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28.Mai – Athen – Odyssee 2023

Kam gestern aus Hellas zurück … mir schlottern jetzt noch die Knie … nicht, weil’s doof war … Im Gegenteil … fand es großartig … schlicht der Wahnsinn … vor Allem, als ich auf’s Moped stieg und mit Athener Rhythmus am Toulouser Flughafen losballerte …

Barbaren leben UND fahren anders,

so viel steht fest … waren nur drei Tage … die ich in der kosmischen Hauptstadt verbrachte … wenngleich es sich … mindestens … wie‘ ne Woche anfühlte … jedem, der noch nie da war kann ich nur raten … halte dich fern … wenn du denkst, dass deine Weltanschauung die richtige ist …

wenn du wenig vom Leben überrascht wurdest …

weder Ehestreit, Suff, Tod … Scheidung, Pleiten, Unfälle … eins davon … wahlweise zusammen … weder dunkle Erlebnisse durchlebtest … dem kann ich nur raten … mauer dich ein … versichere dich über beide Ohren … trag Fahrradhelm beim Wandern im Stadtpark …

lege dein Geld rechtzeitig in …

ADAC-Plus-Mitgliedschaft und Sterbeversicherung an … bügle Unterwäsche … verwende Weichspüler … Dinge müssen gut riechen, nicht wahr … gehe in den Schützenverein … kauf dir ’ne fette Wumme … schaff dir ‘nen Weber … noch besser …

Napoleon-Grill an …

was denn sonst … bist du ein Loser oder was … fahr’n fetten Geländewagen in der Stadt  … gerne mit dicker Batterie … schön schwer … schau mal … wie geil ist das denn … hat ne verdammte Kamera in der Heckklappe … wie James Bond …

verstopfe die Stadt …

fahre kein altmodisches Fahrrad … was sollen die Nachbarn … deine Buddys denken … es sei denn … ein scheiß-piss-drecks-modernes E-Bike … schau Bundesliga … oder les das Managermagazin im Abo … mach Sylt.- und Cluburlaub … deine geliebten …

Kreuzfahrten …

ziehe in schicke Szene-Viertel … beschleunige Gentrifizierung … planiere die Welt wie sie dir gefällt … alles schöner Beton … brauchst keinen Rasen mähen … kauf jeden Scheiß Online … nachdem alle Preise verglichen … lass die kleinen Krämer verrecken …

geiz ist immer noch geil …

mach den Uber-Trend mit … ist doch cool … alles schön digital und anonym … schau mal, sogar meine Aktien … genial … alles über ’ne App … hier guck mal … zack … alles auf einen Blick … bin der Käpt’n meines Leben …

aber, im Namen deines Gottes …

welcher auch immer das ist … sei es … Reichtum … Macht … Erfolg … Porsche … BMW … irgendeine andere tolle Technologie … Singularity und so … Elon Musk findest du schon cool … so ganz tief drinnen …nicht wahr … pflege …

nein, besser noch …

verbessere den schon sehr guten Ruf, den du … deine Vorzeige.- … jetzt bitte wahlweise … Partner, Familie, Kinder, oder Firma … als nächstes Dominosteinchen einsetzen … Wachstum ist großartig … ein schöner Gott, oder was … immer mehr … höher weiter … wenn du so tickst …

dann bleib Hellas … besonders Athen fern!

Wenn man mit Athenern über ihre Stadt plaudert hört man’s sofort raus … selten anzutreffende Form von Hass-Liebe … tief geht sie … aber richtig … man kann sehen, wie sie alle gebückt gehen … gebeugt von der Last … dies sie seit Jahren tragen …

was in  tausenden Jahren geschah …

man ahnt es … spürt es … wenn man sich in ihr aufhält … wenn man in ihr lebt … alles ist hier dunkel … gleichzeitig gleißend-hell … man verbrennt sich die Augen … verzweifelt beim Zuhören … keine Schweinerei hat man ausgelassen …

es ist auch nicht die Reizüberflutung …

schon alleine an der gehst du kaputt … egal, womit du anfängst … Licht, Wetter, Geräusche, Sprache, Landschaft, oder antike Monumente … der Verkehr … nein, all das, ist es nicht … wenn gleich eins davon langt …

