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Esel und Prinz – Odyssee 2021 CW14

11.Apil – Nach langer Zeit besuchte der kleine Prinz seinen Freund, den Esel. Wie all die Jahre fand er ihn in seiner kleinen Casita, drunten am Meer, an der Platja. Stahlende Sonne empfang ihn, als der Esel fröhlich von drinnen rief – komm rein, komm rein, es ist offen! – Nachdem sie sich herzlich umarmt hatten, bot der Esel ein Glas Weißwein ein, um gemeinsam anzustoßen.

„Prost, mein Lieber – schön dass du wieder mal vorbeischaust!“

„Ganz meinerseits -zum Wohl!“

Sie tranken einen großen Schluck und freuten sich, nach so vielen Jahren, wieder einander zu begegnen. Nachdem der kleine Prinz sich ein wenig umsah, bemerkte er, wie sehr sich der kleine Stall des Esels verändert hatte.

Überall standen Pflanzen rum, ein paar Vasen mit frischen Schnittblumen prunkten stolz auf einem gläsernen Tisch; auch ihn gab es früher nicht, während der kleine Prinz auch über die vielen Bilder staunte, sowie die vielen Postkarten, bunten Flaschenöffner, Tablettendosen, verschiedene Aschenbecher aus Jade, Granit, Messing und eine große Auswahl von Wanderstöcken und Regenschrimen, die in allen Varianten, Farben und Größen daherkamen.

„Wo hast du denn die vielen Andenken her und vor Allem, wieso bist du hier drinnen, wo draußen so ein schönes Wetter ist?“

„Hast du denn nicht von den gefährlichen Viren gehört, die zur Zeit die Welt da draußen in eine gefährliche Wildnis verwandelt haben?“ Mit offenem Mund stand der kleine Prinz in der bunt geschmückten Casita des Esels und kratzte sich am Kinn.

„Meinst du diese Grippe, von der alle reden?“ Plötzlich fing der Esel zu lachen an, so sehr, dass er sich den Bauch hielt. Nachdem er sich Tränen der Freude aus den Augen wischte, stemmte er stolz die Hufe in die Hüfte und sprach:

„Grippe? Na du machst mir Spaß! Hast du nicht die Nachrichten gehört, wie viele Abertausende Menschen schon gestorben sind? Wie die Fliegen fallen die um, man kommt gar nicht hinterher, sie zu beerdigen, hast du das nicht gehört? Du meine Güte in welcher Welt lebst du denn, kleiner Prinz?“

Ein wenig beschämt blickte der kleine Prinz zu Boden. Er wusste nicht so recht, was er jetzt sagen konnte, entschloss sich jedoch schluss-endlich bei seiner Sicht der Wahrheit zu bleiben.

„Natürlich habe ich davon gehört, aber fliegen nicht ständig irgendwelche Viren in der Luft herum? Also, ich meine heute, jetzt, morgen, aber auch gestern? Willst du denn solange in deiner Casita bleiben, bis jemand Entwarnung ausspricht?“

Schnaubend vor Zorn, scharrte der Esel mit den Hufen und senkte den Kopf, wie ein wilder Stier.

„Es ist gefährlich rauszugehen; ich schütze auch die anderen, wenn ich hier drinnen bleibe…ich bin nicht so gedankenlos und egoistisch, wie du…“

Ohne auf diese Spitze einzugehen, lächelte der kleine Prinz und ging nicht weiter darauf ein, wusste er doch, dass der Esel sehr dickköpfig sein konnte. Stattdessen, nahm er sich vor, ihm ein wenig von seiner Sicht zu vermitteln, denn auch der kleine Prinz wusste von den diesen neuen Viren, die in vielen verantwortungslosen Medien Killer-Viren genannt wurden, weswegen sich der kleine Prinz entschloss, diesem geistigen Gift, keinen Nährboden zu geben.

„Was ist, wenn die Entwarnung nie kommt? Und vor Allem, warum lässt du jemand anderen über deine Freiheit bestimmen? Wie jeder Esel musst auch du hin und wieder raus und frische Luft tanken und dich bewegen; jeden Tag kann dir doch ein Missgeschick geschehen, du kannst einen Fehltritt, unten bei den Klippen machen und stürzt in die tödliche Tiefe.

Auch davor kann dich niemand schützen; ein Risiko, deine Gesundheit zu schwächen hast du doch dein ganzes Leben…“ Auf einmal lächelte der Esel verschlagen, so, als wenn der heilige Gal vor seinen Füßen lag.

„Schau mal, kleiner Prinz; das mag für dich jetzt merkwürdig klingen, aber für Esel wie mich, die schon ihr ganzes Leben draußen waren, ist es eine schöne Abwechslung, jetzt endlich mehr Zeit drinnen verbringen zu können; ich kann mich um meine Inneneinrichtung kümmern, mir endlich Zeit zum Kochen nehmen und endlich mal gründlich aufräumen, so wie ich es seit Jahren schon wollte.

