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16.Juli – Tour-de-France – Odyssee 2023

F. und ich fahren Rad … mit richtigen Rädern … ohne Motor … mag er elektrisch oder mit Benzin sein … sowas nennt man MoFa … Motorfahrad … neulich trafen wir uns … hatten ’ne Menge Spaß … über 50 gibt man nicht mehr viel auf die Meinung der anderen …

längst hat man genug Wahnsinn erlebt …

um hin und wieder wütend zu sein … denn sein wir mal ehrlich … auch wenn wir’s nicht wahrhaben wollen … menschliches Dasein ist pure Verzweiflung … ordentlich angereichert mit Wein, Liebe, Hass, Religion, Tod und‘n Haufen Arbeit … wer noch nicht ausgeflippt ist macht mir Angst … Kumpel F. geht’s vermutlich ähnlich.

Spaß haben wir trotzdem.

Ein wenig wie Walldorf und Stettler von der Muppetshow … nur anders … Rad.- und Mopedfahren zum Beispiel … gut essen und trinken … Bücher, Freunde … reisen, gute Gespräche … neulich jedoch schrieb mir ein Leser … ich zitiere …

ich sei ein Meckerer …

alles nähme ich auseinander … mache mich lustig über Dinge des Alltags, die für jeden normal sind … außer für mich … daher ist heute alles anders … ausnahmsweise gibt’s heute nur gute Nachrichten … alles ist positiv … Kumpel F. und ich interessieren uns für die Tour-de-France …

er mehr als ich …

F. fährt seriös Rennrad … ich dagegen dödel nur rum … mich haben schon Läufer überholt, im Ernst … jedenfalls scheinen wir die einzigen zu sein, die sich noch dafür interessieren, seit Jan Ullrich nicht mehr fährt … dabei hat sich seitdem viel getan.

Mittlerweile dürfen alle mitfahren …

Rennräder nutzen Elektromotoren … gestern habe ich einen Teilnehmer beobachtet, der bei der Tagesetappe durch Toulouse ein äußerst praktisches Rennrad … man konnte von Weitem sehen … ein Profi … kam angebraust, dass einem die Haare noch Minuten später …

so schnell war er …

Heutzutage fahren Fotografen hinten auf dem Rad mit … dafür bekommt man eine verplombte Fahrhilfe eingebaut … soll das Mehrgewicht ausgleichen … total super … Berichterstattung in Echtzeit … Wahnsinn … hat angeblich die Bildzeitung erfunden …

sind uns da alle sicher.

Radfahren ist in Teutonia nicht mehr en-vogue seit Wissenschaftler festgestellt haben, dass Elektro-Auto’s das Weltklima retten … natürlich machte das die Runde … weswegen der Bundestag an einem Strang zog … einschließlich Herr Merz … Förderung bei Zulassung …

seit dem sprießen Ladestationen wie Spaltpilze …

Auch in Sachen Bürgergeld macht man Forstschritte … erst recht in Sachen Sicherheit, Gesundheit und Nachhaltigkeit … Shell und Audi konnten nachweisen, dass der Betrieb eines SQ8 e-tron nicht nur größtmöglichen Schutz für Kinder … sondern gleichzeitig einen erheblichen Beitrag für …

Umweltschutz und Arbeitsplätze leistet.

Auto’s die über 2,5 Tonnen wiegen muss man erstmal konstruieren … die Batterien … man stelle sich vor … wieviel Material du brauchst … wie sehr man … nicht nur in Ingolstadt … Weltwirtschaft ankurbelt … nicht nur lokal im beschaulichen Süddeutschland …

auch in Partnerländern …

weswegen … man höre, staune … und ziehe den Hut … Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Lisa Paus (Grüne) vorschlägt, den SQ8 e-tron zusammen mit dem Bürgergeld den Selbigen probeweise zur Verfügung stellt … nicht nur um Langzeitstudien zu unterstützen, sondern …

und das ist noch beeindruckender …

um Unfalltote, Verletzte und Langzeitkosten selbiger auf Null zu setzen … Zero Toleranz ist das Motto von Frau Paus … sie würde Tote und Verletzte nicht mehr länger hinnehmen … der Deutsche Verkehr … das ist „unacceptable“ … auch für uns Bürger …

so viele großartige Nachrichten, die eindeutig …

das soll an dieser Stelle noch einmal deutlich hervorgehoben werden … in eine gesunde, sichere und nachhaltige Zukunft führen … blühende Landschaften, da sind sie … endlich … nach Kumpel F. hatte ich das Glück auf Kumpel K. zu treffen …

viel hatten wir uns zu erzählen …

natürlich kamen wir auf die Tour-de-France und Südfrankreich zu sprechen … Toulouse und Bordeaux … und obwohl ich mir fest vorgenommen … über ausschließlich Gutes zu schreiben und zu berichten … kamen wir … natürlich …

