Schlagwort-Archive: Märchen

Esel und Prinz – Odyssee 2021 CW14

11.Apil – Nach langer Zeit besuchte der kleine Prinz seinen Freund, den Esel. Wie all die Jahre fand er ihn in seiner kleinen Casita, drunten am Meer, an der Platja. Stahlende Sonne empfang ihn, als der Esel fröhlich von drinnen rief – komm rein, komm rein, es ist offen! – Nachdem sie sich herzlich umarmt hatten, bot der Esel ein Glas Weißwein ein, um gemeinsam anzustoßen.

„Prost, mein Lieber – schön dass du wieder mal vorbeischaust!“

„Ganz meinerseits -zum Wohl!“

Sie tranken einen großen Schluck und freuten sich, nach so vielen Jahren, wieder einander zu begegnen. Nachdem der kleine Prinz sich ein wenig umsah, bemerkte er, wie sehr sich der kleine Stall des Esels verändert hatte.

Überall standen Pflanzen rum, ein paar Vasen mit frischen Schnittblumen prunkten stolz auf einem gläsernen Tisch; auch ihn gab es früher nicht, während der kleine Prinz auch über die vielen Bilder staunte, sowie die vielen Postkarten, bunten Flaschenöffner, Tablettendosen, verschiedene Aschenbecher aus Jade, Granit, Messing und eine große Auswahl von Wanderstöcken und Regenschrimen, die in allen Varianten, Farben und Größen daherkamen.

„Wo hast du denn die vielen Andenken her und vor Allem, wieso bist du hier drinnen, wo draußen so ein schönes Wetter ist?“

„Hast du denn nicht von den gefährlichen Viren gehört, die zur Zeit die Welt da draußen in eine gefährliche Wildnis verwandelt haben?“ Mit offenem Mund stand der kleine Prinz in der bunt geschmückten Casita des Esels und kratzte sich am Kinn.

„Meinst du diese Grippe, von der alle reden?“ Plötzlich fing der Esel zu lachen an, so sehr, dass er sich den Bauch hielt. Nachdem er sich Tränen der Freude aus den Augen wischte, stemmte er stolz die Hufe in die Hüfte und sprach:

„Grippe? Na du machst mir Spaß! Hast du nicht die Nachrichten gehört, wie viele Abertausende Menschen schon gestorben sind? Wie die Fliegen fallen die um, man kommt gar nicht hinterher, sie zu beerdigen, hast du das nicht gehört? Du meine Güte in welcher Welt lebst du denn, kleiner Prinz?“

Ein wenig beschämt blickte der kleine Prinz zu Boden. Er wusste nicht so recht, was er jetzt sagen konnte, entschloss sich jedoch schluss-endlich bei seiner Sicht der Wahrheit zu bleiben.

„Natürlich habe ich davon gehört, aber fliegen nicht ständig irgendwelche Viren in der Luft herum? Also, ich meine heute, jetzt, morgen, aber auch gestern? Willst du denn solange in deiner Casita bleiben, bis jemand Entwarnung ausspricht?“

Schnaubend vor Zorn, scharrte der Esel mit den Hufen und senkte den Kopf, wie ein wilder Stier.

„Es ist gefährlich rauszugehen; ich schütze auch die anderen, wenn ich hier drinnen bleibe…ich bin nicht so gedankenlos und egoistisch, wie du…“

Ohne auf diese Spitze einzugehen, lächelte der kleine Prinz und ging nicht weiter darauf ein, wusste er doch, dass der Esel sehr dickköpfig sein konnte. Stattdessen, nahm er sich vor, ihm ein wenig von seiner Sicht zu vermitteln, denn auch der kleine Prinz wusste von den diesen neuen Viren, die in vielen verantwortungslosen Medien Killer-Viren genannt wurden, weswegen sich der kleine Prinz entschloss, diesem geistigen Gift, keinen Nährboden zu geben.

„Was ist, wenn die Entwarnung nie kommt? Und vor Allem, warum lässt du jemand anderen über deine Freiheit bestimmen? Wie jeder Esel musst auch du hin und wieder raus und frische Luft tanken und dich bewegen; jeden Tag kann dir doch ein Missgeschick geschehen, du kannst einen Fehltritt, unten bei den Klippen machen und stürzt in die tödliche Tiefe.

Auch davor kann dich niemand schützen; ein Risiko, deine Gesundheit zu schwächen hast du doch dein ganzes Leben…“ Auf einmal lächelte der Esel verschlagen, so, als wenn der heilige Gal vor seinen Füßen lag.