Du glaubst gar nicht, wie befriedigend es sein kann, sich beim Betrachten der vielen Andenken daran zu erinnern, was ich schon alles gesehen habe, ich bin priviligiert, weißt du das eigntlich? Ich habe genug essen und trinken, ein Dach über den Kopf, ein schönes Bett, bin gesund, so werde ich glatt hundert Jahr alt, wenn ich nicht aufpasse…“, worüber sich der Esel kaputt lachte. Nachdenklich sah der kleine Prinz seinen Freund an.

„Dir ist also Sicherheit und Gesundheit wichtiger als Freiheit…?“

„Ja aber natürlich…“ Als der kleine Prinz das hörte fing stattdessen er an zu lachen.

„Dann könntest du ab jetzt den Rest deines Lebens hier verbringen?“

„Aber natürlich, ich habe doch schon alles gsehen…?“

„Und was ist mit den jungen Generationen? Willst du die alle einsperren…?“ Da schwieg der Esel zum ersten Mal und blickte betrübt zu Boden. Seine ganze Freude und Überlegenheit war plötzlich wie verflogen, quasi, als hätte es sie nie gegeben.

„Ich habe Angst…“

„Wovor…?“

„Vor dem Virus und das ich mich anstecke und ganz schnell sterbe…“

„Warum hattest du denn nicht vorher all die Jahre die gleiche Angst, wenn das Leben doch ähnlich gefährlich war…?“

„Keine Ahnung, irgendwie ist mir mein Optimismus abhanden gekommen…“ Da schlang der kleine Prinz seine Arme um den Hals des Esel und umarmte seinen Freund.

„Pass auf, wir beide gehen jetzt zusammen runter ans Meer, so wie früher, du wirst sehen, dass gibt dir Kraft und Zuversicht und im Nu sind deine Sorgen wie weggeblasen; so ein kleines Virus wird doch so einen stolzen Esel wie dich nicht ins Bockshorn jagen, und wenn wir unten sind, suchst du dir etwas Schönes vom Strandgut aus und nimmst es als Andenken mit zu dir in deine Casita…“

Da lächelte der Esel und strahlte über alle vier Backen, dass selbst die Blumen weiter zu wachsen schienen. Gemeinsam trabten sie gemütlich runter ans Wasser, so wie früher und erzählten sich Geschichten von früher und von morgen, weil sie auch schon weitere Pläne für die Tage danach machten…

Und so geschah es…

Esel und Vogel am Strand

Als der schöne Vogel und der störrische und sensible Esel aufstanden, machten sie sich daran ein schönes Frühstück zuzubereiten. Die Sonne schien, der frische Wind vom Meer brachte eine leichte Brise in ihre kleine Hütte und sie setzten sich ausgeschlafen und zufrieden an ihren liebevoll gedeckten Tisch, an dem sie sich lange und lächelnd in die Augen sahen, glücklich einander zu haben und begannen über ihren schönen Tag zu sprechen. Der schöne Vogel liebte das Meer sehr. Der Weite Blick, die Wellen und die leicht salzige Luft ließen ihn ruhig und verträumt in die Weite schauen. Besonders gerne machte der schöne Vogel das zusammen mit dem störrischen Esel, der mit dem schönen Vogel gar nicht störrisch war.

Der Esel hatte das Meer auch sehr gerne. Er saß dort am liebsten mit dem schönen Vogel, um zusammen die Wellen zu beobachten. Sie beschlossen, runter zum Wasser zu gehen. Der schöne Vogel freute sich schon sehr und beeilte sich zusammen mit dem Esel, den Tisch abzuräumen. Als sie fertig waren, traten sie vor ihre kleine gemütliche Hütte und atmeten zusammen die frische und salzige Luft.

Der schöne Vogel flatterte auf den Rücken des Esels und schon gingen sie los. Der Esel ging den kleinen Weg sehr gerne, wie er sich so an die Berge schmiegte und sich runter zum Meer schlängelte, wie ein kleiner lebendiger Gebirgsbach. Der schöne Vogel freute sich so sehr, das seine Ungeduld etwas hochkam, ähnlich der Sonne am Morgen. Der störrische Esel fühlte das und lächelte still vor sich hin. Er kannte ihn gut. Nach wenigen Minuten konnte der schöne Vogel es nicht mehr aushalten, hob mit einigen kräftigen Flügelschlägen ab und flog schnurstracks zum Meer.

Der störrische Esel freute sich darüber, dass der schöne Vogel seiner Ungeduld nachgab und vorflog und strahlte zufrieden in die große weite Welt, während er gemütlich Richtung Meer trabte. Während der Esel in aller Seelenruhe den kleinen Weg runter zum Meer ging, flog der schöne Vogel fröhlich zu den lebendig herumspritzenden Wellen und sang vor Freude über den Anblick des schönen Meeres. Nach ein paar Minuten dache er an den Esel, der noch unterwegs war. Er freute sich, dass der Esel sich für ihn mitfreute, weswegen er umso lieber zum Esel zurückflog. Gerade Pfiff der Esel ein fröhliches Lied, als er den schönen und freudig singenden Vogel heranfliegen sah. Er freute sich immer sehr, wenn er zurückkam. Das war nicht immer so, da der schöne Vogel manchmal länger mit dem Vorausfliegen wartete und der störrische Esel deswegen nur kurze Zeit später am Meer ankam.

