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7.Mai – Wahres Leben – Odyssee 2023

Es passierte gestern. Kumpel F. und ich hatten uns zur medialen Aufgeregtheit in Sachen Stuckrad-Barre ausgetauscht. Treffender und nüchterner als ich, ordnete er den derzeitigen Tumult ein, was mir doppelt guttat.

Zum Einen zeigte es mir die Tatsache auf,

dass meine Übersicht des deutschsprachigen Literaturmarktes nach wie vor unverändert, mit einer derart rudimentären Ungepflegtheit daherkommt, was mich zugegebenermaßen dennoch wenig einlädt etwas dagegen zu unternehmen,

sondern im Gegenteil,

das Ergebnis multifunktionaler Langeweile und tiefverwurzelter Ablehnung gegenüber Mainstream bleibt, ohne genau festzulegen was genau ich mit Mainstream meine, was F. selbstverständlich weiß, aber nonchalant wie immer gekonnt übergeht und höflich, diskret und nüchtern wie er ist, weder

kommentiert noch interpretiert

ins kosmische Klassenbuch der Zeit eintrug, so wie man Bekannte, Familienmitglieder, Freunde, oder auch unbekannte Menschen Dank Kinderstube, Höflichkeit und Achtsamkeit, nicht auf den Popel im Nasenloch, die Laufmasche in der Nylonstrumpfhose, den offenen Hosenschlitz,

den ungeplanten Rülpser und Furz,

oder die beharrlich insistierende jugendliche Akne hinweist. Auch heißt es mitnichten, das mein lieber Kumpel F. an Mainstream interessiert ist, sondern das seine Übersicht und sein Horizont zu dieser Thematik besser entwickelt sind, als die Meinigen, was ich nur schwerlich aufholen dürfte.

Und zum Anderen,

wie schnell ich mich von alltäglichem Lärm ablenken lasse. So erkannte ich, dass es bei aller Disziplin und Arbeit am geschriebenen Wort, natürlich nahezu überlebenswichtig für die eigene Kreativität und Inspiration ist, regelmäßig auf Abstand zu gehen,

ich nenne es, ‘ne Runde fliegen gehen,

um sich von Medien-Tsunamis nicht vereinnahmen, runterziehen, ja gänzlich metaphorisch gesprochen, nicht unterdukern zu lassen. Ganz besonders, wenn man genug zu tun hat. Zu schnell verlaufe ich mich in meinem Gedächtnispalast, wo dann

sämtliche Türen und dunkle Schächte auffliegen,

je nachdem wo ich langlaufe, bis ich betrunken vor Rennerei, Erinnerungen und Eindrücken, die Orientierung verliere und mich von meiner Aufgabe entferne, nicht selten ablenken lass, bis ich weinselig im Bett liege. Auf diesem Erlebnis kaute ich rum.

Heute morgen dann – Heureka – die Befreiung.

Wie ein Phönix aus der Asche. Neun Stunden schlief ich tief und fest. Ich träumte üppig, intensiv und bunt, welch ein Geschenk. Beim Wachwerden fuhr mir ein Geistesblitz, ein Gedanke in die Glieder, den ich sofort raus ließ:

„Bleibt mir vom Leib,

mit Kriegen, Mord und Totschlag; verschont mich mit dem Neusten von Emmanuel, Olaf, Christine, Robert, Uschi, Wladimir, Elon, Julie, Wim, Mathias, Hillary, Bastian, Julian, Alice, Klima und dem Wäldersterben;

bleibt mir gestohlen,

mit eurer Aufgeregtheit, eurer falschen Empörung, die uns alle nur ablenkt, wo wir doch genug mit uns selbst zu tun haben, noch dazu gibt‘s so unendlich viel Unbekanntes, was wir nicht wissen, gekostet und ausprobiert haben, und sei es,

ein Tag Müßiggang,

um ungeplant, ohne gnadenlos effizienten Plan in den Tag zu leben. Genau das und ein wenig mehr nahm ich mir vor. Gemütlich Kaffee trinken, Zeitung lesen, aus’m Fenster schauen, Nelken-Wasser nippend, meine Lilien bewundernd.

