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Es werde Licht, sprach die Zeit

Wenn die Sonne scheint; ganz kräftig und prächtig; wenn Freude arrogant aus der Erde sprießt, als wär seit gestern Frühling, dann vorsicht mit all dem Licht; können niemals alles ernten was wir sähen.

Vielleicht erst gestern.

Nachts kauere ich unter sieben Decken, erfreue mich am Glück von fünfundzwanzig Graden. Doch Obacht, im Garten liegend, alles Baumeln lassend; Sonne hat mehr Kraft als alle Amazonen.

Das Leben hat mich durchgewärmt; fühle mich wie ein Frischling; kratz mir am Bauch, als wärs ne Nabelschnur; Poren öffnen, wie kleine Knospen; erschrocken, wie kalter Kohlenstaub, fliegt Wintermuff vom Aschengrund hinauf.

Wind streicht leicht vom Meer heran, umschleicht mich wie ein Dieb; Violinkonzerte im Hintergrund; vielleicht Mozart, keine Ahnung; offensichtlich hat Es beschlossen, nichts merken ist ein Segen; fühl mich wunderbar; Schafe blöken, Esel röcheln, Ziegen meckern, fange an zu fliegen.

Langsam schmelzen gestrige Schatten dahin, nehmen Angst aus dunklen Schächten an die Hand, gehen auf Wanderschaft, bis der nächste Herbst sie wieder an der Türe klopfen lässt.

Hallo, da seid ihr wieder, wie nie weggewesen; leicht mein Herz, letzte Sorgen versickern in tiefste Krusten meiner hölzernen Seele; Zeit meines Lebens mit Händen und Füßen wehrend, unter dem Druck des Alltagswahnsinns zu versteinern.

Es stimmt, ich ahnte es; man schlüpft, man sieht es, einfach so; warum, weshalb, genaues weiß man nicht; manche erfahren es, manche nie; wenige sind es, viele suchen’s; wandelnde Kaleidoskope, die Licht nicht kennen; scheuen, sich verstecken, wo sie können.

Zu bequem der Schatten, mich wälze, mich selbst nicht sehe, unsichtbar bleib, mich erhole, von Mühen, die nie hatte, kannte, doch oft erhoffte; mein dunkles Loch, du Fröhliches, düstere Kammer meiner Seele, das mich umflort, wie der Mutterschoß, in dem ich reifte, kleine Himmelsfrucht.

All das ist vergessen, zurück unters Bett gedrängt, mit all den Geistern und Gespenstern; denn hell und grell das heutige Licht, versengst mir meine Lieder, wie beim ersten Mal; brauchst heut nicht kühlen meine fragende Einsamkeit.

All die Jahre wieder, branntest kleine Zeichen auf mein Fleisch; langsam röstend, jungen Knochen, die alles wussten, doch Pinsel nicht zu schwingen vermochten.

Alles vergeben und vergessen; der Lenz ist da; bis nächster Herbst und Winter, Gräber, Schächte öffnend, alte Wunden aufreißend, nur zum Zeitvertreib; zu gerne folge ich deinen Lichtern, wie die Abbilder aller Seelen Sinne, strahlend scheinen um die Wette, ohne es zu merken, wie Fische, die Wasser nicht kennen; Vögel, die Luft mögen, jedoch nie getroffen.

Wirbelnde Karusselle, um sich selbst, um alles und nichts herum sich drehen, immer schneller und schneller; nicht innehalten können, sich fürchten, als könnte Bewegung kühlen, ein wenig schützen, vorm schnellen Überhitzen.

Schuldlos schürfend, tiefe Löcher in unsren Boden, auf der Suche nach Erde, ständig hinwegschaufelnd, in Händen haltend, zwischen Fingern reibend, vergeblich spüren. Wassermühlen, die Nasses fürchten, Angst vor Berührung haben; wie viele Kometen brauchen unsere Gärten, bis Augen hören, Ohren sehen, erkennen, dass Natur sie täglich zeigt.

Haben unendlich Zeit, meinen vermessen zu messen; nicht einfach, Offensichtliches zu sehen, Unendlichkeit schwer zu fassen; erfinden ständig Methoden und Apparate, um zu bohren, blind zu sehen, dass durchdringen wir nur uns selbst; vielleicht Glück wir haben zu begreifen, dass alles gemacht aus Sternenstaub.