… irgendwann auf Wein zu sprechen.

Während neue Generationen Fahrräder die Führung der Tour-de-France übernehmen, ist man beim Wein auf Bewährtes angewiesen … sieht man von Eichenholzspänen ab … findige Druiden setzen sie seit Jahren ein … doch wir müssen der Wahrheit ins Auge sehen … das Klima macht

nicht nur Weinliebhabern zu schaffen …

kein Sommer war feucht & warm wie 2023 … erfahrene Pilzsammler horchen auf … seit Jahren sind Bordeaux-Weine in den Schlagzeilen … Chateau-Käufe von Chinesen und Panschereien zwecks Gewinnmaximierung bilden nur die Spitze … längst sorgt tropisches Klima bei …

Winzern für schlaflose Nächte.

während Rennradfahrer mit erhöhtem Durst auffallen … Kameraleute spazieren fahren, Müsliriegel und Nahrungsmittelkonzentrate konsumieren … ergrauen Winzer in Bordeaux noch schneller als üblich … zur Rennradkrise stößt Klima.- und Pilzkrise … als gäb’s nicht genug Stress …

Vielen herzlichen Dank lieber K. für deine Beiträge …  

4.Deßem-bah – Gekko und Krokodilwut – Odyssee 2022

Zurzeit rumort es in mir…ja, ich weiß…hab ich schon oft gesagt…diesmal ist es anders…nicht dies sonst übliche Granteln und Herumnöhlen…stärker ist‘s geworden…selbst die Zwiegespräche haben zugenommen…noch dazu werden sie lauter…im Moment kann es passieren, dass ich alles persönlich nehm‘…und dann über mich selber lache.

Wie könnte man sich auch selber ernst nehmen.

Menschen die das tun sind mir suspekt…genauso wie der menschliche Drang, überall Ordnung und Sauberkeit zu halten…alles akkurat, immer pünktlich, du meine Güte, schon beim Drübernachdenken fang ich an innerlich zu schäumen…ständig dies abgelenkt sein…nie ganz da, immer nur so halb, oder weniger, meine Güte, wie‘s mich ankotzt…

Selbst bei der Wortwahl……

siehst du….ich traue mir nicht mal selber über‘n Weg, obwohl ich versuch‘, achtsam mit Worten umzugehen…auch bin ich dünnhäutiger geworden, und zugleich gelassener, auf keinen Fall gleichgültig…ich weiß, klingt kompliziert…ist‘s auch, für mich nicht weniger…letztendlich bin ich so mit mir selbst beschäftigt, dass man….genau, komm zum Punkt….

…furchtbar, die ewigen Schwafeleien..

…wie ‘ne Eidechse fühl ich mich, wie’n Gekko, oder Krokodil…wenig bewegen und wenn, dann flott flott…vermutlich mehr Letzteres…hat mir sogar ’ne Freundin attestiert.. ….Psychologin ist sie….Gekkos sagt man soziales Verhalten und Freude bei der Brutpflege nach….hab nicht mal ne Brut, geschweige Freude an Pflege, was nicht heißt, dass ich unordentlich, oder gar…..

…hör auf dich zu erklären, steht dir nicht…

…ist doch gar kein Erklären, ist eher ein…..ach, komm, wenn du kein Bock hast, dann lassen wir das…siehst du, gleich beleidigte Leberwurst…ein furchteinflößender Gesell bist du geworden…ist bestimmt das Alter, nein-nein, am Alter liegt’s nicht…

…so ging’s mir schon in jungen Jahren…

..damals hat ich mich nur nicht getraut das offen rauszulassen, aus Angst vor…richtig, so wie immer…Angst ist ein Scheiß-Beifahrer, weiß ich, danke…hab gestern beim Griechisch lernen bemerkt, wie das hellenische Alphabet begann zu verschwimmen…

brauchst du etwa ‘ne Brille…

..nix da, ich mache nicht umsonst morgens und abends Augentraining nach Fozzibär Zhdanov, oder wie oder was…was meinen die Nachbarn eigentlich zu deinen Selbstgesprächen….ist mir doch egal, hören die ja nicht…meinst du…vielleicht ja doch…

..ist mir trotzdem egal….