„Welch Luxus!“,

dachte ich, als ich um 10 wach wurde, mir ’ne kleine Poesie-Sammlung von Konstantinos Kavafis griff, um darin zu schmökern. Ich nahm mir vor „Ewigkeit“ in Griechisch auf Papier zu schreiben, aus Freude und Hingabe für

schöne Worte und berührende Sprache.

„Glück muss nicht groß sein“, dachte ich, wenngleich das hier erwähnte für ungezählt viele Menschen unerreichbar im Leben blieb. „Ich weiß“, seufzte ich andächtig, schwieg, stand auf, machte mir Kaffee und tat, wie mich mein Geist bereits anwies.

Drei Stunden lang – herrlich.

Um 13 Uhr erinnerte mich die Schließung unseres Marktes in Les Carmes daran, dass es eben doch Dinge gibt, wo wir abhängig sind, wie zum Beispiel Öffnungszeiten, Flüge, Versicherungen, Beerdigungen und andere Dinge, die zum grauen Alltag zählen.

„Für frisches Gemüse musst du dich bewegen!“,

sprach ich, sprang in meine Schuhe, schwang mir Rucksack und Jacke über und schlenderte rüber. MÄRKTE – das wirklich wahre unverfälschte Leben. Hier sind wir alle gleich. „Schau nur die leidenschaftlichen Marktbeschicker,

ihre großen Herzen und leeren Bäuche“,

seufzte ich, beim Bestaunen der vielen bunten Stände, hier Fische, Oktopusse, aufgeschnittene Thunfische, eisgekühlte Austern, orange leuchtende Gambas, dort bordeauxrot gereiftes Rindfleisch, Berge von Würsten, Töpfe voller Rillette, Foie Gras, und Pasteten, nebenan mein Gemüse-Mann, dahinter der sprachlos machende Käsestand, wunderschöne Reizüberflutung.

„Hier zählen keine Diplome“,

oder anderer Unfug, hinter denen wir uns verstecken, in der Hoffnung von ihnen aufgewertet zu werden, dass unser Selbstbewusstsein daran wächst, wie eine Weinrebe, sich stetig an Allem entlang, möglichst hochrankend, immer höher, noch höher, bis wir glauben den Göttern nahe,

für Besseres, für Höheres geboren worden zu sein.

Dabei sitzen wir auf der gleichen Toilette. Hose runter, „ist genug Papier da?“, ach-ja, das ist schön, alle Formen von Hosen in Knien oder Knöcheln, mit und ohne Bier und Zeitschrift, Hauptsache wohlfühlen; Märkte, Klo’s und Motorräder machen Menschen gleich, brüderlich und ebenbürtig.

Dazwischen Heulen und Zähneklappern,

bis das der Tot uns scheidet. Nicht heute, oder morgen, aber dennoch ganz bald, wirklich, ganz bestimmt. Was fangen wir solange an? WAS? Aufregen über Nachbarn, weil sein Apfelbaum über’n Zaun wächst? Weil wir früher in der Schule verprügelt, im Sport als Letzter gewählt wurden? Weil schräge Vögel bleiben was sie immer waren,

nämlich schräge und komisch?

Oder doch lieber alles im Hier und Jetzt abstreifen, erkennend, „wir sind immer noch da, halbwegs bei Sinnen, mit Resten von Verstand, könn‘ alleine auf Klo gehen, kochen was wir wollen, tolle Weine nachschenken, Männern und Frauen staunend hinterhersehen,

ich muss nicht zum Mars…

05.März – Baals Sprachverwirrung – Odyssee 2023

Meine Freundin wohnt seit ein paar Monaten in einem anderen Haus. Sie hat drei neue Nachbarn. Einer von ihnen, längste gemeinsame Grenze, hat einen kugelförmigen Webergrill. Bei näherer Beobachtung ist mir aufgefallen, dass alle Nachbarn diesen Typ Grill haben. Als ich neulich hinters Haus meiner Freundin schaute,

erblickte ich noch so einen.

