Schlagwort-Archive: Feuer

Alles fließt – Griechenland Interview Teil2 – Odyssee 2020 CW31

2.August – aus vielen Gründen freute sich D auf das zweite Gespräch mit Perikles von Korinth. Einmal war da sein unsagbares Alter von 2700 Jahren, weswegen der alte Torwächter und Miterbauer des Diolkos vom Isthmus von Korinth eine schillernde Persönlichkeit war und Zweitens, weil seine Bemerkungen zur Handelsware Reisen und Fortsetzung der attischen Tragödie in der Neuzeit durch die Troika und später die Quadriga mehr als lapidare Bemerkungen, sondern handverlese Perlen aus der griechischen Geschichte blieben.

Nachdem D es sich mit einem großen Pott Tee und seinem Headset vor dem Laptop gemütlich machte, wartete er darauf, dass sich der antike Grieche einwählte. Nur wenige Sekunden später tauchte sein Gesprächspartner vor der Kamera auf.

DT: Giasas Perikles, wie geht es dir? Und vor Allem, was machen die Brände in Kechries?

PvK: Kalispera Dirk, gut soweit vielen Dank – sie sind zum Glück gelöscht worden!

DT: Das freut mich! Wollen wir heute unser Interview fortsetzen?

PvK: Können wir gerne machen.

DT: Ich würde gerne an deinen Kommentar von letzter Woche anknüpfen – jenen, indem du anmerktest, dass Griechenland von allen über den Tisch gezogen wurde…..

PvK: Was möchtest du wissen?

DT: Beschreib mir doch bitte, wie das gemeint ist.

PvK: Muss ich dir die ganze Geschichte, vom antiken Griechenland an beginnend erzählen, oder sind dir unsere vielen Nachbarn und all ihre damaligen Ambitionen geläufig, die uns in permanente Überlebenskämpfe verwickelten, so dass ich mich auf aktuelle Kriegsschauplätze konzentrieren kann?

DT: Konzentriere dich gerne auf die jüngste Vergangenheit.

PvK: Gut! Ich hatte vom indirekten Wegzoll gesprochen und dass es eine Form der Vergütung darstellt, weil Verreisen eine Ware ist, die damit abgegolten werden kann. Wenn man überteuerte Kredite angeboten bekommt, was moralisch unter Partnern und Freunden völlig verwerflich ist, zudem es nichts mit Solidarität zu tun hat, dann muss man seine Handelswaren neu sortieren – in unserem Fall ist unser Tisch, im Vergleich zu vielen anderen, reichlich gedeckt.

Jetzt die Hintergründe: Als man in 2010 das EU-Hilfspaket für unser Land schnürte, wollte Ministerpräsiden Papandreou das Volk darüber abstimmen lassen – was ein ziemlich natürlicher und demokratischer Schritt war, wenn man bedenkt, dass unser Volk auch die Kosten dafür tragen sollte. Diese Abstimmung wurde von der EU, allen voran Deutschland und Frankreich abgelehnt. Stattdessen setzte man uns unter Druck und erzwang eine Zusage zu dem Paket nach dem Motte, Vogel friss oder stirb – sprich, tretet sonst aus der EU aus.

DT: Das erinnere ich leider – dafür könnte ich mich heute noch schämen!

PvK: Lass dir keine grauen Haare wachsen……..

DT: Wie kannst du so gelassen bei dem Thema sein? Mir geht heute noch der Hut hoch……

PvK: Es muss wohl an unserer Vergangenheit liegen – wenn man sooft belagert, angegriffen und sich befreite wächst reichlich Resilienz – außerdem hat uns die Geschichte seit Jahrtausenden Recht gegeben – da kommt es auf ein paar müde Bürokraten mehr oder weniger nicht an, die meinen, sich gegen die Gesetze der Natur auflehnen zu können…..

DT: Du meinst Heraklits Grundsatz – alles fließt?

