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Ist Kultur lebenswichtig? – Odyssee 2021 CW07

21.Februar – Erst vor wenigen Tagen las D in den Medien, dass in Frankreich, wie auch Deutschland die Frisöre wieder offen hatten. Grundsätzlich eine durchaus begrüßbare Nachricht, wenn man sich vorstellte, wie die Haartracht beider Staaten bereits ins wahrhaftig Unermessliche gesprossen sein musste.

Vermutlich hatten sich Herr und Frau Biedermeyer es sich längst selber besorgt, bevor sie wookiee-gleich durch die Straßen schlurften.

Aber wie war das mit Kunst und Kultur? War Kultur schützenswert? Gehörte Kunst nicht bis vor Kurzem zur Kultur, so wie Ying zum Yang? Wie sah es in der Pandemie damit aus? Bekamen Künstler genauso Arbeitslosenunterstützung, wie alle anderen, eher Ökonomie getriebenen?

D wusste es nicht.

Das Einzige, was D kristallklar vor seinen Augen aus der tiefsten Steppe der Erkenntnis entgegensprang, war das Bedürfnis zu helfen!

Noch konnte man sich vermutlich über Wasser halten, doch wie lange noch? Was passierte bis Sommer? Wie würden sich die unzähligen Pleiten auf Arbeitsmarkt und viel dramatischer, Immobilienmarkt auswirken?

Stundenlang brütetet D über diese ernste Situation nach und merkte, wie sich der Ernst der Lage auf seine Unbeschwertheit auswirkte. Es konnte nicht mehr lange dauern und seine Inspiration würde erste Signale senden; Einfälle und Eingebungen mussten ganz zwangsläufig weniger werden, viellicht sogar irgendwann ausbleiben, denn selbst wenn man selber vielleicht noch die Nase überm Wasser halten konnte, musste man ganz natürlich zutiefst berührt um sich herum erblicken, wie die Mitmenschen nacheinander absoffen.

Wen ließ sowas kalt? Wer konnte noch fröhliche Lieder pfeifen, wenn er damit alleine war?

D jedenfalls lief es ein wenig kalt den Rücken runter, wenn er sich vorstellte, welche Auswirkungen es haben könnte und welche es garantiert haben musste!

Beides war nicht von Pappe. Doch es war vielmehr die Frage, was für die Europäer wirklich lebenswichtig blieb; noch spannender fand D die Frage, wer darüber entschied; wer legte fest, welche Dinge lebenswichtig blieben und welche nicht meh; wonach wurde gemessen?

Offenkundig standen Frisöre ganz oben auf der Liste.

Wie konnte ein flotter Haarschnitt wichtiger als Musik, Kunst und Literatur sein? War es nicht eher umgekehrt, dass alles ein großes Nichts blieb, wenn man die großen Drei nicht um sich hatte?

Wie hielten es die Nachbarländer, wie sah es die Eurokommission?

Waren Frisuren wichtiger als kosmisches Benzin? Könnte sich nicht jeder einen Haarschnitt verpassen, der eine Schere bedient? Natürlich, über die Ausführungen müsste man nicht weiter diskutieren; mit Sicherheit dürften einige Varianten wüst bis unmöglich aussehen.

Aber wenn ein Forstwirt, der die Motorsäge bedient und den Baum nicht mehr sieht, weil seine Matte zu lang geworden ist, sich den Pony selber schneidet, um wieder frei auf das schreiende Schwert blicken zu können, dann erfüllt es zumindest seinen Zweck!

Vielleicht lieben Forstwirte die Kunst?

Könnte er nicht eher ohne Kultur am Leben zerbrechen, anstatt mit schnittiger Frisur im kulturfreien Wohnzimmer zu vertrockne, weil er weder Geist noch Seele gießen kann?

D kannte tatsächlich ein paar Forstwirte und war durchaus erfreut, über deren Literaturgeist und Kunstverstand; einer malte soga; wie konnte man also den Friseuren, ohne schlechtes Gewissen wieder erlauben, zu öffnen, während der Rest sehen konnte, wo er bleibt?

D wusste es nicht, im Gegenteil.

Die derzeitige Verrohung, bedingt durch die ungebrochene Taktlosigkeit der Politiker, ließ erahnen, was da noch auf Europa zukommen würde; Fragen wie „was ist lebenswichtig“ konnte und durfte man nur durch Volksentscheide treffen; niemals dürften das Politiker im eigenen Kreis tun; hier ging es um Demokratie und Mitbestimmung, gerade in Zeiten wie diesen, was D letztendlich wieder zur Anfangsfrage zurückbrachte, nämlich, wie half man den freischaffenden Künstlern?

Gab es so etwas wie Rettungsfonds für erwerbslose Künstler? Auch dies wusste D nicht – was er aber wusste war, dass er handeln wollte.

Zwar hatte er nicht die leiseste Ahnung wie, aber es musste einen Weg der Solidarität für alle geben und wenn nicht, musste man sie wieder herstellen und sei es in der Not durch Eigeninitiative.