Ihre Lang-Grenzen-Nachbarn haben Hund und Katze, keine Kinder. Herr Nachbar ist ungefähr 185 Zentimeter groß und kräftig gebaut, vielleicht Ende Vierzig. Oft steht er auf der Terrasse neben einer großen Holzkabeltrommel, auf der ihr Husky gerne liegt, und geht nach einer Weile in Arbeitshose und Plastikbotten in den Garten.

Dort sieht er nach dem Rechten,

wackelt am Zaun, bückt sich hin und wieder, zupft einen langhalsigen Löwenzahn heraus und  schiebt seinen Grill ein paar Zentimeter nach vorn, hinten, links oder rechts. Viel verändert sich nicht im Garten, aber er sieht danach zufriedener aus.

Vielleicht ist er Bauarbeiter,

Feuerwehrmann, KFZ-Meister oder LKW-Fahrer, bestimmt kein Bankfilialleiter, Notar, Anwalt, oder Zahnarzt. Dafür ist er zu still und unauffällig. Sein wettergegerbtes sommersprossiges Allerweltgesicht, rasiert er gerne selten. Auf dessen Spitze thront eine blonde Mütze, blaue Augen bestaunen die Welt.

Seine Gattin sieht man selten.

Liegt vermutlich an ihren gesundheitlichen Problemen. Sie hat Übergewicht. Es stimmt, dass Französinnen pingelig mit ihrer schlanken Linie sind, dass 5 Kilo eine mittelschwere Katastrophe sind, die man abhungert, oder sonst wie weg macht.

Daher soll hier nur am Rande erwähnt werden,

dass ich im Fall unserer Langgrenzen-Nachbarin von 50, statt 5 Kilo spreche. „Du meine Güte, die Arme!“, höre ich mich regelmäßig sagen, wenn mein ganzes Selbst die Frau Nachbarin erfasst. „Bestimmt eine Stoffwechselgeschichte…“, denke ich noch hinterher. Ausgesucht freundlich ist sie, zu allen, so etwas von zuvorkommend, nein wirklich.

Für Kinder hat sie immer flotte Wort übrig.

Im Vergleich zu den meisten Menschen, die ich im Laufe meines kurzen Lebens beobachten durfte, fallen die Nachbarn meiner Freundin unglaublich auf, weil sie so leise sind und so ganz und gar nicht – auffallen.

Nie hört man sie streiten oder fluchen.

Selbst ihr junges Husky-Weibchen bellt nie. Hin und wieder quiekt sie vor Freude, wenn Herrchen mit ihr spielt. Vor Kurzem hat er Rasen gemäht, erster und einziger Moment, wo es laut wurde. Der Nachbarsgarten meiner Freundin ist nicht sonderlich schön, dafür aber gepflegt. Immer stehen Autos und Mülltonnen akkurat geparkt.

Selten sieht man sie zusammen draußen.

Hund und Katze übernehmen ihre Draußen-Aktivitäten. Oft läuft das Husky-Mädchen vergnügt im Kreis herum, oder buddelt imaginäre Geheimnisse aus, wenn sie sich langweilt. Nebenan fühlen sich alle wohl, Katze eingeschlossen. Wir kennen keine Namen von Mensch und Tier, aber es schein ihnen wichtig zu sein, trotz Zufriedenheit,

unauffällig leise und still leben zu wollen.

Ich finde das angenehm. Auffällig erscheint mir stattdessen, dass die meisten sprechenden Menschen höhere Aufmerksamkeit benötigen, als Lebewesen die wenig, oder gar nicht plaudern. Ich habe mal an ’nem Kommunikationstraining teilgenommen, wo man zeigte, warum sich Taubstumme in multikultureller Umgebung viel erfolgreicher austauschen,

als sprechende Durchschnittsbürger.

Oft denke ich daran, bemerke ich doch immer regelmäßiger, wieviel wachsenden Aufwand es heute bedarf, um sich erfolgreich auszutauschen. Angenehm in Sachen Austausch ist mir zur Zeit die Nachbarskatze. Wir haben sie Fili getauft.

Sie scheint uns zu mögen.

