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Athen – Odyssee 2024

Erschrocken schieß ich hoch … es rumpelt und poltert furchtbar laut, ich schaue auf die Uhr, sieben Uhr morgens … irgendeine Höllenmaschine läuft draußen auf Hochtouren, während ich im eigenen Saft dehydriere … Männer brüllen herum … ach ja, natürlich …

Müllabfuhr in Mesolonghi …

Was soll’s, muss heute sowieso weiter … ferngesteuert, wie eine Kamikazedrone, mein derzeitiges Lieblingswort, schwebe ich ins Bad … Zähneputzen, Katzenwäsche, Sachen zusammenklauben, Rucksack packen, Mülltüten klarmachen, hey-ho, wie toll …

Wir sind kosmopoliticoll …

Konstantin ist nicht zugegen, ich lasse einfach den Schlüssel stecken, verstaue mein Gepäck im Top-Case und schwinge mich wieder auf mein‘ Gaul … Hüah Platero! Auf geht’s, Richtung Monsterbrücke über‘n Golf von Patras … nehme die Autobahn nach Athen …

Holla! Welch Sturm …

Kämpfe mich mit meinem Stahlesel durch die zornigen Winde der See … mein lieber Schollie, schlingere auf der Straße rum, wie ein besoffener Matrose, noch dazu alles nüchtern, bei Null Promille … wir flanieren aus Mesolonghi, dann am Meer entlang …

Vorbei an schroffen Bergkämmen …

Auf der Brücke will ich eigentlich ein Video bei voller Fahrt machen … so mit Handy in der linken Hand und so … kneife mir den Unsinn, bin froh dass ich heil rüberkomme, so pustet das … Heureka! Endlich wieder Peloponnes-Erde unter den Rädern …

Erste Schilder – Athen, 220km …

Auf sie mit Gebrüll … spule Kilometer um Kilometer ab … wir kriechen nur langsam voran, nie über 100, während homerische Landschaft vorbeizieht und zwischendurch Muskeln spannt … auch hier pustet‘s wie im Irrenhaus … schwungvoll am Wasser lang …

Athen 160Km …

Irgendwann rollen wir über den Kanal von Korinth … Wow! Wie tief‘s da runtergeht … vorbei an qualmenden Schloten der ersten Ölraffinerien … Tanker liegen müde vor Anker, warten auf Ladung und Mann.- und Frauschaften … rechts Wasser, links karge Berge …

Verkohlte Stumpen stehen mahnend da …

Blicke hin und wieder zur verbrannten Erde rüber … es riecht nach verbranntem Holz, bekomme Gänsehaut … Malaka‘s rasen mit ihren Mopeds ultra-knapp und superschnell an mir vorbei, schön in kurzen Hosen, T-Shirts ohne Helm … mindestens 200 Sachen drauf …

Und immer wieder Tunnel …

Endlich! Hellas öffnet seinen Schoß … da liegt sie … Athen, was für eine Stadt … wie beim allerersten Mal schüttelt sie mich durch … kann mich nicht sattsehen … vorbei am Hafen von Piräus … runtergekommene Hafen.- und Raffinerieanlagen …

Vorbei am Daphni-Kloster …

Brücken, Tunnel, Tankstellen, abgerissene Kiosks und Tavernen, Palmen, Sonnenbrillen, waghalsige Mopeds und Scooter, sausen um mich herum, dabei bin ich schon flott unterwegs … doch gegen Straßen-Partisanen bist du machtlos ….

die griechischen Götter sein Dank …

Die meisten mit Kippe und Espresso-Freddo-Becher in der Hand und Handy am Ohr, dass sie sich in den Helm klemmen, um alles gleichzeitig zu machen … wozu sonst ist‘n Helm da! … Ganz genau … geht immer weiter und weiter … dann steht sie dort, in flirrender Ferne …

Akropolis …

Wir graben uns durch den Verkehr, schlingern durch zu enge Gassen aus Bussen, Auto‘s und LKW’s … hin und wieder schrammen meine Spiegel auf Blech … habe den richtigen Rhythmus gefunden … ziehe Mopeds und Scooter hinter mir her ….

