Schlagwort-Archive: Hass

Kugelmenschen – Odyssee 2022 CW02

09.Januar – Immer noch Wilstedt-Siedlung. Nieselregen, grauer Himmel und Kälte sorgen für gute Stimmung. Bin mit merkwürdigen Träumen wach geworden und schlurfe langsam die Treppe runter. Zünde als erstes ’n Räucherstäbchen an, mag den Duft. Dann griechischen Kaffee. Wenn schon nicht Attika, dann wenigstens ‘n Andenken davon.

Genau!

Blubbernd kippe ich den Sud in mein Becher, knabber ein wenig vom gestrigen Brot, hiefe mich ins Wohnzimmer und setz mich vors Fenster, wie es alte Männer machen. Aquarium mit Teakholzumrandung. Zwei Goldfische schweben mit Pudelmütze vorbei. Krebse spielen verstecken und rangeln mit widerspenstigen Algen. Ein Seepferdchen von nebenan hüpft ein wenig herum, bis es meine Augen erblickt und sie zu hypnotisieren versucht.

Sonst nichts.

Blubberblasen schweben durchs Wasser. Schiffe fahren ziellos herum. Nebenan schreit die Ehefrau. Ihr Mann brüllt irgendwas zurück. Dann Stille. Eine Weile später, kreischt sie hysterisch und kriegt sich offensichtlich nicht mehr ein. Auf wildes Geschepper und Gepolter folgt lautes Klatschen. Dann wieder Stille. Plötzliches Aufschreien einer Kettensäge, vermutlich macht der Nachbar Brennholz für den Kamin. Dreißig Minuten später

wieder Stille.

Ich stecke mir eine Zigarette an. Rauche eigentlich nicht mehr. Meine Pudelmützen-Goldfische kommen wieder zurück. Ich schlürfe meinen Greek-Café, ziehe an der Kippe und spiele mit meinem Kombeloi, wie es alte Griechen tun. Ein paar Ideen fallen mir ein. Schnell notiere ich sie in’s Notizbuch, schreibe das Datum drüber.

Sonst nichts.

Ein paar Häuser weiter zerreißt plötzlich ein Schuss die Stille, gefolgt von lautem Männergeschrei. Dann noch ein Schuss. Hat sie ihn, oder er sie? Man weiß es nicht. Mein Seepferdechen steht immer noch eicht wedelnd im Aquarium und hypnotisiert mich. Ich drücke die Zigarette aus und trinke den letzten Schluck Gruselkaffee, der sich körnig zwischen Zunge und Zähnen verteilt und herrlich beim Kauen knirscht.

Lautloses Schreien in der Stille.

Die zwei Nachbarn haben wohl nicht ihre richtige Hälfte gefunden. Zuviel Angst vor Trennung vergrößert Leid und Gräben. Herrlich dies norddeutsche Fädengrau. Lädt ein, entgültige Entscheidungen zu treffen. Diesmal macht man‘s richtig, nicht nur im Geist. Zünde flott ein neues Räucherstäbchen an. Auf der anderen Seite stöhnen Nachbarn durch die offenen Fenster. Lenden-Klatschen auf Hinterteile. Brunftiges Knurren, dann süßes Schreien.

Freud und Leid liegen ja oft – genau!

Zwei Polizeiwagen fahren still vorbei. Türenklappen, dann laufende Stiefel. Metallschlitten werden entsichert, gefolgt von lautem Rufen und Scheiben klirren. Schlurfe mit meinem zweiten Café zurück vors Aquarium. Gerade rechtzeitig. Plötzlich bellen mehrere Schüsse die Stille an. Dann Schreien und Rufen. Ein Mann humpelnd blutüberströmt vorbei.

Weitere Schüsse fallen.

Ich les mein Horoskop, schlürfe Café, stecke mir eine weitere Zigarette an. Eigentlich rauche ich nicht. Das Seepferdchen schwebt wieder umher und die Krebse machen Siesta. Ich kippe das Fenster zur Straße hin. Draußen riecht‘s nach Rotkohl und Zigarre. Es regnet dünne feine graue Fäden. Ich nippe am Café, ziehe und inhaliere, spiele mit dem Kombeloi.

Dann schieße ich aus meinem Schlaf hoch…

 

 

Krieg oder Frieden? – Odyssee2021 CW43

31.October – Um sieben Uhr morgens landete ich. Bei strömendem Regen stakste ich aus dem Flughafen von Mallorca. So grau, wolkenverhangen und nass hatte ich die Insel noch nie erlebt. Erfreulicherweise holten mich zwei Freundinnen mit dem Auto ab, so dass die zweite Dusche nur kurz ausfiel.

Nur mühsam schwomm der kleine Wagen durch die Fluten; wir drehten eine Extrarunde entlang der südlichen Ostküste; die Freundinnen wollten unbedingt die Fischerdörfer besichtigen, was sich jedoch mit stark beschlagenen Scheiben, Starkregen und heftigen Windböen in einen bescheiden-fröhlichen Roadmovie verwandelte.

Meine Anmerkung, dass es eventuell an der Westküste weniger feucht zugeht, wurde von den zwei Amazonen durchaus goutiert; so wechselten wir die Richtung und kamen nach einer guten Stunde in Esporles an, wo uns tatsächlich Sonnenschein empfing; da wir nicht die einzigen Inselbewohner zu sein schienen, blieb die Parkplatzsuche Glückssache.

In einer engen Seitengasse kam es dann zum Showdown, a la Sergio Leone!