Oft schaut sie vorbei, beinahe täglich. Letztens hat sie ihre erste Nacht bei uns verbracht. Genau wie ihre Besitzer ist auch sie respektvoll und höflich. Mittlerweile kommt sie täglich vorbei. Alle anderen machen viel Lärm. Quietschende Reifen beim Anfahren, lautes reden, rufen und Türen schlagen.

Man parkt Straßen zu,

redet per Lautsprecher ins Handy an der Kasse, reden, um den Kropf zu leeren. Vermutlich gehen wir alle zu wenig raus und treffen zu wenig Leute. Wo findet man zufriedenes Leben und Müßiggang?

Bei den Nachbarn nebenan…..

Absurde Unaussprechlichkeit – Odyssee 2021 CW28

18.Juli – D saß, wie meistens, in seiner Wohnung und schrieb. An seinem aktuellen Buch arbeitete er jedoch nicht, stattdessen an einem Brief, den er getrieben von Verzweiflung aufsetzte. Seit geraumer Zeit traute er sich selbst nicht mehr über den Weg, ob er dem Leben auf angemessene Art begegnete, oder, wie er tief drinnen befürchtete, lediglich animalisch reagierte, so wie eine Ratte, die am Morgen Hunger verspürt und ihren Bedürfnissen nachgeht.

„Lieber Ede – wie geht es dir?

Stimmt, das ist eine bescheuerte Frage, beesonders zum Anfang. Wie soll es einem hochsensiblen, hypochondrischen männlichen Homo-Intellektualis schon gehen, in Zeiten wie diesen, in denen man Barcodes auf bunten Mülltonnn bestaunt; nehm daher zur Kenntnis, dass ich diese Frage zurückziehe, denn während ich darüber so nachdenke, merke ich, dass es eine rein der Höflichkeit geschuldete Phrase ist, die mir unbewusst über Lippen und Finger kam; daher, sehe es mir nach und betrachte das Zurückziehen nicht gleich als Schuldeingeständnis, sondern eher als meine, in letzter Sekunde wachgewordene Achtsamkeit, die ich wie einen Regenschirm über uns aufspanne.

Wie soll ich anfangen?

Selbst mit dieser Frage, stelle ich mir Labyrinth und Falle zugleich auf; vielleicht ist „wie“ nicht die jenige welche, sondern eher „warum“ oder „womit“ die Passendere, vielleicht Richtigere, kennst du doch meine Vorsicht, nicht zu schnell, wenn es schon denn sein soll, zu urteilen.

Eigentlich findet man kaum noch Menschen, mit denen ,man angenehm reden kann; alles ist auf dem Sprung, man ist nur solange irgendwo, bis einen der innere Projektplan zum nächsten Meilenstein jagt, ganz unabhängig davon betrachtet, ob wir ähnliche Begrifflichkeiten und Inhalte verwenden, um einander zu verstehen – einfach furchtbar!

Alles ist nur noch Fassade und bleibt auf der ersten, oder mit Glück in der zweiten Oberflächenschicht stecken; ich hab das Gefühl, in einem sich ewig wiederholenden Theaterstück zu sein, wo zwar Rollen, ebenfalls zwischen Zuschauern und Akteuren ständig wechseln, ich aber ihre Mechanismen und Prinzipien schon aus weiter Ferne meine riechen und spüren zu können.

Wenn ich zum Beispiel schreibe, „der glänzende Blütenstempel der weißen prallen Lilie, mit der im Kreis sie bewachende Wachstandarte der stramm stehenden Blütenstaubtentakeln, die er im Eingangsbereich des Blumenhändlers zusammen mit den anderen hell-leuchtenden betörenden Lampenschirmen von Mutter Natur stehen sah…“ dann hoffe ich inständig, dass alle Leser ähnliche Gefühls-, Bild- und Raumvorstellungen haben wie ich, was jedoch nur funktioniert, wenn man zum Beispiel weiß, was eine Lilie ist und – idealerweise – wie sie aussieht.

Es ist, als würde man über den Sinn des Lebens nachdenken, während man an einem Bissen Entrècôte kaut und – zumindest wenn man Franzose ist – zu viel Senf auf den blutigen Brocken gestrichen hat, der einem jetzt brennend in die Nase fährt und man sich darüber wundert, obwohl man selbst der Jenige zu sein schien, der die vermeintliche Verfeinerung des Fleisches, beschloss und durchführte.