Gelungene Integration …

Denke ich mir … dann rechts ab, vorsichtige Annäherung an den heiligen Felsen … andächtig schraube ich mich um sie herum … zur neuen Unterkunft … zu Füßen des atemberaubenden Bauwerk … jedes Mal haut es mich um, wenn ich vor ihr stehe …

Kann mir nicht helfen …

Keine Ahnung warum … ich parke auf den Hügeln des Stadtzentrums, stelle mich in die Schlange eines Sandwichladens an … nur wenige Touris und ich … mein Host Oleg meldet sich, wir treffen uns … hab ein kleines Appartement im Keller … kühl und leise …

Ideal für Athen …

Haben locker 30 Grad, fühlt sich aber nach mehr an … die nahe Ägäis hat die gleiche Wirkung wie Nord.- und Ostsee für Norddeutschland … erste Amtshandlung, Supermarkt … ohne Honig, griechischem Joghurt, Karl Fix und Rotwein läuft bei mir nichts …

Also los geht’s …

Mache meine erste Runde … meine Güte, dies Gewusel, die Sonne, Hupen, knatternde Scooter, die ganze Stadt ist von ihnen bevölkert … Jung und Alt reitet auf ihnen herum … Mann und Frau … Reisebusse stampfen wie Legionäre zur Akropolis hoch …

Männer mit Leonidas-Kostüm …

Auf Elektrorollern … wenn das der König von Sparta sähe, er würde sich bei den Thermopylen noch Mal im Sande wälzen … die vielen Cafés machen mich besoffen, dabei habe ich nichts getrunken … will das ändern … finde einen Shop mit Tresen …

Trinke ein Fix im Stehen …

Hinter mir das Akropolis-Museum … krieche durch die kochende Menschenmasse, Richtung Hadrian-Tor … überall warmer Marmor … setze mich in den Schatten, schau mir das bunte Treiben an … wie lange das wohl schon so geht … angeblich schon immer …

Forscher behaupten …

Naja, die Wissenschaft spar ich mir für den Abend auf … auf meinem Rückweg gehe ich in einen der Mini-Markets … habe vor Jahren einen ganz speziellen gefunden … besteht zu 50% nur aus Weinen, noch dazu lokaler Stoff … ganz fabelhaft …

Kaufe einen unbekannten Tropfen …

stapfe wieder nachhause … früher Abend … bin mit meinem Kumpel Savvas verabredet … bei ihm um die Ecke gibt’s ‘ne Bar, wo es den besten Campari-Spritz gibt … noch dazu Frauenüberschuss … treffen uns um sechs … trinken ein knappes Dutzend …

Leider lecker …

Hab‘s zum Glück nicht weit … wandere noch ein wenig angetrunken durch die atemlose Stadt, die mich immer wieder einfängt … gegen Mitternacht geht das Licht aus … nächster Morgen, letzter Tag Hellas … Frühstück mit griechischem Kaffee und Baklava …

Fühle mich wie im Orient …

Bestelle mit meinem kleinen hellenischen Wortschatz, der mich doch immer ein klein wenig weniger als Tourist fühlen lässt … Familienbetrieb, die Tochter strahlt, bringt mir alles auf die Terrasse … unendliche Herden Reisebusse ziehen vorbei …

Richtung Akropolis …

Keine Ahnung wie viele Besucher pro Tag … ein Ticket kostet 20€ … merke, dass es mich verändert, wenn ich den ganzen Tag in Birkenstock, T-Shirt und Bollerbüchs rumrenne … alles wird leichter und sorgloser … keine Ahnung, ob‘s nur mir so geht …

Gegen 17 Uhr Siesta …

Am Abend wieder raus auf die Straße … könnte den ganze Tag in der Stadt rumrennen … finde eine 100% tourifreie Taverna .. Sfika / Wespe … bekomme hier lecker Bifteki mit Tzatzikiii und Patates … dazu ein miso Kilo Krassi levko …