D grübelte noch ein wenig herum und merkte noch kurz, wie ihn Morpheus heimsuchte, der ihn mit komplexen Träumen in weit entfernte Länder entführte, wo es noch Freiheit und Förderung von Kunst gab……bis er dann selig udn erleichtert…..

………davonsegelte……….

 

100 Jahre Charles Bukowski – Odyssee 2020 CW33

16.August – als D bemerkte, dass Charles Bukowski seinen 100 Geburtstag feierte, erinnerte er sich an sein erstes Buch vom Schriftsteller, der seine Wurzeln in Deutschland hatte: Der Mann mit der Ledertasche, sein einziger Roman, inspiriert aus seiner zehnjährigen Dienstzeit als Briefträger. Für D blieb Bukowski einer der größten, nicht nur aus Sicht der Beatniks, wie Burroughs, Kerouac und Ginsberg, sondern vor Allem wegen seiner Poesie, die den wenigsten bekannt ist.

Ein weiteres Interview mit Frau Dr. Claudia Meyer-Paradiso stand an, in dem sie unter anderem auch über diesen besonderen Schriftsteller reden wollten, der seine letzten Jahre in Los Angeles verlebte. D saß mit einem Glas Wein, sowie seinem Headset vor dem Laptop.

CMP: Hi Don – wie geht es dir?

DT: Ganz gut – und selbst?

CMP: Ebenfalls. Heute ist der hundertste Geburtstag von Charles Bukowski, einer der letzten echten großen Chauvinisten, der durch seine frauenfeindliche…….

DT: Halt-halt-halt! Hast du ihn gekannt?

CMP: Natürlich nicht…..

DT: Dann urteile nicht über ihn. Du übernimmst kritiklos das Geschreibsel der Mainstream-Presse, die nicht unbedingt für Weltoffenheit und einen weiten Horizont bekannt ist.

CMP: Auf irgendwelche Dinge müssen wir uns verlassen können, oder nicht? Wo kommen wir hin, wenn wir alles in Frage stellen……

DT: Dann kann es passieren, dass du irgendwann eine eigene Meinung entwickelst. Hast du was von Bukowski gelesen?

CMP: Nein, nur ein paar Kritiken, die sehr unterschiedlich ausfielen. Man kann schon sagen, dass er einen sehr, sagen wir mal, ausgefallenen Lebensstil hatte, oder siehst du das anders?

DT: Les seine Bücher, dann reden wir weiter – seine Gedichte sind wahre Perlen – denn ansonsten kannst du es so handhaben wie alles andere: Alle Schriftsteller, die man zum Underground, oder zu Randgruppen zählt, sind beachtenswert – in der Wissenschaft ist es nicht anders.

CMP: Hast du Beispiele?

DT: Reichlich! Sokrates hat man zum Tode verurteilt – Grund: Schlechter Einfluss auf die Jugend. Vom Standpunkt seiner Kritiker war das etwas Negatives. Vom Standpunkt seiner Schüler eher nicht. Nikola Tesla, Wilhelm Reich und Viktor Schauberger waren Erfinder und Wissenschaftler, die vom damaligen Establishment nicht nur gemieden, sondern auch abgelehnt und oftmals am Arbeiten gehindert wurden, was im Fall von Reich in Ächtung und Ausschluss mündete – vom Kollegen Sigmund Freud. Eines von vielen Beispielen, wenn das Ego eines Wissenschaftlers Wissen und Errungenschaften beschützt, anstelle den ewigen Wandel zu fördern, nach der Lehre Heraklits – alles fließt!

CMP: Du spannst wieder einen großen Bogen; laufen wir nicht Gefahr, den Faden zu verlieren?

DT: Wir müssen immer irgendwo anfangen; ein holistischer Ansatz am Anfang hilft immer bei der Standortbestimmung. Ohne diesen ersten Schritt verläuft man sich am Anfang. Ein Beispiel: Wenn das Ego die wichtigsten Eigenschaften, wie Neugier, Toleranz und Solidarität verdrängt, die besonders Wissenschaftler auszeichnen – ist er dann noch einer?

CMP: Du meinst, wir übernehmen und erhalten nur existierende vorformulierte Meinungen, ohne unsere Eigene zu bilden?

DT: Nicht nur das, es ist viel vertrackter: Wenn wir annehmen, dass alle großen Wissenschaftler es zu Lebzeiten schwer hatten, weil sie den Status Quo ad-absurdum führten, oder ihn NICHT mehr als aktuelle Grundlage anerkannten – könnten wir es dann nicht auch mit vielem Anderen tun?

CMP: Einverstanden – an was denkst du?

DT: Für Poeten und Schriftsteller gilt dann das Gleiche, würdest du dem zustimmen?

CMP: Grundsätzlich schon, aber wie stellst du die Verbindung zur Poesie von Charles Bukowski her?

