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26.Februar – wegen Thomas – Odyssee 2023

Gestern ist Thomas gestorben. Mit Anfang sechzig, einfach so. Ist die Treppe runtergefallen. Wir wissen nicht warum. Nur, das er nicht mehr da ist. Wenige Tage vor Geburtstag und wohlverdienter Pension. Keine Ahnung welche Gefühle stärker sind, Wut oder Trauer.

Schon mein ganzes Leben kenne ich ihn.

Oft haben er und seine Frau Carin, Cousine meines kleinen Bruders und mir, auf uns aufgepasst. Später als Teenies besuchten wir regelmäßig Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg. Kontakt hielten wir auch später, als wir Führerscheine hatten und in alle Winde verstreut blieben.

Lehrer war er aus Leidenschaft.

Gourmet und Weinliebhaber auch. Immer kochte er mit Leidenschaft, wusste alles über Whiskeys und Weine. Wenn er an seinem Jaguar E-Type Cabriolet schraubte, trug er karierte Holzfällerhemden, was den Vollbart mit stattlicher Größe wie einen kanadischen Holzfäller aussehen ließ.

Nie hab ich ihn sauer gesehen.

Oder ungehalten, gar ungeduldig. Immer ein Ausbund an Ruhe und Ausgeglichenheit, mit Pfeife zwischen den Zähnen. Englische Lebensart, britischer Gentleman durch und durch. Immer hilfsbereit, aber in Echt, nicht gespielt. Durch ihn habe ich gelernt, was ein netter zuvorkommender Kerl ist, der ich im Geheimen immer sein wollte und es,

trotz meiner Anstrengungen – nie wurde.

Merkwürdig, vor Wochen fing ich an mich am Treppengeländer meiner Bude festzuhalten. Ich sagte mir, nein ich schwor mir laut ins Weltall hinaus-dozierend, niemals, unter keinen Umständen wegen einer Absurdität abzutreten. Als meine Großmutter mit Ende Achtzig die Treppe runterfiel trug sie außer blauen Flecken und wüsten Flüchen nichts davon.

Warum dann jetzt dieser Scheiß mit Thomas?

Jetzt, wo ich genau das aufschreibe überwiegt Wut, ja mehr noch, richtiger Zorn. Verzweifelt kommen beide daher, weiß ich doch, wie schwer es ist, Hades zu entkommen. Einzig übrig bleibt mir, wie immer, die Hoffnung, dass es Thomas wie Herakles und König Sisyphos gelingt, den Herrn der Unterwelt zu überlisten und zurückzukommen.

Schlau genug ist er.

Erst mal müssen wir ohne ihn weitermachen. Mal schauen wie das läuft. Irgendwie geht es ja immer weiter, in Wahrheit wundere ich mich darüber. Anscheinend steckt in uns allen ein wenig Sisyphos und Prometheus. In Thomas auf jeden Fall.

Haarsträubend, wenn er aus seinem Schulalltag berichtete.

Obwohl immer höflich und liebevoll vorgetragen, waren Verzweiflung und wachsende Hoffnungslosigkeit herauszuhören, dass der Schleswig-Holsteinische Schulbetrieb ungebremst aufs offene Meer der juristischen Verfahren gegen Lehrerautoritäten hinsteuerte.

Oft blieb ich unsicher,

ob das alles so stimmte und rügte mich gleichzeitig für meine Zweifel, wusste ich doch wie ehrlich und aufrecht Thomas bei Allem blieb. Denn immer war ebenfalls offensichtlich, das es auf ein immer raueren schulischen Umgang hinauslief. Mehr als einmal sprach Thomas den Gedanken offen aus,

dass man eigentlich nur noch bewaffnet unterrichten dürfe,

wenn man nicht gerade Kampfsportler war, oder andere körperliche Überzeugungskraft besaß. Mehr als einmal trug er Schüler samt Stuhl hinaus, um dem Rest der Klasse das Lernen zu ermöglichen. Dank Statur und Charisma war ihm sowas möglich.