auch ist‘s nicht jenes unbeschreibliche Gefühl,

dass einen schnell beschleicht … das Athen in Wahrheit eine Riesenkrake mit unendlich vielen Armen und Beinen ist … stadtgewordene Medusa … ständig weiterwachsend, wenn du sie mit Gewalt beschneidest … es ist auch nicht Athen bei Nacht … dann glaubst du sofort …

an die Monster-Medusen-Theorie …

nein … all das verblasst … vor den beeindruckenden … Menschen … die vegetieren, hausen, überleben … residieren, schlemmen … herrschen … es sind ihre lautlosen Schreie … zum Überleben gezwungen … mit glühender Mistforke … vor sich hertreibend …

nach Jahrhunderten … Jahrtausenden …

voller Unterdrückung … voller Leid … Könige … Diebe … Tyrannen … hier reden, propagieren Menschen sie nicht nur … sie leben sie … Solidarität … der Zauber eines oft unterdrückten Volkes … das seinen unbedeutenden Platz im …

Maschinen-Gewehr-Donner der Neuzeit …

mit Turbo.- … Heuschreckenkapitalismus zugewiesen bekam … dutzendfach durchgevögelt und bestohlen von Venezianern … Briten … Franzosen … Germanen … Persern … Türken … schönes Land … reiche Kultur und Vergangenheit … all das macht noch keinen Eindruck bei Blackrock …

auch der Aufstand am Polytechnio …

Schatten der Vergangenheit … und doch … Athener tragen das mit sich herum … ihre Gesichter … ernst … schnell gealtert … intensiv gelebt … man wundert sich … dass man immer noch da ist … und doch … lacht man aus Leibeskräften …

mit Tränen in den Augen …

über Vergangenes … kommendes Leid … über die Ausweglosigkeit … menschlichen Daseins, dass am Ende für alle … Prinz … Fürst … König … Bettler … Tyrannen … Oligarchen und Autokraten … die gleiche Dunkelheit naht … möge sie bitte nicht morgen kommen … vielleicht etwas später …

wäre das möglich …

kein Tag gleicht dem Anderen … immer ändert sich Rhythmus … Geschwindigkeit … zu Fuß halte ich tausendmal an … kann mich nicht sattsehen … Pracht … Leid … Armut … ich lache, weine … verzweifle … spreche kaum einen Satz … und doch ahne ich …

mein Motorrad brachte ich pünktlich weg …

nun wieder zu Fuß unterwegs … jeder Schritt den ich überwinde … zahlt Athen mir mit zwei weiteren heim … pilgere still und leise … vorbei an Hadrians Bibliothek … alle Sprachen des Kosmos … Metronom gleich … setze meinen Weg fort …

am Omonia-Platz überkommt mich Melancholie …

keine Ahnung warum … höre laute Bässe … scheinen aus dem Erdinnern … aus Athens Körper zu kommen … Herzschlag … Autos, Motorräder rasen vorbei … Freitagabend … 19:30 local time … Wochentage … Zeit … nichts hat Bedeutung … alles kämpft weiter …

zum Horizont …

ein kleines Bisschen noch … Sonne scheint in Strömen … Verzweiflung und Liebesrausch, alles gleichzeitig … schwitzen Mensch und Erde aus Poren … glühende Lava, kalter Schnee … Feuer und Wasser … alles gleichzeitig … Geburt und Tod … Heraklit … sagtest es ganz recht …

alles fließt …  

Herausragendes Mitglied der Gesellschaft

Friedrich wohnte in Hamburg und hatte sein Abitur ohne Ehrenrunde gemacht. Schnell wusste er, dass er alles Mögliche sein wollte, nur kein gewöhnlicher Mensch. Auch Wehr.- oder Zivildienst war nichts für ihn. „Sich von Primitiven anschreien, oder als Zivi Hinterteile abwischen? Das geht gar nicht!“, waren seine Worte. Er spielte den Rückenkranken, bekam Tauglichkeitsstufe-5 und war frei.

