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100 Jahre Charles Bukowski – Odyssee 2020 CW33

16.August – als D bemerkte, dass Charles Bukowski seinen 100 Geburtstag feierte, erinnerte er sich an sein erstes Buch vom Schriftsteller, der seine Wurzeln in Deutschland hatte: Der Mann mit der Ledertasche, sein einziger Roman, inspiriert aus seiner zehnjährigen Dienstzeit als Briefträger. Für D blieb Bukowski einer der größten, nicht nur aus Sicht der Beatniks, wie Burroughs, Kerouac und Ginsberg, sondern vor Allem wegen seiner Poesie, die den wenigsten bekannt ist.

Ein weiteres Interview mit Frau Dr. Claudia Meyer-Paradiso stand an, in dem sie unter anderem auch über diesen besonderen Schriftsteller reden wollten, der seine letzten Jahre in Los Angeles verlebte. D saß mit einem Glas Wein, sowie seinem Headset vor dem Laptop.

CMP: Hi Don – wie geht es dir?

DT: Ganz gut – und selbst?

CMP: Ebenfalls. Heute ist der hundertste Geburtstag von Charles Bukowski, einer der letzten echten großen Chauvinisten, der durch seine frauenfeindliche…….

DT: Halt-halt-halt! Hast du ihn gekannt?

CMP: Natürlich nicht…..

DT: Dann urteile nicht über ihn. Du übernimmst kritiklos das Geschreibsel der Mainstream-Presse, die nicht unbedingt für Weltoffenheit und einen weiten Horizont bekannt ist.

CMP: Auf irgendwelche Dinge müssen wir uns verlassen können, oder nicht? Wo kommen wir hin, wenn wir alles in Frage stellen……

DT: Dann kann es passieren, dass du irgendwann eine eigene Meinung entwickelst. Hast du was von Bukowski gelesen?

CMP: Nein, nur ein paar Kritiken, die sehr unterschiedlich ausfielen. Man kann schon sagen, dass er einen sehr, sagen wir mal, ausgefallenen Lebensstil hatte, oder siehst du das anders?

DT: Les seine Bücher, dann reden wir weiter – seine Gedichte sind wahre Perlen – denn ansonsten kannst du es so handhaben wie alles andere: Alle Schriftsteller, die man zum Underground, oder zu Randgruppen zählt, sind beachtenswert – in der Wissenschaft ist es nicht anders.

CMP: Hast du Beispiele?

DT: Reichlich! Sokrates hat man zum Tode verurteilt – Grund: Schlechter Einfluss auf die Jugend. Vom Standpunkt seiner Kritiker war das etwas Negatives. Vom Standpunkt seiner Schüler eher nicht. Nikola Tesla, Wilhelm Reich und Viktor Schauberger waren Erfinder und Wissenschaftler, die vom damaligen Establishment nicht nur gemieden, sondern auch abgelehnt und oftmals am Arbeiten gehindert wurden, was im Fall von Reich in Ächtung und Ausschluss mündete – vom Kollegen Sigmund Freud. Eines von vielen Beispielen, wenn das Ego eines Wissenschaftlers Wissen und Errungenschaften beschützt, anstelle den ewigen Wandel zu fördern, nach der Lehre Heraklits – alles fließt!

CMP: Du spannst wieder einen großen Bogen; laufen wir nicht Gefahr, den Faden zu verlieren?

DT: Wir müssen immer irgendwo anfangen; ein holistischer Ansatz am Anfang hilft immer bei der Standortbestimmung. Ohne diesen ersten Schritt verläuft man sich am Anfang. Ein Beispiel: Wenn das Ego die wichtigsten Eigenschaften, wie Neugier, Toleranz und Solidarität verdrängt, die besonders Wissenschaftler auszeichnen – ist er dann noch einer?

CMP: Du meinst, wir übernehmen und erhalten nur existierende vorformulierte Meinungen, ohne unsere Eigene zu bilden?

DT: Nicht nur das, es ist viel vertrackter: Wenn wir annehmen, dass alle großen Wissenschaftler es zu Lebzeiten schwer hatten, weil sie den Status Quo ad-absurdum führten, oder ihn NICHT mehr als aktuelle Grundlage anerkannten – könnten wir es dann nicht auch mit vielem Anderen tun?

CMP: Einverstanden – an was denkst du?

DT: Für Poeten und Schriftsteller gilt dann das Gleiche, würdest du dem zustimmen?

CMP: Grundsätzlich schon, aber wie stellst du die Verbindung zur Poesie von Charles Bukowski her?

