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Absurde Unaussprechlichkeit – Odyssee 2021 CW28

18.Juli – D saß, wie meistens, in seiner Wohnung und schrieb. An seinem aktuellen Buch arbeitete er jedoch nicht, stattdessen an einem Brief, den er getrieben von Verzweiflung aufsetzte. Seit geraumer Zeit traute er sich selbst nicht mehr über den Weg, ob er dem Leben auf angemessene Art begegnete, oder, wie er tief drinnen befürchtete, lediglich animalisch reagierte, so wie eine Ratte, die am Morgen Hunger verspürt und ihren Bedürfnissen nachgeht.

„Lieber Ede – wie geht es dir?

Stimmt, das ist eine bescheuerte Frage, beesonders zum Anfang. Wie soll es einem hochsensiblen, hypochondrischen männlichen Homo-Intellektualis schon gehen, in Zeiten wie diesen, in denen man Barcodes auf bunten Mülltonnn bestaunt; nehm daher zur Kenntnis, dass ich diese Frage zurückziehe, denn während ich darüber so nachdenke, merke ich, dass es eine rein der Höflichkeit geschuldete Phrase ist, die mir unbewusst über Lippen und Finger kam; daher, sehe es mir nach und betrachte das Zurückziehen nicht gleich als Schuldeingeständnis, sondern eher als meine, in letzter Sekunde wachgewordene Achtsamkeit, die ich wie einen Regenschirm über uns aufspanne.

Wie soll ich anfangen?

Selbst mit dieser Frage, stelle ich mir Labyrinth und Falle zugleich auf; vielleicht ist „wie“ nicht die jenige welche, sondern eher „warum“ oder „womit“ die Passendere, vielleicht Richtigere, kennst du doch meine Vorsicht, nicht zu schnell, wenn es schon denn sein soll, zu urteilen.

Eigentlich findet man kaum noch Menschen, mit denen ,man angenehm reden kann; alles ist auf dem Sprung, man ist nur solange irgendwo, bis einen der innere Projektplan zum nächsten Meilenstein jagt, ganz unabhängig davon betrachtet, ob wir ähnliche Begrifflichkeiten und Inhalte verwenden, um einander zu verstehen – einfach furchtbar!

Alles ist nur noch Fassade und bleibt auf der ersten, oder mit Glück in der zweiten Oberflächenschicht stecken; ich hab das Gefühl, in einem sich ewig wiederholenden Theaterstück zu sein, wo zwar Rollen, ebenfalls zwischen Zuschauern und Akteuren ständig wechseln, ich aber ihre Mechanismen und Prinzipien schon aus weiter Ferne meine riechen und spüren zu können.

Wenn ich zum Beispiel schreibe, „der glänzende Blütenstempel der weißen prallen Lilie, mit der im Kreis sie bewachende Wachstandarte der stramm stehenden Blütenstaubtentakeln, die er im Eingangsbereich des Blumenhändlers zusammen mit den anderen hell-leuchtenden betörenden Lampenschirmen von Mutter Natur stehen sah…“ dann hoffe ich inständig, dass alle Leser ähnliche Gefühls-, Bild- und Raumvorstellungen haben wie ich, was jedoch nur funktioniert, wenn man zum Beispiel weiß, was eine Lilie ist und – idealerweise – wie sie aussieht.

Es ist, als würde man über den Sinn des Lebens nachdenken, während man an einem Bissen Entrècôte kaut und – zumindest wenn man Franzose ist – zu viel Senf auf den blutigen Brocken gestrichen hat, der einem jetzt brennend in die Nase fährt und man sich darüber wundert, obwohl man selbst der Jenige zu sein schien, der die vermeintliche Verfeinerung des Fleisches, beschloss und durchführte.

Ein wenig so, wie bei Proust und seiner Madeleine.

Auf den ersten Blick mag man sich darüber unterhalten, oder zumindest nachdenken, wieso man zu viel drauf getan hat – z.Bsp: War man mit den Gedanken woanders, oder weswegen und womit, also mit welchem Thema und Objekt, konnte man abgelenkt sein, wenn man doch die Speise so sehr mag?

Aber selbst das, ist nur eine von vielen ablenkenden Facettenfragen, weil die wirkliche Rindfleisch-Senf-Betrachtung ist ja die Kombination selbst; wieviel Senf verträgt ein spezifisches Stück, um als verfeinert zu gelten?

Oder ist die Nutzung per-se schon zu vermeiden, weil der Geschmack des dunklen Fleisches so fein ist, dass man ihn höchstens mit Butter unterstreichen sollte – du verstehst was ich meine?

