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Krieg oder Frieden? – Odyssee2021 CW43

31.October – Um sieben Uhr morgens landete ich. Bei strömendem Regen stakste ich aus dem Flughafen von Mallorca. So grau, wolkenverhangen und nass hatte ich die Insel noch nie erlebt. Erfreulicherweise holten mich zwei Freundinnen mit dem Auto ab, so dass die zweite Dusche nur kurz ausfiel.

Nur mühsam schwomm der kleine Wagen durch die Fluten; wir drehten eine Extrarunde entlang der südlichen Ostküste; die Freundinnen wollten unbedingt die Fischerdörfer besichtigen, was sich jedoch mit stark beschlagenen Scheiben, Starkregen und heftigen Windböen in einen bescheiden-fröhlichen Roadmovie verwandelte.

Meine Anmerkung, dass es eventuell an der Westküste weniger feucht zugeht, wurde von den zwei Amazonen durchaus goutiert; so wechselten wir die Richtung und kamen nach einer guten Stunde in Esporles an, wo uns tatsächlich Sonnenschein empfing; da wir nicht die einzigen Inselbewohner zu sein schienen, blieb die Parkplatzsuche Glückssache.

In einer engen Seitengasse kam es dann zum Showdown, a la Sergio Leone!

Ein schmaler Fahrstreifen bot Platz für nur einen Wagen, da parkende Autos andere Möglichkeiten ausschlossen; nun musste ein Fahrer dem anderen Vortritt lassen; doch meine zwei Freundinnen hatten auf der anderen Seite ein unterschwelliges Platzhirschgehabe entdeckt, was sie unmöglich so stehen lassen konnten und nahezu einstimmig bestimmten, nicht weichen zu wollen.

Bereits ahnend, dass die andere Seitee das ebenfalls so sehen konnte, bemerkte ich höflich, dass wir ja als die Klügeren nachgeben und zurücksetzen könnten, was man als erwachsenes Nogo – ebenfalls einstimmig – aburteilte.

Wie immer versuchte ich ein weiteres Straßenduell zu verhindern und streute pazifistisches Gedankengut, wie Oblaten bei einer Kommunion, unterschätzte jedoch zum x-ten Mal die hohe Duellierbereitschaf meiner Mitmenschinnen.

So stellte ich mich auf einen längeren Verhandlungsprocess ein, da keine Seite Anstalten machte, zurückzusetzen. Gespannt verfolgte ich die Situation; schnell wurde gestikuliert, bald aus den Fenstern herausgerufen; als die Spanierin ausstig und unserer griechischen Fahrerin vorhielt, mehr Anrecht zu haben, war der Ofen aus!

Wutschnaubend setzte sie mit quietschendem reifen zurück und ließ im Anschluss danach ihre durchaus als erwachsen einzustufende Unzufriedenheit an mir aus. Seit ich ein Kind bin arbeiten sich Streithähne und eben solche weiblichen Kaliber an mir ab; man muss sich nicht lange fragen, warum es Jahrzehnte andauernde Stammesfehden, oder gar ausgewachsene Krisen- und Kriegsschauplätze, wie Israel und Palästina gibt.

Und natürlich erwachsen Konflikte immer aus Nichtigkeiten, wenn man sich traute, genauer hinzuschauen – doch wer traute sich? Eben…

Schnell merkte ich, dass meine Argumente nichts wert schienen, weil ich es vil besser unterlassen hätte, vor den Kontrahenten mit der Fahrerin zu diskutieren, weil wir so keine geschlossene Streitmacht abgaben. Wieder einmal zeigte sich für mich, dass wir uns täglich entscheiden können…

Krieg oder Frieden…

 

 

Alltagswahnsinn – Odyssee 2020 CW52

27.Dezember – D hatte schlecht geschlafen. Nur mühselig kam er gegen elf Uhr hoch und wusch sich die schlafenden Zähne. Als er nach der Zahnpasta griff, stellte er fest, dass sie leer war; beim Griff in den WC-Schrank, nestelten seine Finger durch allerlei Krams, fanden aber keine neue Tube. „Scheiße!“, stöhnte D und begann sich die fahlen Beißwerkzeuge mit Resten seiner Baldrian-Tinktur zu putzen, während er den ungewohnt krautigen Geschmack genoss, der ihm in langen Speichelfäden aus dem müden Maul tropfte.