DT: Nehmen wir Bukowski und Kavafis……

CMP: Du willst doch wohl nicht Kavafis mit……

DT: Siehst du, was passiert? Einstein sagte, es ist leichter ein Atom zu spalten, als ein Vorurteil eines Mitmenschen aus der Welt zu schaffen – es geht nicht um Vergleich: Beide Schriftsteller eint, dass sie am Rande der damaligen Gesellschafft lebten. Sie konnten nicht so leben, wie die Mehrheit, weil sie nicht waren, wie die Mehrheit.

Natürlich hat der Konflikt ihre Kreativität befeuert, aber es zeigt auch deutlich, warum es so lange dauerte, bis sie von der Schriftstellerei leben konnten. Wenn ich mich recht erinnere, waren beide über fünfzig. Heute singt die ganze Welt Lobeshymnen auf Kavafis – beider Leben war sehr hart.

CMP: Klingt einleuchtend, aber läuft man dann nicht ständig Gefahr, alles zu relativieren? Kann man dann überhaupt noch Aussagen machen, wenn man alles so kritisch beäugt?

DT: Das ist es doch! Deswegen hat doch Sokrates gesagt – Er weiß dass er nichts weiß!

CMP: Jetzt hast du mich abgehängt – wie kommst du von Bukowski und Kavafis zu Sokrates?

DT: Wenn wir über die Poesie von Bukowski reden wollen, was wir noch nicht tun können, weil du Vorurteile in dir trägst, dann müssen wir uns dem ganzen anders Annähern. Hättest du Poesie von Bukowski gelesen, dann würdest du eventuell weniger die Urteile anderer übernehmen, vielleicht gar nicht mehr urteilen, sondern erkennen, wie schön seine Gedichte auch heute noch sind.

CMP: Moment, wir können doch über seine Poesie reden, indem wir dich interviewen, weil du sie gelesen hast, oder nicht? Wäre es in Ordnung, wenn wir deinem Urteil Glauben schenken?

DT: Können wir so machen – was ist deine Frage?

CMP: Was magst du an Bukowski?

DT: Er hat eine kompakte und wuchtige Sprache, die es schafft, mit wenigen Worten mir viel zu sagen. Nur wenige schreiben so authentisch, wie Bukowski!

CMP: Woher kommt seine Authentizität?

DT: Aus seiner Lebenserfahrung! Ein Beispiel: Wenn man ein junger gebildeter und intelligenter Mann, aber noch nie zur See gefahren ist, wird man über das Meer anders schreiben, als wenn man einen erfahrenen Kapitän seine Erinnerungen aufzeichnen lässt, der alle sieben Weltmeere durchschifft hat. Um authentisch zu schreiben ist Lebenserfahrung nicht Bedingung, aber sie hilft, da es ohne sie, weitaus schwerer ist.

CMP: Kannst du das etwas tiefer beschreiben?

DT: Bukowski kannte das Leben – wenn man ihn liest bekommt man alle Farben des Lebens, ich betone alle! Wenn man in einem Unterschicht-Milieu lebt, dann hat man es mit anderen Charakteren zu tun, als bei der Oberschicht. Man kann nicht sagen, Thomas Mann war ein größerer Schriftsteller, als Charles Bukowski – Ersterer hat mehr Aufmerksamkeit und mehr Resonanz zu Lebzeiten bekommen – nebenbei hilft es, wenn man nicht arbeiten muss, um seiner Leidenschaft nachzugehen – verstehst du, was ich meine? Man kann nur für sich selber herausfinden, wen man gerne liest und wen nicht. Als Günter Grass den Nobelpreis für Literatur bekam…….

CMP: Warte, du hängst mich wieder ab……kannst du nicht etwas mehr über Bukowski sagen?

DT: Okay, ich habe Bukowski als junger Mann gelesen, nicht wegen seines wilden Lebens, sondern vielmehr, weil er bis zum Schluss konsequent blieb – er sagte nein, zu einem normalen bürgerlichen Lebens und hielt daran auch dann noch fest, als er den Preis dafür kannte. Das lässt dich anders im Leben stehen – und das liest man! Seine Gedichte sind keine klassischen Gedichte, die sich Reimen, so wie – Aus Gutem Grund ist Juno rund – sondern, sie kommen mit Zeilen daher wie – „Each man’s hell is in a different place; mine is just up and behind my ruined face!“

CMP: Wow! Ja, in der Tat, sein Gesicht war wohl eines der Eindrucksvollsten, die es gab…..

DT: Seine Worte sagen etwas über die Größe des Alltags aus – den Alltag des Volkes. Man macht immer ein riesiges Gewese um Alles und Jeden – das Geheimnis des Lebens liegt im Kleinen und Unmittelbaren Glück, das wir täglich vor der Nase haben……

CMP: Du meinst, dass wir das wahre Glück nicht begreifen….?

DT: Ständig suchen wir den großen Glamour – so, wie die alten kostbaren Weingläser der Urgroßeltern, die man nur bei besonderen Anlässen herausholt – jeder Moment ist ein besonderer Anlass! Jeder Moment kann unser Letzter sein. Genau das, verdrängen wir. Nur wenn wir durch Krankheit unsere Gesundheit nicht mehr haben, vermissen wir sie. Mit dem Leben ist es ähnlich: Wenn wir nicht jeden Tag wie unseren letzten feiern und erleben, warum sollte der Tag an dem wir sterben ein Besonderer sein? Es ist ein Tag wie jeder andere, nur ab sofort ohne uns!

