Broterwerb – Odyssee 2024

7 Uhr am Morgen … mein Wecker klingelt … ich trinke einen Kaffee, sehe aus dem Fenster, was ist denn das? Es regnet Bindfäden … Meine Lust Regenklamotten anzuziehen hält sich in Grenzen …

meine Hoffnung, dass es gleich aufhört?

Entpuppt sich als Fehlannahme … Unser Stadtzentrum? Ein Superstau … mit dem Motorrad zumindest erträglich … langsam schiebe ich mich an der Blechschlange vorbei … hin und wieder muss ich abrupt bremsen, wenn Menschen hektisch über Straßen rennen …

und hinter Bussen auftauchen …

Dann endlich raus aus der City … wenige Kilometer Autobahn … mein Helm ist beschlagen … ich sehe nichts … mache das Visier auf … Gischt peitscht mir ins Gesicht … vorbeirasende Busse und LKW’s verpassen mir eine zweite Dusche …

taste mich mit 80 km/h vorwärts …

Nach drei Kilometern runter von der Schnellstraße … Kommt mir vor wie ein ganzer Tag … Meine Hosen sind durchnässt … ein paar Baustellen sorgen für Verstopfung … nur mühselig geht‘s durch Wohngebiete … eine letzte Ampel, Moment …

die Straßenbahn kommt …

Glück muss man haben … Regen läuft mir den Nacken runter … dann endlich parken … tropfnass steig ich vom Motorrad … alles klebt … kalt ist mir auch … ich lass meinen Helm auf … So bleiben vielleicht die Haare trocken …

Wie Frankenstein …

Stapfe ich über die Straße … klingelnde Lastenfahrräder, mit und ohne Kinder … rasen an mir vorbei … Helme und Lampen auf Köpfen von Vätern und Müttern … alle mit reflektierenden Leuchtwesten …

gehe vorsichtig …

vorbei an rasenden Fahrradkolonnen … von Elektromotoren auf Trab gebracht … beim Haupteingang mustert mich eine kräftige Schwarze vom Sicherheitsdienst skeptisch, scannt mich von oben bis unten ab … leuchtend gelb auch ihre Warnweste …

orangerot baumeln Schlagstock …

und Handschellen drohend vom Gürtel herab … schön schön, denk ich … „Halt! Stehenbleiben!“ … Kraft durch Freude auch hier … hat ja auch lang genug gedauert … erschrocken fahre ich rum, fühle mich schuldig …

„Setzen Sie sofort ihren Helm ab!“

wieso denn das auf einmal … jahrelang ist’s kein Problem … und dann auf einmal, habe bestimmt irgendein Memo wieder überlesen … „Mützen und Helme sind auf dem Werksgelände verboten …

man muss ihr Gesicht erkennen!

Ist eine neue Vorschrift!“ … Ach! Ständig gibt es was Neues … Natürlich zum Schutz unserer Sicherheit … nehme meinen weißen Helm ab … lächle zu ihr rüber … „Sehr gut! Vielen Dank!“ … meine klammen Hände fummeln …

den Firmenausweis aus der Jacke …

zittrige Finger halten ihn ans Lesegerät der Drehtür, die mit Militär-Sicherheitsdraht abgesichert ist  … es piept eindringlich … eine grüne Lampe leuchtet auf … gehe vorsichtig durchs Drehkreuz … ist eng mit Rucksack … nur langsame Bewegungen sind möglich …

Gehe hundert Meter …

Bis zum nächsten Gebäude … Regen pladdert herunter … die meisten Dachrinnen hängen schief, fehlen oder sind verstopft … eine weitere Drehtür … meine Füße schmatzen in den Stiefeln …

quietschend zerschneiden …

sie die Totenstille auf dem Flur … Linoleum, Gipswände und ein Warnhinweis „Safety First!“ erinnern an Gefängnis, Turnhalle und Schlimmeres …schließe meine Tür hinter mir … sitze seit geraumer Zeit alleine …

von der Herde getrennt …

keine Ahnung warum … hat sich so ergeben … meine nassen Handschuhe lege ich auf die nicht funktionierende Heizung … langsam pelle ich mich aus der tropfnassen Jacke, schüttle sie aus, hänge sie an den Haken der Tür …

seit zwei Jahren …

sitze ich in diesem abgelegenen Trakt …  keine Ahnung wie oft ich fragte, ob man vorhat Heizung und Klimaanlage zu reparieren … auch Raumpfleger sprach ich an, ob sie nicht hin und wieder Lust hätten, bei mir vorbeizuschauen …