„Schau mal, kleiner Prinz; das mag für dich jetzt merkwürdig klingen, aber für Esel wie mich, die schon ihr ganzes Leben draußen waren, ist es eine schöne Abwechslung, jetzt endlich mehr Zeit drinnen verbringen zu können; ich kann mich um meine Inneneinrichtung kümmern, mir endlich Zeit zum Kochen nehmen und endlich mal gründlich aufräumen, so wie ich es seit Jahren schon wollte.

Du glaubst gar nicht, wie befriedigend es sein kann, sich beim Betrachten der vielen Andenken daran zu erinnern, was ich schon alles gesehen habe, ich bin priviligiert, weißt du das eigntlich? Ich habe genug essen und trinken, ein Dach über den Kopf, ein schönes Bett, bin gesund, so werde ich glatt hundert Jahr alt, wenn ich nicht aufpasse…“, worüber sich der Esel kaputt lachte. Nachdenklich sah der kleine Prinz seinen Freund an.

„Dir ist also Sicherheit und Gesundheit wichtiger als Freiheit…?“

„Ja aber natürlich…“ Als der kleine Prinz das hörte fing stattdessen er an zu lachen.

„Dann könntest du ab jetzt den Rest deines Lebens hier verbringen?“

„Aber natürlich, ich habe doch schon alles gsehen…?“

„Und was ist mit den jungen Generationen? Willst du die alle einsperren…?“ Da schwieg der Esel zum ersten Mal und blickte betrübt zu Boden. Seine ganze Freude und Überlegenheit war plötzlich wie verflogen, quasi, als hätte es sie nie gegeben.

„Ich habe Angst…“

„Wovor…?“

„Vor dem Virus und das ich mich anstecke und ganz schnell sterbe…“

„Warum hattest du denn nicht vorher all die Jahre die gleiche Angst, wenn das Leben doch ähnlich gefährlich war…?“

„Keine Ahnung, irgendwie ist mir mein Optimismus abhanden gekommen…“ Da schlang der kleine Prinz seine Arme um den Hals des Esel und umarmte seinen Freund.

„Pass auf, wir beide gehen jetzt zusammen runter ans Meer, so wie früher, du wirst sehen, dass gibt dir Kraft und Zuversicht und im Nu sind deine Sorgen wie weggeblasen; so ein kleines Virus wird doch so einen stolzen Esel wie dich nicht ins Bockshorn jagen, und wenn wir unten sind, suchst du dir etwas Schönes vom Strandgut aus und nimmst es als Andenken mit zu dir in deine Casita…“

Da lächelte der Esel und strahlte über alle vier Backen, dass selbst die Blumen weiter zu wachsen schienen. Gemeinsam trabten sie gemütlich runter ans Wasser, so wie früher und erzählten sich Geschichten von früher und von morgen, weil sie auch schon weitere Pläne für die Tage danach machten…

Und so geschah es…

Der Zeigefinger

Es war einmal in einem Land – ein Land, in dem man schon viele Jahre in Frieden lebte. Nöte, Hunger und Leid waren so sehr geschrumpft, dass man Anfing, Menschen aus anderen Ländern Zuflucht zu gewähren – ein Zeichen von Wohlstand und Barmherzigkeit.

Das Volk war glücklich und zufrieden – die meisten jedenfalls – man lebte in Brüderlichkeit, Gleichheit und Freiheit – soweit das menschenmöglich war – so sehr, dass manche anfingen mürrisch zu werden, ganz besonders die Belesenen.

Um das Land übersichtlicher zu machen, damit jeder seinen Platz finden konnte, hatte man nach und nach das Volk in zwei Klassen geteilt – Volk und Belesene – die sich selbst –Gelehrte nannten.

Das Volk lebte in Volks-Vierteln, den sogenannten Volks-Ghettos und die Gelehrten in ihren Gelehrten-Vierteln, den sogenannten Gelehrten-Ghettos. Das Volk hörte Volksradio, sah Volks-Fernsehen und las Volks-Zeitungen – die Gelehrten hörten Gelehrten-Radio, sahen Gelehrten-Fernsehen und lasen Gelehrten-Zeitungen- Jede Klasse, lies die andere in Ruhe – alles war glücklich und zufrieden – das Volk arbeitete und die Gelehrten lehrten.

Doch eines schönen Tages geschah etwas Merkwürdiges.