Und selbst dann, kannst du nicht mit Gewissheit sagen, wie harmonisch sich diese Thematik in deine Sinn-des-Lebens-Gedanken-Pyramide integrieren lässt, weil du eigentlich längst hättest wissen können, das dein Leben als solches sowieso völlig absurd ist, dass es ganz irrelevant ist, was du tust, trinkst, isst usw., dass daher die Betrachtung – wieviel Senf gut, oder gar, wie es ohne ihn gewesen wäre – reines Entertainment, und eben nicht, Müßiggang ist.

Wenn wir ein klares Verständnis von Relevanz haben, ändert sich wirklich und wahrhaftig alles!

Aber noch einmal, Ede: Wie also beginnen?

Ich jedenfalls weiß es nicht, verdammt noch mal…!

Neulich fragte eine Freundin, warum ich das Gefühl hätte, dass meine Freiheit als Mensch, immer weiter eingeschränkt würde. Ich könne doch weiterhin herumfliegen und alles tun und lassen was ich möchte – das brachte den Stein ins Rollen.

Was ist Freiheit?

Ist es ein Gefühl? Oder schlicht eine Frage des Fokus? Beschreibe ich, oder denke ich über etwas nach, was seine äußere Erscheinung, unser gesellschaftliches Verständnis ist, oder versuche ich wirklich seine Charakteristik zu untersuchen und zu verstehen?

Alleine das, lässt sich kaum sagen und schreiben.

Weil es schon alleine vom genutzten Wortschatz abhängt und wie ihn mein Gegenüber anwendet. Nehm mal das heikle Thema Altenpflege. Jeder weiß, dass dort nach den Gesetzen des Heuschrecken-Kapitalismus das Pflegepersonal ausgebeutet wird, dass die Senioren dort ungenügend versorgt werden, und man mit Staatsgeldern und gewinnmaximierenden Methoden – häufig geraten von ebenso warmherzigen, hochbezahlten Consultants – nicht nur abkassiert, sondern das Ganze auch stillschweigend duldet.

Frage ist – wieso?

Weiß es jemand? Ist es den Wissenden egal? Oder ist man betroffen, versteckt sich aber hinter dem gleichen Schutzmechanismus, der mich als unfähig und natürlich unschuldig ausweist, so wie meine Unfähigkeit wahrhaftig zu erkennen, dass ich ständig zu viel Senf auf mein Entrécôte nehme, oder gar vielleicht sogar Senf nur als „mögend“ erkennen muss, weil ich von Kindesbeinen an einprogrammiert bekommen habe, dass Senf gut und lecker ist, wie es einst Eltern, Onkel und Tanten gebetsmühlenartig wiederholten, dass beim bloßen Gedanken an Senf, das Wasser im Mund zusammenläuft, wie dem Köter von nebenan, wenn er hört, wie Herrchen die große Blechdose Hundefutter unwirsch auf den Napfrand knallt?

Du siehst Ede, die Lage ist verzweifelt – noch dazu hoffnungslos!

Aber immerhin haben wir guten Wein und ein paar Worte, um uns – bei ausreichender Qualität natürlich – ein wenig zu verewigen.

Es ist ein wenig so, wie wenn man von immer mehr Straßenringen, mit den dazugehörigen Blöcken umgeben wird; man will irgend wo hin und muss anstatt vor einer Ampel, plötzlich vor drei oder fünf Ampeln warten, oder irgendwelche Dinge wie – Accept-all-Tasten – drücken, bevor man weiterleben darf.

Die Frage ist nicht, wie diese neuen Ampeln und die damit verbundenen Anwohner, mit ihren Wohnungsblöcken über Nacht dahin kamen, sondern, du musst eigentlich erst mal sichergehen, dass es die nicht vielleicht schon früher gab, du sie nur nicht gesehen hast, weil du entweder noch nicht gut, oder scharf genug sehen konntest, weil man sie schlicht nicht wahrgenommen hat, wie jedes Objekt, dass dir noch nicht vorgestellt wurde – was im Umkehrschluss natürlich genauso funktioniert:

Kann ein Leben ohne Senf auf meinem Rindersteak wirklich funktionieren? Kann ich es mir zumindest vorstellen….?

Bis bald Ede – halt dich tapfer….“

Prost – nicht Proust!

Dein D.