..kann ja nicht alles weglassen, nur, weil ich nich‘ weiß wie meine Umwelt darauf….du weißt schon, dass du in Frankreich lebst…weiß ich, Klugscheißer…pass mal auf, komm nicht so oberlehrerhaft daher, wir sind, achwir schon zu zweit? Na mindestens…

..hat schon Richard David drüber schwadroniert…

..sind in bester Gesellschaft…wie meinst du das…hör doch mal zu, wer noch so…schon Sam Beckett und Jay-Jay ham‘so geschrieben…neuerdings macht’s der zornige Peter Handtke genauso…sag ich ja, alles ’n ewiges Wiederholen…da denkt man, endlich Erster und dann…so‘ne Scheiße auch…

..würde Bert Precht sagen…

..ist die Moral vonner G’schicht…kannst dich um nichts, oder um alles scheren…in beiden Fällen wirst‘de verrückt, so viel ist sicher…frag Nietzsche…iss mit All’m so, vom auf Klo sitzen, bis zur richtigen Wortwahl, was auch immer richtig in diesem Zusammenhang bedeutet…

..siehst du, da geht‘s schon wieder los…

..es bleibt dabei…ohne Wegweiser und Schilder haben wir keine Ahnung von nichts, keine Orientierung, keine Ahnung wohin…es sei denn…jetzt bin ich gespannt…genau, es sei denn, man meißelt den Scheiß aus sich selber heraus…vermaledeite mühselige…

..antike-hellenische Herangehensweise….

..pass schön auf….heut‘ giltst du ganz schnell als egoistisch, wenn du dich so viel um dich selbst kümmerst…weiß ich, eines unserer großen Probleme…na, welches…sich nur, um draußen, statt drinnen zu…ja, was dann…totale Wüste und Leere…

..ist am Ende halt alles egal…

„SUV‘s sind nicht massig, sondern schön…“, sagt der Audi-Chef, noch Fragen…nee, schon lang nich‘ mehr…passenderweise gibt’s dazu zeitgleich, welch Wortwitz….gleich auf Doppel-Seite 2 und 3 in der gleichen Ausgabe der Zeit fette Werbung….wie passend, so kurz vor Xmas…

..klingt fast nach Gert Schröder…

…ist er wieder da…lass es, ist alles egal…hab Enzensberger zwar noch nicht gelesen, RIP bei-se-wey, hat aber vermutlich Recht mit seiner Behauptung, das…ja, was…Mehrheiten der Bürger, nicht nur in D-Land, zu digital-abhängigen Konsumsklaven erzogen…

..ob bewusst, oder unbewusst…

..vor Allem, es mit sich machen lassen, daran kann man sehen, wohin uns Komfort und Luxus bringen….sag ich ja seit Jahren….in die völlige Gleichgültig.- und Desinteressiertheit Allem und allen anderen gegenüber…

..Hauptsache grillen…

..genau, ist mir doch egal, wie’s den annern geht, solange alles schön und gemütlich…ich mach‘ da jedenfalls nicht mit, weißt du ja…ja in der Tat, hast du schon 120.000 Mal gesagt…so oft schon…ja, so oft…ist’n heißes Thema…ja weiß ich, du wiederholst dich…

…wir Menschen zerfasern, wenn wir nicht…

..ja doch, sehe ich ähnlich, aber du hast es schon…..noch dazu dies ewige vergessen, schau doch nur bei dir selbst, alles musst du wiederholen, weil du kaum im Stande bist, etwas an dir zu ändern, capiche….geschweige dich zu konzentrieren…

..darauf habe ich gewartet…

..versuch dich stattdessen ein Thema auszubreiten…wie, hier…ja, warum nicht hier…meinst du, das interessiert hier jemanden…sag mal, fühlst du dich unverstanden, oder ungehört, oder so, brauchst du mehr Zuhörer und Leser, die dir Resonanz geben, damit du dich mehr gewertschätzt…

…machst du gerade ‘ne Psychoanalyse von mir..