Nach Jahren der Zufriedenheit – das Volk war glücklich mit der Arbeit, die Gelehrten zufrieden mit der Lehre – da erhob ein Gelehrter zum ersten Mal den Zeigefinger. Nicht das Gelehrte das sonst nicht taten – ständig diskutierten und stritten sie untereinander, zeigten einander den Zeigefinger des Wissenden, sei es Feinstoffliches oder Irdisches.

Diesmal war alles anders. Diesmal ließ ein Gelehrter seine Warnung in der Gelehrten-Zeitung drucken – zum allerersten Mal das Volk betreffend.

Noch niemals vorher hatte ein Gelehrter es gewagt – nicht auszudenken der Tumult, sollte das Volk seine Mahnung verstehen – seine Warnung wörtlich nehmen. Tage voller Zittern und Bibbern vergingen – die Redaktion fürchtete zu weit gegangen zu sein – Herausgeber bekamen Anrufe aus den Gelehrten-Vierteln – doch nichts geschah.

Schnell fühlten sich andere Gelehrte eingeladen, es ihrem Klassenmitglied gleichzutun. Schon sprossen Warnungen und Mahnungen wie die Pilze – man konnte sich gar nicht satt sehen – so ganz ohne Gegenwehr und Tumult – man fühlte sich zum allerersten Mal erhaben, seine Weisheit mit dem Volk zu teilen – das offensichtlich wissbegieriger schien, als man all die Jahre dachte.

Zur gleichen Zeit – die Gelehrten sahen täglich den Weltuntergang nahen – lebte das Volk glücklich und zufrieden unter sich, in seinen Vierteln, mit all der harten Arbeit, der wenigen Zeit und den kleinen Freuden, vereinzelt vom Hunger heimgesucht – niemand merkte etwas von den ängstlichen Erwartungen in den Gelehrten-Vierteln und ihren Zeitungen und TV-Programmen.

Jahre vergingen – die buchstäblich nachgewiesene Ignoranz des Volkes – jahrelange Stille konnte nun einmal nichts anderes bedeuten – verärgerte die Gelehrten – wie war so etwas möglich? Wie konnte das Volk das Offensichtliche, die Gefahr, nicht erkennen, ja, es regelrecht ignorieren – warum?

So konnte es nicht weitergehen – man musste etwas tun – ihnen ihre ausweglose Situation sichtbar machen – sie mit der Nase drauf stoßen und sei es mit Gewalt.

Man erließ Gesetze, um die sorglose Freiheit des Volkes zu verbessern, sie besser zu schützen, legitimiert mit dem Zeigefinger der wachsenden Gefahr, sei es Terror, Verkehr oder Ozon. Was sollte man machen? Nicht auszudenken, sollte es all diesen schrecklichen Gefahren schutzlos ausgesetzt sein – nachher ist ihre Sorglosigkeit ansteckend, gar vererbbar – sowas mussten die Gelehrten um jeden Preis verhindern – Sachlichkeit und Wissen sollte ihr Land regieren – um Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit zu sichern – nicht Willkür und Subjektivität – die Vorboten des Unterganges, den sie hinter jeder Ecke vermuteten.

Schutz der drei Großen hatte oberste Priorität – Politiker und Gelehrte überzogen das Land mit einem dichtmaschigen Netz von Regeln und Vorschriften – so würde man das Volk und sein Hab und Gut ausreichend schützen – gegen all dem Unbill, der da draußen so offenkundig lauerte.

Bald gab es Ausgehsperren – Polizeistreifen sicherten Straßen, verstärkt und unterstützt durch den Volks-Schutz, dem nichts wichtiger war, als Sicherheit und Ordnung, die bei all dem erwarteten Gefahren das höchste Gut blieben.

Jahre später – man fühlte sich wieder unwohl – die herumhetzenden Gestalten, kurz vor der Sperrstunde machten keinen vertrauensvollen Eindruck – man begann sich Sorgen zu machen – erste Kameras in privaten Wohnungen brachten große Fortschritte – brav legte sich das Volk schlafen, beschützt von einer fürsorglichen Überwachung, der nichts mehr entging.

Endlich war es geschafft – Volk und Gelehrte hatten endlich Sicherheit – Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit für alle Zeiten geschützt und gesichert – Endlich – nach all den Jahrhunderten und Jahrtausenden, war es einer Zivilisation gelungen – uns!