PvK: Natürlich! Man steigt niemals in das Gleiche Wasser und niemals an der gleichen Stelle zweimal. Wer nicht danach handelt, wird vom Verlauf der Natur verschluckt. Lass dir daher keine grauen Haare wachsen – konzentrier dich stattdessen auf das Wesentliche.

DT: Du hast Recht, Perikles! Außerdem kann ich ja selber etwas dagegen tun – zum Beispiel möchte ich meine Bücher ins griechische Übersetzen, damit lokale Buchhändler Geld verdienen können – ich möchte einen Beitrag leisten, statt mich über EU-Politik zu beschweren – Reden ist Silber, handeln ist Gold, lautet meine Devise! Außerdem ist das einer der Gründe, warum ich mich verpflichtet fühle die griechische Sprache zu lernen – aus Respekt, Anerkennung und Liebe zur griechischen Kultur!

PvK: Es rührt und freut mich sehr das zu hören.

DT: Danke! Aber wie könnte ich anders sein? Behandle die Natur und deine Mitmenschen, so wie du selbst behandelt werden möchtest…..

PvK: Natürlich – und so ist es auch mit Anderem – oft wird nicht erkannt, dass gegensätzliches in Wahrheit komplementäre Dinge sind, die einander bedingen – das Gleiche mit altem Wissen und Erfahrung – so gut wie immer sind Erkenntnisse schon mal dagewesen – sie gingen nur für lange Zeit verloren. Vermutlich ist das der Grund, warum ich so alt geworden bin…….

DT: Was kannst du den Menschen von Europa in Zeiten von Corona mitgeben? Was empfiehlst du?

PvK: Lebt im Jetzt, als wenn jeder Tag euer letzter ist. Schiebt nichts auf für später. Macht die Dinge die euch wichtig sind, jetzt, heute, sofort. Und blickt nicht zurück. Werdet, wer ihr immer gewesen seid!

DT: Herzlichen Dank, Perikles! So in etwa habe ich es auch vor Kurzem formuliert.

PvK: Gern geschehen. Weißt du schon, wann du nach Griechenland kommst?

DT: Ich hoffe sehr, dass Herbst klappt – wirst du dann in der Gegend sein?

PvK: Natürlich – wo soll ich hin? Hellas ist meine Heimat.

DT: Stimmt – außerdem, wie könntest du sein, wenn du nicht schon ewig gewesen wärest?

PvK: Ganz genau – irgendwann verstehen alle, dass sie selber alle Antworten in sich tragen.

DT: Richtig! Was wirst du jetzt im Anschluss machen?

PvK: Ans Meer gehen und du?

DT: Einen Schluck Wein nehmen und dann zu Bett gehen.

PvK: Das klingt gut – kalinichta

DT: Danke, du auch – bis bald.

PvK: Danke – Geia.

DT: Geia.

Gemütlich ging Don in die Küche und schenkte sich einen Schluck Wein ein und freute sich auf den nächsten Tag.

 

 

Feuer!

Letzte Nacht hat bei uns im Dorf gebrannt. Genauer gesagt, unten an der Küste, dort wo sie in den Hafen übergeht – ein richtiger Waldbrand. Keine Ahnung, ob ihr schon mal mit Feuer zu tun hattet – Naturgewalten können ziemlich erschreckend sein.

Doch ein Waldbrand ist etwas Besonderes. Das Krachen und Knacken von Holz, wenn Harz kocht, kurze Zeit später in Flammen aufgeht, wenn der Wald trocken genug ist, wenn dann alles rasend schnell geht, wenn weglaufen keinen Sinn macht, wenn man sich lächelnd umdreht, dem Schicksal mit Würde ins Gesicht sehend.

Wenn Wind dazu kommt, wenn er die schwelenden heißen Gase verteilt, wenn nach kurzer Zeit der Funkenflug dazu kommt, dann entwickelt sich eine Flammenhölle, eine Feuerwalze, die so heiß brennt, das Löschwasser sich durch zischende Explosionen in Wasserdampf verwandelt.