DT: Nehmen wir Bukowski und Kavafis……

CMP: Du willst doch wohl nicht Kavafis mit……

DT: Siehst du, was passiert? Einstein sagte, es ist leichter ein Atom zu spalten, als ein Vorurteil eines Mitmenschen aus der Welt zu schaffen – es geht nicht um Vergleich: Beide Schriftsteller eint, dass sie am Rande der damaligen Gesellschafft lebten. Sie konnten nicht so leben, wie die Mehrheit, weil sie nicht waren, wie die Mehrheit.

Natürlich hat der Konflikt ihre Kreativität befeuert, aber es zeigt auch deutlich, warum es so lange dauerte, bis sie von der Schriftstellerei leben konnten. Wenn ich mich recht erinnere, waren beide über fünfzig. Heute singt die ganze Welt Lobeshymnen auf Kavafis – beider Leben war sehr hart.

CMP: Klingt einleuchtend, aber läuft man dann nicht ständig Gefahr, alles zu relativieren? Kann man dann überhaupt noch Aussagen machen, wenn man alles so kritisch beäugt?

DT: Das ist es doch! Deswegen hat doch Sokrates gesagt – Er weiß dass er nichts weiß!

CMP: Jetzt hast du mich abgehängt – wie kommst du von Bukowski und Kavafis zu Sokrates?

DT: Wenn wir über die Poesie von Bukowski reden wollen, was wir noch nicht tun können, weil du Vorurteile in dir trägst, dann müssen wir uns dem ganzen anders Annähern. Hättest du Poesie von Bukowski gelesen, dann würdest du eventuell weniger die Urteile anderer übernehmen, vielleicht gar nicht mehr urteilen, sondern erkennen, wie schön seine Gedichte auch heute noch sind.

CMP: Moment, wir können doch über seine Poesie reden, indem wir dich interviewen, weil du sie gelesen hast, oder nicht? Wäre es in Ordnung, wenn wir deinem Urteil Glauben schenken?

DT: Können wir so machen – was ist deine Frage?

CMP: Was magst du an Bukowski?

DT: Er hat eine kompakte und wuchtige Sprache, die es schafft, mit wenigen Worten mir viel zu sagen. Nur wenige schreiben so authentisch, wie Bukowski!

CMP: Woher kommt seine Authentizität?

DT: Aus seiner Lebenserfahrung! Ein Beispiel: Wenn man ein junger gebildeter und intelligenter Mann, aber noch nie zur See gefahren ist, wird man über das Meer anders schreiben, als wenn man einen erfahrenen Kapitän seine Erinnerungen aufzeichnen lässt, der alle sieben Weltmeere durchschifft hat. Um authentisch zu schreiben ist Lebenserfahrung nicht Bedingung, aber sie hilft, da es ohne sie, weitaus schwerer ist.

CMP: Kannst du das etwas tiefer beschreiben?

DT: Bukowski kannte das Leben – wenn man ihn liest bekommt man alle Farben des Lebens, ich betone alle! Wenn man in einem Unterschicht-Milieu lebt, dann hat man es mit anderen Charakteren zu tun, als bei der Oberschicht. Man kann nicht sagen, Thomas Mann war ein größerer Schriftsteller, als Charles Bukowski – Ersterer hat mehr Aufmerksamkeit und mehr Resonanz zu Lebzeiten bekommen – nebenbei hilft es, wenn man nicht arbeiten muss, um seiner Leidenschaft nachzugehen – verstehst du, was ich meine? Man kann nur für sich selber herausfinden, wen man gerne liest und wen nicht. Als Günter Grass den Nobelpreis für Literatur bekam…….

CMP: Warte, du hängst mich wieder ab……kannst du nicht etwas mehr über Bukowski sagen?

DT: Okay, ich habe Bukowski als junger Mann gelesen, nicht wegen seines wilden Lebens, sondern vielmehr, weil er bis zum Schluss konsequent blieb – er sagte nein, zu einem normalen bürgerlichen Lebens und hielt daran auch dann noch fest, als er den Preis dafür kannte. Das lässt dich anders im Leben stehen – und das liest man! Seine Gedichte sind keine klassischen Gedichte, die sich Reimen, so wie – Aus Gutem Grund ist Juno rund – sondern, sie kommen mit Zeilen daher wie – „Each man’s hell is in a different place; mine is just up and behind my ruined face!“

CMP: Wow! Ja, in der Tat, sein Gesicht war wohl eines der Eindrucksvollsten, die es gab…..