CMP: Hast du einen Tipp, wie man sich das Bewusstsein auf Endlichkeit erhalten kann?

DT: Nein, und wenn würde ich ihn nicht nennen, weil wir Menschen mit Tipps nichts anfangen können. Wir glauben per-se nur die Dinge, die wir selber erfahren. Was meinst du, warum die Weiterentwicklung der Menschen deswegen so schleppend geht? Jeder denkt, dass er besser ist, als seine Vorgänger und deswegen sterben machthungrige Alphatiere nicht aus.

Es hilft aber, wenn man sich mit der Exklusivität des Alltags auseinandersetzt. Wenn ich meine Endlichkeit verdränge, dann hilft eine kleine Metapher: Stell dir vor, du bekommst eine Diagnose vom Arzt, die dich nur noch ein Jahr leben lässt. Was tust du?

CMP: Wie hilft mir das im Alltag?

DT: Nehm heute Corona: Den Lockdown, die Freiheits-Limitierung, alles dreht sich um Ansteckungs-Vermeidung, dabei schauen wir gar nicht auf all die anderen Dinge, die viel tödlicher als Corona sind. Warum? Weil wir unbewusst wissen, dass wir den unvermeidlichen Tod nicht verhindern können. Natürlich wollen wir alle lange leben, weil wir so an unserem Leben hängen, aber warum?

Wieso hängst du am Leben, wenn du nicht jeden Tag wie deinen Letzten lebst? Wenn du erkennst, dass du nur vor dich hinlebst, kannst du es dann Leben nennen? Oder anders gesagt: Würdest du etwas anders machen, wenn du diese Ein-Jahr-Diagnose bekommst? Wenn ja, dann hast du Arbeit vor dir. In Wahrheit müsstest du dich dann mit der Frage auseinandersetzen, warum es schlimm wäre, wenn du in einem Jahr weg wärst.

CMP: Ich glaube zu verstehen, was du meinst, aber irgendwie finde ich das Thema recht schwer. Können wir nicht noch etwas über Bukowski reden?

DT: Das tun wir die ganze Zeit. Er war ein Lebenskünstler, der sich nicht darum scherte, was die anderen machen; wie viele kennst du, die so leben? Warum lesen wir so etwas gerne, wenn niemand sich traut so zu leben? Warum? Weil wir alle wissen, wie hart es ist. Aber ist ein komfortables Leben wirklich besser als ein hartes? Können wir darüber etwas sagen? Wie stelle ich sicher, dass ich mein Leben lebe? Daher liebe ich Bukowski, weil er weiß, dass Schönheit und Erfolg dir nicht helfen, glücklich zu sein.

Sie haben in Wahrheit keine Bedeutung. Beides ist nur dann ein Geschenk, wenn sie den Bukowski in mir, den Menschen mit dem Blick für das einfache zufriedene Leben weiterleben lassen. Dann erkenne ich, dass Schönheit weit mehr ist, als bestimmte Verhältnisse von Radien und Kreisen, die ein Gesicht schön wirken lassen, obwohl es in Wahrheit nur dichter am goldenen Schnitt ist, als das Gesicht von Charles. Ich lese Bukowski, um meinen Kompass zu Norden – niemand macht das besser.

CMP: Nochmal zurück zu Günter Grass: Du warst im Begriff etwas über ihn zu sagen, als ich dich unterbrach; was genau war das…..?

DT: Ich hatte vor, ein Beispiel zu bringen, was ich dann mit etwas anderem tat. Daher ist der GG Vergleich nicht mehr nötig.

CMP: Wie findest du seine Bücher?

DT: Die Blechtrommel ist ein großartiges Buch. Alles, was er danach schrieb, interessierten mich nicht. Daher kann ich auch nichts über seine anderen Bücher sagen, weil ich sie nicht gelesen habe.

CMP: Du versuchst das wirklich durchzuhalten, nicht wahr?

DT: Natürlich! Es ist nicht leicht, aber ich versuche jeden Tag als meinen Letzten zu leben.

CMP: Wenn du diese Diagnose bekämest, würde dein Leben anders aussehen?

DT: Nein!

CMP: Tatsächlich? Wow!

DT: Natürlich würden wir es nur wirklich wissen, wenn ich diese Diagnose wirklich hätte, daher bleibt es ja auch beim Versuch.

CMP: Vielen Dank für das Gespräch. Hast du ein paar Worte zum Abschluss?

DT: Versucht guten Wein zu trinken. Eine Flasche sollte aus Pietät die zehn Euro Grenze nicht überschreiten. Lest ausschließlich gute Bücher. Fragt eure Freunde nach den besten zehn Büchern ihres Lebens. Ihr werdet euch wundern, wieviel Großartige Literatur es auf der Welt gibt.

CMP: Toller Tipp! Vielen Dank. Was wirst du im Anschluss machen?