Aber heute war es ganz anders und der schöne Vogel flatterte munter singend auf den Rücken des Esels und berichtete aufgeregt davon, was er schon alles gesehen hatte. Der störrische Esel nickte lächelnd, während er dem schönen Vogel zuhörte und dieser ihm eine Menge Vorfreude damit machte. Gemütlich, aber zielstrebig trabte der störrische Esel um die letzte enge Kurve herum, während der schöne Vogel im Rhythmus des Rückens seine Flügel spreizte und weit auseinanderfächerte und seine Schwingen sanft im Wind wog.

Es war ein schöner Anblick, wie die zwei zusammen gingen und der Wind Mähne und Schweif des Esels, wie auch die Flügel des schönen Vogels durchfuhr, als wäre er ein kleines Kind, das fröhlich kreischend in einem Kettenkarussell saß. Gerade hatten sie die letzte Kurve hinter sich gelassen, während der Esel eine Melodie Pfiff und der Vogel fröhlich dazu sang, als sich das Panorama weitete, immer weiter und weiter, bis der ganze Horizont voll davon war: Das Meer.

Der Esel blieb stehen und der Vogel hielt den Atem an: War das schön. War das ein toller Augenschmaus. Fast gleichzeitig seufzten sie tief und lang und schauten mit sehnsüchtigem Blick auf den weiten Horizont. Dem schönen Vogel wurde ganz warm ums Herz und er fiel dem Esel um den Hals und drückte ihn ganz fest an sich. Der Esel genoss das und schnaubte sanft und liebevoll und bekam ganz glänzende Augen vor Freude.

Als sie sich nach einiger Zeit vom ergreifenden Moment wieder gefasst hatten, gingen sie weiter runter zu den Felsen. Sie hatten vor einiger Zeit zusammen einen Stein ausgewählt, auf den sie sich immer zusammensetzten, so wie heute. Die Wellen donnerten mutig an den kleinen Strand und die Felsen hielten den gleichen Stand, als sie den kleinen Trampelpfad gemeinsam am Wasser entlang gingen. Dann sahen sie ihn und rannten und flogen gleichzeitig los und versuchten vor dem Anderen da zu sein. Der Vogel gewann, wie jedes Mal und er freute sich riesig, als wäre es zum ersten Mal.

Gemeinsam saßen sie so am Meer, blickten es zusammen schweigend an, kuschelten sich aneinander, blickten sich hin und wieder tief in ihre Seelen und genossen den Anblick. Wie ihre zwei Augenpaare fröhlich glänzten. so saßen sie noch viele Stunden, während sich der schöne Vogel immer dichter und enger an den störrischen Esel schmiegte, bis sie fast eins waren und irgendwann die Sonne unterging.

 

Esel und Vogel treffen Kaninchen

Sonnenschein durchflutete die kleine Hütte, am Fuße des Galatzo. Der schöne Vogel und störrische Esel hatten gemütlich gefrühstückt. Würziger Wind wehte durch die Fenster. Zitronen, Feigen und Kakis versprühten ihr süßes und erfrischendes Aroma; salziger Meeresduft würzte und vermischte die zarten Nuancen, als wäre die Luft ein buntes Blumenmeer. Warme Sonnenstrahlen wärmten die Borke der herumstehenden Bäume. Kiefern fingen an ihren Harz tropfen zu lassen; Wolken, die wie Wattetupfer aussahen hingen am eisvogelblauen Himmel.

Sonntag. Esel und Vogel machten einen Spaziergang, nachdem sie den Frühstückstisch abgeräumt, die Teller und Tassen abgewaschen und abgetrocknet und die Pflanzen gegossen hatten. Satt und träge saß der schöne Vogel auf dem Rücken des Esels und ließ die gespreizten Flügel hängen, als würde er sie strecken wollen, nur umgekehrt. Schnaubend pustete der Esel seine Zufriedenheit in die Welt. Nur schwer konnte sich der schöne Vogel ein Schmunzeln verkneifen, rutschte etwas näher an den auf.- und ab-wippenden Kopf heran, schwang seine Flügel um den Hals und bohrte seinen Schnabel in den Schweif.

Gemütlich wanderten sie die kleinen Wege entlang, die sich wie knorrige Olivenwurzeln an den Bergen entlangschlängelten, deren Ränder die großzügige Natur mit bunten Blumen besprenkelt hatte. Auffrischender Wind rauschte durch die Kronen der Bäume und ließ sie fröhlich wippen; Katzen miauten um die Wette; ein paar Hunde bellten; Ameisen wuselten am Boden herum. Überall Leben. Als sie um eine enge Kurve bogen, fuhren zwei Kaninchen erschrocken herum, sahen sie mit riesigen Augen an und drehten sich flink um wegzurennen.

„Hey, nun rennt doch nicht gleich weg. Sind doch nur Vogel und Esel. Wir tun euch nichts.“, sprach der Esel zu den Kaninchen und hoffte, sie etwas beruhigen zu können.

„Woher sollen wir das denn wissen?“, antwortete das Ältere der beiden, während sie stehen blieben.