Zum Schluss eine Vase Raki …

100ml … fühle mich glücklich wie Giorgos Katsimbalis, vollgefuttert und duhn, ein fabelhafter Zustand, bei 30 Grad im Schatten, im Herzen von Athen … oder mit den unsterblichen Worten von Harald Juhnke … ein perfekter Urlaubstag bedeutet …

keine Termine und leicht einen sitzen …

Henry Miller widmete sein Buch „Koloss von Maroussi“ dem lieben Giorgos … so wahr ich hier sitzend schwanke … wer hat bloß die Arbeit erfunden … natürlich kann man den ganzen Tag herumsitzen, essen, trinken und mit Freunden vollmundige Reden halten …

Was sollte man anderes tun …

Meine leicht leuchtenden Sterne zeigen mir den Weg heim … schnell hebe ich ab zu einem traumlosen Schlaf … früher Vogel … vier Uhr Morgens geht mein Wecker … Departure 7:45 … wieder alles zusammenräumen … Müllbeutel austauschen, Bett machen …

Ladegeräte einsammeln …

Und rausgerannt in den jungen Tag … keine 100m taumle ich, da rauscht das erste Taxi an mir vorbei … ich frage, wieder auf Elleniká … ob er Arbeitet oder Pause macht … er hat Zeit für mich, merkt aber mein kleines Hellenic-Alphabet … bald reden wir auf Englisch …

Zahle wieder mit Direktorentrinkgeld …

Im Terminal schlendere ich durch die Sicherheitsschleuse und hohle mir einen Espresso-Freddo … Mann, ey! … Kann wirklich abhängig machen der Scheiß … am Tresen resümiere ich über meine Woche Hellas … wieder kommt‘s mir vor, als wäre ich’n ganzen Monat hier …

Was fasziniert mich hier …

Kann es schwer greifen … ist es das unbekannte, die Sprache, Kultur, Essen, Trinken, alles zusammen … keine Ahnung … werde darüber nachdenken müssen … mit etwas Verspätung heben wir ab … der Kapitän dreht eine Runde um Athen …

Dann geht es nach Toulouse …

Adam’s Welt

Reich beschenkt hatte die Natur das Land. So reich, dass sich sogar die vielbeschäftigte Evolution daran störte, das es unter der vermeintlich schweren Last ach so sehr keuchte und stöhnte; alles war viel und toll; da waren die Wälder: Soweit die Augen eines faulen Adlers blicken konnten, endeten sie am Horizont; die Wiesen waren so grün, dass es sogar die Tiere aufregte und sich darüber beschwerten, dass sie zu saftig wären; und dann die Berge: Ihre kitschig-weißen Spitzen gaben einem den Rest; selbst das Wasser der Seen war so klar, das man das Lächeln der tiefschwimmenden Fische sehen konnte.

Würzig und frisch war die Luft. Pittoreske Küsten schmiegten sich gleich einem Geländer eng an ihm entlang, Küsten, an deren Klippen schwere Wellen theatralisch donnerten, sich jeden Tag aufs Neuste austobten, gefüttert vom ewighungrigen Ozean, der auf hilflose Fischerboote wartete. Wo sich viele Menschen niedergelassen hatten, oft an schönen Plätzen, entstanden Siedlungen die sich wie gierige Amöben ausdehnten und quer durch die Landschaft fraßen. Städte wuchsen und wuchsen. Zu jener Zeit führten die Menschen normale Leben. Sie kamen zur Welt, wurden groß und immer größer; irgendwann wurden manche sogar reifer, erfahren und weise. Die Humorvollen unter ihnen gründeten Familien und zogen Kinder groß, ähnlich wie es die Eltern vorgemacht hatten. Manche wurden mit der Zeit älter und älter. Einige wurden so alt, dass sie kindlich, lustig und still wurden, bis sie am Ende nur noch schwiegen. Alles in diesem Land war schön und perfekt, wirklich alles.

