findest du das Buch von so und so….

-Wie findest du die Bücher der jungen Schriftstellerinnen?

-Wie oft hast du „Fifty shades of grey“ gelesen?

Und so weiter und so weiter. Wenn ich schweige emfinden die meisten mich als unhöflich. Wenn ich ständig ehrlich antworten würde, wäre ich ebenfalls unhöflich und arrogant noch dazu. Hat man mir so gesagt, habe ich alles ausprobiert. Wenn ich es ehrlich meine, könnte ich anfangen nachzufragen, wer der Beschenkte ist, welche Dinge ihn oder sie interessieren. Was diese Person für ein Mensch ist, steht überhaupt noch nicht zur Disposition. Vielleicht kann ich ein wenig Licht ins Dunkel des Büchermarktes bringen, aber will der Zuhörer das? Wieviel Licht kann er oder sie ab?

Ich würde nie sagen, dass ich Ahnung von Büchern habe. Das gilt eher für studierte Literaturwissenschaftler, würde ich meinen. Aber auch der weiß nicht, wie ich als Leser welches Buch finde. Vielleicht gibt es Bücher, die so ein Experte für handwerklich daneben einstuft und dennoch ist es ein Bestseller geworden. Wenn ich einem Menschen, der des Deutschen mächtig ist, erzähle, dass ich mir selbst, in meinem ganzen Leben noch nicht ein einziges Buch von einem deutschschreibenden Autor gekauft habe, obwohl ich selber in genau der Sprache schreibe, dann lächelt mein Gegenüber smart und verschmitzt, weil er den Witz sofort bemerkt hat, weswegen er mit folgenden Worten nachfasst:

-Und jetzt wirklich?

Meine Antworten sind meistens langweilig und schon gar nicht hilfreich, wenngleich sie dennoch ehrlich sind. Selbst dieser Text, ist vermutlich nicht sehr spannend, so wie alles was ich ins Netz stelle. Ich bin nicht besonders witzig, nahezu völlig unbrauchbar geliked zu werden. Das sehe ich an meinem Twitter-Account. Nachdem ich ein paar Mitleids-Like’s bekommen habe, stand die mangelnde Attraktivität meines users so übermächtig im Raum, dass allen Followern, jene die es waren oder noch werden, jegliche Form von Höflichkeit und Mitleid abhanden gekommen ist, weil wirklich keiner meiner letzten Beiträge auch nur ein einzelnes Reiskorn bewegt hat.

Auch die Badguy Nummer funktioniert nicht. Ich bin halt wie ich bin, weder weiß noch schwarz, sondern einfach nur so. Oft unterstellt man mir, ich glaube das machen die meisten immer noch, dass ich mich in meiner „Revoluzzer-Rolle“ sehr wohl fühle, sogar mehr als das, dass ich sie so gut finde, dass ich sie nach Belieben auskleide, ausschmücke und ausbaue und zu meinen Gunsten hindrehe, mir meine Welt so mache, wie sie mir gefällt, so Pippi-Langstrumpf-Style, wenngleich ich keine so schöne rote abstehende Zöpfe habe.

Wie oft habe ich das gehört. Interessanterweise hat mich noch niemand gefragt, wie es mir mit mir in meinem Leben geht. Vielleicht habe ich mein Selbst gefunden, vielleicht ist eine häufige äußere Wahrnehmung deckungsgleich mit meiner Eigenen, dann scheint es zumindest so, dass ich authentisch geworden bin. Ob ich mich dann darin eingerichtet habe, ist eine ganz andere Sache. Nur wenige Vertraute wissen, dass in Wirklichkeit alles ganz anders ist.

Ob das Internet daher mit zu diesem kleinen, aus meiner Sicht erlesenen Kreis zählen sollte, überlasse ich jedem Einzelnen, darauf eine für ihn gescheite Antwort zu finden. Ich war in der Vergangenheit zu untalentiert, genug richtige Dinge zu tun. Zu groß ist meine Neugier, auch heute noch. Vielleicht tue ich mich deswegen so schwer, für andere Empfehlungen zu geben, weil Vieles für mich ganz andere Bedeutungen und Werte hat. Zumindest hat es den Anschein, dass ich meinen lieben Mitmenschen reichlich Entertainment, in den vergangenen Jahren gegeben habe, zwar auf meine Kosten, aber da man mir auch Egoismus vorhält, bin ich diesen Doublebind gewohnt. Daher:

Schweigen ist das Kommunizieren von morgen.