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Leere Augen – Odyssee 2021 CW05

07.Februar – Seit ein paar Tagen drückte irgendetwas auf D’s Seele. Es war nicht das Übliche Corona-Wehweh, es hatte andere Formen bekommen. Es drängten ein paar Reime ans Tageslicht. Mit der Isolation alleine hatte jeder schon genug zu tun. So auch D, der die Einsamkeit zwar grundsätzlich mochte, aber die Selbstgewählte bevorzugte, ganz besonders wenn es um Ort, Zeit und Menschen ging.

Und so geschah es.

D setzte sich an einen Schreibtisch und begann die folgenden Zeitel zu schreiben…

Leere Augen warten auf grün,

hoffend, dass es nicht weiter geht;

weiter zuverlässig funktionieren,

gebildet, höflich rein mechanisch;

Spielzeuguhren, gefüllt mit Zahnrädern,

wieder und wieder aufs Neue aufgezogen;

ewig geht das Warten weiter, nie hört es auf,

einreihen, anstehen, eintreten, verabschieden;

mechanische Rituale heben grüßend die Hand,

wann ist uns das Leben abhanden gekommen;

alle Städte sind voll von Ihnen, Zerstreuung suchend

Erledigungsmaschinen, an Perlenschnüren aufgezogen,

vor den Ampeln des Lebens wartend,

leere Augen die auf grün zu warten,

bis sie im Spiegel erkannten, dass

es meine eigenen waren…

 

Zukunft, du mir Unbekannte – Odyssee 2021 CW01

10.Januar – Nachdenklich erkannte D, dass der Schein eben doch auch Sein zu sein schien. Merkwürdig, die Worte so angeordnet zu sehen, als hätte man Messer und Gabel vertauscht und kann nichts essen, obwohl doch nichts fehlt.

Konnte man sich ändern?

Was passierte, wenn wir nach Jahrzehnten erkannten, dass wir die Fischsuppe, die wir jeden Samstag vorgesetzt bekamen, uns in Wahrheit nicht schmeckte? Und was passierte auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses, wo man vielleicht ebenfalls nach Jahrzehnten erkannte, dass man die Samstags-Fischsuppe in Wahrheit hasste und nur ihm zuliebe kochte, weil er sie so leidenschaftlich anpries ?

In D hatten sich Bilder und Gedanken angesammelt, die sich um jene geheimnisumwobene Unbekannte drehten; täglich bauten wir Brücken, zwischen Gestern, heute und morgen – nach und nach kamen erste Eindrück; immer mehr Worte gesellten sich dazu; bald schon bildeten sie eine neue Sippe – so geschah es, das D sprach:

Vergangenheit:

wer mochte nicht gerne auf dir segeln,

sich über wunderbare Momente schippern assen;

voll Ego und Leidenschaft wir schöner schienen,

doch es in Wahrheit nie waren;

erschien Vergangenheit auch glanzvoll, so blieb sie was sie immer war,

Kunst-Ausstellung gelebter Exponate;

lasst uns nun die Ruhmeshallen verlassen,

hinein in Trubel und Leben springend;

seht, wie er magisch plätschert und glitzert,

der rauschende Fluss;

wie er hinfortreißt,

zu unbekannten Ufern;

winkend grüßen uns die Ahnen,

endlich sind wir wieder frei;

auf zu unbekannten Ufern,

mögen sie lange Fremde bleiben;

unser Jetzt aus vollen Bechern trinkend,

bis der letzte Durst gelöscht;

bald weisen schemenhafte Schatten,

den nächsten unbekannten Hafen;

abermals gebar die Überfahrt,

die nächste Ruhmeshalle;

lasst das Reisen niemals enden,

möge es auch kurz erscheinen;

um zu bleiben, was wir immer waren,

Reisende, bis zum nächsten Hafen;

Dort bei reichlich Wein sprach ich einst:

Vergangenheit,

wer mochte nicht gerne auf dir segeln…..

 

 

Aller Schnecken Fang

Streunend lief ich umher – tagelang. An manchen tat ich nicht mal das.

Flirrende Hitze überm Horizont. Damokles nicht weit – Unendlichkeit zehrt mich aus. Bluthunde die an Knochen nagen.

Willenlos lauf ich Dünen empor, erklimm sie selig, nicht ohne Mühe. Für kurze Zeit Gipfel Hoffnung die zusammenfällt. Asche nachrutschend.

Schlüpfrig-ölige Angst. Weicher mehliger Rücken, kurz zuvor mit Stolz erklommen. Ewig geht es weiter – erst eine, dann die Nächste.

Gefühle längst abhanden-gekommen. Keine Orientierung, wohin ich auch geh. Wind lässt monotone Bilder zu Boden gehen. Laue Lüftchen umschleichen mich.

Schmetterlinge die Wirbelschleppen feinster Seide zogen, Beine umkreisend. Vage die Wirkung – real oder nicht.

Dunkler Punkt in weiter Ferne – beharrlich näherkommend. Tragische Fällen, Bergsteiger oder Abenteurer, in Stille vertrocknend eingegangen.

Blätter – saftig grün, als Laub zu Boden gegangen – hat’s all die schönen Zeiten nie gegeben?

