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05.Februar – Élysée Palast – Odyssee 2023

Letzte Nacht hatte ich einen merkwürdigen Traum. Ich war Teil einer öffentlichen Anhörung. Manu Macron saß auf einer goldverzierten Anklagebank, im Zentrum eines unfassbar prachtvoll ausgeschmückten Saales.

Hier herrschte Nichts,

außer blanker Pracht der fünf Republiken, sowie dem barocken Feudalismus voriger Herrscher, von Napoléon 3,2,1, deins, der französischen Revolution, Louis Katorze, „l’Etat c’est nous“ der Sonnenkönig, bis runter zu Merowingern und Karolingern, angeführt von Karl dem Großen, besser bekannt unter dem Namen – Charlemagne.

Mitten drin, ich.

Wie delikat, hatte ich angeblich geheime Dokumente veröffentlicht, die zeigten, wie sich in Frankreich öffentliche Hand, sowie Geldadel bedienen – UND – es noch immer tun. Man konnte die Spannung greifen, mit Messern schneiden. Manu war guter Dinge.

Ich saß etwas Abseits.

Zeugen wurden aufgerufen. Vom Staatsanwalt befragt, zeigten alle in Richtung Manu. Er hätte dies oder jenes befehligt, angeordnet oder entschieden. Rhetorisch brillant wie immer begann Manu Personen zu befragen. Sie sprachen ’ne Sprache, die ich nicht verstand.

An der Körpersprache konnt man sehen,

dass er sie in die Defensive drängte. Hin und wieder schmunzelte er freundlich, aber ein wenig herablassend. Ein zweimal lachte auch der Saal mit. Obwohl die Beweise der Zeugen Gewicht hatten, sahen sie nicht gut aus. Merkwürdig, dachte ich, wie wenig Fakten zählen, wenn man unsere Aufmerksamkeit auf menschliche Schwächen lenkt

und sich daran – labt.

Ich kam ins Grübeln, dachte an mein Interview letzte Woche, dachte an meine Sicht auf Frankreich und Deutschland, meine Wünsche für die Zukunft. Mich behandelte man während der Anhörung neutral, nicht wie einen Eindringling, eher wie einen Zuschauer.

Und irgendwie bin ich das auch.

Man hat als Nicht-Franzose kein Wahlrecht, auch wenn man dort wohnt, gar in die öffentliche Sozialversicherung einzahlt. In Deutschland ist‘s vermutlich ähnlich. Irgendwie stört mich das, und doch verstehe ich, warum Staaten / Nationen Bedingungen festlegen. Für mich ist es der gleiche egoistische Mechanismus,

das gleiche moralische Register,

wie der Abtransport des Pergamonaltars, wo sich Deutsche genauso mit Ruhm bekleckert haben, wie Franzosen und Briten an der Akropolis, nur um den „edlen“ Lord Elgin zu nennen, der hunderte Marmor-Friese vom Parthenon stahl und ans Londoner Museum ja wirklich – verkaufte,

so wie seine französischen Brüder und Gauner im Geiste,

die mit ihren zusammengerafften Diebesgut, bis heute Louvre und andere Museen schmücken, oder wie Max Brod, der sich über den letzten Willen seines besten Freundes hinwegsetzte, um der Nachwelt Welliteratur zu erhalten, dessen Handlungen und Verhalten noch heute,

besonders von Literaturwissenschaftlern,

hoch bejubelt wird, deren Reaktionen mich in gewisser Art und Weise, an die obigen Archäologen und kulturellen-geistigen Diebe erinnern. Irgendwann war die Anhörung zu Ende. Manu schien zufrieden, schüttelte meine Hand, ließ letzte Bilder schießen und geleitete uns raus. Ich hatte im Élysée-Palast gesessen.

Merkwürdiger Traum.

Irgendwann wachte ich auf und ging auf Klo. Längst war’s neun Uhr durch. Ich war geschafft von Woche und Traum. Überhaupt stand in diesem Jahr einiges an. Buch fertig schreiben, Homepage bauen und eine Reihe anderer Dinge, die Disziplin und Durchhaltevermögen verlangen.