 

Esel und Vogel treffen Kaninchen

Sonnenschein durchflutete die kleine Hütte, am Fuße des Galatzo. Der schöne Vogel und störrische Esel hatten gemütlich gefrühstückt. Würziger Wind wehte durch die Fenster. Zitronen, Feigen und Kakis versprühten ihr süßes und erfrischendes Aroma; salziger Meeresduft würzte und vermischte die zarten Nuancen, als wäre die Luft ein buntes Blumenmeer. Warme Sonnenstrahlen wärmten die Borke der herumstehenden Bäume. Kiefern fingen an ihren Harz tropfen zu lassen; Wolken, die wie Wattetupfer aussahen hingen am eisvogelblauen Himmel.

Sonntag. Esel und Vogel machten einen Spaziergang, nachdem sie den Frühstückstisch abgeräumt, die Teller und Tassen abgewaschen und abgetrocknet und die Pflanzen gegossen hatten. Satt und träge saß der schöne Vogel auf dem Rücken des Esels und ließ die gespreizten Flügel hängen, als würde er sie strecken wollen, nur umgekehrt. Schnaubend pustete der Esel seine Zufriedenheit in die Welt. Nur schwer konnte sich der schöne Vogel ein Schmunzeln verkneifen, rutschte etwas näher an den auf.- und ab-wippenden Kopf heran, schwang seine Flügel um den Hals und bohrte seinen Schnabel in den Schweif.

Gemütlich wanderten sie die kleinen Wege entlang, die sich wie knorrige Olivenwurzeln an den Bergen entlangschlängelten, deren Ränder die großzügige Natur mit bunten Blumen besprenkelt hatte. Auffrischender Wind rauschte durch die Kronen der Bäume und ließ sie fröhlich wippen; Katzen miauten um die Wette; ein paar Hunde bellten; Ameisen wuselten am Boden herum. Überall Leben. Als sie um eine enge Kurve bogen, fuhren zwei Kaninchen erschrocken herum, sahen sie mit riesigen Augen an und drehten sich flink um wegzurennen.

„Hey, nun rennt doch nicht gleich weg. Sind doch nur Vogel und Esel. Wir tun euch nichts.“, sprach der Esel zu den Kaninchen und hoffte, sie etwas beruhigen zu können.

„Woher sollen wir das denn wissen?“, antwortete das Ältere der beiden, während sie stehen blieben.

„Seht uns an; sehen wir gefährlich aus? Und selbst wenn, ihr seid doch viel schneller und wendiger als wir.“, versuchte der Esel die Kaninchen zu beruhigen und zum Bleiben zu bewegen.

„Das kannst du leicht sagen und wenn wir bleiben fallt ihr über uns her und fresst uns auf.“, sprach das jüngere Kaninchen, dass ein Geheimnis lüftete, als es ein wenig herumhopste und Esel und Vogel die kleine Schleife im Fell sahen, die es dort versteckt trug.

Gerade wollte der Vogel etwas zu dem Kaninchen-Mädchen sagen, als eine Schweinefamilie mit viel Radau und Getöse um die Ecke gerannt kam, mit wehenden Handtüchern auf den Rücken und bunte Sonnencremetuben in den Schnauzen, an denen Borsten und Frühstücksreste hingen. Kreischend rannten die Kaninchen weg und versteckten sich im tiefen Rasen am Wegesrand und zitterten um die Wette. Auch der schöne Vogel hatte sich erschrocken und flatterte aufgeregt mit den Flügeln, kurz davor abzuheben, blieb aber auf dem Rücken des Esels sitzen. Ruhig am Wegesrand stehend sah der Esel die hektische Schweinemeute vorbeijapsen, allen voran Papa-Schwein, der wild grunzend rief:

„Entschuldigt Leute, wir sind spät dran; nichts für ungut. Bis später.“, während das Rudel geschwind hinter der nächsten Biegung verschwand und nichts übrig blieb, als eine Staubwolke, die sich langsam setzte, bis nichts mehr an die Schweine erinnerte, außer rieselnder Staub zwischen Federn und Fell. Schnell hatte sich der Vogel beruhigt, vergrub seinen Schnabel wieder im Schweif des Esels und schlang seine Schwingen um den Hals des störrischen Freundes.

Vogel und Esel nickten sich kurz zu, um ihren Spaziergang weiter fortzusetzen, als die Kaninchen wieder aus dem Unterholz gehoppelt kamen:

„Wieso seid ihr nicht weggerannt so wie wir?“, fragte der Klopfer, während seine Freundin mit der Schleife hinter ihm zitterte.