„Seht uns an; sehen wir gefährlich aus? Und selbst wenn, ihr seid doch viel schneller und wendiger als wir.“, versuchte der Esel die Kaninchen zu beruhigen und zum Bleiben zu bewegen.

„Das kannst du leicht sagen und wenn wir bleiben fallt ihr über uns her und fresst uns auf.“, sprach das jüngere Kaninchen, dass ein Geheimnis lüftete, als es ein wenig herumhopste und Esel und Vogel die kleine Schleife im Fell sahen, die es dort versteckt trug.

Gerade wollte der Vogel etwas zu dem Kaninchen-Mädchen sagen, als eine Schweinefamilie mit viel Radau und Getöse um die Ecke gerannt kam, mit wehenden Handtüchern auf den Rücken und bunte Sonnencremetuben in den Schnauzen, an denen Borsten und Frühstücksreste hingen. Kreischend rannten die Kaninchen weg und versteckten sich im tiefen Rasen am Wegesrand und zitterten um die Wette. Auch der schöne Vogel hatte sich erschrocken und flatterte aufgeregt mit den Flügeln, kurz davor abzuheben, blieb aber auf dem Rücken des Esels sitzen. Ruhig am Wegesrand stehend sah der Esel die hektische Schweinemeute vorbeijapsen, allen voran Papa-Schwein, der wild grunzend rief:

„Entschuldigt Leute, wir sind spät dran; nichts für ungut. Bis später.“, während das Rudel geschwind hinter der nächsten Biegung verschwand und nichts übrig blieb, als eine Staubwolke, die sich langsam setzte, bis nichts mehr an die Schweine erinnerte, außer rieselnder Staub zwischen Federn und Fell. Schnell hatte sich der Vogel beruhigt, vergrub seinen Schnabel wieder im Schweif des Esels und schlang seine Schwingen um den Hals des störrischen Freundes.

Vogel und Esel nickten sich kurz zu, um ihren Spaziergang weiter fortzusetzen, als die Kaninchen wieder aus dem Unterholz gehoppelt kamen:

„Wieso seid ihr nicht weggerannt so wie wir?“, fragte der Klopfer, während seine Freundin mit der Schleife hinter ihm zitterte.

„Wenn man, so wie ihr, vor Allem Angst hat, dann kann man ja nie ausruhen. Dann seid ihr immer auf der Flucht und rennt ständig aufgeregt herum.“, entgegnete der Esel und verstand nicht, worauf der Rammler hinauswollte.

„Aber wir sind doch Kaninchen; wir sind so. Wir sind keine Bären, Löwen oder Schweine, denen alles egal ist. Wir haben viele Feinde, die uns fressen wollen. Euch hingegen nicht; außerdem seid ihr ein komisches Paar. Ein Esel und ein Vogel, sowas gehört sich doch nicht. Vögel sollten mit Vögeln und Esel mit Eseln zusammen sein.“. Der Rammler hatte sich in Rage geredet und fühlte sich im Recht.

Langsam den Kopf drehend, sah der Esel dem Vogel in die Augen und lächelte sanft. Warm erwiderte dieser den Blick und umarmte den Esel noch ein wenig fester. Die beiden Kaninchen liebevoll betrachtend, sprach der störrische Esel:

„Ich glaube nicht, dass alle Kaninchen gleich sind; ich glaube auch nicht, das man als Kaninchen nur solche mögen darf. Mir hat niemand gesagt, dass ich nur Esel um mich haben sollte; gelesen und gehört habe ich auch nicht, wie ich als Esel zu sein habe. Esel sind auch nicht alle gleich. Vögel ebenso nicht. Und dieser hier besonders nicht. Manchmal kann er für einen Vogel sehr zornig werden, so zornig, dass er sich in einen Drachen verwandelt.“

„Wirklich? Ganz in echt?“, erwiderte der Rammler, der anfing den friedlich schmusenden Vogel mit großer Neugierde zu betrachten.

„Wirklich. Ich kenne nicht alle Vögel, aber dieser hier kann das. Ich dafür bin für einen Esel sehr sanftmütig; ob sanftmütiger als andere weiß ich nicht. Ob ich störrischer als andere Esel oder Tiere bin, weiß ich auch nicht. Ich bin ja nur ich.“, entgegnete der Esel dem Rammler, während das Kaninchenmädchen aufhörte zu zittern und hinter dem Rücken des Klopfers hervorkam, Esel und Vogel interessiert beäugend.

„Er ist sehr sanftmütig und manchmal recht gemütlich, weshalb ich ungeduldig werden kann und mich in einen zornigen Drachen verwandle.“, sprach der schöne Vogel und brach sein liebliches Schweigen, doch vorsichtig die Tatsache unterschlagend, dass er vor Allem ein feuerspeiender Drache wird, der riesig groß und furchterregend werden konnte.

„Aber hast du denn keine Angst vor dem Vogel, wenn er so sein kann?“, fragte das Kaninchenmädchen den störrischen Esel, das mittlerweile mutig vorgetreten war und sich vom schönen Vogel verstanden fühlte.