Absurdistan – Odyssee 2020 CW53

03.Januar – D kratzte sich am Kinn und sah aus dem Fenster. Irgendwo weit hinten am Horizont, sah er das Jahr 2020 zu Ende gehen. D fragte sich, was ihm am Meisten in Erinnerung geblieben war; es sollte keine Nano-Sekunde dauern, da kannte D die Antwort: Den wahren echten Deutschen Qualitäts-Pessimismus, sollten sich die lieben Deutschinnen und Deutschen patentieren und rechtlich schützen lassen.

Nirgendwo wuchs und gedieh er so wundervoll, trug so pralle Früchte und bekam so viele Kinder, wie im Land der untergehenden Solidarität und Sozial-Leistung.

Was nutzte es, wenn man im europaweiten Ranking seit Jahren immer Erster blieb, egal, ob es sich um das Gesundheitssystem, Bahn, Post, Wasserversorgung oder sonst etwas handelte, wenn man diese Europa-Exzellenz nicht täglich spüren konnte?

Welche Bürgerinnen und Bürger interessierten sich für all jenes, wo man bereits Best-in-class war, wo es noch so viel Verbesserungspotential gab? Was nützte es, wenn es dir so gut geht, dass alle Nachbarländer vor Neid erblassen? Eben: Gar nichts!

Neid musste man sich zwar verdienen, aber wer gewohnt ist im klimatisierten SUV seinen täglichen Arbeitsweg auf gut ausgebauten Straßen zu fahren, der bemerkt oftmals nicht mehr, in was für einem sicheren, gesunden und großartig entwickelten Land er lebt.

Wie kann Alice sich bewusst machen, dass sie bereits im Wunderland ist? Wie können Ken und Barby neu erlernen, das sie schon lange im Paradies leben? Wie?

D wusste es nicht.

Stattdessen zog er sich die miesepetrigen Gesichter seiner deutschen Mitmenschen rein, die spazieren gingen und vor roten Ampeln, Bäckereien, Supermarktkassen und anderen Bedürfnissen ungeduldig warteten, weil ihnen mit jeder verrinnenden Sekunde ihrer Lebenszeit ihr inneres Licht mehr und mehr aufging, dass sie noch viel weiter entfernt von ihrer Freizeitoptimierung entfernt waren, als sie bis eben dachten.

Längst hatten sie begonnen an ihren mentalen Fingernägeln zu kauen, während sie ungeduldig mit den Hufen scharrten, dass sie sich so stark elektro-statisch aufluden, dass es bei jeden Berührungen knallte, dass es Blitzte und Krachte, als hätte Nikola Tesla höchst persönlich die Spannung angelegt.

Wieso konnte weder der gemeine Alltags-Troll, noch seine nicht weniger mies gelaunte Partner-Trollin ihr Leben nicht einfach genießen und sich daran erfreuen? Warum war es nie genug?

Warum langte es nicht, dass wir in jedem verfluchten Supermarkt Lebensmittel einkaufen konnten, die wir zum Leben brauchten, dass wir Musik hören, sowie Bücher lesen oder schreiben durften und dabei leckere Weine zu genießen vermochten? Warum nicht?

D wusste es nicht.

An und für sich hatte D ein großes Herz für übellaunige Menschen. Miesepeter und Pestesel mochte D im Grunde sehr gerne; sich seine Welt muffelig und mieslaunig täglich neu zu erschließen, verstand D nur allzu gut.

Es steckte ein für D gut verständlicher Schutzmechanismus dahinter, den sich so großartig fluchende Wetterhexen wie D‘s Nachbarin burggrabenähnlich um sich gezogen hatten, um sicherzustellen, dass wirklich nur die feine kleine Auswahl Prädikats-Freunde die selten runtergelassene Zugbrücke überquerten, um den mühselig erkämpften Burgfrieden zu stören.

So lange jede wandelnde Fluchkanonade bewusst umschalten konnte und das Genießen des Lebens hinter runtergelassenen Jalousien weitergenoss, war für D alles in Ordnung; wenn jedoch der dunkle Rappen die eigene Kutsche immer stärker und stärker zog und der leuchtende Schimmel nicht mehr die Richtung vorgeben, sondern nur noch brav mittraben durfte, wie es oft der Fall war, im Land der Gartenzwerge und Hilfs-Sheriffs, dann bemerkte der Kutscher oft zu spät, dass er gerade dabei war, sich seine heile Welt schlicht und ergreifend selbst zu zerstören.

Qualitätsmerkmale wie solch herrliche liebte D an seinen deutschen Mitbürgern. Ja wirklich! Unzufriedene und wutschnaubende Germanen mochte D aus tiefstem Herzen.