Bin endlich erfolgreich schlecht geworden, im weltlichen Zeitempfinden; habe sie durchschaut, größte Hure des Universums, sich alle Untertan gemacht; ihr auf den Leim gegangen, weil meinen, zu messen, würde helfen zu verstehen.

Seit gestern ist alles anders; ich weiß, es gibt sie nicht; bis zuletzt brachte sie mich in Verruf, meinte ich würde sie nicht kennen, mich nicht an sie halten.

Je weniger desto mehr, sag ich immer; irgendwann stolperte ich drauf; seitdem ist alles wunderbar; bin frei; mach es wie die Tiere; seit jetzt ist immer Jetzt und Zeit; ständig hab ich Welche.

Zu viel ist nie genug!

 

Surrealismus und Licht

Mein Bauch wurde wach. Einfach so. Irgendwann der Rest. Heute war er sogar vor allen anderen da. Manchmal machte er was er wollte, lief dem Palast den Rang ab. Keine Ahnung wann er oben im Turm die Lampe gebeten hatte sich zu drehen. Meistens schlief ich schon wenn er des Nachts hochging. Wenn er seinen Rundgang machte, im Schloss nachsah ob alles Recht war und dann das Licht leise löschte, doch genug Kerzen brennen ließ, um dem armen Monsieur Thalamus gerade so viel Rest zu lassen, dass er die Tresen-Bewohner versorgen konnte.

Seit ein paar Wochen lässt er es einfach an. Er lässt es immer weiter und weiterdrehen. Er hat seinen Heidenspaß damit, den milchigen Lichtkegel über das weite, offene Meer wandern zu lassen, wie ein neugieriges Auge, das Angst hat etwas von der Welt, etwas vom Leben zu übersehen, die unstillbare Flamme der Furcht in sich schwelen zu fühlen, kurz vorm Wegsehen die brennende Ungewissheit sich entfachen zu lassen, etwas übersehen zu haben.

Mein Schlaf musste gut gewesen sein. Es war immer noch da. An der gleichen Stelle. Meine Rechte hielt das Buch über das ich eingeschlafen war, nachdem der Weißwein geholfen hatte die Augen langsam, ganz langsam und müde, immer schwerer werden zu lassen, bis Morpheus mir mein Lächeln zurückgab. Der morgendliche ungeduldige Wind pustete seine energische Frische durch die Fenster, während weißen Lilien für die Herrschaft der Blumen kämpften.

Ein Arm, ich glaube es war Meiner, lag lang ausgestreckt neben mir. Der rechte Daumen lag noch auf der gleichen Linken Seite, um einen Abdruck zu hinterlassen. Der Zeigefinger, zur Rechten des rechten Daumens, bewachte die ebenso ziemlich rechte Seite des Buchs, wobei er sich lässig auf die Seite gelegt hatte, um den Buchstaben unkeusch wie er war, bei ihrer entblößenden Satzgestaltung zuzuschauen, die stille Hoffnung niemals und unter gar keinen Umständen aufgebend, einen unbedeckten, lüstern-weichen Schimmer zu erhaschen, der ihn stundenlang an Ort und Stelle warten ließ, bis ihn der erste Sonnenstrahl erlöste.

Die linke Hand lag immer noch zwischen Bauchnabel und Ätna und schlief. Dort wo die leichte Senke Becken und Torso verband. Frisch, würzig, mit einem Hauch Torfgeruch drang die Luft in meine Nase, weckte sie vorsichtig auf, während sich Selbige abregte, nachdem sie die Brise angelächelt hatte. Im Gedächtnispalast wurden die ersten Bilder von Dünen, Salzgräsern, stürmischen Wolken und Schaumkronen gezeigt, bevor der Bauch wusste wie man wohl Wasser schreiben könnte. Einem feuchten Handtuch gleich, saß der Sandmann auf meinen Augen, als wenn er sie nie wieder freigeben wollte. Vögel zwitscherten. Meine Lungen ließen tiefe lange Ströme in langsamen Flüssen rein und raus fließen.

Irgendjemand versuchte unter meinem Fenster den Fahrradstand zu öffnen. Unter lautem Fluchen versuchte man den Schlüssel ins Schloss zu stoßen. Es gelang nicht. Das grelle metallische Kratzen ließ nichts Gutes erahnen. Vermutlich sollte aus einem nicht Passenden, ein halbpassender sich irgendwie öffnender Kompromiss geschmiedet werden. Verzweifelt wehrte sich das Schloss. Zeternd strampelte es mit Händen und Füßen den Bart weg, von der schreienden Hoffnung ermutigt, das Schlimmste verhindern zu können. Fauchend hörte ich irgendwann die Erleichterung am Fahrradstand ausatmen, als das Schloss gewahr wurde, dass der Mensch seinen Irrtum einsah, den falschen Schlüssel geführt zu haben. Glückspilze. Manchmal gab es sie. Man musste nur lang genug warten und hinsehen.