…will nur verstehen, ob du nicht einen neuen Verlag brauchst, der dir mehr Reichweite besorgt, damit du aufhörst dich selbst einzubalsamieren…du wiederholst dich immer mehr…vielleicht liegt es daran, dass du mit deinem Buch nicht weiterkommst…du bist zorniger als sonst…

..kann schon sein, und wenn schon…

..wen kümmert’s, soll sich jeder an seine Eigene und so weiter…ne Welt voller Fachleute und Experten…..zum Davonlaufen und Ausflippen…bist du unbekannt und machst was Herausragendes, so ist es entartet, oder weird……kommt Gleiches unter ’nem bekannten Namen, ist es gewagt und wird gefeiert…

frag Henry Miller und Anaȑs Nin…

Absurdistan – Odyssee 2020 CW53

03.Januar – D kratzte sich am Kinn und sah aus dem Fenster. Irgendwo weit hinten am Horizont, sah er das Jahr 2020 zu Ende gehen. D fragte sich, was ihm am Meisten in Erinnerung geblieben war; es sollte keine Nano-Sekunde dauern, da kannte D die Antwort: Den wahren echten Deutschen Qualitäts-Pessimismus, sollten sich die lieben Deutschinnen und Deutschen patentieren und rechtlich schützen lassen.

Nirgendwo wuchs und gedieh er so wundervoll, trug so pralle Früchte und bekam so viele Kinder, wie im Land der untergehenden Solidarität und Sozial-Leistung.

Was nutzte es, wenn man im europaweiten Ranking seit Jahren immer Erster blieb, egal, ob es sich um das Gesundheitssystem, Bahn, Post, Wasserversorgung oder sonst etwas handelte, wenn man diese Europa-Exzellenz nicht täglich spüren konnte?

Welche Bürgerinnen und Bürger interessierten sich für all jenes, wo man bereits Best-in-class war, wo es noch so viel Verbesserungspotential gab? Was nützte es, wenn es dir so gut geht, dass alle Nachbarländer vor Neid erblassen? Eben: Gar nichts!

Neid musste man sich zwar verdienen, aber wer gewohnt ist im klimatisierten SUV seinen täglichen Arbeitsweg auf gut ausgebauten Straßen zu fahren, der bemerkt oftmals nicht mehr, in was für einem sicheren, gesunden und großartig entwickelten Land er lebt.

Wie kann Alice sich bewusst machen, dass sie bereits im Wunderland ist? Wie können Ken und Barby neu erlernen, das sie schon lange im Paradies leben? Wie?

D wusste es nicht.

Stattdessen zog er sich die miesepetrigen Gesichter seiner deutschen Mitmenschen rein, die spazieren gingen und vor roten Ampeln, Bäckereien, Supermarktkassen und anderen Bedürfnissen ungeduldig warteten, weil ihnen mit jeder verrinnenden Sekunde ihrer Lebenszeit ihr inneres Licht mehr und mehr aufging, dass sie noch viel weiter entfernt von ihrer Freizeitoptimierung entfernt waren, als sie bis eben dachten.

Längst hatten sie begonnen an ihren mentalen Fingernägeln zu kauen, während sie ungeduldig mit den Hufen scharrten, dass sie sich so stark elektro-statisch aufluden, dass es bei jeden Berührungen knallte, dass es Blitzte und Krachte, als hätte Nikola Tesla höchst persönlich die Spannung angelegt.

Wieso konnte weder der gemeine Alltags-Troll, noch seine nicht weniger mies gelaunte Partner-Trollin ihr Leben nicht einfach genießen und sich daran erfreuen? Warum war es nie genug?

Warum langte es nicht, dass wir in jedem verfluchten Supermarkt Lebensmittel einkaufen konnten, die wir zum Leben brauchten, dass wir Musik hören, sowie Bücher lesen oder schreiben durften und dabei leckere Weine zu genießen vermochten? Warum nicht?

D wusste es nicht.