Doch wie machten es die anderen?

Dies und eine unüberschaubare Menge von Dingen, blieben mir unklar, bis zum heutigen Tag. Zum Schluss trat er von seiner Rolle als Abteilungsleiter zurück, ein kluger Schachzug, um sich auf den Ruhestand vorzubereiten. Letzten Sommer besuchten wir ihn.

Freudestrahlend skizzierte er, was er ab März 23 vorhatte.

Merkwürdig. Da ordnet man alles, ist höflich, hilfsbereit, bleibt sein Leben lang altruistisch, noch dazu als Lehrer an der Berufsschule, rackert sich ab, schluckt hinunter, macht weiter, unermüdlich, watet täglich durch ein Meer aus Bürokratie und Heuchelei, um Dienst am Menschen zu tun Und bekommt – trotz allem,

verfrühten Besuch vom Fährmann des Styx.

Noch dazu Thomas, der Wasser und Boote nicht sonderlich mochte. Angeblich fließt der Styx neunmal um den Hades herum, da wird ihm bestimmt schwindelig. Doch halt, vielleicht hat er Glück und hat keinen Wegzoll / Obolus dabei. Vielleicht findet er einen Weg zurück.

Oder er unterrichtet Hades und Persephone.

Auch ‘ne schöne Vorstellung. Vielleicht kann er seinen Charme bei der Dame des Hauses einsetzen, wer weiß. Einen Schlag hat er ja bei Frauen, ganz ohne Zweifel, wenngleich er sich nie dafür abstrampelte, das kam für ihn nie in Frage. Immer die Eleganz in Person.

Nun bist du uns vorausgefahren, mein Lieber.

Ich werde hier weiter die Stellung halten. Alleine schon aus Bosheit hab ich mir vorgenommen, mindesten 100 Jahre alt zu werden, nicht müde werdend, der Welt den Spiegel vorzuhalten, und im Zweifel auch zu drastischen Worten zu greifen, immer ganz nach dem Motto,

Worte sind stärker als Waffen!

Denn, ganz genau, da waren wir uns immer einig, weswegen Machthaber jeglicher Couleur, Politik, Wirtschaft, Medizin, Götter, alle jene, die Macht ausüben, das Unwissen der Menschen ausnutzen, um sie zu übervorteilen, ihnen Mist zu verkaufen, oder gar – beizubringen.

 Ich werde weitermachen, versprochen…

Explosion in der Küche – Odyssee 2021 CW32

15.August – Vorgestern Abend wurde es wieder etwas später. Ich glaub es war so zwei Uhr nachts, als ich mich nackt aufs Bett legte und hoffte, dass Morpheus mich bald heimsucht. Doch so einfach ging das nicht. Wir hatten immer noch 30 Gad und es blies ein solch warmer Wind aus Afrika, dass ich dachte, mich aus Versehen in einen Umluftherd gelegt zu haben.

Ob das Auswirkungen der Klimakrise sind?

Irgendwann steckte ich mir Ohrenstopfen rein, um das Surren und Schmatzen der Insekten nicht mehr zu hören, während sie mich auffraßen. Ab Mitte August ist es nämlich meist schon so lange trocken, dass sich unsere lieben Feunde wirklich auf Alles stürzen, was irgendwie nach Nahung aussah oder duftete.

Zum Glück gibt es eine Müdigkeit, wo das funktioniert, während man sich bei einer Siesta meistens wütend um sich schlägt, bis man entweder erschöpft einschläft, oder voller Verzweiflung aufgibt. Als ich mich dann in der Küche zu schaffen machte, begann ich wie immer mit Tee.