„Wenn man, so wie ihr, vor Allem Angst hat, dann kann man ja nie ausruhen. Dann seid ihr immer auf der Flucht und rennt ständig aufgeregt herum.“, entgegnete der Esel und verstand nicht, worauf der Rammler hinauswollte.

„Aber wir sind doch Kaninchen; wir sind so. Wir sind keine Bären, Löwen oder Schweine, denen alles egal ist. Wir haben viele Feinde, die uns fressen wollen. Euch hingegen nicht; außerdem seid ihr ein komisches Paar. Ein Esel und ein Vogel, sowas gehört sich doch nicht. Vögel sollten mit Vögeln und Esel mit Eseln zusammen sein.“. Der Rammler hatte sich in Rage geredet und fühlte sich im Recht.

Langsam den Kopf drehend, sah der Esel dem Vogel in die Augen und lächelte sanft. Warm erwiderte dieser den Blick und umarmte den Esel noch ein wenig fester. Die beiden Kaninchen liebevoll betrachtend, sprach der störrische Esel:

„Ich glaube nicht, dass alle Kaninchen gleich sind; ich glaube auch nicht, das man als Kaninchen nur solche mögen darf. Mir hat niemand gesagt, dass ich nur Esel um mich haben sollte; gelesen und gehört habe ich auch nicht, wie ich als Esel zu sein habe. Esel sind auch nicht alle gleich. Vögel ebenso nicht. Und dieser hier besonders nicht. Manchmal kann er für einen Vogel sehr zornig werden, so zornig, dass er sich in einen Drachen verwandelt.“

„Wirklich? Ganz in echt?“, erwiderte der Rammler, der anfing den friedlich schmusenden Vogel mit großer Neugierde zu betrachten.

„Wirklich. Ich kenne nicht alle Vögel, aber dieser hier kann das. Ich dafür bin für einen Esel sehr sanftmütig; ob sanftmütiger als andere weiß ich nicht. Ob ich störrischer als andere Esel oder Tiere bin, weiß ich auch nicht. Ich bin ja nur ich.“, entgegnete der Esel dem Rammler, während das Kaninchenmädchen aufhörte zu zittern und hinter dem Rücken des Klopfers hervorkam, Esel und Vogel interessiert beäugend.

„Er ist sehr sanftmütig und manchmal recht gemütlich, weshalb ich ungeduldig werden kann und mich in einen zornigen Drachen verwandle.“, sprach der schöne Vogel und brach sein liebliches Schweigen, doch vorsichtig die Tatsache unterschlagend, dass er vor Allem ein feuerspeiender Drache wird, der riesig groß und furchterregend werden konnte.

„Aber hast du denn keine Angst vor dem Vogel, wenn er so sein kann?“, fragte das Kaninchenmädchen den störrischen Esel, das mittlerweile mutig vorgetreten war und sich vom schönen Vogel verstanden fühlte.

„Nein,“, entgegnete der Esel, „Wir sind nur unterschiedlich. Esel sind nicht alle gleich; Kaninchen ebenfalls nicht. Vielleicht bist du mutiger als ich, obwohl du viel kleiner bist; vielleicht auch nicht,“, lächelte der Esel die beiden Kaninchen an.

„Wichtig ist doch nur, dass man sich mag und das man eine gute Zeit zusammen hat. Stellt euch mal vor, wir hätten Keine. Das wäre doch schade, findet ihr nicht? Wir machen gerade einen Sonntagsspaziergang. Kommt doch einfach mit. Wir gehen nur einmal zum Strand und wieder zurück,“, fragte der Esel die beiden Kaninchen und fing an, langsam loszugehen.

Die beiden Kaninchen sahen erst sich, dann den schönen und mysteriösen Vogel und dann den sanftmütigen aber störrischen Esel an. Gemütlich schlenderte der Esel davon, während der Vogel auf seinem Rücken im Rhythmus mitwippte und die beiden Kaninchen nebenher-hoppelten.

 

 

Esel und Vogel am Strand

An einem schönen sonnigen Tag standen der schöne Vogel und der störrische und sensible Esel auf und machten sich daran ein schönes Frühstück zuzubereiten. Sonne schien und frischer Wind brachte vom Meer eine leichte Brise in ihre kleine Hütte. Ausgeschlafen setzten sie sich zufrieden an ihren liebevoll gedeckten Tisch, an dem sie sich lange lächelnd in die Augen sahen, glücklich einander zu haben. Sie begannen über den schönen Tag zu sprechen. Der Vogel liebte das Meer: Weiter Blick, Wellen und die salzige Luft ließen ihn ruhig und verträumt in die Weite schauen. Besonders gerne machte der schöne Vogel das zusammen mit dem störrischen Esel, der mit dem Vogel gar nicht störrisch war.