DT: Seine Worte sagen etwas über die Größe des Alltags aus – den Alltag des Volkes. Man macht immer ein riesiges Gewese um Alles und Jeden – das Geheimnis des Lebens liegt im Kleinen und Unmittelbaren Glück, das wir täglich vor der Nase haben……

CMP: Du meinst, dass wir das wahre Glück nicht begreifen….?

DT: Ständig suchen wir den großen Glamour – so, wie die alten kostbaren Weingläser der Urgroßeltern, die man nur bei besonderen Anlässen herausholt – jeder Moment ist ein besonderer Anlass! Jeder Moment kann unser Letzter sein. Genau das, verdrängen wir. Nur wenn wir durch Krankheit unsere Gesundheit nicht mehr haben, vermissen wir sie. Mit dem Leben ist es ähnlich: Wenn wir nicht jeden Tag wie unseren letzten feiern und erleben, warum sollte der Tag an dem wir sterben ein Besonderer sein? Es ist ein Tag wie jeder andere, nur ab sofort ohne uns!

CMP: Hast du einen Tipp, wie man sich das Bewusstsein auf Endlichkeit erhalten kann?

DT: Nein, und wenn würde ich ihn nicht nennen, weil wir Menschen mit Tipps nichts anfangen können. Wir glauben per-se nur die Dinge, die wir selber erfahren. Was meinst du, warum die Weiterentwicklung der Menschen deswegen so schleppend geht? Jeder denkt, dass er besser ist, als seine Vorgänger und deswegen sterben machthungrige Alphatiere nicht aus.

Es hilft aber, wenn man sich mit der Exklusivität des Alltags auseinandersetzt. Wenn ich meine Endlichkeit verdränge, dann hilft eine kleine Metapher: Stell dir vor, du bekommst eine Diagnose vom Arzt, die dich nur noch ein Jahr leben lässt. Was tust du?

CMP: Wie hilft mir das im Alltag?

DT: Nehm heute Corona: Den Lockdown, die Freiheits-Limitierung, alles dreht sich um Ansteckungs-Vermeidung, dabei schauen wir gar nicht auf all die anderen Dinge, die viel tödlicher als Corona sind. Warum? Weil wir unbewusst wissen, dass wir den unvermeidlichen Tod nicht verhindern können. Natürlich wollen wir alle lange leben, weil wir so an unserem Leben hängen, aber warum?

Wieso hängst du am Leben, wenn du nicht jeden Tag wie deinen Letzten lebst? Wenn du erkennst, dass du nur vor dich hinlebst, kannst du es dann Leben nennen? Oder anders gesagt: Würdest du etwas anders machen, wenn du diese Ein-Jahr-Diagnose bekommst? Wenn ja, dann hast du Arbeit vor dir. In Wahrheit müsstest du dich dann mit der Frage auseinandersetzen, warum es schlimm wäre, wenn du in einem Jahr weg wärst.

CMP: Ich glaube zu verstehen, was du meinst, aber irgendwie finde ich das Thema recht schwer. Können wir nicht noch etwas über Bukowski reden?

DT: Das tun wir die ganze Zeit. Er war ein Lebenskünstler, der sich nicht darum scherte, was die anderen machen; wie viele kennst du, die so leben? Warum lesen wir so etwas gerne, wenn niemand sich traut so zu leben? Warum? Weil wir alle wissen, wie hart es ist. Aber ist ein komfortables Leben wirklich besser als ein hartes? Können wir darüber etwas sagen? Wie stelle ich sicher, dass ich mein Leben lebe? Daher liebe ich Bukowski, weil er weiß, dass Schönheit und Erfolg dir nicht helfen, glücklich zu sein.

Sie haben in Wahrheit keine Bedeutung. Beides ist nur dann ein Geschenk, wenn sie den Bukowski in mir, den Menschen mit dem Blick für das einfache zufriedene Leben weiterleben lassen. Dann erkenne ich, dass Schönheit weit mehr ist, als bestimmte Verhältnisse von Radien und Kreisen, die ein Gesicht schön wirken lassen, obwohl es in Wahrheit nur dichter am goldenen Schnitt ist, als das Gesicht von Charles. Ich lese Bukowski, um meinen Kompass zu Norden – niemand macht das besser.

CMP: Nochmal zurück zu Günter Grass: Du warst im Begriff etwas über ihn zu sagen, als ich dich unterbrach; was genau war das…..?