Bei so vielen Wutkanälen im TV, so vielen Wut-Zeitungen und Wut-Medien im Allgemeinen, hatte man in Wut-Land erfolgreich sichergestellt, dass die durstigen Pflanzen des Zorns nicht vertrockneten, sondern stattdessen reichlich Nahrung bekamen.

Zur Stimmungsverbesserung hob man zusätzlich noch regelmäßig die Steuern an, oder unterstützte nach leibeskräften andere spaßfördernde Maßnahmen, wie die Einführung von Tempolimits, Spritkostenerhöhungen, Parkplatzmangel, Minuszinsen und andere Freudenbringer.

Deutsche definieren sich durch die Arbeit, dass zumindest hatte D nach vielen Jahren gelernt. Es gab ein klar definiertes Ranking in der Gesellschafft, wer viel oder wenig sagen durfte und mehr oder weniger wichtig blieb. Fiel man durchs Raster, blieb man Nobody oder Randgruppe. Ob man Aussätziger im positiven oder negativen blieb, hatte man dabei selten selber in der Hand.

D störte das nicht.

Für ihn war das Leben sowieso ein Zoo mit offenen Käfigen, egal in welchem Bundesland oder Teil von Europa er sich gerade aufhielt. Um mit Menschen zu leben, blieb es ratsam Menschen zu mögen. Sonst musste man als Eremit in die Natur gehen.

Doch soweit war D noch nicht.

In der Zwischenzeit nahm er sich für 2021 vor, das Leben nicht zu ernst zu nehmen, es stattdessen zu genießen und möglichst viele Dinge nicht zu tun, um die Welt nicht mit noch mehr Unruhe zu überziehen und stattdessen andere anzustiften, sich öfter, statt seltener, in Hängematte, oder aufs Sofa zu legen, getreu nach dem Motto:

Es gibt so viel Nicht zu tun, man muss sofort damit anfangen!

Ein frohes Neues Jahr an all Müßiggänger…..

Pasquinade #1 – Odyssee 2020 CW15

Sonntag, 12.April 2020 – genauer gesagt, Ostersonntag, wenn man gewohnt ist, christlichen Ritualen zu folgen; unser Proband schläft, während im Draußen eine nie dagewesene Erstarrung des privaten und öffentlichen Lebens stattgefunden hat, weil alle Ebenen der nationalen Politik.- und gesetzgebenden Administrationen, sich in eine multilinguale Trance hypnotisiert haben, dass wir uns alle in der betörenden Harmonie eines absurden Freiheits-beschneidungs-Kanon wiederfinden – getreu dem satirischen Motto:

Freiheit macht frei!

Wir alle können, wo wir so weit weg vom tragischen Epizentrum sind, in Wahrheit nur wenig wissen, über die Wirklichkeit im gebeutelten Italien und Spanien; niemand, der nicht selbst von Etwas betroffen ist, oder zumindest in zweiter oder dritter Reihe, innerhalb der Familie, oder durch Freundeskreise und Kollegium, dem ansteckenden Leiden in den Rachen sieht, kann das wahre mögliche Ausmaß erkennen. Dennoch ändert es nichts daran, dass unser Proband – wir ersetzen an dieser Stelle Namen und Wort „Corona“ durch „Freiheit“ – mit Dingen konfrontiert ist, die ihn schwer irritieren.

Da ist einmal die Tatsache, dass alle Bürger der fünften französischen Republik von ihrem Präsidenten vier Wochen Hausarrest verordnet bekommen haben, um ein weiteres Ausbrechen der Freiheit einzudämmen. Schon heute, ist das Gesundheitssystem nicht mehr im Stande, die Bürger vorm Befall der heimtückischen, brandgefährlichen und hochansteckenden Freiheit zu schützen – Deutschland, Spanien und Italien, sozusagen dem gesamten Herzen der Alten Welt geht es genauso – Experten raten daher zur einzig logischen Option, weswegen man zu Recht selbst einzelne Autofahrer mit Atemschutzmasken durch südfranzösische Landschaften herumtasten sieht, um sich vor der hochansteckenden Unaussprechlichen – wir ersetzen den Namen „Virus“ gegen „Utopie“ – zu schützen.