An und für sich hatte D ein großes Herz für übellaunige Menschen. Miesepeter und Pestesel mochte D im Grunde sehr gerne; sich seine Welt muffelig und mieslaunig täglich neu zu erschließen, verstand D nur allzu gut.

Es steckte ein für D gut verständlicher Schutzmechanismus dahinter, den sich so großartig fluchende Wetterhexen wie D‘s Nachbarin burggrabenähnlich um sich gezogen hatten, um sicherzustellen, dass wirklich nur die feine kleine Auswahl Prädikats-Freunde die selten runtergelassene Zugbrücke überquerten, um den mühselig erkämpften Burgfrieden zu stören.

So lange jede wandelnde Fluchkanonade bewusst umschalten konnte und das Genießen des Lebens hinter runtergelassenen Jalousien weitergenoss, war für D alles in Ordnung; wenn jedoch der dunkle Rappen die eigene Kutsche immer stärker und stärker zog und der leuchtende Schimmel nicht mehr die Richtung vorgeben, sondern nur noch brav mittraben durfte, wie es oft der Fall war, im Land der Gartenzwerge und Hilfs-Sheriffs, dann bemerkte der Kutscher oft zu spät, dass er gerade dabei war, sich seine heile Welt schlicht und ergreifend selbst zu zerstören.

Qualitätsmerkmale wie solch herrliche liebte D an seinen deutschen Mitbürgern. Ja wirklich! Unzufriedene und wutschnaubende Germanen mochte D aus tiefstem Herzen.

Bei so vielen Wutkanälen im TV, so vielen Wut-Zeitungen und Wut-Medien im Allgemeinen, hatte man in Wut-Land erfolgreich sichergestellt, dass die durstigen Pflanzen des Zorns nicht vertrockneten, sondern stattdessen reichlich Nahrung bekamen.

Zur Stimmungsverbesserung hob man zusätzlich noch regelmäßig die Steuern an, oder unterstützte nach leibeskräften andere spaßfördernde Maßnahmen, wie die Einführung von Tempolimits, Spritkostenerhöhungen, Parkplatzmangel, Minuszinsen und andere Freudenbringer.

Deutsche definieren sich durch die Arbeit, dass zumindest hatte D nach vielen Jahren gelernt. Es gab ein klar definiertes Ranking in der Gesellschafft, wer viel oder wenig sagen durfte und mehr oder weniger wichtig blieb. Fiel man durchs Raster, blieb man Nobody oder Randgruppe. Ob man Aussätziger im positiven oder negativen blieb, hatte man dabei selten selber in der Hand.

D störte das nicht.

Für ihn war das Leben sowieso ein Zoo mit offenen Käfigen, egal in welchem Bundesland oder Teil von Europa er sich gerade aufhielt. Um mit Menschen zu leben, blieb es ratsam Menschen zu mögen. Sonst musste man als Eremit in die Natur gehen.

Doch soweit war D noch nicht.

In der Zwischenzeit nahm er sich für 2021 vor, das Leben nicht zu ernst zu nehmen, es stattdessen zu genießen und möglichst viele Dinge nicht zu tun, um die Welt nicht mit noch mehr Unruhe zu überziehen und stattdessen andere anzustiften, sich öfter, statt seltener, in Hängematte, oder aufs Sofa zu legen, getreu nach dem Motto:

Es gibt so viel Nicht zu tun, man muss sofort damit anfangen!

Ein frohes Neues Jahr an all Müßiggänger…..

Zivilisation – Teil2

Hektisch fummle ich das Schlüsselbund aus der Hosentasche, greife mir ein besonders scharfkantiges Exemplar und setze an, um das Paketklebeband durchzutrennen.

„Sagen Sie, junger Mann, lassen sie sich etwa besonders viel Zeit?“

„Nein-nein, ich bin dran…“ – mein Gott, was für eine Diva – nur kurz hier durchziehen, so-o-o, genauso und dann noch diesen und dahinten den Zweiten – mit lautem Krachen reiße ich den Karton auf; bin gespannt – sehe hinein und erblicke einen hockenden Frauenkörper, der seine Hände schützend über den Kopf hält – sie steckt in schicken Klamotten – eine Art Kostüm – sie richtet sich langsam auf – ich trete einen Schritt zurück.