2013 brannte es schon mal, allerdings weiter weg, dafür viel schwerwiegender von den Auswirkungen. Die abgebrannten Stümpfe sieht man heute noch nach fünf Jahren am Wegesrand stehen. Letzte Nacht war viel Glück im Spiel. Wind blies nur spärlich – Löschflugzeuge und Hubschrauber konnten den Brand früh eindämmen. Tagsüber brachte die Feuerwehr den Brand unter Kontrolle. Zum Glück kam niemand zu Schaden, oder verlor seine Habseligkeiten.

Eigentlich wollte ich heute schreiben – aber der Waldbrand hat mich sehr nachdenklich werden lassen – wie fragil alles ist, wie schnell ein Paradies zur Hölle werden kann. Du hast Ärger mit deinem Nachbarn – natürlich sind es immer Kleinigkeiten, weswegen man aneinander gerät, immer – oder Stress mit Frau und Mann – ebenfalls nichts weiter als ein Ausdruck von Unzufriedenheit, weil man mit dem friedlichen zufriedenen Leben nicht klarkommt – Krebs, Hirnschläge und vieles mehr – ständig kann das Unheil an der Tür klopfen.

Wenn wir ein solches Unheil dann überstehen, geloben wir so Vieles anders zu machen – jetzt ganz bewusst leben, wirklich Umwelt und Mitmenschen mehr zu achten – so schnell ist alles zu Ende, von einer Sekunde zur Anderen, man merkt es gar nicht. Und dann wacht man irgendwo auf und hat es doch überlebt, keine Ahnung warum. War es Glück? Oder gar Talent, man hat ausnahmsweise etwas richtig gemacht?

Schon komisch – es scheint so, als wenn sich der Mensch ganz ohne Leid selbst verliert – dass er seine Achtsamkeit verlernt, sie ablegt, wie Werte und gute Vorsätze.

Arme Menschen, die sich jeden Tag erkämpfen müssen, bitten jeden an ihre Tafel – bei Reichen bekommt man eine Einladung, damit sich die Tür öffnet. Auch geben Arme leichter, als Reiche, die alles haben. Man soll auch nicht glauben, dass Reiche toleranter sind, oder dass man mit wachsender Macht und gestopftem Konto bescheidener und zurückhaltender wird, mitnichten. Ich habe nichts gegen Reiche, oder Reichtum im Allgemeinen – ich habe nur etwas gegen die Auswirkungen, dass einem alles egal wird und die Tatsache, dass man gute, gar fette Jahre als selbstverständlich nimmt.

Dem Waldbrand von letzter Nacht war es egal, wie ich mich fühle – vermutlich haben erst feiernde Menschen ihn möglich gemacht, ihn geweckt – ist es so nicht mit vielen Dingen? Die Natur erneuert sich ständig und entwickelt sich weiter, ob wir das wollen oder nicht. Wir glauben immer noch, dass wir eingreifen können und Götter spielen, sein sollten – doch im Grunde genommen sieht die Natur uns nur schmunzelnd zu. Sobald wir etwas Törichtes ausprobieren, schlägt sie zurück – mit aller Macht und Konsequenz – wenn es uns erledigt, wird sie am nächsten Morgen genauso lächelnd erwachen wie eh und je – mit und ohne uns.

Das, wurde mir heute wieder klar – wie unbedeutend und klein ich bin – was ich bis hierher für ein Sauglück hatte und dass es nur ein schmaler Grat zwischen Freude, Leben und Leid und Tot ist. Jeden Tag will ich leben, als wär’s mein Letzter – ich werd versuchen, nichts für später aufzuschieben, so wie das besondere Porzellan, dass man üblicherweise für besondere Anlässe geerbt oder gekauft hat – jeder Tag ist ein besonderer Anlass – ich bin gesund und am Leben.