Adam war eines von vier Kindern. Alle vier waren Jungs und seine Brüder alle jünger als er. Zusammen mit ihrem mittlerweile grauhaarigen Vater bestellten sie das Feld, von dem die ganze Familie lebte, so wie die meisten, wenn man nicht gerade Beamter, Senator oder König war und über Leben und Tod gebieten konnte. Sie wohnten in einer Hütte. Doch obwohl es kein schickes Haus aus Ziegeln war, so eines wie die reichen Menschen in den teuren Stadtvierteln, konnte die Hütte ihre Bewohner mit einer warmen und heimeligen Gemütlichkeit verwöhnen. Das Herz der Hütte behütete eine offene Küche, in der die Mutter das Essen zubereitete. So lebte und arbeitete man vor sich hin. Alles war etwas einfacher als heute; es gab keine Treuepunkte beim Supermarkt, und keine Handy’s; weder Kreditkarten, noch Fernsehen gab es. Man bekam nicht mal Stromrechnungen; überhaupt gab es weder Post von Versicherungen, noch Aufforderungen, den Lohnsteuerjahresausgleiche zu machen.

Früh am Morgen stand man auf und ging aufs Feld, um es zu düngen, pflegen, hegen und abzuernten. Abends kam man wieder nachhause, um müde still und andächtig zu essen und danach erschöpft ins Bett und in einen bleiernen Schlaf zu fallen. Der Kreislauf des Lebens, mit viel frischer Luft und einem guten Maß an Bewegung: Alles was das Herz begehrte und was man zum glücklich sein brauchte.

Während der Pubertät bekam Adam eine tiefere Stimme und an einigen, meist bedeckten, Körperstellen auch mehr Haare. Er merkte, dass sich die Welt veränderte. Sie war nicht mehr die Gleiche: Alles roch intensiver als vorher; hören tat er auf einmal feiner als zuvor; sehen tat er Dinge, die er vorher nie gesehen hatte. In seinem Kopf war so viel Chaos, dass er täglich dachte verrückt zu werden. Wirklich. Richtig verrückt. Ständig flackerten Bilder herum, wobei er oft nicht auseinanderhalten konnte, ob er sie im Kopf oder vor seinen Augen hatte. Stimmen hörte er, ohne zu wissen woher sie kamen. Es war so, als wären alle Stimmen der Welt in seinem Kopf zuhause.

Eines Tages, er stand bereits seit dem frühen Morgen auf dem Feld, da sah er in weiter Entfernung einen Regenbogen.

„Hey, schaut nur; seht euch das an: Der Himmel ist ganz bunt. Seht doch!“

So etwas hatte er noch nie vorher gesehen. Es war der Erste seines Lebens. Er war so fasziniert, dass er zu arbeiten aufhörte, offenen Mundes sprachlos dastand, trockene Lippen bekam und diesen farbigen Himmel ansah, als wäre es das größte Wunder der Erde. Auch seine Brüder hielten inne und blickten zum Horizont. Diese Farben, diese Pracht. In ihm begann es zu brodeln und zu gären. Das musste er sich aus der Nähe anschauen, unbedingt. Während sie Abends zu Tisch saßen, brach es aus ihm raus:

„Sagt mal, dieser bunte Himmel, was hat das zu bedeuten? Was ist das und wo ist das? Es sieht so weit weg aus; kann man sich das nicht mal genauer ansehen?“

Der Vater runzelte die Stirn.

„Sohn, es ist vielleicht irgendein Zeichen der Götter, aber ich bin mir nicht sicher, ob man es sich aus der Nähe ansehen kann.“

„Das heißt, du hast ihn noch nie aus der Nähe gesehen, bist noch nie hingegangen?“

„Nein, mein Sohn. Ich habe auf dem Feld gearbeitet, weil es das ist, was ich kann und das ist, was ich tun muss, um die Familie zu ernähren, verstehst du?“

„Ja, natürlich.“

Etwas resigniert schwieg Adam; er hatte den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden und wollte den Vater nicht verärgern. Er wollte aber den Ernst aus der Unterhaltung entfernen, so wie er sich lästige Splitter herauszog, wenn sie irgendwo zubissen und störten.