Ein schmaler Fahrstreifen bot Platz für nur einen Wagen, da parkende Autos andere Möglichkeiten ausschlossen; nun musste ein Fahrer dem anderen Vortritt lassen; doch meine zwei Freundinnen hatten auf der anderen Seite ein unterschwelliges Platzhirschgehabe entdeckt, was sie unmöglich so stehen lassen konnten und nahezu einstimmig bestimmten, nicht weichen zu wollen.

Bereits ahnend, dass die andere Seitee das ebenfalls so sehen konnte, bemerkte ich höflich, dass wir ja als die Klügeren nachgeben und zurücksetzen könnten, was man als erwachsenes Nogo – ebenfalls einstimmig – aburteilte.

Wie immer versuchte ich ein weiteres Straßenduell zu verhindern und streute pazifistisches Gedankengut, wie Oblaten bei einer Kommunion, unterschätzte jedoch zum x-ten Mal die hohe Duellierbereitschaf meiner Mitmenschinnen.

So stellte ich mich auf einen längeren Verhandlungsprocess ein, da keine Seite Anstalten machte, zurückzusetzen. Gespannt verfolgte ich die Situation; schnell wurde gestikuliert, bald aus den Fenstern herausgerufen; als die Spanierin ausstig und unserer griechischen Fahrerin vorhielt, mehr Anrecht zu haben, war der Ofen aus!

Wutschnaubend setzte sie mit quietschendem reifen zurück und ließ im Anschluss danach ihre durchaus als erwachsen einzustufende Unzufriedenheit an mir aus. Seit ich ein Kind bin arbeiten sich Streithähne und eben solche weiblichen Kaliber an mir ab; man muss sich nicht lange fragen, warum es Jahrzehnte andauernde Stammesfehden, oder gar ausgewachsene Krisen- und Kriegsschauplätze, wie Israel und Palästina gibt.

Und natürlich erwachsen Konflikte immer aus Nichtigkeiten, wenn man sich traute, genauer hinzuschauen – doch wer traute sich? Eben…

Schnell merkte ich, dass meine Argumente nichts wert schienen, weil ich es vil besser unterlassen hätte, vor den Kontrahenten mit der Fahrerin zu diskutieren, weil wir so keine geschlossene Streitmacht abgaben. Wieder einmal zeigte sich für mich, dass wir uns täglich entscheiden können…

Krieg oder Frieden…

 

 

Neger oder was? – Odyssee 2021 CW24

20.Juni – Gleichberechtigung, political correctness und Emanzipation sind wichtige und richtige Werte. Wennglich man bei richtig schon wieder aufpassen muss – eventuell diskriminiert man damit das Falsche oder Böse.

Auch jene dunklen Seiten, haben ihre Daseinsberechtigung, was nicht heißen soll, dass nicht selbst bei diesen wertvollen zu anfangs genannten drei Schwergewichten Grenzen existieren.

Genau an diese stieß D gestern!

Was war geschehen – im schönen Schleswig Holstein gibt es einen Ort, der Negernbötel heißt, was an sich nichts weiter erwähnenswertes ist, wenn nicht ein paar lokale Hansels auf die Idee gekommen wären, der Name könnte eventuell dunkelhäutige Mitmenschen diskriminieren.

Da war es dann aus, mit D’s sprichtwörtlicher Ruhe und Gelassenheit!

Mit einer Schimpfkanonade, die selbst graubärtigen Seebärinnen die Haare zu Berge hätten stehen lassen, schlug seine rechte abgeflachte Hand mit solch lautem Knallen auf den Tisch, dass die Nachbarn über ihm, erschrocken aus dem Fenster sahen, in Sorge, D könnte seinen Gast so stark geohrfeigt haben, dass er nicht nur in den tiefsten Burggraben, menschlicher Eskalation geflogen sein konnte, sondern auch physisch und wahrhaftig in den Innenhof des Wohntrakts, des ehamligen Karmeniterkloster, das D seit nunmehr bald sechs Jahren bewohnt!

Doch nichts von all dem, trafen zu – den griechischen Göttern sei’s gedankt.

Aber es sorgte dafür, dass D sich mit zorngerötetem Kopf ein Herz fasste und sich vornahm, in nicht allzu ferner Zukunft ein Böses Buch zu schreiben, um eine Art Ausgleich zu den vielen Gutmenschen herzustellen.

Es musste doch irgendwo Schutzräum geben, wo man seine Unzulänglichkeiten pflegen, Trash-Metall hören, lauthals fluchen und sexistisches Macho-Verhalten, sowie andere aussterbende Verhaltens-Formen auskosten konnte und die zufriedene richtige Männer von netten und angepassten trennten.

Und so kam es.

D schrieb ein paar knackige Sätze, in denen es nur so von „fucks“ – „pussies“ und „Wichsern“ hagelte, dass er mit jeden weiteren niedergeschriebenem Wort, breiter und zufriedener Lächelte, bis sich eine derart große Erleichterung und Zufriedenheit einstellte, das er sich voller verfickter Überraschung über den bloßen Umstand wunderte, wie sehr sich die sogenannten „kultivierten“ Großstadt-Bohemien vom wahren Leben entfernt hatten.

Offenkundig dozierte man nur noch über das „richtige“ Leben, ohne Selbiges auszuleben.

Alle wollen prachtvoll wohnen, bevorzugt unter sich, während man im durchgeplanten und all-in voll-versichertem klimatisierten Leben, von einem Urlaubs-Super-Deal zum nächsten surft, um das Maximale aus Allem herauszuholen, inklusive dem eigenen Leben –

Fuck’em all!