„Nein,“, entgegnete der Esel, „Wir sind nur unterschiedlich. Esel sind nicht alle gleich; Kaninchen ebenfalls nicht. Vielleicht bist du mutiger als ich, obwohl du viel kleiner bist; vielleicht auch nicht,“, lächelte der Esel die beiden Kaninchen an.

„Wichtig ist doch nur, dass man sich mag und das man eine gute Zeit zusammen hat. Stellt euch mal vor, wir hätten Keine. Das wäre doch schade, findet ihr nicht? Wir machen gerade einen Sonntagsspaziergang. Kommt doch einfach mit. Wir gehen nur einmal zum Strand und wieder zurück,“, fragte der Esel die beiden Kaninchen und fing an, langsam loszugehen.

Die beiden Kaninchen sahen erst sich, dann den schönen und mysteriösen Vogel und dann den sanftmütigen aber störrischen Esel an. Gemütlich schlenderte der Esel davon, während der Vogel auf seinem Rücken im Rhythmus mitwippte und die beiden Kaninchen nebenher-hoppelten.

 

 

Täglicher Kampf

Ich stand auf und ging in den Flur. Wie eine tickende Bombe hing der Gaszähler gelangweilt an der weißen Wand, direkt neben dem Eingang. Vertraute Geräusche des Treppenhauses quollen in mein Reich. Ich blieb vor dem Spiegel im Flur stehen, kratzte mich hier und da, nahm eine Zigarette und zündete sie an. Halb gepfiffen sogar ein wenig wie geflötet atmete ich den ersten Zug aus. Ich ging in meine Küche, kippte das Fenster und ließ frische Sonne und strahlende Luft rein. Hamburg. Ich schaltete das Radio ein. Griechenlandkrise. Euro, Ego und verhärtete Fronten. Ich wechselte den Sender. KFZ-Maut, Flüchtlingspolitik und rechte Dänen: Skandinavier waren auch nicht mehr das, was sie mal waren. Ich reichte den Sender nach hinten durch, wie den Wirtschaftsteil meiner Zeitung. Klassikradio war meine letzte Hoffnung. Ein sehr experimentierfreudiges und anstrengendes Musikstück bohrte sich mit stumpfem Messer in meine Ohren, wickelte meine filigranen Innereien um den Stahl, presste mir erst den Zehnten ab und schaffte mich. Resigniert schaltete ich das Radio aus, zog wie zum Trotze besonders stark an der Zigarette.

Ich schaute aus dem Fenster, sah auf den kleinen Bolzplatz, der mit feuerverzinkten Stahlgittern eingezäunt und seinem robusten Netz als Dachhimmel, eher an eingesperrte Gladiatoren denken ließ, als an spielende Kinder. Der Innenhof lockte mit weiterer Zerstreuung. Hysterischen Spielbuden gleich glänzten sie munter vor sich hin, als wäre man auf dem Dom. Wippen hatte man in die Erde geschlagen, Reifen als Bremsen eingebuddelt. Wie früher. Ein übergewichtiger Vater saß fest im Sattel, lachte zu übertrieben darüber, dass die gegenübersitzende, etwas dralle Mutter selbst mit Hilfe der Leibesfrucht keine Bewegung oder irgendeine Veränderung auszulösen vermochte, obwohl sich der gequetschte Reifen gefreut hätte. Zwei Schaukeln standen ungenutzt herum. Federvieh und Meeresfrüchte waren auch mit dabei: Hölzerne Enten und Seepferdchen hatte man auf dicke Stahlfedern genagelt, damit Ross und Reiter lustig herumtaumeln konnten, als wären sie ausgelassen und fröhlich, oder betrunken. Hunde rannten herum, suchten gehetzt Stöckchen und Ball. Von weiblichen Herrchen oft angeherrscht, mussten sie ständig um Gehorsam und Gefallen betteln und sich zur Notdurft mit einer Plastiktüte an ihre Teichrose grabschen lassen, um Äpfel und Zwetschgen zu ernten, bevor sie Fallobst wurden. Nicht mal ein Hundeleben war noch das, was es mal war. Ich war hungrig, öffnete den Kühlschrank. Er war endlich wieder voll. Ich dachte an meinen gestrigen Einkauf, während ich Kaffee-Bohnen in die alte Mühle rieseln ließ.

In Hamburg ist Einholen für mich mittlerweile schwierig geworden. Zu aggressiv und hektisch, zu bunt und schrill ist der gemeine deutsche Großstadt-Supermarkt. Oft passierte es mir, dass ich wie ein Schiffbrüchiger inmitten des hektischen, kosmopolitischen Wahnsinns stehenblieb und mich an der nächsten Boje festklammerte. Rastalocken, Tätowierungen, zu laute Handy-Gespräche, Blaumänner, Werbejingles, Stilettos und Piercings drohten zu überfordern. Ich ging zu den Einkaufswagen, Münzeinwurf garantiert. Ich hatte ein paar, aber keine Passende. Ich seufzte, war kurz davor aufzugeben und ging zur Seite, um die drängenden Massen nicht noch zorniger werden zu lassen. Ein paar abschätzige und zweifelnde Blicke trafen mich wie Streifschüsse. Schon früh am Morgen wurde scharf geschossen, als Erster und nicht zurück. Ich ging zur kleinen Bäckereitheke, an der gespielt-fröhliche Abiturientinnen konfektionierte Industriemassenbackware verkauften, als würde sie noch immer der gleiche pausbäckige Bäckermeister liebevoll backen, wie ihn sich schon die Gebrüder Grimm wünschten und kein metallener Industrieroboter, der leblose Brotlarven auf das Laufband spritzte, als wären es spiegelverschönernde Pickel. Die Schlange war lang, hielt mich aber nicht davon ab nach Wechselgeld zu fragen.