Nach dem Abitur ging es direkt an die Universität. Dort glänzte er mit Neugier und Hilfsbereitschaft, besonders gegenüber Professoren. Seine Karriere begann er dann erwartungsgemäß als Executive-Assistent eines CEO. Nur wenige Jahre später stieg er zum Abteilungs.- und bald zum Hauptabteilungsleiter für Finanzen auf. Die oberen Führungskreise waren immer auf der Suche nach engagierten Potenzialträgern, Friedrich kam in ein Förderprogramm und lernte einflussreiche Manager kennen.

Dank seiner starken Ausrichtung nach oben hatte Friedrich einen guten Riecher für die Bedürfnisse der Vorstandsebene und wurde bald Finanzvorstand. Eindrucksvoll machte er auf sich aufmerksam, bis er mit Anfang vierzig zum CEO ernannt wurde. Endlich war Friedrich am Ziel. Doch er wollte mehr. Niemand konnte Bilanzen und ihre Transaktionen so geschickt auslegen, wie er. „Zahlen im allgemeinen waren immer eine Frage des Blickwinkels!“, philosophierte er gerne bei ausreichend Publikum.

Und wahrhaftig, die Zahlen sahen tadellos aus. Die Firma war rentabel und erfolgreich. Ein paar Jahre später brachte er das Unternehmen dann mit großem Erfolg an die Börse. Er trat selbst in Werbungen auf und warb mit Überzeugung für seine Volks-Aktie. Und die Menschen kauften wie warme Semmeln. Friedrich war jetzt nicht nur einflussreich und mächtig, sondern auch sehr reich.

Irgendwann gab es dann kritische Berichte in den Medien. Man fing an seine Methoden, sowie Art und Weise des Börsenganges zu hinterfragen. Schnell war von Bestechung die Rede. Zahlen und Bilanzen wurden in Frage gestellt. Bald sprachen die Medien von Betrug und Volksverrat. Bald brachen die Kurse weg. Friedrichs Marketing-Offensive hatte zwar dutzende Milliarden aus dem Nichts erschaffen, doch wie alle Strohfeuer, erloschen sie genauso schnell, wie sie wuchsen. Nach wenigen Jahren waren die Milliarden wieder vernichtet.

Eines schönen Abends kam Friedrich aus dem Bad und machte sich auf den Weg in seinen Ankleideraum, als er mitten im Lauf stehenblieb und innehielt: Ein merkwürdiger Geruch lag in der Luft. Er konnte ihn nicht einordnen, schon gar nicht die Richtung aus der er kam. Plötzlich fuhr Friedrich blitzartig herum und erschrak! Ein älterer, mittelgroßer grauhaariger Mann, vielleicht kurz vorm Rentenalter stand da im Flur. „Verlassen sie sofort mein Haus! Oder ich ruf die Polizei…!“, schrie Friedrich und sah den Gegenstand in der Hand des Alten, der die Quelle des merkwürdigen Geruchs war. Eine frisch geölte doppelläufige Schrotflinte.

Wortlos stand der Mann mitten im Raum. Friedrich dachte an Flucht oder Hilfe und griff reflektorisch zu seinem Smartphone, dass er in seinem schweren Bademantel bei sich trug. Doch er hatte den Alten unterschätzt. Schnell wie eine Katze glitt er auf Friedrich zu und schlug ihm den Gewehrkolben mit lautem Krachen ins Gesicht. Schwer getroffen sackte Friedrich zusammen, wobei er unkontrolliert nach Halt suchte und laut klirrend und scheppernd, die rechts von ihm stehenden Gläser samt Designertablett vom Tisch riss. „Hochmut kommt vor dem Fall!“, rief der Alte mit bebender Stimme.

Schwer getroffen, mit schwer blutender Platzwunde und gebrochener Nase, kam Friedrich stark schnaufend hoch, schaute den Schläger entsetzt an und ging wie in Trance auf den Alten zu, so als ob er eine Erklärung, eine Antwort für diesen Albtraum zu bekommen erhoffte. Blitzschnell traf ihn ein zweiter harter Hieb in die Magengrube, der ihn mit scharfem Pfeifen, wie ein Taschenmesser zusammen-klappen und zu Boden gehen ließ. Friedrich blieb lange liegen und kam erst nach dutzenden, grausig-stillen Sekunden auf die Knie und verharrte in dieser Stellung, wobei er den Kopf langsam anhob, um dem Alten in die Augen zu sehen.