„Endlich!“

„Wie lange waren Sie da drin?“

„Ewig – weiß es schon nicht mehr.“

„Kommen Sie – hier draußen scheint die Sonne.“

Anmutig, mit reichlich Eleganz, steigt sie aus dem Karton. Dunkelblaues Sakko, ziemlich enger und hoher Rock – weiße Bluse, dunkelblaue Pumps – lange dunkelblonde Haare – schwer zu schätzen ihr Alter. Irgendetwas zwischen 30 und 40 wäre ich geneigt zu sagen, obwohl sie viele Tausend Jahre zählt. Hat sich gut gehalten.

Beim Übersteigen der Karton-Seitenwand geht sie ein wenig in die Knie; gefährlich hoch rutscht ihr Rock. Wie hypnotisiert sehe ich auf ihre langen Beinen – diese nahtlosen Strümpfe, wow! Ihre Beine sind der Wahnsinn. Ich liebe Beine. Natürlich sind sie nicht alles, aber viel, wenn sie schön sind – kann mich kaum davon losreißen. Auch ihr Hintern ist gut geformt – ziemlich sexy die Gute – aber sie ist die Zivilisation, daran nur zu denken, ist wie mit der Ex ins Bett zu gehen – ins Fegefeuer kommt man da, ich bin mir ganz sicher. Sie lächelt mich an, sie weiß wie sie aussieht und das ich sie wohlwollend ansehe.

„Lassen Sie uns dort vorne, sehen Sie das kleine Bistro?“

„Ja natürlich – einverstanden.“ – wir schreiten an den hektischen Menschen vorbei; ein letzter Bistrotisch steht frei, zwei Hocker – also mit dem Rock wird das gefährlich – ein Ober eilt heran.

„Guten Tag, haben Sie einen Wunsch?“ Ich meine zu wissen, was die berühmte Dame gern hat.

„Zwei Campari-Spritz, s’il vous plait.“

„Bien sûr – avec plaisir.“

„Merci.“

„Woher wissen Sie, dass ich…?“

„Sagen Sie, warum sprechen Sie eigentlich, als wären Sie meine Oma, oder eine Figur bei Marcel Proust? Sie sehen aus, als wären sie einem modernen Hochhaus-Office entstiegen, das passt doch nicht zusammen.“

„Vergessen sie nicht, dass ich ein wenig alt bin; da bleibt schon was hängen, selbst wenn man junggeblieben und sich bemüht jugendlich gekleidet vor die Tür zu treten; aber im Gegensatz zu mir, bei allem Respekt, ihre Redegewohnheiten in der heutigen Zeit sind wirklich furchtbar, junger Mann, finden Sie nicht?“

„Nun, in gewissem Sinne, muss ich ihnen Recht geben.“

„Haben sie eine lange Leitung, eingeschränkte Wahrnehmung, oder sonst irgendeinen Defekt, junger Mann? Schauen sie sich doch mal um; was glauben Sie, warum ich mich in diesem Karton versteckt habe; das kann man doch alles nicht mehr mitansehen; in vielerlei Hinsicht sind wir vor zwei bis 3000 Jahren weiter gewesen als heute – es ist einfach erschütternd, du meine Güte!“

„Stimmt, zivilisierte Menschen zu treffen ist äußerst schwer geworden..…“

„Halt-halt junger Mann; verwechseln Sie nicht….“ – sie wird warm; wurde Zeit, dass sie aus diesem Karton raus ist…..

„….mich, die Zivilisation, mit dem abgeleiteten zivilisiert-sein; das hat miteinander….“

„Et voila – deux Campari-Spritz, s’il vous plait.

„Merci beaucoup.“

„Santé“

„Oui, santé!“ – wir nippen an dem Aperitif – herrlich, tut das gut.