„Entschuldigung? Können sie mir das Kleinmachen?“  Die Bedienung war gerade dabei das Wechselgeld zusammenzusuchen, da wurde ich von einem stämmigen Rentner angefaucht.

„Hinten anstellen. Wir sind doch nicht bei den Hottentotten!“ Seine kleinen stumpfen Murmeln, musterten mich, wollten noch ein allerletztes Mal auflodern, bevor sie ganz erloschen und sich für immer zurück in ihre kleinen Vogelnester verkrochen, wo sie seit Jahren ausharrten, um vom dunklen Licht heimgesucht zu werden. Der Kommentar versetzte mir einen Stich in die Magengegend. Mir war so etwas unangenehm. Ich bin Harmoniemensch, dem Rechthaben und Rechtbekommen nicht wichtig war, solange Frieden und Selbige erhalten blieben. Ich hatte geahnt, dass die Schlange das Zeug dazu hatte, schnell zuschnappen und ihr Gift in Sekundenbruchteilen versprühen zu können.

Ich war das Risiko eingegangen. Naivität und Optimismus sind meist größer als mein Realitätsbezug. Vermutlich hat Piero damit Recht, dass ich Surrealist bin. Den zähneknirschenden Rentner sah ich lächelnd, ein wenig liebevoll an. Eine Menge Bilder und Wörter erstürmten Monsieur Thalamus, wollten rausgelassen werden, drängten ans Licht, wollten den Fehdehandschuh aufgreifen und angemessen antworten. Mittlerweile hatte die nette Bedienung das Kleingeld zusammen und reichte es mir, fast etwas beschämt über den Tresen. Ich sah sie an. Ihre Augen lächelten verzweifelt.

Sie hasste ihren Job, die alten vergrätzten, verbrauchten und ungebrauchten Kreaturen, die Sonderangebote, fünf für den Preis von vier, die ewigen Extrawünsche, die öden und nie enden-wollenden Gespräche über Dinge die niemand hören wollte, geschweige ein zehntes Mal, perfekt abgerundet durch die anzüglichen Witze, von Männern die kaum noch hören und sehen, oder sonst noch etwas konnten. Ich lächelte und wandte mich dem spuckenden Troll zu.

„Leider nicht; ich wünschte ich wäre dort.“ Ich sah die Bedienung und ihr Lächeln und freute mich, an diesem Tag wenigstens einen Menschen zum Lächeln gebracht zu haben.

Einkaufswagen warteten immer noch auf mich. Diesmal klappte es. Sie fraßen die Münzen, als wären es Oblaten zur Kommunion, aber von der Kette lösten sie sich nur ungern. Sogar Einkaufswagen wollten gefangen bleiben. Nur widerwillig ließ er die Kette los. Ungern, fast genauso störrisch wie der Troll, ließ er sich durch die engen Gänge lenken. Da bemerkte ich es: Er war behindert. Eine der Rollen machte nicht mit. Sie schlief noch. Nur hin und wieder drehte sie sich und wenn nur widerwillig, so dass ich mehrmals fast in die Auslagen rauschte und drohte einen entgegenkommenden Wagen samt Fahrer anzufahren. Ich fühlte mich wie im Auto-Scooter. Ich suchte die erste Boje. Olivenöl. Ein paar geschminkte Mädchen schwammen laut schnatternd an mir vorbei, packten Magermilch und eine Hand voll anderer fettarmer Produkte in ihren Wagen und trieben von dannen, immer noch lauthals mit den Augen rollend. Ein Handwerker um die Fünfzig paddelte an mir vorbei, in seinem Wagen eine Kiste Bier, Heringshappen mit rote Beete, Fleischsalat und Leberwurst. Toastbrot, Butter und eine Pornozeitschrift krönten seinen Einkauf. Ein Pärchen schwebte heran, blieb wie ich vor dem Olivenöl stehen.