Immer öfter stieß ich auf Widerstand.

Auf der einen Seite gab‘s den Willen zur Vollendung, während sich im gleichen Atemzug alles dagegen sträubte, Erfolg mit etwas zu bekommen, gar fertig zu werden. Ich hatte eine andere Sicht und sah mich doch genau davon umgeben.

Ewiger Konflikt.

Klang nach Sisyphos, nach weitermachen, ohne Aussicht auf Besserung. Leben eben. Manche finden mich miesepetrig, pessimistisch oder deprimiert. Keine Ahnung. Ich lehn‘ es lediglich ab, begriffe wie Jacken zu gebrauchen. Liebe zum Beispiel. Man sollte sie nicht an.- und ablegen, sondern empfinden. Sonst wird‘s eng mit Menschwerdung.

Zum Glück wird es langsam wärmer…

11.Dezember – 3.Advent – Odyssee 2022

Bin heut‘ Morgen mit Kopfschmerzen wachgeworden…viele Male hab ich mich rumgewälzt, bis ich dann hoch bin…hab Wasser getrunken, aus dem Fenster geschaut und geseufzt…erste Gedanken begannen herum zu sausen, als ich anfing mir einen griechischen Kaffee zu machen.

Kühle Temperaturen sind in Toulouse angekommen.

Weihnachtsdekoration in Fenstern und Straßen, Menschen mit Tüten, Wolken beim Ausatmen…Winter…geschmückte Tannenbäume in Wohnzimmern…Kinder und Menschen mit leuchtenden Augen…2022, bist ein krasses Jahr…wenn ich überlege, was alles…Wahnsinn…

und nicht nur das…

hab mich entschlossen, aufs Ganze zu gehen…wer vom Schreiben leben will, muss zuerst seinen Lebensstandard runtersetzen…muss in 2023 weiterkommen…andere Dinge ausprobieren, warum nicht in Frankreich, einen anderen Markt angehen…

Wenn Sisyphos jeden Tag seinen Stein…

genau dann kann ich…richtig, kannst du, nein musst du…ha‘m heut‘ den dritten Advent…hab mich mit meiner Freundin über Xmas unterhalten…in Frankreich läuft’s ein wenig anders, aber das Prinzip ist ähnlich…..hab ihr erzählt, wie ich Weihnachtsmann gespielt hab‘…..ein einziges Mal…

Jahre später hatten die Kinder noch Angst vorm Fest…

hab damals für eine Firma gejobbt, die Wohnmobile baut….der Chef suchte ‘nen W-Mann und dachte ich wär ‘ne gute Wahl…hat hinterher seine Meinung grundlegend geändert…ich hätte furchteinflößend gewirkt, selbst für ihn und seine Frau…

quasi so, als würde Arthur Fleck die Rolle übernehmen…

hatte ihn gewarnt, erinnere es, als wär’s gestern, „Kommst du kurz in mein Büro?“, wer sagt schon nein, wenn Cheffe d‘rum bittet, „na, klar…“ ich bearbeitete noch eine Küchenschublade zu Ende und ging in sein hell erleuchtetes Büro, dass mit Pflanzen und frischen Blumen gemütlich wirkte…

„Was machst du Heiligabend…?“

Immer schnell zur Sache, so war er… will er das ich arbeite, oder was… „Na, das Übliche halt, Familie eben, Christbaum, zu viel essen und trinken…und Sie?“ damals war siezen angesagt, „Gar nicht unähnlich, nur das meine Kinder…“, schon konnte ich’s riechen und kürzte das Gerede ab: zwar mochte ich ihn, aber wenn er was wollte, blieb er unausstehlich….seine übertriebene Freundlichkeit, wie vieles an ihm……gekünzelt…

„Glauben ihre beiden Zwerge an den Weihnachtsmann…?“

Schon begannen seine Augen zu leuchten, er musste nicht länger hinterm Berg halten, „Genau darum geht’s…“, ich spielte den Überraschten, „Wieso kommen Sie damit zu mir? Schauen Sie mich an, ich bin lang und dünn, eher das Gegenteil von…“, er klatschte erfreut in die Hände, als hätte er einen Witz gemacht den ich nicht verstand…