DT: Ein Glas Wein einschenken und auf Charles Bukowski anstoßen und du?

CMP: Meine Freunde nach ihren Lieblingsbüchern fragen…….

DT: Viel Spaß. Hab einen schönen Sonntag.

CMP: Vielen Dank. Auf Wiedersehen.

 

Odyssee 2019 – CW37

Ein weiterer Montag bei den Hellenen – mittlerweile schlafe ich jede Nacht mindestens sieben Stunden. Auch träumen tue ich jedes Mal – sogar sehr viel und intensiv. Ich muss mir wieder Notizen nach dem Aufwachen machen. Zu oft verschanzen sie sich in Morpheus‘ Reich – haben offensichtlich wohl keine Lust ein tristes Alltagsdasein zu fristen. Ich verstehe das.

Die wenigen Tage in Athen verpassen mir das letzte bisschen Entschleunigung, um mich wie ein Daoist zu fühlen, der nur noch im hier und jetzt ist, weder an gestern, noch an morgen denkt – nur noch sein. Wozu noch irgendetwas machen? Mehr und mehr verstehe ich Diogenes von Sinope, der ein Leben in Armut und im Jetzt wählte – angeblich in seiner sagenumwobenen Tonne.

Hemden zur Reinigung bringen? Versicherungen bezahlen, Steuererklärungen machen und Derartiges erscheinen mir geradezu absurd. Längst wasche ich nur noch mit der Hand. Verzicht bringt Erleichterung – die richtige Stimmung, um Exarchia, die alternative Hochburg Athens, das Headquarter der autonomen Szene zu besuchen – ein Viertel, groß wie ganz Altona, mit dem Spirit der Schanze vor 10 Jahren, ein atemberaubender Augenöffner.

Ich wandere von der Akropolis direkt auf’s Politechniko zu, jene Universität, in der Studenten in den sechziger Jahren gegen die Militärjunta demonstrierten und die als Vergeltung dann die Hochschule mit Panzern stürmen ließ, gar Tote in Kauf nahm! Heute ist die Uni im Dornröschen-Schlaf, von außen zugekleistert mit Graffiti, nur von innen erkennt man ihre einstige Schönheit und Reinheit. Jetzt sind nur noch Architekten und Linguisten in ihr tätig, immerhin etwas.

Ich hoffe, das Gebäude wird auf ewig von Studenten mit Leben erfüllt bleiben. Aus Pietät habe ich keine Fotos vom Innersten gemacht – aus Respekt vor dem, was hier geschah – man kann den Spirit spüren, kann fühlen, was für eine Energie in diesem Viertel steckt, wie das Polytechniko das lebende Herz Athens ist.

Andächtig schleiche ich durch die Gassen, blicke mit scheuen Augen hier und dort hin. Besuch eines ethisch-moralischen FKK-Strandes, den ich nur ungern angezogen betrete. Verwachsen, durchdrungen und verbohrt von Schönheit, Würde, übergossen von Düften, Blumen und Tavernen, kleinen Verlagen, Druckereien und Buchhändlern, durchmischt von Verfall.- Untergangs.- und Abfallgestank, liegt Exarchia mir zu Füßen, zeigt unverhohlen, was es war, was es ist, was es immer sein wird.

Politiker aller Generationen bluteten hier aus, werden auch heute, auf immer und ewig hier scheitern, wenn wir uns nicht gemeinsam weiterentwickeln und den so unumgänglichen notwendigen Dialog beginnen. Hier spüre ich den Puls aller Griechen, hier fühle ich, was es heißt so zu fühlen – wild, leidenschaftlich, voller ungebremstem Temperament, bereit jedem Tag das Maximum abzuringen, egal wo auf der Welt, ob unter der Brücke, oder eigenen vier Wänden.

Noch immer sind die Griechen die gleichen ungeschliffenen Rohdiamanten, die sie schon seit Jahrtausenden immer gewesen sind. Heute, im dritten Jahrtausend, überzogen, garniert von fremden Sprachen und politischer Piraterie und privatem Gaunertum; Andenken früherer Zeiten, als es kein geeintes Hellas, sondern nur eine wilde Anzahl stolzer Stadtstaaten gab.

Wie ein Frischgeborenes taste ich umher, wandle bis in die späten Abendstunden herum, bis erste Orks aus den dunkeln Verließen kriechen und sich in die Gassen drängen, durch die man besser nur mit Schwert oder stählernem Willen schreitet. Heute bin ich bereit dazu, den Käfig zu betreten. Ein dunkler Platz zieht mich magisch an. Düstere Gestalten hängen in gebeugter Haltung herum, sofort auf mich aufmerksam machend, langsam, wie ein Rudel Untoter an mich heranschleichend – Gesichter, wie aus düsteren Märchen.