„Was können Sie empfehlen?“ Ich sah mir weiter die Flaschen an. Sie konnten unmöglich mich meinen. Ich reagierte nicht. Sie räusperte sich, wiederholte die Frage, als wäre sie Margaret Thatcher. „Entschuldigung, könnten sie uns sagen, was Sie uns empfehlen würden?“ Einfach sprachlos konnten mich die Menschen machen. Langsam, wie in Zeitlupe drehte ich mich zu ihr hin, sah direkt in ihre Kuhaugen. Hamburgerin. Grüne gesteppte Jacke, rotes Halstuch, mit Karottenjeans, als käme sie gerade von der Rennbahn. Roter Lippenstift. Strenger Pferdeschwanz, der Gegenwehr nicht gewohnt war. Hohe Wangenknochen, ein wenig slawisch aussehend mit gerader Kleopatra-Nase, umrandet von einem rundlichen Gesicht. Teure Uhr, Ohrringe und ein paar schlichte Ringe. Fuhr wahrscheinlich einen dunklen Range-Rover, vermutlich mit beigem Conolly-Leder. Very british. Könnte eine Freundin von Charlotte sein. Typische Stute aus Blankenese oder Kleinflottbek. Ich lächelte sie an, etwas weniger liebevoll als den Troll.

„Keine Ahnung, ich habe mir die Flaschen noch nicht angesehen.“ Wie manche Menschen so sein konnten, ging mir nicht in den Kopf. Woher sollte ich das wissen? Sah ich aus, als hätte ich Fachwissen? Sie unterhielten sich ein wenig, so wie es Paare machten, die sich schon lange kannten. Ich mochte es nicht hören und ging auf die andere Seite des runden Regals und tat so als würde ich mir die anderen Flaschen ansehen. Da piepte es in meiner Jacke. Ich kam nicht weiter, es war zum Verrücktwerden, im Ernst. Das Paar hinter der Säule unterhielt sich über kaltgepresste Öle und das Alles. Sie hatten unterschiedliche Meinungen, versuchten sich gegenseitig zu überzeugen. Es gelang mir nicht wegzuhören.

„Kaltgepresst erste Pressung ist doch nur ein Teil des Ganzen; das Entscheidende ist die Temperatur.“ Das klang ganz vernünftig, was die Frau erzählte. Ihr Freund oder Mann war da weniger genau. „ Komm schon, so groß können die Unterschiede doch nicht sein; warum sollten wir für den halben Liter Zehn Euro zahlen, wenn wir für vier Euro einen Ganzen bekommen?“ Ich fing an zu lächeln. Sie wurde zornig, schwieg und sah am Regal vorbei, mir direkt in die Augen. Sie war sauer. Ich tat noch immer so, als würde ich die Flaschen genauer betrachten. Mir war das unangenehm, wenn sich Menschen in der Öffentlichkeit zankten und ich dabeistand. Ich fühlte mich dann immer wie in der Schule, wenn ich Vokabeln aufsagen sollte und mich nicht an alle erinnerte. Dann wünschte ich mir einfach wegfliegen zu können. Noch weniger wollte ich direkt neben ihnen stehen und mir die Öle ansehen, während sie sich angifteten. Sie rollte mit den Augen und ließ ihm seinen vermeintlichen Willen. Die Beziehungs-Müdigkeit saß ihnen schon lange in den Knochen, wie lästige Verwandtschaft, die nicht gehen wollte. Stillschweigend zogen sie von dannen. Ich ging um das Regal herum, dachte an meine Olivenbäume, an das was ich wusste und nahm das Teure.

Da bekam ich plötzlich ein paar Einfälle für meine Geschichten und machte mir Notizen, bevor ich sie wieder vergaß. Das konnte mir nämlich manchmal schnell passieren. Danach sah ich auf meinen Einkaufszettel. Zahnpasta, Küchenmesser und Wetzstahl stand da. Essen und Trinken brauchte ich auch. Mit Messern und Wetzsteinen war es wie mit Olivenöl. Oder mit Wein. Eigentlich mit Allem. Tabak und Hülsen brauchte ich auch. Der Strom der Kunden hatte zugenommen. Es war wie vorm Elbtunnel. Alles stand. Ich kürzte durch ein paar querverlaufende Gänge ab und nahm mir vor, mich auf meinen Einkauf zu konzentrieren. Sonst lief ich schnell Gefahr nicht fertig zu werden, im Ernst. Ich ging zum Wein und fand ein paar gute Flaschen. Sechs Eier von Freilandhühnern gab es dazu. Ich fasste sie hier und da an, sah mir ihre glatte Unterseite an, ob sie heil waren. Langsam kam ich in Fahrt. Nachdem ich Räucherlachs und skandinavischen Ziegenfrischkäse gefunden, die laut lachenden Mädchen, und Rentner und grelle Werbung und die schlimme Musik wie aus einem Achtzigerjahre-Porno ausgeblendet hatte, ging ich Richtung Kasse und packte auf dem Weg dorthin Gemüsesaft, Chips und Tomaten ein.