Zorn ließ diesen beben, als er sprach: „Sie haben Allen geraten ihre Aktie zu kaufen. Wir alle haben Ihnen vertraut, auch meine Frau und ich. All unser Geld haben wir in ihre Aktien investiert, um uns im Alter abzusichern. Jetzt ist die Aktie nichts mehr wert und all unser Geld weg! Wir haben vierzig Jahre dafür geschuftet und jetzt ist alles futsch!“ Instinktiv wusste Friedrich, dass er jetzt schweigen musste, wenn er nicht einen dritten Hieb riskieren wollte.

„Zuerst war unser Geld weg“, setzte der Alte fort, „und dann brach es uns das Herz! Meine Frau bekam wenige Monate später Krebs – sie starb mir innerhalb eines Monats einfach weg, nach über dreißig gemeinsamen Jahren und wissen sie was? Irgendwann fing auch ich an, über Rückenschmerzen zu klagen. Die Ärzte stellten Lymphdrüsenkrebs fest, im Endstadium. Ich habe noch ein halbes verschissenes Jahr zu leben und das alles, weil wir ihnen vertrauten und ihre Aktie kauften! Was meinen sie wie sich das anfühlt, wenn man alles verliert? Was meinen sie wie das ist?“, schrie der Alte. Friedrich machte ein trauriges Gesicht als er mit den Achseln zuckte. „Sie wissen es nicht?“, schrie der Alte erneut. „Das glaube ich ihnen sogar! Solche gewöhnlichen Dinge können sie gar nicht kennen. Aber ich kann sie beruhigen – ich werde ihnen zeigen, was Verlust und Schmerz bedeutet!“, versprach der Alte.

Friedrich überlegte angestrengt. Er fing an, über seinen Besitz von Autos und Villen nachzudenken. Bekam er jetzt einen Denkzettel? Aus seiner Sicht hatte er den bereits, so brutal der Alte ihn zusammengeschlagen hatte. Was Friedrich nicht wusste: Der rüstige Herr war früher Hausmeister und bekannt für Ordnung und Zuverlässigkeit. Auch er war kein Freund von Worten und liebte die Tat. Plötzlich fuhr der Alte Friedrich mit tränenerstickter Stimme schluchzend an: „Wie können Sie uns alle betrügen und ungestraft davonkommen?“, Friedrich konnte nur sehr langsam antworten, da ihm die Hiebe noch arg zusetzten. Doch er konnte nicht ganz verhindern, dass er den Alten mitleidig anlächelte.

„Was wollen Sie von mir? Gerechtigkeit? Es gibt keine Gerechtigkeit. Sie haben sich entschieden Aktien zu kaufen. Wollen Sie mich für ihre Entscheidung verantwortlich machen? Wenn Sie eine Aktie erwerben, dann sind sie derjenige der bestimmt, wann sie die kaufen und verkaufen. Sie können nicht die Verantwortung bei Anderen suchen. Das ist freie Marktwirtschaft. Das ist der Preis in einem demokratischen Staat zu leben. Es hat Vorteile, aber auch Nachteile.“

„Du hast völlig recht, du mieses Schwein!“, sagte der Alte in ernstem Ton. Das war sie, Friedrichs Chance. „Sie wollen mir doch gar nichts tun, es geht Ihnen um Geld. Ich kann ihnen 250.000.- Euro in bar geben!“, schlug Friedrich vor und dachte angestrengt über den Aufbewahrungsort nach, während der Alte den Lauf seiner doppelläufigen Schrotflinte an seinen Kopf hielt.

Unwirklich laut klang der Schuss der die Stille zerriss. Der Anblick all der vielen Schädelteile, dem Gehirn und dem vielen dunkelroten Blut ließ den Alten erstarren. Als er Alte die Flinte lud und sich die Mündung in den Mund steckte, zischte es leise. „Scheiße!“, fluchte der Alte.

Ruhig und gelöst, wie ein Metronom nahm der Alte ein wenig Spucke und kühlte die noch heiße Mündung provisorisch ab, bevor er sich die Flinte erneut in den Mund steckte. „Weiß sowieso kein Schwein was er wählen soll.“, dachte der Alte, während er über die bevorstehende Wahl nachdachte und abdrückte.