Herr S. ist Mieter über mir. Er fluchte heute sehr früh. Seit ihn seine Frau verlassen hatte, fluchte er mehr als vorher. Manchmal schimpft er mit ihr, so als wenn sie noch da wäre. Ich glaube manchmal, dass er gar nicht wusste, wofür er eine haben wollte. Es machte bei ihm gar keinen Unterschied. Er war immer gleich mies drauf. Mit ihnen und ohne sie. Manchmal weinte er in der Nacht. Er weint aber nicht über ihren Verlust. Er bedauerte sich schlicht selbst. Manchmal zerschmiss er eine Bierflasche. Oder Zwei. Weinflaschen waren selten dabei. Die klirrten dumpfer und gemütlicher. Bierflaschen bellten aggressiver. Danach ging es ihm meistens ein bisschen besser. Er hatte dann diesen zufriedenen Ausdruck im Gesicht. Wenigstens für ein paar Minuten hatte er dann Frieden, bis ihn Wut und Angst wieder packten.

In der Wohnung neben Herrn S. gab es ein neues Wii-Spiel vom Weihnachtsmann. Kinder hopsten und tanzten herum, ließen die hundertjährigen Pitch-Pine-Bohlen ächzen und stöhnen. Irgendwo weiter oben wurde eine Spülung gezogen. Jemand schlug eine Tür zu. Laufschuhe trappelten die Stufen herunter, hin und wieder von einem stumpf-lächelnden Labrador begleitet. Die Kinder im Innenhof spielten Fußball, trafen den glänzenden Aluminium-Rahmen öfter, als das Netz. Das blanke Knallen schepperte hallend durch den Innenhof. Ihr Geschrei sprang in meine Ohren. Es dauerte ungefähr 100 liegende Atmungen:

Dann öffnete ich die Augen, rekelte mich und gähnte. Meine Augen erschraken ein wenig, als sie das Licht sahen. Es war weiß. Mein Über-Es untersuchte es sorgfältig. Langsam erkannte es die einzelnen Spektralfarben zwischen all dem Weiß. Farben, wohin ich auch sah. Der Stuck an der Decke war eher creme als weiß, mit einer leichten pastell-gelb Note. Draußen fing es schon wieder dunkelgrau an zu regnen. Und zu stürmen. Eigentlich wollte ich heute laufen. Ich setzte mich auf die Bettkante, bewegte meine Zehen, ließ meine Schultern ein wenig rotieren und stand auf. Dann drückte ich die Knie durch, wollte mit den Fingerspitzen den Boden berühren. Spätestens dann erinnerte ich mich wieder, dass ich 188cm groß war. Irgendwann klappte es. Lautes Scheppern über mir. Bellend ging eine weitere Bierflasche im Leben von Herrn S. zu Bruch. Es musste Mittag sein. Ich ging in die Küche, am langsam rotierenden Gaszähler vorbei, blieb vorm Fenster stehen und knetete meine Nase. Regen und Graupel peitschten uns durch. Die Kinder waren längst reingerannt. Fußball. Komisches Spiel. Ich schnitt ein Stück vom Ingwer ab, wollte mir einen Tee machen. Mit der Löffelspitze kratzte ich die Haut herunter, zerschnitt die Knolle in kleine Würfel und fütterte die Knoblauchpresse. Normalerweise gab es eine enorme Schweinerei, wenn man nicht aufpasste. Damit es die nicht gab, steckte ich beim Zerdrücken die Presse in einen Krug, aus dem ich später trinken würde, um die zerplatzenden, spritzenden Säfte und Stücke nicht in meinem Gesicht und in der ganzen Bude zu verteilen. Hin und wieder vergaß ich das. Ingwer brennt ziemlich stark in den Augen. Fußball. Mannschafts-Ballspiele an sich fand ich nicht spannend. Egal welche. Waren alle gleich langweilig. Zum Selbermachen sowieso. Mannschaftssportarten waren nicht meine Sache. Es hielt sich sowieso keiner an Seine. Das klappte doch zwischen zwei Personen schon nicht oft. Wie stellte man sich das bei Volley.-, Fuß.- oder Handball vor?

