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10.September – Hochzeit – Odyssee 2023

Gestern war ich auf ’ner Hochzeit … nicht auf meiner … einer meiner engsten Freunde traute sich … wir waren in einem schönen Lokal, irgendwo am Wasser … ich glaub, es war ein Fluss … mondäne Umgebung, großzügige Einfamilienhäuser …

Einige Stunden später …

Längst war die Hochzeitsgesellschaft in einem berauschten Zustand … Reden wurden geschwungen … noch dazu schöne … von Freunden und Familie … irgendwann trieb es mich aufs Klo …

da sah ich sie …

mit weit gespreizten Beinen … knapp bekleidet … Teile ihres Hinterteiles sah ich … wohlgeformt … von Tätowierungen verziert … bewaffnet mit Patronen und Revolvern … saß sie auf ihrer Harley Davidson …

ein Cowgirl …

war ihre Erscheinung an sich schon beeindruckend, zog mich ihre Lederjacke magisch an … Rebel Doll … stand da geschrieben … ich dachte an unsere Zeit … überall wird ge-gendert … alles und jeder / jede, darf heute alles sein …

ich halte das für großen Mist …

Menschen sind meines Wissens nach ein Produkt der Evolution … wir sind Teil der Natur … Stecker und Steckdose … bei Säugetieren gibt es feminine und maskuline … geschlechtslose sind mir nicht bekannt …

Tiere wie Schnecken zum Beispiel …

die haben beides … Hermaphrodismus nennt man das … achtsam und respektvoll miteinander umzugehen sollten wir geschlechtsunabhängig ausleben … finde ich …

oder etwa nicht …

wie sonst können wir allgemein gültige Menschenrechte anerkennen … vermutlich gibt‘s noch andere Elemente, die in dieser Genderzeit Sinn machen … weil sie Teil eines, sagen wir mal …

moralischen Fortschritts sind …

aber deswegen sind wir Menschen noch lange keine Schnecken … lange stand ich vor Rebel Doll auf dem Herrenklo … es kam mir eine Ewigkeit vor … gerne hätte ich sie kennengelernt … vermutlich haut sie mir auf den Arsch …

dachte ich so …

ich empfand es als was Selbstverständliches in gleichberechtigten Zeiten … so wie sie aussah würde es mir gefallen … klingt irgendwie sexistisch … ich weiß … ich gebe es zu … ich bin Sexist …

trotzdem kam mir der Gedanke …

dass vermutlich ein weißer Mann in meinem Alter diesen Namen erfunden hat … irgendwie ist er ein Paradox … ein Widerspruch in sich … so wie Holzeisenbahn … wahrscheinlich holt Rebel Doll ihrem Freund freiwillig das Bier aus dem Keller …

und flucht dabei …

solche Sachen sind jedenfalls harmlos … krass sind die Dinge des Alltags, die sich vorm Erkanntwerden verstecken … ein*e französischer Gast*in erklärte mir Folgendes … wenn eine Gruppe Menschen für etwas bereit ist …

zum Beispiel …

um in ein Restaurant zu gehen … und die Gruppe besteht aus 2 Männern und 10 Frauen … dann gilt die Gruppe als männlich … man sagt dann „nous sommes prets“ … ab 2 Männern gilt jede Gruppe als „männlich“ …

ich finde das interessant …

die Hochzeitsfeier war großartig … Vieles wirbelte sie auf … Vergangenes … noch nicht Passiertes … für Braut und Bräutigam freute ich mich … strahlende Gesichter … Optimismus … die Zuversicht, die sie versprühen …

unmöglich sich dem zu widersetzen …

Kugelmenschen – Odyssee 2022 CW02

09.Januar – Immer noch Wilstedt-Siedlung. Nieselregen, grauer Himmel und Kälte sorgen für gute Stimmung. Bin mit merkwürdigen Träumen wach geworden und schlurfe langsam die Treppe runter. Zünde als erstes ’n Räucherstäbchen an, mag den Duft. Dann griechischen Kaffee. Wenn schon nicht Attika, dann wenigstens ‘n Andenken davon.