„Wir woll’n einen drahtigen lustigen Weihnachtsmann,

keinen dicken, gemütlichen, der mit so ‘nem altbackenem „Ho-ho-ho an der Tür steht“, mein Einsatz nahte, wenn ich ihm jetzt nicht reinen Wein einschenkte, wann dann, „Zu Ihrer Erinnerung, ich bin kein Stück witzig und lustig, fragen Sie die anderen…“

„Papperlapp, nun sei nicht so schüchtern….

ist’ne 1L Flasche Gin als Lohn in Ordnung?“ Zuhören war nicht seine Stärke, noch dazu hatt‘ ich keine Lust, vor dem verwöhnten Puttengesicht und Ex-Handballtrainer, seiner schwangeren Frau mit den strahlend blonden Ausstellungskindern den Hampelmann zu spielen, drei Mercedese haben die inner Garage, Bonzen sind das, nein Danke…

„Weihnachtsmänner sind klein und dick, nie finden Sie Klamotten, die…“

Er ließ sich nicht beirren, er war fest entschlossen, dass er meine höflichen Ausreden bewusst oder unbewusst überhörte, mit denen ich versuchte zu sagen, dass ich mich nicht geeignet fand; doch es half nichts. „Mach dir keine Gedanken wegen Kleidung, die gibt’s in allen Größen, besorg ich dir alles…ist 17:00 Uhr okay für dich?“

Nun hatte ich den Salat.

Schon nahte der große Moment. Ich zog meine schweren Springerstiefel von der Bundeswehr an, Weihnachtsmänner staksen durch Schnee und fahren mit Renntieren rum, da sind Flipflops kaum angesagt; meine schwarze Jeans ging in Ordnung, beim Chef bekam ich dann den Weihnachtsmann-Mantel, sowie Bart und Mütze und eine ansehnliche – Rute!

Was erwarteten die, sollte ich die Bagage durchmöbeln?

Durch die Hintertür kam ich rein…mein Chef freute sich riesig…schon schlüpfte ich in die Klamotten, griff nach dem gewaltigen Sack und zog ihn über den Boden schleifend, wie ein frisch erlegtes Bambi hinter mir her, während ich mit der andern Hand den schlagbereiten Knüppel hielt.

So kam ich in‘s warm und weich

ausgeleuchtete 80 Quadratmeter Wohnzimmer, das einen gewaltigen Weihnachtsbaum neben dem marmornen Kamin stehen hatte…reiche Leute, macht einen auf sozial und scheint doch mit dem Laden deutlich besser abzusahnen, als er zeigt…ein Schlitzohr…schau mal Sohnemann mit Schlips und seine engelsgleiche Schwester mit Rock und Lackschuhen…ich flipp aus…

Achterbahngleich ratterten Gedanken durch mein‘ Kopf.

„Nun, ihr zwei kleinen Menschenkinder…?“, mein Stimme erinnerte an Hannibal Lecter, „wahrt ihr auch schön brav…?“, stummes ängstliches Nicken, selbst Chef-Gattin Susanne rieb sich erschrocken den wachsenden Bauch, in dem Leibesfrucht Nummer drei reifte.

„Warum solltet ihr jetzt all diese Geschenke bekommen…?“

Weit entfernt vom Weinen war das kleine Mädchen nicht; ich sah wie sich ihre Augen mit Tränen füllten, sie hatte einen anderen Weihnachtsmann erwartet, sie klammerte sich an die kleine Hand ihres Bruders…bist wieder übers Ziel hinausgeschossen….