Geschwindigkeit, kombiniert mit Technik mochte ich dagegen sehr. Wenn ein Spiel variantenreich und schnell war, sah die Welt anders aus. Squash entwickelte sich damals zu meiner Leidenschaft. Das war schnell und man spielte mit 4 Wänden. Und alleine gegen einen Gegner. Am meisten liebte ich aber Jai-Alai. Aber die Courts standen fast alle in Bilbao und Umgebung. In Hamburg brauchte man nicht mal davon träumen. Schmatzend zerquetschte ich die Ingwer-Würfel. Kochendes Wasser und Honig folgten. Klimpernd rührte ich um. Plimm-Palimm-Pah-Limm-Limm-Pa-limm-Plimm-Palimm und wieder von vorne. Es erinnerte mich ein bisschen an Kirchenglocken. Die klangen genauso. Mein Gott war ich heute seriös. Dabei trank ich nur Ingwer-Tee. Das alleine war am Morgen schon ungewöhnlich genug. Irgendwie war mir nicht mehr oft nach Kaffee.

Heute wollte ich malen. Für mich ist malen wie sehen, nur ohne zu sehen. Das Bild ist irgendwie in meinem Kopf. Ich weiß genau wie es aussieht. Ich muss es nur rauslassen. Eigentlich brauch ich es nicht malen, weil es ja schon da ist, weil ich es ja schon habe. Zwar im Kopf, aber da ist es schon fertig. Meine Neugier aber, ob es im Draußen so aussehen wird wie im Drinnen, die treibt mich an es draußen zu machen. Klirren und Scheppern aus der Wohnung von Herrn S. Das fehlende Sonnenlicht machte auch ihn mürbe. Seine Flaschen-Taktung nahm zu, wenn die Lichtmenge abnahm. Das konnte man ihm nicht einmal verübeln. Graupel prasselte schmutziggrau an die Scheibe. Ein Schiff ließ beim Auslaufen sein Horn ertönen. Irgendwo wurde gekocht. Es roch nach Ente und Rotkohl.

Geschwindigkeit gab mir Stille. Sie gab mir Ruhe. Wenn etwas sehr schnell bewegt wurde, dann wurde es sehr ruhig um es herum. Wenn ein Ball auf 200 Stundenkilometer geschossen wurde, war es still um ihn, weil er alleine war. Fliegt ja keiner neben ihm her. Jedenfalls selten. Das übertrug sich auf sein Umfeld. Wirkliche Stille gibt es nur in uns, oder wenn wir mit hohen Geschwindigkeiten Rock-n-Roll tanzten. Vielleicht war das der Rausch in den Herr S. immer kam, wenn er die Flaschen knallen ließ. Er hatte schlicht einen Geschwindigkeitsrausch. Beim Denken und Sein ist das genauso. Wenn ich die Dinge mit meiner mir eigenen Geschwindigkeit tue, dann fühle ich mich immer dann besonders wohl, wenn jemand eine Ähnliche hat. Sonst wird es sehr schwarz.

Ein paar Zuckerkörner wurden vom Tonkrug zerquetscht, als ich ihn auf ihnen abstellte. Ich hatte sie übersehen. Der Ingwertee duftete herrlich. Regen peitschte ungeduldig ans Fenster. Ich ließ die Zigarette auf meine Lippen springen, zog kräftig daran. Ich wollte Licht malen. Aber wie macht man das? Sonnenlicht zum Beispiel ist weiß. Es ist nicht gelb, wie wir es im Kopf haben. Ich glaube wir haben Gelb nur deswegen in unseren Köpfen, weil das Sonnenlicht, also das Sommerliche, warm ist. Deswegen mag ich Surrealismus. Nicht, weil das Leben so ist. Also, dass ist es schon, aber Gemälde des Surrealismus finde ich toll. Ich möchte ein surrealistisches Bild von meinem Palast machen, wie er von innen heraus viel Licht und Wärme sendet. Um Dinge zu zeigen wie sie sind, müssen wir sie nicht so machen wie sie aussehen, geschweige wie irgendeine Norm es wünschen würde, sondern so wie die chaotische anarchische Anti-Norm es tun würde. Dinge die ich sehe sind nur Reflexionen von ihrem unwirklichen Spiegelbild und zeigen mir nur, was sie NICHT sind.