Geschundene, ärmlich aussehende, deren Augen immer noch vom selben wahnsinnigen Feuer gespeist warden. Wir alle sind Elendige, Verdammte, Verstoßene, um ewig hier herum zu wandeln und wahlweise Paradiese oder Höllenfeuer zu erschaffen, in denen wir langsam oder blitzschnell garen, bis sich unsere Seelen aus dem Knochenmark lösen und emporsteigen, bis wir, nach kurzer Rast wieder hinabgeschickt werden, um neuen Aufgaben nachzugehen. Göttlicher Kreislauf der Ewigkeit. Irgendwann weit nach Mitternacht krabble ich in meinen Kokon, rolle mich wie ein Säugling ein und entschlummere, um den Göttern kurz hallo zu sagen.

Dienstag – Ich schieße hoch, boah war das ein krasser Traum! Wir haben erst Anfang der Woche, dabei fühlt sie sich schon so mächtig wie ein Monat an – ich rolle mich langsam aus meiner kleinen Metamorphosen-Gondel und schleiche still zum Kaffee an der Ecke. Frühstück mit Baklava und Griechischem Kaffee. Ich merke, wie ich immer stiller und andächtiger werd, wie ich schweigend das Leben anstaune, wie ich alles wissen, schmecken, spüren, umarmen und erleben möchte, wie ich im gleichem Atemzug fühle, es nicht zu schaffen, aber mich selig fühle bei der Vorstellung, es jeden Tag erneut zu versuchen. Mag es auch noch so schrill, jung und naiv klingen: Ich bin lieber ein Utopie liebender glücklicher Thor, als ein kluger und vernünftiger Realist.

Ich muss noch mal nach Exarchia, oder Anarchia, wie ich das Viertel liebevoll taufe. Solche Spots laugen mich aus mit ihrer Intensität. Genau dafür liebe ich sie. Berauschend lebendig-feminin, wahnsinnig geworden von der eigenen Virilität, den unkontrollierten Ausbrüchen, erschüttert und verwüstet von ihren Verhehrungen, ihren Feuersbrünsten, die wie flammende Schwerter durch die Gassen fuhren. Noch heute kann man die tiefen Wunden sehen und spüren, wo beide Seiten aufeinanderprallten. Noch heute wimmelt es von Polizisten und Soldaten.

Aber man kann Gedanken und deren Ideale nicht kontrollieren, geschweige besiegen; man kann nur überzeugen, oder annehmen. Umtausch, oder gar andere Lösungen haben die Götter bei der Erschaffung des Menschen nicht vorgesehen.

Abendessen an der Akropolis. Eine klassische Taverna. Sie lockt mit Musik und Tanz. Das Essen ist okay, aber kein Burner, so wie die Folklore, die mit zu viel aufgesetzter Fröhlichkeit verziert ist, die weder echt, noch ehrlich gemeint ist, dennoch funktioniert. Touristen allen Alters sind aus dem Häuschen und werden gemolken, was Euter hergeben und Milchkannen fassen.

Übersättigt, schlurfe ich um die Akropolis herum, mache halt, um den Ausblick über Athen zu genießen, eine Zigarette zu rauchen und friedlich, schweigend und still wieder in meine Wabe zu schlüpfen, bis mich Morpheus wieder auf die Erde zurücklässt.

Mittwoch – letzter Tag in Athen. Heute ist der große Tag, an dem Akropolis und ich aufeinandertreffen. Um nicht von den Ameisenarmeen der Touristen zertrampelt zu werden, muss man vor neun Uhr dort sein, andernfalls wird man Zeuge, der unaufhaltsamen Planierraupe. Glücklicherweise schaffe ich es und beginne den Anstieg, nachdem ich die knackigen zwanzig Euro gezahlt habe. Doch diese Zahl hat man vergessen, wenn man die Stufen emporsteigt und vor ihr steht, mit Nike-Tempel und all den anderen Monumenten rundherum, seien sie daneben, oder zu Füßen liegend.

Meine Güte – ich bin Sprachlos! Es ergeht mir ähnlich wie in Epidauros. Was zum Teufel machen wir nur jeden Tag auf diesem Planeten? Was tun wir mit unserem Leben? Was? Wie können wir so weitermachen? Wie konnte es zu all dem kommen, von damals bis heute, wo wir doch schon viel weiter waren. Warum schreiten wir auch heute wieder überall zurück? Als der Besucher-Tsunami heranrollt und die Welle mit voller Wucht herniederschlägt, mache ich meinen Frieden, sage den heiligen Steinen lebe Wohl und schreite andächtig herab.

Jetzt weiß ich, warum alle Gegner versuchten sie zu zerstören. Sie ist das leuchtende Herzen aller Griechen, eine Stütze, an der man sich anlehnen, sich erholen kann, um auszuruhen, um zu verschnaufen, neue Kraft schöpfen und vom Glück zehren zu können, sie wahrhaftig vor sich zu haben, mit ihr zu leben, sie bei sich zu tragen, mag man auch fern der Heimat sein.

Am Nachmittag machen wir Pick-Nick in einem schönen Park – Filia und Elektra haben Wein und Essen vorbereitet – ich bin überwältigt, wie viel und gerne sie geben, wie liebevoll Griechen mit mir sind. Wir reden den ganzen Nachmittag über Literatur, Philosophie, Freiheit, Demokratie und Krieg und Frieden. Auch schlagen wir erste Pflöcke ein, um über die konkreten Möglichkeiten meiner Bücher und deren Übersetzung vorzubereiten.