„Papa, sag mal, die Geschichten von den Drachen und den Meeresungeheuern, die du erzählt hast, sind die alle wahr? Hast du die Ungeheuer gesehen? Hast du die Drachen gesehen?“

„Hätte ich sie alle gesehen, würde ich euch die Geschichten wahrscheinlich nicht erzählen können, weil…“

„Aber Vater, wenn du sie nicht selber gesehen hast, dann weißt du ja gar nicht, ob es sie gibt?“

„Sohn: Wenn erfahrene Seemänner und erfahrene Wandersleute von ihren Reisen nicht mehr zurückkehren, kannst du davon ausgehen, dass Drachen und Ungeheuer ihre Arbeit verrichtet haben, so wie du auf dem Feld, wenn du nicht gerade den Regenbogen bestaunst.“

Das hatte gesessen; Adam wusste das sein Vater ihn irgendwann mundtot machen würde; er war traurig, dass sein Vater ihn so schlecht verstand. Wie stumme Marionetten saßen seine Brüder am Tisch, schlürften ihr Abendbrot mit gesenktem Haupt und versuchten, so gut es ging, stumm aneinander vorbeizusehen. Schweigend sah die Mutter den Vater von der Seite an und seufzte.

Adam hatte sich gerade bettfertig gemacht und war dabei das Licht zu löschen, als es an seiner Tür klopft. Leise wurde die Tür aufgestoßen. Sein Vater trat vor das schwach flackernde Licht der müden Kerze. Adams Herz klopfte; er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt so spät zu ihm ins Zimmer gekommen war. Mit einer Mischung aus Angst und Neugier wartete er, was passieren würde.

„Adam; es tut mir leid dass ich vorhin so hart zu dir gesprochen habe; ich musste es tun, weil ich vor deinen Brüdern nicht sagen konnte, was mir schon seit Monaten auf dem Herzen liegt:“

Adam schluckte schwer und war gespannt wie ein Krokodil kurz vorm Zuschnappen.  

„Du bist nicht für die Landwirtschaft gemacht, mein Sohn. Ich sehe es, wenn du die Natur ansiehst; wenn du Bäume liebevoll betrachtest als wären es Menschen; wenn du das Salz in der Luft riechst und dich darüber freust, das es da ist; wenn du bei der Feldarbeit die Blumen am Wegesrand siehst und ihnen gerührt über die Blätter fährst, als wären sie junge Mädchen, die dich verzaubern wollen; wenn du den Regen anlächelst, während deine Brüder fluchen und sich unterstellen; wenn du mit den Schmetterlingen sprichst, mit allen Tieren, sein es Insekten, Vögel oder Ameisen; wenn du wie gebannt meine Geschichten von Riesen, Monstern, Drachen und Ungeheuern lauschst, jedes Detail wissen willst, während deine Brüder vor Angst schlottern und weinen; wenn ich sehe wie du Erde in die Hand nimmst und sie zerreibst, an ihr riechst und lächelst, als wäre es eine Zitrone oder reife Feige, dann weiß ich, was zu tun ist.“

„Papa, woher weißt du das ich…..“, der Vater überging seinen Einwand und fuhr fort, als hätte er nichts gehört.

„Hier mein Sohn, nimm diesen Beutel Goldmünzen; sie werden dich weit bringen; weiter als du dir vorstellen kannst; wenn du sorgsam damit umgehst, bringen sie dich zum Regenbogen und wieder zurück; gib darauf Acht. Es ist deine Sicherheit und Zukunft zugleich. Verwahre es so, dass es niemand sieht; halte ein paar immer in deinen Taschen bereit, damit du Zahlen kannst, ohne den Beutel hervorzuholen; Neid und Missgunst sind weiter verbreitet, als Intelligenz und Schlauheit; hier, nimm dies Amulette; es wird dir Glück bringen und dafür sorgen, dass du gesund bleibst; das eine ist ein getrocknetes Pils; frag mich nicht, woraus der Ring gemacht wurde; sollte es dir mal schlecht gehen, lutscht du an beiden, erst am Pils und dann am Ring; hier….nimm diesen Mantel; er bietet Stauraum wie ein ganzer Wohnraum, wird dich wärmen wenn der Nordwind bläst und Regen abhalten, wenn du des kalten Morgens dich weiter aufmachst.“

„Vater, Vater, warum hast du all das…“, Adam schluchzte unentwegt und bekam sich nicht wieder ein.

„…keine Widerreden, mein Sohn; hör mir zu: Wenn du morgen früh wach wirst, ziehst du dich an, nimmst all diese Dinge, sowie diesen Wanderstock und machst dich auf den Weg.“

„Auf welchen Weg, Vater, Ich verstehe nicht..:“, Krokodils-Tränen kullerten ihm die Wangen herab.