Ich trinke morgens zwei Tassen Tee, bevor ich auf Café wechsle, aber nur wenn ich zuhause in meinem Dorf auf Mallorca bin; wenn ich dann meine in Tee gedippte Madeleines verzehrt habe, wird Stufe zwei gezündet. Immer mache ich italienischen Espresso, mit der alten Alukanne, also ganz klassisch – aber nur in meinem Heimatdorf auf Mallorca.

Ihr seht, wohin man auch sieht – überall Rituale.

Wie immer füllte ich Wasser und Kaffeepulver ein, schraubte das Ganze zusammen und stellte die Kanne auf die Gasflamme – wie immer setzte ich mich dann wieder an den Tisch, weil es in der Regel 10-15min dauerte, bis alles Wasser durch den Steigschacht gedampft ist, was sich mit Fauchen und Zischen ankündigte und einem sagte – du kannst mich bald vom Herd nehmen und das Feuer ausschalten.

So tat ich es und Gott sah, das es……nein, in diesem Fall nicht….!

Wie immer ging ich zum Herd, um nachzuschauen, ob das schwarze Gold sprudelte; in Wahrheit ist nämlich Café das schwarze Gold und nicht Erdöl, aber das ist eine ganz andere Geschicht, die ich im neuen Buch erzähle – heute morgen jedenfalls lief alles wie immer, bis ich kurz den Deckel hob, um reinzusehen und mich gerade umdrehte, als die Kaffemaschine….

explodierte!

Gerade, als ich mich vom Herd wegdrehte – die griechischen Götter sein Dank – gab es einen lauten Knall, wie man ihn am ehesten auf dem Truppenübungsplatz in Munster erwartete, wo man mit richtigen Granaten und nicht mit italienischen Kaffeemaschinen übte – und in seiner Küche erwartet man so etwas schon mal gar nicht!

Warum das Sicherheitsventil nicht funktionierte, weiß ich nicht.

Viel interessanter fand ich das Gemälde, in das das kochende Kaffeepulver meine Küche verwandelte. Alles war mit feinstem schwarzem Pulver überzogen, während um den Bombenkrater eine grobkörnige Druckwelle die weiße Wand, samt Herd, Kücheninstrumente, Geschirr und was noch so alles herumlag, in ein zum Sterben schönes mattschwarz tunkte, dass es eine Wonne war, wie wunderbar dies Stillleben jede Form von Licht verschlang.

Tja – was sagte man dazu?

Man konnte manchmal Glück im Leben haben, oder war es Vorsehung? Wer weiß das schon – meine Freunde im Dorf jedenfalls sagten sofort, dass es ein Zeichen sei – welches sagten sie nicht – auch unser Dorfdruide blickte ernst drein und sah das Ganze als Zeichen des Kosmos und des globalen Wandels.

Vermutlich las er es in den Knochen vom Lamm…..

Als dann noch Internet und Smartphones von 16:00 Uhr bis morgens tot blieben, war für ihn klar, dass es an Feitag dem Dreizehnten oder Blackfriday lag, der die neue Worldorder ausrief, worauf er schon so lang wartete – als dann niemand darüber schrieb und sprach und es so aussah, dass es nur Mallorca betroffen hatt, weil vormittags dutzende Nachrichten aus allen Herren Ländern reintröpfelten, die man unterdessen gesendet hatte, wunderte er sich und sah enttäuscht aus. Schnell wechselte er das Thema auf Corona, um was zum Meckern zu haben.

Manchmal glaube ich, dass Komfort sich wirklich nur negativ auswirkt; ständig nörgelt man an Allem rum; wenn es dann noch still und friedlich ist, muss man ja regelrecht ausflippen oder nicht? Ich sag’s ja immer – ohne Krieg ist der Mensch nicht glücklich und sei es ein Streitgespräch unter Freunden – ich für meinen Teil hatte jedenfalls genug, nachdem sich meine Küche in einen Handgranatenwurfstand verwandelte…..

Zum Glück gab‘s in unserer Dorfbar auch leckeren Café….