Ein wenig so, wie bei Proust und seiner Madeleine.

Auf den ersten Blick mag man sich darüber unterhalten, oder zumindest nachdenken, wieso man zu viel drauf getan hat – z.Bsp: War man mit den Gedanken woanders, oder weswegen und womit, also mit welchem Thema und Objekt, konnte man abgelenkt sein, wenn man doch die Speise so sehr mag?

Aber selbst das, ist nur eine von vielen ablenkenden Facettenfragen, weil die wirkliche Rindfleisch-Senf-Betrachtung ist ja die Kombination selbst; wieviel Senf verträgt ein spezifisches Stück, um als verfeinert zu gelten?

Oder ist die Nutzung per-se schon zu vermeiden, weil der Geschmack des dunklen Fleisches so fein ist, dass man ihn höchstens mit Butter unterstreichen sollte – du verstehst was ich meine?

Und selbst dann, kannst du nicht mit Gewissheit sagen, wie harmonisch sich diese Thematik in deine Sinn-des-Lebens-Gedanken-Pyramide integrieren lässt, weil du eigentlich längst hättest wissen können, das dein Leben als solches sowieso völlig absurd ist, dass es ganz irrelevant ist, was du tust, trinkst, isst usw., dass daher die Betrachtung – wieviel Senf gut, oder gar, wie es ohne ihn gewesen wäre – reines Entertainment, und eben nicht, Müßiggang ist.

Wenn wir ein klares Verständnis von Relevanz haben, ändert sich wirklich und wahrhaftig alles!

Aber noch einmal, Ede: Wie also beginnen?

Ich jedenfalls weiß es nicht, verdammt noch mal…!

Neulich fragte eine Freundin, warum ich das Gefühl hätte, dass meine Freiheit als Mensch, immer weiter eingeschränkt würde. Ich könne doch weiterhin herumfliegen und alles tun und lassen was ich möchte – das brachte den Stein ins Rollen.

Was ist Freiheit?

Ist es ein Gefühl? Oder schlicht eine Frage des Fokus? Beschreibe ich, oder denke ich über etwas nach, was seine äußere Erscheinung, unser gesellschaftliches Verständnis ist, oder versuche ich wirklich seine Charakteristik zu untersuchen und zu verstehen?

Alleine das, lässt sich kaum sagen und schreiben.

Weil es schon alleine vom genutzten Wortschatz abhängt und wie ihn mein Gegenüber anwendet. Nehm mal das heikle Thema Altenpflege. Jeder weiß, dass dort nach den Gesetzen des Heuschrecken-Kapitalismus das Pflegepersonal ausgebeutet wird, dass die Senioren dort ungenügend versorgt werden, und man mit Staatsgeldern und gewinnmaximierenden Methoden – häufig geraten von ebenso warmherzigen, hochbezahlten Consultants – nicht nur abkassiert, sondern das Ganze auch stillschweigend duldet.

Frage ist – wieso?

Weiß es jemand? Ist es den Wissenden egal? Oder ist man betroffen, versteckt sich aber hinter dem gleichen Schutzmechanismus, der mich als unfähig und natürlich unschuldig ausweist, so wie meine Unfähigkeit wahrhaftig zu erkennen, dass ich ständig zu viel Senf auf mein Entrécôte nehme, oder gar vielleicht sogar Senf nur als „mögend“ erkennen muss, weil ich von Kindesbeinen an einprogrammiert bekommen habe, dass Senf gut und lecker ist, wie es einst Eltern, Onkel und Tanten gebetsmühlenartig wiederholten, dass beim bloßen Gedanken an Senf, das Wasser im Mund zusammenläuft, wie dem Köter von nebenan, wenn er hört, wie Herrchen die große Blechdose Hundefutter unwirsch auf den Napfrand knallt?

Du siehst Ede, die Lage ist verzweifelt – noch dazu hoffnungslos!

Aber immerhin haben wir guten Wein und ein paar Worte, um uns – bei ausreichender Qualität natürlich – ein wenig zu verewigen.