„Von was für einem Weg sprichst du? Was soll diese Kette, der Mantel und der Beutel mit dem Gold? Warum hast du das alles? Was bedeutet das?“

„Als ich in deinem Alter war, habe ich das gleiche gemacht; ich bin raus in die Welt. Es scheint mir auch, dass ich sie ähnlich wahrnehme wie du. Nachdem ich die Welt ein wenig kannte, habe ich mich hier mit deiner Mutter niedergelassen, weil es das war, was ich machen wollte.“

Adam bekam immer größere Augen. Plötzlich ging langsam die Tür auf und die Mutter kam mit dazu. Wortlos umarmte sie ihren Sohn, drückte ihn fest an sich und ging weinend wieder raus, ohne das leiseste Wort gesprochen zu haben. Mütter waren immer gut für Diskretion und große Auftritte.

„Aber was ist mit dem Feld, Vater? Wenn ich weg bin, dann seid ihr nur noch zu viert.“

„Deine drei Brüder werden älter, so wie du; auch sie werden irgendwann erwachsen sein und es sieht so aus, dass sie alle drei sehr gut für die Landwirtschaft geeignet sind. Mach dir mal um uns keine Gedanken. Pack du lieber dein Leben am Schopfe. Hörst du? Am Schopfe, nicht an den Beinen. Du braucht sie zum Gehen. Und für alles andere gebrauche deinen Bauch, nicht deinen Kopf. Dein Bauch weiß alles; auf ihn kannst du dich verlassen.“

Stumm lauschte Adam dem Vater. Er war traurig und glücklich zugleich. Eine Weile sahen sie sich stumm an. Dann gab ihm sein Vater einen Kuss auf die Stirn und ging, ohne sich ein letztes Mal umzudrehen, aus dem Zimmer.

Der neue Morgen leuchtete aus vollen Farben. Sonnenstrahlen schienen in Strömen, tunkten alles in gelbgoldenes Licht; Bäume säumten den Weg, der vor der Hütte mündete; Vögel flogen munter herum, zwitscherten um die Wette, als wäre es eine Meisterschaft; Löwenzahn und ein paar an Veilchen erinnernde Blumen standen wild wuchernd herum. Leise zog Adam die Tür zu und blickte den Weg entlang, der vor ihm lag. Dann gab er sich einen Ruck. Vorsichtig wie auf Watte ging er los; Schritt für Schritt entfernte er sich von seinem Zuhause, wo er jeden Tag seines Lebens gelebt hatte, dort, wo er jeden Stein kannte, jede Blume, jeden Strauch und jedes Geräusch, mochte es auch Sommer oder Winter sein. Leicht und beschwingt ging er gemütlich vor sich hin und bemerkte, wie ein merkwürdiges und neues Gefühl seine Seele hochkroch, als würde es sie umschließen. Er war allein. Zum ersten Mal in seinem Leben. Mutterseelenallein wanderte er die Straße entlang; Adam fühlte sich wie ein einsames kleines Boot, das auf einem gewaltigen Meer vor sich hintrieb, wie eine Boje, die sich von der Kette losgerissen hatte.

Er musste schon sehr lange gegangen sein. Mittag war lange durch. Er bekam Hunger und setzte sich unter einen Baum. Gerade wollte er in den Apfel beißen, den seine Mutter ihm eingepackt hatte, als er jemanden schreien und fluchen hörte. Verwirrt blickte er sich um, alle Seiten. Nichts. Keine Menschenseele. Da war es wieder, lautes Pöbeln:

„Verdammter Mist, das geht ins Auge, das geht richtig…..verdammte Scheiße….“

Rums, knack, Peng. Äste brachen, Zweige und Blätter prasselten zu Boden. Adam blickte erschrocken hoch. Irgendetwas großes war in den Baum gekracht. Wieder knackten und brachen Äste. Immer mehr Blätter rieselten zu Boden. Noch immer konnte Adam nichts sehen.

