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Pasquinade #1 – Odyssee 2020 CW15

Sonntag, 12.April 2020 – genauer gesagt, Ostersonntag, wenn man gewohnt ist, christlichen Ritualen zu folgen; unser Proband schläft, während im Draußen eine nie dagewesene Erstarrung des privaten und öffentlichen Lebens stattgefunden hat, weil alle Ebenen der nationalen Politik.- und gesetzgebenden Administrationen, sich in eine multilinguale Trance hypnotisiert haben, dass wir uns alle in der betörenden Harmonie eines absurden Freiheits-beschneidungs-Kanon wiederfinden – getreu dem satirischen Motto:

Freiheit macht frei!

Wir alle können, wo wir so weit weg vom tragischen Epizentrum sind, in Wahrheit nur wenig wissen, über die Wirklichkeit im gebeutelten Italien und Spanien; niemand, der nicht selbst von Etwas betroffen ist, oder zumindest in zweiter oder dritter Reihe, innerhalb der Familie, oder durch Freundeskreise und Kollegium, dem ansteckenden Leiden in den Rachen sieht, kann das wahre mögliche Ausmaß erkennen. Dennoch ändert es nichts daran, dass unser Proband – wir ersetzen an dieser Stelle Namen und Wort „Corona“ durch „Freiheit“ – mit Dingen konfrontiert ist, die ihn schwer irritieren.

Da ist einmal die Tatsache, dass alle Bürger der fünften französischen Republik von ihrem Präsidenten vier Wochen Hausarrest verordnet bekommen haben, um ein weiteres Ausbrechen der Freiheit einzudämmen. Schon heute, ist das Gesundheitssystem nicht mehr im Stande, die Bürger vorm Befall der heimtückischen, brandgefährlichen und hochansteckenden Freiheit zu schützen – Deutschland, Spanien und Italien, sozusagen dem gesamten Herzen der Alten Welt geht es genauso – Experten raten daher zur einzig logischen Option, weswegen man zu Recht selbst einzelne Autofahrer mit Atemschutzmasken durch südfranzösische Landschaften herumtasten sieht, um sich vor der hochansteckenden Unaussprechlichen – wir ersetzen den Namen „Virus“ gegen „Utopie“ – zu schützen.

Warum auf einem Male eine so alte Utopie wie die Freiheit an Attraktivität und Zulauf gewinnen konnte, beschert Experten in allen Ländern tiefgreifende Kopfschmerzen und eben solches Kopfzerbrechen, welches nur mit der reichlichen Einnahme von kräftigen Weinen gelindert wird, wie die grauhaarigen Repräsentanten und Eidschwörer des heiligen Hippokrates bereits mehrfach bestätigen, weswegen es keine Gründe zur Panik, sondern nur wisschenschaftliche Evidenz für die Reproduktion von Altglas und Leergut gibt.

Schon damals, vor 85 Jahren, als man in Deutschland selbst in der heimischen Stube kampferprobt um die gefährliche und hochansteckende Freiheit herumnavigierte, wusste man sich mit genauso ernsthafter Durchschlagskrrraft zu helfen, wie heute, wo man mit aller Beherrrrztheit der glänzenden und gesunden utopielosen Zeit entgegenstürmt, um der tief dem deutschen Vaterland verhafteten und geschundenen Seele Balsam auf die mürben Knochen zu schmieren, damit auch die nächsten tausend Jahre medizinisch blühende Landschaften wachsen und gedeihen, die garantiert frei von schmutziger Freiheit sind und stattdessen sicher, sauber und rein, damit wir ein geordnetes Leben führen können, behütet und beschützt von Vater und Mutter Staat, die uns mit Nächstenliebe, Brüderlichkeit, Einigkeit und abgeschaffter Freiheit alle Entscheidungen abnehmen – zum Wohle unserer Kinder und Kindeskinder.

Täglich kann man mit Erleichterung sehen, wie die Kurve der Angesteckten weiter und weiter abflacht, zum Wohle der Allgemeinheit und der Sicherheit; täglich verkleinert sich die Rate der Verlorenen, hat man doch aus der Erfahrung der Türken, Russen und Chinesen gottlob gelernt, die sich bereits vor unserer brisanten Zeit, um das heutige Osterfest herum, mit aller Macht gegen die Freiheit und deren Utopie gestemmt haben, so dass sie den köstlichen Nektar des Erfolgs trinken konnten, weil es dort heute endlich alle nett und gemütlich in den eigenen vier Wänden haben, mit dem Recht auf Arbeit und einem Gesundheitssystem, dass sich um das Wohl des Individuums nicht nur sorgt, sondern es auch mit tiefster Verantwortung ver-sorgt, bis das der Tot sie scheidet.

Nur hin und wieder blitzen vereinzelte dunkle Erinnerungen hervor, wenn man sich im Traume, oder im heimlichen Dämmerlicht an die gefährlichen Abenteuer erinnert, als man noch des Nachts betrunken und schwer rauchend ziellos umherirrte, auf der Suche nach der nächsten Kneipe, der nächsten Kippe oder einfach dem nächsten Bett. Dann fährt man demütig zusammen, dass die ewige, glücklicherweise zur Geschichte gehörende, Umher-Reiserei einem auch nichts weiter bescherte, als gefährliche unbekannte Eindrücke, Gerüche, Sprachen, Menschen und Speisen, die einem von der wahren Bestimmung des menschlichen Daseins abhielten – Arbeit für Alle und Alle für Arbeit!

Ein weiser Freiheits-Experte, der Selbiger bei einer früheren Utopie-Epidemie nur mit knapper Not entkam, gelang zur beglückenden Erkenntnis, dass nur das Verbrennen alter Schriften, ein Erinnern der Menschen an die tiefsitzende Sehnsucht nach dieser unmöglichen Utopie der Freiheit vernichtet, dass es uns heute, mit etwas Abstand, als befreiende seelische Erleichterung vorkommt, wenn uns der letzte Säuberungs-Schritt in seiner vollen Tragweite vor die Füße fällt, wenn wir uns mit Freude daran erinnern, als man den Verwirrung stiftenden Satz des Aristoteles aus allen Schriften vertilgte, weil er selbst über 2000 Jahre später für den Ausbruch dieser besitzergreifenden Geisteskrankheit verantwortlich ist, weswegen ich ihn hier und heute ein allerletztes Mal, natürlich von meiner Atemschutzmaske geschützt, äußere, zum Schutz für uns und unsere Kindeskinder und in Andacht an die Bedeutung des Osterfestes:

„Wer die Sicherheit der Freiheit vorzieht, ist zu Recht ein Sklave.“

Daher rufe ich euch alle auf, um jeglicher Freude, Müßiggang, Leidenschaft und Liebe mit Nachdruck entgegenzuschreiten, damit wir sie gemeinsam restlos vom Planeten Erde vertilgen, getreu nach dem Motte:

Vive l‘absurd! – Vive le con, mes compatriots!