Warum auf einem Male eine so alte Utopie wie die Freiheit an Attraktivität und Zulauf gewinnen konnte, beschert Experten in allen Ländern tiefgreifende Kopfschmerzen und eben solches Kopfzerbrechen, welches nur mit der reichlichen Einnahme von kräftigen Weinen gelindert wird, wie die grauhaarigen Repräsentanten und Eidschwörer des heiligen Hippokrates bereits mehrfach bestätigen, weswegen es keine Gründe zur Panik, sondern nur wisschenschaftliche Evidenz für die Reproduktion von Altglas und Leergut gibt.

Schon damals, vor 85 Jahren, als man in Deutschland selbst in der heimischen Stube kampferprobt um die gefährliche und hochansteckende Freiheit herumnavigierte, wusste man sich mit genauso ernsthafter Durchschlagskrrraft zu helfen, wie heute, wo man mit aller Beherrrrztheit der glänzenden und gesunden utopielosen Zeit entgegenstürmt, um der tief dem deutschen Vaterland verhafteten und geschundenen Seele Balsam auf die mürben Knochen zu schmieren, damit auch die nächsten tausend Jahre medizinisch blühende Landschaften wachsen und gedeihen, die garantiert frei von schmutziger Freiheit sind und stattdessen sicher, sauber und rein, damit wir ein geordnetes Leben führen können, behütet und beschützt von Vater und Mutter Staat, die uns mit Nächstenliebe, Brüderlichkeit, Einigkeit und abgeschaffter Freiheit alle Entscheidungen abnehmen – zum Wohle unserer Kinder und Kindeskinder.

Täglich kann man mit Erleichterung sehen, wie die Kurve der Angesteckten weiter und weiter abflacht, zum Wohle der Allgemeinheit und der Sicherheit; täglich verkleinert sich die Rate der Verlorenen, hat man doch aus der Erfahrung der Türken, Russen und Chinesen gottlob gelernt, die sich bereits vor unserer brisanten Zeit, um das heutige Osterfest herum, mit aller Macht gegen die Freiheit und deren Utopie gestemmt haben, so dass sie den köstlichen Nektar des Erfolgs trinken konnten, weil es dort heute endlich alle nett und gemütlich in den eigenen vier Wänden haben, mit dem Recht auf Arbeit und einem Gesundheitssystem, dass sich um das Wohl des Individuums nicht nur sorgt, sondern es auch mit tiefster Verantwortung ver-sorgt, bis das der Tot sie scheidet.

Nur hin und wieder blitzen vereinzelte dunkle Erinnerungen hervor, wenn man sich im Traume, oder im heimlichen Dämmerlicht an die gefährlichen Abenteuer erinnert, als man noch des Nachts betrunken und schwer rauchend ziellos umherirrte, auf der Suche nach der nächsten Kneipe, der nächsten Kippe oder einfach dem nächsten Bett. Dann fährt man demütig zusammen, dass die ewige, glücklicherweise zur Geschichte gehörende, Umher-Reiserei einem auch nichts weiter bescherte, als gefährliche unbekannte Eindrücke, Gerüche, Sprachen, Menschen und Speisen, die einem von der wahren Bestimmung des menschlichen Daseins abhielten – Arbeit für Alle und Alle für Arbeit!

Ein weiser Freiheits-Experte, der Selbiger bei einer früheren Utopie-Epidemie nur mit knapper Not entkam, gelang zur beglückenden Erkenntnis, dass nur das Verbrennen alter Schriften, ein Erinnern der Menschen an die tiefsitzende Sehnsucht nach dieser unmöglichen Utopie der Freiheit vernichtet, dass es uns heute, mit etwas Abstand, als befreiende seelische Erleichterung vorkommt, wenn uns der letzte Säuberungs-Schritt in seiner vollen Tragweite vor die Füße fällt, wenn wir uns mit Freude daran erinnern, als man den Verwirrung stiftenden Satz des Aristoteles aus allen Schriften vertilgte, weil er selbst über 2000 Jahre später für den Ausbruch dieser besitzergreifenden Geisteskrankheit verantwortlich ist, weswegen ich ihn hier und heute ein allerletztes Mal, natürlich von meiner Atemschutzmaske geschützt, äußere, zum Schutz für uns und unsere Kindeskinder und in Andacht an die Bedeutung des Osterfestes:

„Wer die Sicherheit der Freiheit vorzieht, ist zu Recht ein Sklave.“

Daher rufe ich euch alle auf, um jeglicher Freude, Müßiggang, Leidenschaft und Liebe mit Nachdruck entgegenzuschreiten, damit wir sie gemeinsam restlos vom Planeten Erde vertilgen, getreu nach dem Motte:

Vive l‘absurd! – Vive le con, mes compatriots!