„Darf ich fortfahren?“

„Wie bitte?“

„Sie haben mich unterbrochen…“

„Habe ich nicht, der Ober……“

„Sie haben Recht, entschuldigen Sie…darf ich?“

„Unbedingt……“

„Ich habe mit zivilisiertem Verhalten der Menschen rein gar nichts zu tun, damit das mal klarsteht……“

„Wie bitte? Sie Behaupten, dass…?“

„Genau! Rein gar nichts!“

„Wie ist das möglich? Das eine kann doch nur mit dem…“

„Nein, tut es nicht; es ist ein völlig individuell besetzter Begriff; gehen sie mal in die USA, nach China, oder Indien, Russland, Japan oder wir hier in Europa – sie werden auf unterschiedliches Verständnis stoßen. Nicht wahr? Verstehen sie?“

„Sie meinen, wenn ich mich als zivilisiert fühle, dann ist das eine ganz eigene…“

„Genau. Ihre Sicht ist vermutlich schon anders als Meine. Zivilisiert sein bedeutet für viele doch eigentlich eine bestimmte Verhaltensweise, im Kontext mit anderen Mitmenschen, vermutlich so in etwa, wie wenn man niemanden verletzt, weder in seinem Garten, noch sonst wo drinsteht – höflicher Umgang, eine gewisse Kultiviertheit eben….…“

„Und das bringen Sie nicht mit sich…?“

„Nein, auf keinen Fall. Lesen sie das mal nach: Nach dem Verständnis der meisten Menschen bin ich lediglich die Beschreibung einer Staatengründung, die basierend auf Fortschritt günstige Lebensbedingungen für seine Bürger schafft, die man als prosperierend und nach vorne gewandt beschreibt – jedenfalls so, oder so ähnlich.“

„Was heißt hier, so oder so ähnlich? Wollen sie damit sagen, dass sie selber nicht wissen, wer sie…?“

„Mitnichten! Ich weiß, wer ich bin, aber wissen es auch alle anderen Menschen und Bürger?“

„Warum separieren sie die beiden, ist das nicht das Gleiche?“

„Nein, ist es nicht – weil nicht alle Menschen automatisch Bürger-Rechte haben, geschweige sie ausleben können, was glauben Sie denn? Hören sie auf, so eindimensional daherzureden; sie fangen an mich zu langweilen!“

„Na, Sie haben aber eine progressive Art und Weise am Leib!“

„Wie ich schon sagte; sich mit mir einzulassen, bedeutet viel Arbeit; nicht jeder mag das, sie etwa?“

„Das kann ich noch nicht sagen; ich lerne sie ja gerade erst kennen.“

„Nun-ja, der Schnellste sind sie jedenfalls nicht, dafür aber sympathisch.“

Moment mal; sie behaupten, dass….“

„Ich behaupte es nicht; das nennt sich Wahrheit – Realität. Ich bin die Architektur, während die Menschen immer von Verhaltensweise untereinander sprechen – damit habe ich nichts zu tun. Jedes Individuum..“

„Mögen Sie Campari-Spritz?“

„Sehr gerne sogar….wo war ich stehengeblieben? Sie haben mich schon wieder unterbrochen!“

„Sie waren bei…“

„Ach ja – beim Zivilisiertsein…richtig. In Wahrheit ist das kaum jemand und selbst wenn, würde das nichts….“

„Wie bitte? Das ist doch…“

„Ist es nicht – es ist völlig egal, ob es jemand ist, denn es gibt mich nicht mehr!“

„Wie bitte?“

„Haben Sie mir eben zugehört?“

„Natürlich, warum….“

„Weil sie sich dann nicht so sehr wundern könnten – de facto gibt es mich nicht mehr, weil die Mehrheit aller Staaten ihr Volk unterdrückt; allgemeiner Wohlstand und Fortschritt für das Volk steht überhaupt nicht im Vordergrund, ist auf keiner Agenda mehr drauf – ergo, per Definition, ist alles, was wir heute sehen, keine…“

„Sehen sie das nicht ein wenig zu schwarz?“

„Junger Mann, sind sie mal in der Welt gewesen?“

„Natürlich, warum fragen sie?“

„Geld und Macht hat die Länder der Welt pervertiert – die Saat ging auf und man erntete…“

„Sie haben völlig Recht…..“

„Womit? Sie unterbrechen mich ja schon wieder….“

„Sie SIND anstrengend…..….“

„Alle sagen das, sie sind da nicht der…“

„Können wir nicht einfach nur einen Apéro…?“

„Natürlich, aber sie müssen sich schon etwas anstrengen – ich langweile mich schnell, wenn ich nur so rumsitze und….“

„Ja-ja, habe ich ja erstanden – zum Wohl!“ – hoffentlich gibt sie ein wenig Ruhe; eigentlich will man doch nur in Ruhe trinken und leben, oder nicht?

„Prost – Santé!“