Es ist ein wenig so, wie wenn man von immer mehr Straßenringen, mit den dazugehörigen Blöcken umgeben wird; man will irgend wo hin und muss anstatt vor einer Ampel, plötzlich vor drei oder fünf Ampeln warten, oder irgendwelche Dinge wie – Accept-all-Tasten – drücken, bevor man weiterleben darf.

Die Frage ist nicht, wie diese neuen Ampeln und die damit verbundenen Anwohner, mit ihren Wohnungsblöcken über Nacht dahin kamen, sondern, du musst eigentlich erst mal sichergehen, dass es die nicht vielleicht schon früher gab, du sie nur nicht gesehen hast, weil du entweder noch nicht gut, oder scharf genug sehen konntest, weil man sie schlicht nicht wahrgenommen hat, wie jedes Objekt, dass dir noch nicht vorgestellt wurde – was im Umkehrschluss natürlich genauso funktioniert:

Kann ein Leben ohne Senf auf meinem Rindersteak wirklich funktionieren? Kann ich es mir zumindest vorstellen….?

Bis bald Ede – halt dich tapfer….“

Prost – nicht Proust!

Dein D.

Ei mit Schale – Odyssee 2021 CW25

27.Juni – Die Fußballeuropa-Meisterschaft 2021 nennt man Euro 2020; das D das beschäftigte lag daran, dass er einem offenkundig gebildeten Mann darlegen musste, dass Ursachen nicht automatisch Lösungen bereithielten und das Menschen, die Neugier demonstrierten, nicht automatisch eben solche tatsächlich empfinden mussten.

Irgendwann landeten sie in der schlüpfrigen Ecke der Emotionen.

Als der hochsensible und hochgebildete Mensch die steile These in den kalten, einsamen und stillen Weltraum formulierte, dass D beim Kommunizieren wenig Empathie, geschweige Emotionen, preis von sich geben würde, da war dann wieder einmal der bekannte Ofen für D aus!

Wie war das bloß möglich, dass man so verquer denken, oder gar sprechen konnte?

Man musste doch sagen können, dass Wasser nass und Bäume grün sind, ohne sich anhören lassen zu müssen, das man diese Fakten zu nüchtern kommuniziert haben könnte, was im Grunde nicht wirklich etwas Überraschendes ist, weil es sich tatsächlich um etwas Faktisches handelte. Es ist quasi unmöglich etwas so rationales wie – Wasser ist nass – in eine romantische Sache zu verwandeln, ohne dabei wie ein sexistischer Vollidiot zu wirken!

Sprache – so bemerkte D wieder einmal sorgte dafür, dass wir unseren Weg finden, oder ihn eben alternativ zum Finden, verlieren. Im Französischen bekommt man ein gekochtes Ei zum Frühstück, wenn man es als Oeuf a la coque beschreibt; in Wahrheit heißt es, ein „Ei in Schale“ was gar nichts über den Zustand des Eies selbst sagt, wenn man es zum Beispiel weich haben möchte – dennoch heißt es in den meisten Fällen, dass es eben schon eher wachsweich ist, als sonst irgendtwas.

Im Deutschen fragt man, ob man sein Ei weich oder hart haben will, weil man voraussetzt, dass alle wissen, dass Selbiges mit Schale aus den Gedärmen des Huhns kommt.

Sonst könnte man ja anfangen auf Ideen zu kommen, wie zum Beispiel – ich hätte gerne Kartoffeln mit Schale – oder unendlich viele andere Alternativen, des gemeinen Alltagsverständnis, bis hin zum Neuwagen, der Luft in den Reifen hat, um ein paar industrielle Beispiele zu nennen – weil man dazu übergegangen ist, allgemein Verständliches nicht mehr näher zu erläutern, was dazu führt, dass man eine weiterentwickelte Sprache vorfindet, ohne dass man Außenstehende ausgrenzt.

Was das alles mit dem Leben zu tun hatte, hat, oder mit der Sprache als solche? Das wusste D schon lang nicht mehr. Deswegen schreibt er ja auch lieber, als er spricht……