„Ah, verdammt, weg da unten, weg da…..!“

Bums. Mit lautem Krachen, begleitet von derben Flüchen, fiel etwas Großes aus dem Baum, ihm direkt vor die Füße. Adam lief rot an, erschrocken über die vielen bösen Worte; solche hatte er noch nie gehört; er wusste nicht das man so reden konnte, geschweige durfte. Neugierig betrachte er das Wesen; es trug Kleidung in den Farben des Waldes, weswegen seine Konturen schwer zu greifen waren. Vor ihm lag ein Mensch, der gerade dabei war sich nach dem Absturz aus dem Baum aufzuraffen.

„Wer bist du?“, neugierig pirschten sich seine Worte vorsichtig heran.

„Hallo? Kannst du erst einmal guten Tag sagen? Aus welchem unhöflichem Kaff kommst du denn gekrabbelt?“. Diese Person war alles andere als langsam und unsensibel, wenngleich ihr Gepöbel eine Herausforderung für Adam war.

„Ich bin Adam.“, er war höflich und neugierig.

„Okay, und ich Eva. Komm schon, lass den Scheiß; wie heißt du?“ Adam verstand nicht.

„Ich heiße Adam. Du hast mich gefragt und das ist meine Antwort. Wie heißt du?“

„Okay, ein Spaßvogel. Alles klar, einverstanden: Machen wir halt so weiter. Ich heiß Eva und bin eben extra wegen dir durch die Luft geflogen, um dir so einen bescheuerten Apfel zu pflücken, in den du gleich gierig reinbeißt, ich natürlich auch, logisch, obwohl wir uns gar nicht kennen und dann werden wir beide mit einem Arschtritt aus diesem Paradies geschmissen, indem du dich gerade befindest.“

Adam sah sich den Menschen an; das war eine Frau? Wirklich? Frauennamen hatte er schon gehört, aber gesehen hatte er noch keine, mal abgesehen von seiner Mutter.

„Du bist eine Frau? Wirklich?“

„Nein, ich bin ein Kaninchen; sieht man doch. Hinten weißes Bummelschwänzchen, oben schöne große Ohren, lang werden sie ja von alleine, wie du weißt; ach ja und lange Schneidezähne, damit ich meine Karotten knabbern kann. Sag mal, hast du was geraucht? Von welcher Insel haben sie dich denn runtergejagt?“

Adam war immer noch perplex und fing an sich zu fragen, was diese Frau, oben in den Baumwipfeln gemacht hatte. Er kam nicht drauf.

„Sag mal, was ist dir denn da oben passiert? Wieso hast du so geschimpft? Und wieso bist du so den Baum runtergefallen? Du hättest dir weh tun können? Was hast du da oben gemacht? Ausschau gehalten?“

„Sag mal, wer bist du? Ein kleiner schmieriger Detektiv oder sowas? Ich habe keine Zeit für so einen Kram. Ist schon spät. Sorry, ich muss weiter; pass auf dich auf und sieh zu, dass du vor der Dunkelheit am großen Baum bist.“

„Am großen Baum? Wieso? Wo ist der? Kann ich da schlafen? Ist das so eine Art Hotel?“

„Hotel? Sag  mal, weißt du eigentlich irgendwas vom Leben, oder wachst du immer morgens auf, mit einem Strauß dusseliger Fragen? Du kommst wirklich von irgendeinem weit entfernten Eiland, oder? Okay, mach‘s gut. Muss weiter.“

„Aber warte doch noch….hey, warte….wo ist denn dieser komische Baum, dieser…….verdammt, so warte doch!“

Gerade war sie um die Ecke rum, da hörte Adam auch schon ihre Schritte nicht mehr. Merkwürdig. Er sprang auf, rannte hinterher und sah um die Ecke: Weit und breit war nichts zu sehen. Sie war fort. Müde sah er sich um. In einiger Entfernung sah er einen großen Baum, er sah sehr alt aus. Rundherum war er von Moos und ein paar Pilzen bewacht. Zufrieden lächelnd ließ Adam sich auf das weiche Moos nieder. Irgendwie war ihm der Baum sympathisch. Sofort fiel er in einen tiefen Schlaf und fing an zu träumen, das er wie ein Vogel durch die Luft flog.