Genau!

Blubbernd kippe ich den Sud in mein Becher, knabber ein wenig vom gestrigen Brot, hiefe mich ins Wohnzimmer und setz mich vors Fenster, wie es alte Männer machen. Aquarium mit Teakholzumrandung. Zwei Goldfische schweben mit Pudelmütze vorbei. Krebse spielen verstecken und rangeln mit widerspenstigen Algen. Ein Seepferdchen von nebenan hüpft ein wenig herum, bis es meine Augen erblickt und sie zu hypnotisieren versucht.

Sonst nichts.

Blubberblasen schweben durchs Wasser. Schiffe fahren ziellos herum. Nebenan schreit die Ehefrau. Ihr Mann brüllt irgendwas zurück. Dann Stille. Eine Weile später, kreischt sie hysterisch und kriegt sich offensichtlich nicht mehr ein. Auf wildes Geschepper und Gepolter folgt lautes Klatschen. Dann wieder Stille. Plötzliches Aufschreien einer Kettensäge, vermutlich macht der Nachbar Brennholz für den Kamin. Dreißig Minuten später

wieder Stille.

Ich stecke mir eine Zigarette an. Rauche eigentlich nicht mehr. Meine Pudelmützen-Goldfische kommen wieder zurück. Ich schlürfe meinen Greek-Café, ziehe an der Kippe und spiele mit meinem Kombeloi, wie es alte Griechen tun. Ein paar Ideen fallen mir ein. Schnell notiere ich sie in’s Notizbuch, schreibe das Datum drüber.

Sonst nichts.

Ein paar Häuser weiter zerreißt plötzlich ein Schuss die Stille, gefolgt von lautem Männergeschrei. Dann noch ein Schuss. Hat sie ihn, oder er sie? Man weiß es nicht. Mein Seepferdechen steht immer noch eicht wedelnd im Aquarium und hypnotisiert mich. Ich drücke die Zigarette aus und trinke den letzten Schluck Gruselkaffee, der sich körnig zwischen Zunge und Zähnen verteilt und herrlich beim Kauen knirscht.

Lautloses Schreien in der Stille.

Die zwei Nachbarn haben wohl nicht ihre richtige Hälfte gefunden. Zuviel Angst vor Trennung vergrößert Leid und Gräben. Herrlich dies norddeutsche Fädengrau. Lädt ein, entgültige Entscheidungen zu treffen. Diesmal macht man‘s richtig, nicht nur im Geist. Zünde flott ein neues Räucherstäbchen an. Auf der anderen Seite stöhnen Nachbarn durch die offenen Fenster. Lenden-Klatschen auf Hinterteile. Brunftiges Knurren, dann süßes Schreien.

Freud und Leid liegen ja oft – genau!

Zwei Polizeiwagen fahren still vorbei. Türenklappen, dann laufende Stiefel. Metallschlitten werden entsichert, gefolgt von lautem Rufen und Scheiben klirren. Schlurfe mit meinem zweiten Café zurück vors Aquarium. Gerade rechtzeitig. Plötzlich bellen mehrere Schüsse die Stille an. Dann Schreien und Rufen. Ein Mann humpelnd blutüberströmt vorbei.

Weitere Schüsse fallen.

Ich les mein Horoskop, schlürfe Café, stecke mir eine weitere Zigarette an. Eigentlich rauche ich nicht. Das Seepferdchen schwebt wieder umher und die Krebse machen Siesta. Ich kippe das Fenster zur Straße hin. Draußen riecht‘s nach Rotkohl und Zigarre. Es regnet dünne feine graue Fäden. Ich nippe am Café, ziehe und inhaliere, spiele mit dem Kombeloi.

Dann schieße ich aus meinem Schlaf hoch…