Surrealismus ist für mich das einzig Wahre. Die Utopie, eine absolute Realität anzustreben, in der Traum und Wirklichkeit nicht nur schön verschwimmen, sondern Hand-in-Hand gehen, sich einander ohne Gegensätze wunderbar verstehen, erscheint mir als völlig notwendig und erstrebenswert. Wenn ich es aber genauer betrachte, ist es nicht nur eine gedankliche, oder künstlerische, sondern vielmehr eine Lebensphilosophie, die sich dahinter verbirgt. Ich glaube ich war schon als Kind Surrealist. Natürlich ohne es zu wissen. Meine Umgebung und meine Mitmenschen haben mich glaube ich sehr oft so erlebt. Nicht nur Tante Maria.

André Breton hatte Recht, als er seine Aufmerksamkeit auf das Unbewusste konzentrierte. Wenn der Großteil meines Lebens, im Unbewussten in einer Parallelwelt stattfindet, eine die zur selben Zeit real ist, wie die andere, dann finden nicht nur die meisten Dinge dort statt, sondern auch die Wichtigsten. Wenn ich im Durchschnitt 0,1% bewusste Dinge tue, dann kann ich mir doch die Frage erlauben, wer ich eigentlich bin? Wenn ich nichts bewusst entscheide, tue oder lebe, was lässt mich glauben machen, mein eigenes Leben zu leben? Wenn ich ein surreales Bild von meinem eigenen unbewussten Weltbild haben will, wie kann ich dafür am Besten abtauchen, um einen Zugang zu bekommen? Als Hedonist kann ich nur den Rausch wählen, welchen Sinnen ich auch wie von Selbigen folgen möchte. Wenn ich als Tiger oder Krokodil, Zigarette rauchend in meiner Küche sitze und über Surrealismus sinniere, was passiert mit der Welt, wenn ich das nicht tun würde? Vermutlich nicht viel. Sie merkt es wahrscheinlich gar nicht, dass ich als Bartgeier meine Zigaretten selber stopfe. Im Grunde geht es mir auch nicht um die Welt. Wer in Sodom und Gomorras Namen ist schon die Welt? Ich möchte neue Erfahrungen machen. Ich. Die Welt soll mir gestohlen bleiben. Ich möchte ausprobieren, lernen und neue Blickwinkel erleben und zulassen. Wenn jemand mein Handeln nicht versteht kann ich sicher sein, dass ich auf der richtigen Fährte bin.

Licht. Das ist etwa völlig Universelles und doch taucht es alles in ein wirkliches und gleichzeitig surreales Licht. Es lässt Dinge völlig unterschiedlich erscheinen. Das Licht zusammen mit dem Blickwinkel des Individuums erlaubt mir zu sehen, was ich möchte. Nach einer Norm leben, heißt aus einem Katalog gewählt zu haben. Es heißt ein großes Stück weit sein Individuum aufgegeben zu haben.

Ich kann nicht gut malen. Wirklich nicht. Sehr unterdurchschnittlich, würde ich sagen. Ich muss mir immer erst einmal Skizzen machen. Draußen hupen zwei Autos. Zwei Frauen schreien sich an. Parkplatzsuche in Ottensen. Die Leuchtturmlampe rotierte kräftig, der Palast war hell erleuchtet und mein Bauch auf Palastrevolution eingestimmt:

Wenn jetzt jemand kommt und mir sagen will, dass sein Leben ein langsam dahinfließender Fluss ist, der Tag ein Tag aus gleich ist, dass man sich Glück und Zufriedenheit hart erarbeiten und verdienen musste, dann konnte es passieren, dass ich mich totlache.

Ich skizzierte wie wild drauf los. Irgendwann öffnete ich den Wein. Es war schon dunkel. Ein Bordeaux. Mein Über-Es hatte ich während des Ingwertees als meinen Bauch enttarnt. Die Skizze war noch nicht fertig, aber ich war nicht ganz unzufrieden. Das Ergebnis war nicht mehr Mittelpunkt. Der Prozess war angestoßen. Wie lange es dauern würde um das Bild fertig zu haben? Ist gar nicht wichtig: Wichtig ist der Start. Es wird genau dann fertig sein, wenn es Zeit dafür ist. Wer überhaupt konnte sowas wissen? Die Zeit? Wie kann etwas irgendwas wissen, wo es doch nicht existiert? Die Zeit! Dass ich nicht lache.