DT: Ich hatte vor, ein Beispiel zu bringen, was ich dann mit etwas anderem tat. Daher ist der GG Vergleich nicht mehr nötig.

CMP: Wie findest du seine Bücher?

DT: Die Blechtrommel ist ein großartiges Buch. Alles, was er danach schrieb, interessierten mich nicht. Daher kann ich auch nichts über seine anderen Bücher sagen, weil ich sie nicht gelesen habe.

CMP: Du versuchst das wirklich durchzuhalten, nicht wahr?

DT: Natürlich! Es ist nicht leicht, aber ich versuche jeden Tag als meinen Letzten zu leben.

CMP: Wenn du diese Diagnose bekämest, würde dein Leben anders aussehen?

DT: Nein!

CMP: Tatsächlich? Wow!

DT: Natürlich würden wir es nur wirklich wissen, wenn ich diese Diagnose wirklich hätte, daher bleibt es ja auch beim Versuch.

CMP: Vielen Dank für das Gespräch. Hast du ein paar Worte zum Abschluss?

DT: Versucht guten Wein zu trinken. Eine Flasche sollte aus Pietät die zehn Euro Grenze nicht überschreiten. Lest ausschließlich gute Bücher. Fragt eure Freunde nach den besten zehn Büchern ihres Lebens. Ihr werdet euch wundern, wieviel Großartige Literatur es auf der Welt gibt.

CMP: Toller Tipp! Vielen Dank. Was wirst du im Anschluss machen?

DT: Ein Glas Wein einschenken und auf Charles Bukowski anstoßen und du?

CMP: Meine Freunde nach ihren Lieblingsbüchern fragen…….

DT: Viel Spaß. Hab einen schönen Sonntag.

CMP: Vielen Dank. Auf Wiedersehen.

 

Giftige Blumen

Gierig wie Schmeißfliegen den Rüssel in Blüten drücken, klammerte sich der elendige Erzeuger zuckend an das bebende Becken, das von glühender Lava von innen verzehrt, die reife Frucht bestäubend, boshaft getragen von der listigen Meduse, die kein Mühsal scheute, nicht zögerte der Schöpfung einen weiteren Sklaven zu schenken, über dessen Herzen sie zu allen Zeiten gebieten würde, zum Preis der alternden Gebeine, auf dem Weg zum brennenden Schafott.

Im warmen Sternenstaub schliefen wir glücklich und zufrieden, schwebten zwischen den Zeiten, als wir unschuldig gepflückt vom Firmament, in einer Schlangengrube schwammen, geschützt vom schuldigen Leib, der stahl die verbotene Frucht, stolz die wachsende Brut zur Stau stellend, als hätte sie das Recht über Leben und Tod zu gebieten, wie über alle Lust und Gier der Welt, als käme sie als Gesandte des Himmels, hämisch lachend, das niemand sah die grausame Hyäne hinter dem Vorhang des lüsternen Fleisches.

Bodenlos stürzten wir, unter Tränen zerquetscht, als stinkender Höllen-Wurm das blendende Weltenlicht erblickend, die fragenden Murmeln, von irdischer Gier und Boshaftigkeit versengt, wie der Nachtfalter, der verzweifelt die Dunkelheit sucht, doch nur vom schreienden Licht der Sirenen übergossen wird, die unseren Hunger nutzen, uns mit ihrem Willen säugten, ihren Leib als täglich Brot an uns verfütterten, uns mit jedem Bissen mehr vergifteten.

Kopf und den fragenden Mund, stopfte man uns; nichts ließen man außer Acht; man gab sein Bestes, viel mehr als das, man goss Zwietracht, Gier und Neid in unseren Höllenschlund, köchelte unsere Seele auf kleiner Flamme, würzte die Suppe mit Vorverdautem, das sie nahmen aus alten schmierigen Kästen, scherten sich einen Dreck um die Träume des jungen Geschöpfs, wollten glückliche Kopien von ihrem Selbst und hinterließen verbrannte Erde, wo vormals stand ein junges Wäldchen.