„habt ihr noch was anderes vorzuweisen, als eure Geburt…?“

das war alles zuviel…schnell fing ich an, die Stimmung einzufangen….noch dazu mit den festlich angezogenen Eltern…ich änderte meine Stimme, sie klang wärmer, versuchte herzlich zu lächeln, räusperte sich, ich kniete nieder und öffnete feierlich den Sack…

„Lasst uns mal schauen, was ich alles für euch habe..:“

Zum Glück blieb Kinderneugier größer, als die Angst vor Unbekanntem; mit leuchtenden Augen kamen sie gerannt, ich überließ ihnen den Sack, trat andächtig zurück und spürte, wie mich mein Chef beiseite zog; fast hektisch drückte er mir die Flasche in die Hand, sein Gesicht war gezeichnet von Schrecken und Freude,

„Danke, so einen Weihnachtsmann gibt’s kein zweites Mal“,

war‘n seine mehrdeutigen Worte und schob mich mit ‘nem Ausdruck größter Erleichterung aus dem Hintereingang, durch den er mich vor wenigen Minuten reingelassen hatte. Noch Jahre später, kam er darauf zurück…

Gegen Weihnachten hab ich nichts…

Es scheint lediglich eine tiefe Abneigung gegen Luxus, Komfort und jede Form von Dekadenz in mir zu wohnen, die sich nahezu reflektorisch gegen alles stemmt, dass unnatürlich, unanständig und falsch daherkommt…

Irgendetwas brennt doch ständig in uns…

20.November – Put(a)in de Toulouse – Odyssee 2022

Seit ein paar Tagen bin ich zurück; iss zwar nich‘ g‘rade Mutter’s Bauch, aber schön ist‘s schon. Wärmer und vor Allem, weniger hektisch; im Norden hört man immer jemanden in die Stille schreien; weil aber die zwei Christoph‘s nicht mehr sind, fahre ich dann immer erschrocken zusammen, wie meine Großmütter, wenn sie russisch hörten.

Wo wir gerade dabei sind,

irgendwie ist jetzt ein guter Moment um David’s „Unendlichen Spaß“ zu lesen; verschiedene Wissenschaftler rackern sich nämlich an den Parallelen zur jetzigen Zeit ab; aus vielen Gründen mache ich nicht mit; Wiederholungen habe ich nicht so gerne, was nur einer ist; nicht mal Bud- Spencer-Filme und Miami Vice klappen,

das ist wirklich das Ende.

Überraschung, aktuell knöpft man sich die Kubakrise vor; wer das Buch „Trauma einer Weltmacht“ von Robert Mc-Namara gelesen hat, könnte sich den Artikel schenken, wenn er keine Vorliebe für russische Kultur hat; bin beim Lesen immer hin-und-hergerissen; schreien, weinen oder lachen; vielleicht alles hintereinander weg.

Schlimm, unser Talent zur Ausblendung.

Klar ist das peinlich, wenn man im Nachhinein drüber nachdenkt, wie viele Deutsche „Jaa“ geschrien haben, als der GröFaZ den „Totalen Krieg“ vorschlug; ist so gewesen; der Vater eines Freundes ist angetrunken in Holzbotten auf die Leiter geklettert, um einen Ast abzuschneiden; hat sich den Hals gebrochen; was schreibt man auf den Grabstein?

Er machte Fehler?

Machen wir doch alle; man stelle sich eine Grundschulklasse vor und teile sie in zwei Gruppen, eine Seite steht für „tödliche Fehler“ und die andere, für „übliche Fehler“; mein Vater hat im strömenden Regen Rasen gemäht, ist ähnlich wie der Rasenmähermann der Siedlung, nur in „Hardcore“, Wahnsinn für Fortgeschnittene.

Was dachte seine Gattin? Sein Sohn..?

Man stelle sich das mal vor; das Telefon klingelt; draußen hört man in Entfernung den Mäher im strömenden Regen stottern; alle 5 Meter muss sich ein Alltags-Held bücken und die Verstopfung beheben und aufpassen, dass seine Finge dran bleiben; die Ehefrau geht ran. „Ja-ha?“, wer kann das Samstag 11:15 wohl sein, denkt sie.

„Hallo meine Liebe, wie geht es dir?“, Freundin Gisela.