Spinnenweben sind mehr geworden …

mit den Pappkartons, die sich auf Tischen türmen habe ich mich abgefunden … immerhin ist einer noch frei … selten hör ich Schritte draußen auf dem Gang … meist nur, wenn sich jemand verirrt …

lasse mich seufzend …

auf den kaputten Bürostuhl nieder und öffne die Schublade unterm Tisch … hab dort ein Paar Schuhe und trockene Socken … die Nassen wickle ich in Zeitungspapier … mit dem Rest stopfe ich Stiefel aus … Ah! Herrlich! Trockene Schuhe …

Welch Wonne! …

Ich starte meinen Rechner … Login mit User und komplexem Passwort! … Groß.- und Kleinbuchstaben, Sonderzeichen und Zahlen … zwei Mal gebe ich‘s falsch ein … beim dritten letzten Versuch klappt‘s …

Regen prasselt ans Fenster …

während der Rechner hochfährt melde ich meine Anwesenheit im HR-Tool … habe dutzende neue E-mails … von einem auf den anderen Tag … mit und ohne Anhang … ich überfliege sie, vor Allem Erinnerungen …

mein Handy klingelt …

ich gehe nicht ran … draußen immer noch Regen … ich öffne meinen Kalender … habe heute einige Termine … vormittags „follow-up’s“ von irgendwas … am Nachmittag F2F Termine … ich verbringe den Vormittag mit Reden …

remote, per Video …

obwohl manche im Gebäude nebenan sitzen … ist immer die gleiche Reihenfolge … „Wie geht es dir? Wie deiner Familie? Wie war dein Wochenende? Was hast du denn Schönes gemacht?“ … von 30min sind 2-5min Content …

der Rest Wohlbefinden …

und humanistische Menschenpflege … alle Gespräche sind höflich und diskret … selten sprechen wir Dinge direkt an … Vieles muss wiederholt werden … bei den meisten Gesprächen fühle ich mich als Moderator … zuhören und einander verstehen?

Ist längst nicht mehr selbstverständlich …

viele machen alles Mögliche parallel während der Video-Meetings … Zum Beispiel E-mails schreiben … in allen Diskussionen gibt es viel Verständnis und Nicken … Ob wir das Gleiche meinen, werden wir in den nächsten Tagen wissen …

Gegen 13:00 Uhr Mittagessen …

Ich wärme mich in der Kantine auf … bin am Überlegen eine Suppe zu essen, mir ist arschklat … entscheide mich aber dagegen … vertrage warmes Kantinenfutter nicht mehr … wähle geraspelte Karotten, Sellerie und Obst …

danach Café …

habe am Nachmittag zwei Face-2-Face-Termine … wir unterhalten uns … hören einander zu … keine Ahnung ob wir uns verstehen … ich stelle Fragen, bekomme indirekte oder keine Antworten … blicke aus dem Fenster … merke, mir ist alles egal …

mach mir daher Notizen …

die ich später nicht wiederfinde … Nachmittags lesen von Präsentationen und Akten … geht Letztendlich immer um’s Selbe … mehr schaffen, mit weniger Kosten … gegen 17 Uhr fahre ich heim …

Es hat aufgehört zu regnen …

meine Klamotten sind nass … ziehe mich zuhause um … muss Laufen, um warm zu werden … die viele Sitzerei macht mich mürbe … muss sie mir täglich aus dem Körper klopfen … gegen 19 Uhr sitze ich am Schreibtisch …

gegen Mitternacht …

geben meine Augen auf … ich falle müde ins Bett … ein traumloser Schlaf trägt mich hinfort … morgen klingelt der Wecker um 7 Uhr … Hoffentlich regnet es nicht mehr, denke ich …

dann fallen meine Augen zu …

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