Nach ein paar Stunden lösen wir die angenehme Dreisamkeit auf, die wir jedoch, nach Siesta, am Abend fortsetzen. Auch der Abend wird herrlich. Wir bleiben bei Filia zuhause. Käse und Wein leisten uns Gesellschafft, sowie spannende Themen aus Vergangenheit und Gegenwart. Gegen drei Uhr nachts sind meine Worte verbraucht. Still rolle ich mich ein und murmle ein paar unverständliche Worte, bis ich hinfortsegle.

Donnerstag – Zeit Sachen zu packen und aufzubrechen. Ich verabschiede mich von Filia und Elektra. Ein letztes Mal fahre ich durch Athen, den südeuropäischen Schmelztiegel. Am Nachmittag lande ich pünktlich in Heraklion. Mein neues Moped übernehmend, wähle ich den Weg Richtung Chania, Ziel Douliana, ein kleines archaisches Bergdorf, in dem man kaum Englisch spricht und noch weniger von den großen Firmen Europas gehört hat, sowie wenig von den Problemen der Großstädte weiß.

Sokratia, mein neuer Host zeigt mir mein kleines Steinhaus, dessen Kühlschrank mit hausemachtem Wein und Raki gefüllt ist. Ich wandere ein wenig in diesem Kleinod umher, um gegen Abend in einer kleinen Taverna zu landen, wo ich Tsatsiki, gegrillte Lamm-Rippchen, herrlicher Musik und einen ausgezeichneten Hauswein bekomme, der mit einer mir unbekannten Fruchtigkeit und Lebendigkeit aufwartet. Perikles führt es mit seiner Frau und ihren drei Töchtern.

Nach dem ich ein kleines Fläschchen Raki zum Abschluss getrunken und viele Gedanken genossen habe, gleite ich zurück in mein neues Refugium und freue mich auf den kommenden Tag. Morgen werde ich die Gegend in Richtung Chania erkunden, sind meine letzten Gedanken, bevor ich einschlafe.

Freitag – mein erster voller Tag auf dieser besonderen Insel. Ich habe eine BMW G310 als Muli bekommen und knattere fröhlich los. Vorbei an unendlichen Olivenhainen, übersät mit Kaktusfeigen und Blumen kurve ich die engen Kehren hinab in Richtung Wasser. Dort angelangt fahre ich an der tosenden Brandung vorbei und krieche Schritt für Schritt Richtung venezianischem Hafen. Chania ist eine Perle. Uralt und durchmengt von quirligen Menschen und Mofas ist für mich schnell klar, dass diese Stadt zusammen mit Nafplio zu den vermutlich schönsten Orten Griechenlands zählt.

Doch die gewaltigen Touristen-Ströme haben nach wie vor eine abschreckende Wirkung auf mich. Mein großes Dilemma. Ich weiß, dass ohne sie das ganze Land recht schlecht aussieht. Zu wenige Alternativen hat man, weswegen man darauf angewiesen ist. Ich meine bei allen eine Art Wut auf diese stillschweigend akzeptierte Abhängigkeit zu fühlen, wie ein Kranker, der auf die Schwester angewiesen ist und hofft, auch wenn er sie mag, bald ohne sie leben zu können. Hierbei bedarf es vermutlich Phantasie und Hilfe. Man wird sehen. Für mich ist heute genug.

Gemütlich lenke ich meinen Gaul zurück, Richtung Douliana. Kurz davor fahre ich nach Vamos, um dort Geld und ein paar lebensnotwendige Dinge zu kaufen, wie Milch, Tabak und Sonnencreme. Letzteres ist existenziell, da man hier sonst schnell kross gebraten wird. Im kleinen Mini-Markt von Vamos begegne ich einem wilden Gesicht. Ein Kreter, unbestimmten Alters. Er könnte 70 oder elendige 45, so mein Alter sein.

Faltig, verbraucht, müde, mit zerzausten Haaren, reichlich trinkenden Augen, die immer noch voll von Wahnsinn blitzen. Abgemagert, wie der Erlöser selbst, ein Knochengerüst überzogen mit Haut, einem schmutzigen T-Shirt und einer dreckigen Jeans. Sekunden denke ich darüber nach, ein Foto zu machen. Schon lange will ich eine Foto-Reihe von markerschütternden Gesichtern und Menschen machen. Doch ich verwerfe, wie früher, diesen Gedanken.

Nachdem ich eine kurze Siesta gehalten habe, wird mein abendliches Essen bei Giannis und Familie genauso schön wie das Vorige. Heute gibt es Schwein. Köstlich angerichtet, mit Rotwein diesmal und Oliven dazu, lasse ich es mir gutgehen. Gegen Mitternacht merke ich, wie mir die Augen zufallen. Mittlerweile bin ich gefühlt seit mehr als sechs Monaten unterwegs. Ich komme an meine Grenzen. Wäre das Schreiben nicht, würde ich vermutlich ausflippen.