Gefällter Baum, lautlos, vom Winde verweht zu Boden gehend.

Es werde Licht, sprach die Zeit

Wenn die Sonne scheint; ganz kräftig und prächtig; wenn Freude arrogant aus der Erde sprießt, als wär seit gestern Frühling, dann vorsicht mit all dem Licht; können niemals alles ernten was wir sähen.

Vielleicht erst gestern.

Nachts kauere ich unter sieben Decken, erfreue mich am Glück von fünfundzwanzig Graden. Doch Obacht, im Garten liegend, alles Baumeln lassend; Sonne hat mehr Kraft als alle Amazonen.

Das Leben hat mich durchgewärmt; fühle mich wie ein Frischling; kratz mir am Bauch, als wärs ne Nabelschnur; Poren öffnen, wie kleine Knospen; erschrocken, wie kalter Kohlenstaub, fliegt Wintermuff vom Aschengrund hinauf.

Wind streicht leicht vom Meer heran, umschleicht mich wie ein Dieb; Violinkonzerte im Hintergrund; vielleicht Mozart, keine Ahnung; offensichtlich hat Es beschlossen, nichts merken ist ein Segen; fühl mich wunderbar; Schafe blöken, Esel röcheln, Ziegen meckern, fange an zu fliegen.

Langsam schmelzen gestrige Schatten dahin, nehmen Angst aus dunklen Schächten an die Hand, gehen auf Wanderschaft, bis der nächste Herbst sie wieder an der Türe klopfen lässt.

Hallo, da seid ihr wieder, wie nie weggewesen; leicht mein Herz, letzte Sorgen versickern in tiefste Krusten meiner hölzernen Seele; Zeit meines Lebens mit Händen und Füßen wehrend, unter dem Druck des Alltagswahnsinns zu versteinern.

Es stimmt, ich ahnte es; man schlüpft, man sieht es, einfach so; warum, weshalb, genaues weiß man nicht; manche erfahren es, manche nie; wenige sind es, viele suchen’s; wandelnde Kaleidoskope, die Licht nicht kennen; scheuen, sich verstecken, wo sie können.

Zu bequem der Schatten, mich wälze, mich selbst nicht sehe, unsichtbar bleib, mich erhole, von Mühen, die nie hatte, kannte, doch oft erhoffte; mein dunkles Loch, du Fröhliches, düstere Kammer meiner Seele, das mich umflort, wie der Mutterschoß, in dem ich reifte, kleine Himmelsfrucht.

All das ist vergessen, zurück unters Bett gedrängt, mit all den Geistern und Gespenstern; denn hell und grell das heutige Licht, versengst mir meine Lieder, wie beim ersten Mal; brauchst heut nicht kühlen meine fragende Einsamkeit.

All die Jahre wieder, branntest kleine Zeichen auf mein Fleisch; langsam röstend, jungen Knochen, die alles wussten, doch Pinsel nicht zu schwingen vermochten.

Alles vergeben und vergessen; der Lenz ist da; bis nächster Herbst und Winter, Gräber, Schächte öffnend, alte Wunden aufreißend, nur zum Zeitvertreib; zu gerne folge ich deinen Lichtern, wie die Abbilder aller Seelen Sinne, strahlend scheinen um die Wette, ohne es zu merken, wie Fische, die Wasser nicht kennen; Vögel, die Luft mögen, jedoch nie getroffen.

Wirbelnde Karusselle, um sich selbst, um alles und nichts herum sich drehen, immer schneller und schneller; nicht innehalten können, sich fürchten, als könnte Bewegung kühlen, ein wenig schützen, vorm schnellen Überhitzen.

Schuldlos schürfend, tiefe Löcher in unsren Boden, auf der Suche nach Erde, ständig hinwegschaufelnd, in Händen haltend, zwischen Fingern reibend, vergeblich spüren. Wassermühlen, die Nasses fürchten, Angst vor Berührung haben; wie viele Kometen brauchen unsere Gärten, bis Augen hören, Ohren sehen, erkennen, dass Natur sie täglich zeigt.

Haben unendlich Zeit, meinen vermessen zu messen; nicht einfach, Offensichtliches zu sehen, Unendlichkeit schwer zu fassen; erfinden ständig Methoden und Apparate, um zu bohren, blind zu sehen, dass durchdringen wir nur uns selbst; vielleicht Glück wir haben zu begreifen, dass alles gemacht aus Sternenstaub.

Bin endlich erfolgreich schlecht geworden, im weltlichen Zeitempfinden; habe sie durchschaut, größte Hure des Universums, sich alle Untertan gemacht; ihr auf den Leim gegangen, weil meinen, zu messen, würde helfen zu verstehen.

Seit gestern ist alles anders; ich weiß, es gibt sie nicht; bis zuletzt brachte sie mich in Verruf, meinte ich würde sie nicht kennen, mich nicht an sie halten.

Je weniger desto mehr, sag ich immer; irgendwann stolperte ich drauf; seitdem ist alles wunderbar; bin frei; mach es wie die Tiere; seit jetzt ist immer Jetzt und Zeit; ständig hab ich Welche.

Zu viel ist nie genug!