Nach einer Weile – D hatte flüchtig sein Gesicht gewaschen – kam er aus dem Bad gekrochen und schlurfte angesäuert durch seine Bude, um sich einen ersten Kaffee zu machen; ungeduldig prasselten Kaffeebohnen in die alte Mühle von D’s Ur-Ur-Großältern (extra mit „ä“ geschrieben, für alle Regel-Fetischisten) und er begann zu kurbeln; nachdem das Mahlen und Knirschen seine Wohnung erfüllt hatte, als ob man die Gebeine des heiligen Fellatios von Päderastien zerkleinerte, blieb nichts mehr übrig, außer brauner wohlriechender Kaffee-Staub.

Geduldig füllte D das duftende Mehl in den Becher, huschte geschwind um den Tresen seiner offenen Küche herum, um Milch aus dem Kühlschrank zu holen, als er beim Rückweg völlig überrascht an der Arbeitsplatte hängen blieb: Erbost fluchte D die schwere Holzplatte an, „Blödes Arschloch!“, als einer seiner Füße unerwartet auf dem verstaubten Boden ausrutschte, so dass D eine gründliche Bauchlandung machte, die unglücklich verlief, da er sich den Kopf an einer der zwei leeren Bierkisten stieß, die er mehrmals vergessen hatte wegzubringen.

Donnernd kippte eine um; alle Flaschen verteilten sich über den Boden, wobei einige zu Bruch gingen und sich sorgfältig mit der leerlaufenden Milchtüte vermischten, die D in seiner unkoordinierten Verzweiflung durch die Wohnung geschüttet hatte, was er aus immer schmaler werdenden Sehschlitzen beobachtete, weil ihn der Schlag auf den Kopf ins Land der Träume katapultierte, bis seine schlaffen Mundwinkel ein gnädiges Lächeln umflorte!

Nach einer Weile kam D wieder zur Besinnung, stöhnte und ächzte wie eine alte Lokomotive, „Was ist denn das jetzt wieder für ein Anschlag gewesen? Hab ich etwas verbrochen?“, fragte D sich, während Glasscherben unter seinen Sandalen knirschten und er den Fehler wiederholte, die Haftung des schmierigen Untergrunds zu überschätzen, dass D erneut ausrutschte und mit aufgerissenen Augen auf einige empfindlich weit hochragende Scherben niedersauste, dass sein Gedächtnispalast Alarm schrie, während er im Sausetempo auf die gläsernen Stacheln zuraste!

Instinktiv wusste D‘s Körper, dass es ihm an die Wäsche ging; das Wegziehen des Armes verhinderte ein jesus-ähnliches Durchstechen der Hand, aber nicht die empfindlich tiefe Schnittwunde, die sofort zu Bluten begann, als hätten sich Pulsadern geöffnet; in großen Schüben pumpte sein Herz roten Saft raus, während der Blutdruck empfindlich abrutschte, dass D ganz schummrig wurde, als er Richtung Sofa schlingerte, um Beine und Leben hoch zu halten.

Unterdessen drückte er mit seinem Daumen instinktiv die blutende Wunde zu, von der bleicher werdenden Hoffnung unterstrichen, „Wird so schlimm nicht sein!“

D lachte über die Absurdität des benutzt schmeckenden Tages immer lauter und lauter, bis ihm Tränen der Freude die Wangen runterliefen und sein pochender Kopf ihn an den ersten Sturz erinnerte. Nach einer Weile stand D erneut auf. „So schnell kriegt ihr mich nicht, das habe ich euch die letzten Male schon gesagt!“, fluchte er, den Griechischen Göttern dabei mit erhobener Faust drohend.

Nachdem er ein gefaltetes Stück Klopapier auf die blutende Wunde gepresst und ein Pflaster provisorisch drüber geklebt hatte, fing er an sich zu fragen, ob er das vielleicht nähen sollte, immerhin machten das Männer im Antiken Griechenland so, warum also nicht jetzt, in modernen Corona-Zeiten, dachte D, wo man in Krankenhäusern weit Wichtigeres zu tun hatte, als unglücklich hingeschlagene Zeitgenossen zu flicken?

Für D schien alles klar zu sein, schmierte Jod auf die Wunde und sah sich den Milch-Scherben-Schlamassel an, den er in seiner Wohnung angerichtet hatte und lachte erneut auf, diesmal jedoch mit respektvoller Vorsicht.

Eine sprudelnde Kopfschmerztablette bildete die Vorspeise, bevor D sich dem Hauptgang widmete, seinem Café, den er mit den letzten Resten der verbliebenen Milch färbte und sich mit pochender Hand aufs Sofa setzte und sich langsam, aber achtsam über das Leben wunderte.

Merry Xmas nachträglich  an alle, die im Leben straucheln, es aber mit Würde erdulden….