Wir lehnten ab aus Leibeskräften; wollten nichts aus ihrem Pandämonium des Schmerzes, nicht ein Funken ihrer verdorbenen Verlogenheit, die nur trachtete danach, zu bekommen die Kontrolle über uns und unsere Wünsche; kein Mühsal scheuten wir, nach dem Grund des Weltendrecks zu fragen, den sie uns anpriesen, als wären es Oblaten des heiligen Geistes und nicht nur öde Belanglosigkeiten ihres Fleisches, das nichts ausließ, das Eigene zu geißeln;

nach einer Weile, wir wurden älter, im Herzen das gleiche Kind, dessen junger Garten zerstört für alle Zeiten, da ließ man uns alleine, sie hatten ihre Nerven blankgelegt vom eigenen Wahnsinn, endlich Mut gefunden, die verlogene Fratze der liebevollen Fürsorge herunterzureißen, zeigten jetzt unverhohlen den eigenen Schmutz wie eine Trophäe herum, nachdem man Jahre vorgab, das Beste gewollt zu haben.

Wenn Glück, selbst Freiheit fahl wie Asche schmecken, wenn die Bäume der Wahrheit, verstaubt auf das Ende aller Zeiten warten, ihre Früchte nicht süß und saftig, dem Durstigen nicht nehmen den Selbigen, dem Hungrigen nicht nehmen den Knurrenden, wenn das Gute, die goldene Parole schmierig klingt, ihre Geschwister stinken, wenn alles verdreht, ganz anders ist, als die Verkleidung zu verkaufen scheint, dann ist das Erwachen nicht mehr fern.

Früh wurden wir zum Werten erzogen; schnell lernten wir, Urteile schneller zu fällen, als wir Worte verstanden; oft wurden wir ausgestoßen, bevor aufgenommen; weil Gleiches nicht anders kann, als nach sich selbst zu suchen, weil uns Vielfalt während der Kindheit geraubt, durch Uniformen ersetzt; lächelnde Verführer kamen als Freunde, wollten uns in ihrer Mitte, um im Chor zu schreien, als wäre der Krug der Verdammnis umgestoßen.

So ging es immer weiter und fort, nie wollte es enden; wir sahen weder Ende, noch Ausweg; sie benutzten uns, wo sie nur konnten; sie rackerten sich an uns ab; erst die Eltern, dann die, die nur unser Bestes wollten, so wie alle und immerzu;

nichts und niemand ist an uns interessiert; alle löschen Bedürfnisse an uns, so wie den Durst in der Oase; es geht ihnen um sich, nicht um uns; niemand will uns frei und glücklich; man nimmt uns als Pflaster, als Medizin, als Grund für Enttäuschung, als Erinnerung an bunte Zeiten, idealisiert im Licht der Vergangenheit;

Frei wir werden wenn wir sprengen die Ketten, die uns halten in den staubigen Erinnerungen der frühen Jahre; Ansprüche, Erwartungen, benutzt zur inneren Konservierung; zum Fordern, Verlangen, zur ewigen Verbindung, bis das Alte geht und verblasst und nichts mehr ist, außer einer alten Erinnerung, wie aus Tausend und Einer Nacht.

Wenn wir die Augen öffnen, wenn wir das erste Mal mit Ihnen sehen, was all die Jahre durch Fremde gesehen; wenn wir denken, alleine und befreit; abgelegt all das Fremde und Vorgeformte, das so Recht nie passen wollte, nie Unseres war, wir es nur aus Reflex und Respekt trugen, bis wir merkten, dass es uns zerstörte, wir verbrannten, fast zu Grunde gingen;

Manches wird verschwinden; Anderes wird kommen; man wir uns meiden, verfluchen und hassen; wir werden bleiben, was wir immer waren, Aussätzige, die zu niemandem passten, die sich weigerten etwas anderes zu tun als das Eigene zu leben; sich weigerten etwas anders zu spüren als sich selbst; Kopien, Sackgassen und Grenzen ablehnten, wie vorgefertigte Meinungen und kopierte Lebensmodelle;

wenn sie uns borstig, widerspenstig nennen, wenn wir wieder sind, wie wir als Kinder waren, wenn wir wieder bei uns sind, wenn das Kind in uns wieder lebt, dann werden wir unsere Dornen lieben und genießen, das wir nicht jedem schmecken.

 

 

Esel und Vogel am Strand

An einem schönen sonnigen Tag standen der schöne Vogel und der störrische und sensible Esel auf und machten sich daran ein schönes Frühstück zuzubereiten. Sonne schien und frischer Wind brachte vom Meer eine leichte Brise in ihre kleine Hütte. Ausgeschlafen setzten sie sich zufrieden an ihren liebevoll gedeckten Tisch, an dem sie sich lange lächelnd in die Augen sahen, glücklich einander zu haben. Sie begannen über den schönen Tag zu sprechen. Der Vogel liebte das Meer: Weiter Blick, Wellen und die salzige Luft ließen ihn ruhig und verträumt in die Weite schauen. Besonders gerne machte der schöne Vogel das zusammen mit dem störrischen Esel, der mit dem Vogel gar nicht störrisch war.