Sowieso stele ich mir immer mehr existenzielle Fragen. Wie will ich weiterleben? Und vor allen Dingen, wo? Natürlich sind meine Freunde wichtig. Man kann sich nicht beliebig oft umtopfen und darauf hoffen, dass es so weitergeht. Manchmal gibt es Veränderungen im Leben, die man nicht vorhersehen kann. Doch zuallererst muss man sich selber klar sein was man will. Schon länger fühle ich mich wie ein Vogel, der umherfliegt, hier oder dort landet, sich umschaut und weiterfliegt.

Geht es ewig so weiter? Bin ich nicht mehr gemacht für‘s Sesshaftsein? Ist das meine Bestimmung? Kommt jetzt die große Bewegung, Unruhe und Rastlosigkeit? Wie bringe ich alles unter einen Hut? Und wie soll er aussehen? Wir Menschen sind Sozialtiere, wir brauchen Austausch und Kontakte mit unserer Art. Man läuft sonst zu schnell Gefahr, zu verkauzen, wenn man nicht offen und beweglich bleibt. Doch wieviel Bewegung ist gesund? Wieviel Rituale brauche ich selbst?

Eine meiner zentralen Fragen, an deren Beantwortung ich seit Jahren arbeite. Ein Optimum habe ich noch nicht gefunden. Vielleicht gibt es das auch nicht. Und dann sind da noch meine Bücher. Ich muss Ende des Jahres Horus abliefern. Langsam wird es knapp. Zu mächtig sind die Eindrücke in diesem schönen Land. Mehr und mehr spüre ich, dass ich ein paar Entscheidungen treffen muss. Mit diesem wilden Knäuel Gedanken segle ich in stürmische Träume davon und brause in die tosende Nacht.

Samstag – spät erwache ich. Nur schwer kann ich mich aus dem Strudel des Traums befreien, verpasse es jedoch, mir ein paar Notizen zu machen. Mist! Ich mache mir einen großen Kaffee und esse vom Kuchen, den mir Sokrata als Willkommens-Geschenk überreicht hat. Heute will ich mehr hinter die Kulissen schauen. Touristenattraktionen interessieren mich nicht. Ich will das Pure.

Euphorisch schwinge ich mich auf mein Pferd und reite die sanften Hügel hinab. Nachdem ich am Hafen von Souda vorbeigefahren bin, den beachtlich großen Navy-Sperrbereich bestaune, der mehr als den halben Ort einnimmt, biege ich in Richtung Flughafen ab und folge meiner Nase, die mich tiefer und tiefer in die tiefste Wildnis führt. Irgendwann endet der Asphalt. Kleine Sandwege und umliegende Olivenbäume rücken enger und enger zusammen.

Die Wege sehen aus, als wenn hier seit Jahrzehnten niemand mehr vorbeigesehen hat. Ein beklemmendes Gefühl überkommt mich, ähnlich wie vor Kaiadas, dem Höllenschlund der Spartaner. Ich schaue mich um, wende und fahre wieder raus aus dem Dickicht. Ein paar Stunden kurve ich noch umher, ich liebe es, die Nase im Wind zu haben und ihr blind zu folgen und nur dann abzubiegen, wenn ihr danach ist.

Gegend acht Uhr abends komme ich heim. Kurze Dusche, dann Abendessen bei Giannis. Heute nehme ich Souflaki, was ebenfalls sehrgut ist, nicht nur wegen dem Weißwein, den ich dazu habe. Ein paar Raki runden den Abend ab. Ich merke, dass meine Fässer wieder gelehrt werden müssen. Zuviel schwirrt mir im Kopf herum.

Bleibt zu hoffen, dass ich bald an Horus schreiben kann. Muss dafür disziplinierter und regelmäßiger schreiben. Spätestens wenn ich aus Griechenland weg bin. Aber was, wenn ich bleibe? Was, wenn ich hier sesshaft werde? Muss einen Weg finden, hier regelmäßig zu schreiben und schlafe mit diesen Gedanken zufrieden ein.

Sonntag – Schreibtag. Nach langem Schlaf setze ich mich mit Kaffee und Gebäck hin und starte die Schreibmaschine. Plötzlich klopft es an der Tür. Sokrata steht mit dampfendem Mittagessen und frisch gebackenen Keksen vor mir. Überwältigt schlucke ich schwer und ringe um Worte.

Immer wenn ich mal was brauche, stehen Griechen vor meiner Tür. Es ist herzergreifend. Vor Rührung bekomme ich feuchte Augen. Das Essen ist fantastisch, die Kekse auch. Eine Verdauungszigarette mit dem ersten Glas Wein des Tages macht die Pause erfrischend & rührend.

Frisch gestärkt springe ich wieder zurück ins Wörter-Meer. Mit kräftigen Zügen schwimme ich raus in die offene See, immer weiter und weiter. Eine schöne Vorstellung darin unterzugehen, denke ich und fange an den Text zu korrigieren und ihn hochzuladen. Zum Wohl!