Vor der Kasse war eine Schlange. Da piepte es. Eine weitere Nachricht. Ich sah nach, obwohl ich mich immer ein wenig beobachtet fühlte, seit ich dies Smartphone hatte. Nachricht von Guilia. Ich bekam einen Ständer und steckte mir schnell die Hand in die Hose, damit man ihn nicht sah. Plötzlich ging ein Ruck durch die Schlange. Auf einmal ging es schnell vorwärts. Schon stand ich vorm Laufband. Auch das noch. Er ging immer noch nicht weg. Ausgerechnet jetzt. Ich befühlte meinen Schwanz und bat ihn keinen Ärger zu machen. All meinen Mut zusammennehmend, als würde ich eine Arschbombe vom Zehner machen, zog ich meine Hand aus der Hose und begann das Laufband mit meinen Sachen vollzustellen, gerade so, dass sie direkt vor mir auf dem Band lagen. Es gelang einigermaßen. Der Kunde vor mir, ein Reiter, der sein Pferd zum Glück draußen gelassen hatte, leider aber nicht Stiefel und Hose, die mich irgendwie schnell an Schweinerolle und die hängenden Gärten der Semiramis denken ließen, bezahlte bar und fummelte die krumme Summe aus seiner Tasche zusammen, wobei es jedes Mal eine große Kraftanstrengung für ihn war, die Hand in die zu enge Hose zu stecken. Nach einer halben Ewigkeit war er fertig. Die Menschen hatten manchmal doch Nerven. Ich dachte an die Antarktis, an Holzhacken und an Queen Elisabeth in Strapsen, um mein Gemüt abzukühlen. Die Kassiererin sah mich offen an.

„Hallo. Guten Tag.“ Sie hatte einen neutralen Gesichtsausdruck und ich meine Hand wieder draußen. Alles war gut. Piepen. Eine weitere Nachricht. Das Blut lief wieder aus dem Kopf, die Hand sprang in die Hose zurück. Dann musste ich meine Sachen in den Wagen räumen. Manchmal konnten einfachste Dinge einen erwachsenen Mann die Schamesröte in den Kopf treiben und ihn zu Fall bringen. Plötzlich hatte ich das Gefühl alles würde mich anstarren, so als wäre ich durchsichtig und würde ganz nackt an der Kasse stehen. Ich sah mich um. Mochten es hektische Bewegungen oder Zufall gewesen sein: Es waren einige Augenpaare auf mich gerichtet, im Ernst.

„37, 40 bitte.“ Erleichternd hörte ich die Zahl, wurde dadurch abgelenkt, als würde ich auf dem Amt stehen. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Die Härte wich. Ich war gerettet. Ich zahlte und ging wieder zum Bäcker. Diesmal stand ich in der Schlange. Ich kaufte Brötchen. Fünf für den Preis von Vier. Ich packte alles in meine Taschen und ging langsam nach Hause. Ich hatte das Gefühl gealtert zu sein. Müde ging ich um die letzte Kurve und schloss die Tür zu unserem Flur auf, gerade in dem Moment, als zwei Nachbarinnen mit ihren laut bellenden Hunden runterkamen und sich an mir vorbeidrängten, als hätten sie keine Zeit. Es waren welche von den Zugezogenen; wir waren uns noch nie begegnet.

„Hallo. Sie können gleich hoch, wir sind sofort weg.“ Ein paar übriggebliebene Worte, lagen mir auf der Zunge. Tapfer schluckte ich sie runter, als wäre es Lebertran. Lächeln und nicken; Lächeln und nicken. Ich wollte nur noch hoch in meine Bude, kurz nach der Post sehen. Der Schlüssel hakte, ließ sich nur widerwillig reinschieben. Nach kurzem Gerangel ließ er sich endlich öffnen. Schon seit Tagen kam nichts mehr. Ich war froh und ging erleichtert die Treppe hoch, schwer beladen mit einer Tasche links und einer rechts. Da klingelte mein Handy plötzlich. Ein Anruf, ausgerechnet jetzt! Ich fluchte über die Menschheit, über Technik im Allgemeinen und pöbelte mich die Treppe hoch, die schweren Taschen nicht einmal absetzend. Ich schloss auf, schlich rein und knallte die Tür zu. Ich griff mir eine Zigarette, zündete sie an, atmete fauchend aus. Stille. Endlich. Ich brauchte sie, wie Luft zum Atmen.

Gerade hatte ich die Bohnen fertig gemahlen und goss das kochende Wasser drauf. Ich machte zwei Toastbrote, wollte gerade das Pulver runterdrücken und einschenken, als mir wieder ein paar Ideen kamen. Ich setzte mich und machte mir Notizen. Ich ließ die Kippe aufleuchten, dachte an meine neue Geschichte und sah mir die Zeilen an.

„Er saß rum. Einfach so. Er las nicht und sah nicht fern. Wenn er nicht trank, oder die Decke anstarrte, onanierte er. Manchmal, weil ihm danach war und manchmal aus langer Weile. Mehr zu tun gab es sowieso nicht, wenn man mal von Arbeit, Lotto, Fernsehen und Frauen absah.“

Das klang direkt, mit offenem Visier. Ich fand das gut. Ich wollte wieder ein paar handfeste Geschichten über das Leben schreiben und sah aus dem Küchenfenster. Der Gladiatorenkäfig war immer noch da und die traurigen Vierbeiner hatten immer noch ihr Hundeleben. Was im Radio lief hörte ich, ohne dass es an war. Dass die Allemannen keine Zeit hatten, wusste ich, ohne dabei zu sein. Die Deutschen sind wirklich ein gut organisiertes fleißiges Völkchen, das ein Faible für Vorschriften und Technik  hat. Ich zog an der Zigarette, nahm einen Schluck Café und freute mich auf Toulouse.