Auch der Esel hatte das Meer gerne. Am liebsten saß er dort mit dem schönen Vogel, um zusammen die Wellen zu beobachten. Sie beschlossen, zum Wasser zu gehen. Der Vogel freute und beeilte sich, den Tisch abzuräumen. Als sie fertig waren, traten sie vor ihre kleine Hütte und atmeten zusammen die frische und salzige Luft. 

Als der schöne Vogel auf den Rücken des Esels flatterte ging es los. Der Esel ging den kleinen Weg gerne, der sich an die Berge schmiegte und sich wie ein kleiner lebendiger Gebirgsbach runter zum Meer schlängelte. Der schöne Vogel freute sich so sehr, das seine Ungeduld hochkam, ähnlich wie die Sonne am Morgen. Der Esel fühlte das und lächelte still vor sich hin. Er kannte den Vogel gut. Nach wenigen Minuten konnte der schöne Vogel es nicht mehr aushalten, hob mit einigen kräftigen Flügelschlägen ab und flog schnurstracks zum Meer.

Der Esel freute sich darüber, dass der schöne Vogel seiner Ungeduld nachgab und vorflog. Zufrieden strahlte er in die große weite Welt, während er gemütlich Richtung Meer trabte. Während der Esel in Seelenruhe den schmalen Weg zum Meer runter ging, flog der schöne Vogel fröhlich zu den lebendig herumspritzenden Wellen und sang vor Freude über den Anblick des schönen Meeres. Wenige Minuten später dache er an den Esel. Er freute sich so sehr darüber, dass der Esel sich mitfreute, dass er umso lieber zum Esel zurückflog. Gerade Pfiff der Esel ein fröhliches Lied, als er den freudig singenden Vogel heranfliegen sah. Es war schön wenn er zurückkam. Das war nicht immer so: Manchmal wartete der schöne Vogel so lange mit dem Vorausfliegen, das der Esel nur kurze Zeit später am Wasser ankam.

Heute jedoch war alles ganz anders: Der schöne Vogel flatterte munter singend auf den Rücken des Esels und berichtete was er alles gesehen hatte. Der Esel nickte lächelnd, während er dem schönen Vogel zuhörte und dieser ihm eine Menge Vorfreude machte. Gemütlich trabte der Esel um die letzte Kurve herum, während der schöne Vogel im Rhythmus des Rückens seine Flügel weit auseinanderfächerte und seine Schwingen sanft im Wind wog.

Es war ein schöner Anblick, wie der Wind Mähne und Schweif des Esels, wie auch die Flügel des schönen Vogels durchfuhr, als wäre er ein kleines Kind, das fröhlich kreischend in die Luft geworfen wurde. Gerade hatten sie die letzte Kurve hinter sich gelassen, als sich der Horizont immer weiter öffnete, bis die ganze Welt voll davon war: Das Meer.

Der Vogel hielt den Atem an, während der Esel stehenblieb: War das schön. Was für ein toller Augenschmaus. Fast gleichzeitig seufzten sie und schauten mit sehnsüchtigem Blick auf den weiten Horizont. Dem Vogel wurde warm ums Herz, fiel dem Esel um den Hals und drückte ihn ganz fest an sich. Tief schnaubte der Esel sanft und liebevoll und bekam glänzende Augen vor Freude.

Als sie sich nach einiger Zeit vom ergreifenden Moment gefasst hatten, gingen sie runter zu den Felsen. Sie hatten vor einiger Zeit zusammen einen Stein ausgewählt, auf den sie sich gerne zusammen setzten. Wellen donnerten mutig an den steinernen Strand; Felsen hielten den Gleichen Stand, als sie den Trampelpfad am Wasser entlang gingen. Dann sahen sie ihn, rannten und flogen gleichzeitig drauf los und versuchten vor dem Anderen da zu sein. Wie jedes Mal gewann der Vogel. Er freute sich, als wäre es das erste Mal.

Gemeinsam saßen sie am Meer, blickten es schweigend an, kuschelten sich aneinander, blickten sich hin und wieder in ihre Seelen und genossen den Anblick. Wie ihre zwei Augenpaare fröhlich glänzten. saßen sie so noch viele Stunden, während sich der schöne Vogel immer dichter und enger an den störrischen Esel schmiegte, bis sie fast eins waren und irgendwann die Sonne unterging.