Auch der Esel hatte das Meer gerne. Am liebsten saß er dort mit dem schönen Vogel, um zusammen die Wellen zu beobachten. Sie beschlossen, zum Wasser zu gehen. Der Vogel freute und beeilte sich, den Tisch abzuräumen. Als sie fertig waren, traten sie vor ihre kleine Hütte und atmeten zusammen die frische und salzige Luft. 

Als der schöne Vogel auf den Rücken des Esels flatterte ging es los. Der Esel ging den kleinen Weg gerne, der sich an die Berge schmiegte und sich wie ein kleiner lebendiger Gebirgsbach runter zum Meer schlängelte. Der schöne Vogel freute sich so sehr, das seine Ungeduld hochkam, ähnlich wie die Sonne am Morgen. Der Esel fühlte das und lächelte still vor sich hin. Er kannte den Vogel gut. Nach wenigen Minuten konnte der schöne Vogel es nicht mehr aushalten, hob mit einigen kräftigen Flügelschlägen ab und flog schnurstracks zum Meer.

Der Esel freute sich darüber, dass der schöne Vogel seiner Ungeduld nachgab und vorflog. Zufrieden strahlte er in die große weite Welt, während er gemütlich Richtung Meer trabte. Während der Esel in Seelenruhe den schmalen Weg zum Meer runter ging, flog der schöne Vogel fröhlich zu den lebendig herumspritzenden Wellen und sang vor Freude über den Anblick des schönen Meeres. Wenige Minuten später dache er an den Esel. Er freute sich so sehr darüber, dass der Esel sich mitfreute, dass er umso lieber zum Esel zurückflog. Gerade Pfiff der Esel ein fröhliches Lied, als er den freudig singenden Vogel heranfliegen sah. Es war schön wenn er zurückkam. Das war nicht immer so: Manchmal wartete der schöne Vogel so lange mit dem Vorausfliegen, das der Esel nur kurze Zeit später am Wasser ankam.

Heute jedoch war alles ganz anders: Der schöne Vogel flatterte munter singend auf den Rücken des Esels und berichtete was er alles gesehen hatte. Der Esel nickte lächelnd, während er dem schönen Vogel zuhörte und dieser ihm eine Menge Vorfreude machte. Gemütlich trabte der Esel um die letzte Kurve herum, während der schöne Vogel im Rhythmus des Rückens seine Flügel weit auseinanderfächerte und seine Schwingen sanft im Wind wog.

Es war ein schöner Anblick, wie der Wind Mähne und Schweif des Esels, wie auch die Flügel des schönen Vogels durchfuhr, als wäre er ein kleines Kind, das fröhlich kreischend in die Luft geworfen wurde. Gerade hatten sie die letzte Kurve hinter sich gelassen, als sich der Horizont immer weiter öffnete, bis die ganze Welt voll davon war: Das Meer.

Der Vogel hielt den Atem an, während der Esel stehenblieb: War das schön. Was für ein toller Augenschmaus. Fast gleichzeitig seufzten sie und schauten mit sehnsüchtigem Blick auf den weiten Horizont. Dem Vogel wurde warm ums Herz, fiel dem Esel um den Hals und drückte ihn ganz fest an sich. Tief schnaubte der Esel sanft und liebevoll und bekam glänzende Augen vor Freude.

Als sie sich nach einiger Zeit vom ergreifenden Moment gefasst hatten, gingen sie runter zu den Felsen. Sie hatten vor einiger Zeit zusammen einen Stein ausgewählt, auf den sie sich gerne zusammen setzten. Wellen donnerten mutig an den steinernen Strand; Felsen hielten den Gleichen Stand, als sie den Trampelpfad am Wasser entlang gingen. Dann sahen sie ihn, rannten und flogen gleichzeitig drauf los und versuchten vor dem Anderen da zu sein. Wie jedes Mal gewann der Vogel. Er freute sich, als wäre es das erste Mal.

Gemeinsam saßen sie am Meer, blickten es schweigend an, kuschelten sich aneinander, blickten sich hin und wieder in ihre Seelen und genossen den Anblick. Wie ihre zwei Augenpaare fröhlich glänzten. saßen sie so noch viele Stunden, während sich der schöne Vogel immer dichter und enger an den störrischen Esel schmiegte, bis sie fast eins waren und irgendwann die Sonne unterging.