Kurze Stille, man hört tiefes Atmen, „ach, ganz gut soweit…“ befangene Stille, „bist du noch dran…?“ Nachschlag Stille „Ja, ja….es ist nur….“, wieder tiefes Atmen, „bist du sicher, bei dir ist alles in Ordnung?“, jetzt ändert sich der Ton, man meint einen breiten Mund sprechen zu hören, lächelt etwa jemand, „bei mir schon….nur bei…“, wird sie sagen was sie denkt, gar fühlt.

In der Küche köchelt Wasser im Kessel.

„weißt du…“, jetzt steht’s auf der Kippe, weinen, oder lachen, die Freundin hilft, „ich weiß, ich weiß, bin eben bei euch vorbeigefahren, du meine Güte hat das gegossen, bin höchstens zwanzig gefahren; euer Garten ist zwar dicht bewachsen, aber ich hab‘ ihn gesehen; diese Öljacken sind schon sehr gelb, auch die Gummistiefel“, höfliches lächeln.

„Ja, schweren Stiefel von der Baustelle…“

Endlich lachen beide, eine von beiden lauter als die andere; „Was macht er draußen, bei so einem Wetter?“, wie umschifft man unangenehme Teile; „Rasen mähen…“ wieder Stille, dann hastet man weiter, „und bei euch so? Wann kommt ihr heute Abend?“

„Wir sind zum Aperitif bei euch….ja, verstehe einer unsere Männer…“

Liebesdienste unter Frauen; Männer gehen in Kneipen und blasen sich die Lichter aus; oder versteinern und verwandeln sich in mechanisch-funktionierende Maschinen, die nach ca. 18min nach dem nächtlichen Auf-die-seite drehen, in ihre Richtung furzt.

War eben auf dem Markt.

Gewusel, Gewusel und erste rote Köpfe; 13:00 Uhr ist zu spät für frischen Salat; gab keine Auswahl mehr, also spanisches Massenprodukt; ein paar Tomaten, schau, die sehen toll aus, brauche Salatgurken; endlich wieder frisches Tzatziki; ist Koriander und Petersilie da; tatsächlich, super; schau mal, frischer Spinat; was meinst du,

fällt dir was dazu ein?

Dann Trampelpfad, Place de la Trinité, ab zum Carrefour Express, Eier, Milch,  Rohrzucker; dann trifft mich der Schlag; der Supermarkt will fünf Euro für zwölf kleine, in Plastik eingeschweißte Madeleines; bin ich nicht eben an einem Laden vorbeigegangen, wo man frische macht; na los, hin da; gleicher Preis für sechs doppelt so große ohne Plastik,

alles klar, Herr Kommissar.

Auf dem Rückweg kurzer Stopp beim Blumenladen, brauche frische große langstielige Lilien; gähnend leer hier, kein Wunder, alle am Napf; die Blumenfrau ist höchstens 30; einen Meter fünfundsechzig, bunte Strähnen im Haar, Sommersprossen, kräftige Oberlippe, fast vulgär, macht bestimmt ‘ne gute Bouillabaisse.

Schnell kommt’s zum Plausch.

Wir sprechen über Großeltern die im Garten wühlen, von Tomaten, die nach solchen duften, von Salat, grünen Bohnen, Kräutern, Spargel, Austern, wann beste Saison ist; überhaupt Saisongemüse, Saisonwaren, Saisonleben, lokal leben & essen, wann bogen wir falsch ab; seh sie im geistigen Auge Spargel stechen, bestimmt packt sie fest zu.

Einen schönen Tag noch.

Brimm-Brimm, ich stehe draußen, Heimweg; links und rechts läuft Hundepisse aus den Ecken; beschlagene Scheiben in Restaurants, alles krachend voll; habe einen riesen Strauß Blumen im Arm; Männer und Frauen lächeln, wir wünschen uns schöne Wochenenden; sogar der Postbote war schon da.

Klemme mir die Zeitung untern Arm,

fummle den Haustürschlüssel raus, Sonne scheint, Lilien duften, ein Rucksack voller Lebensmittel; Einkaufen ist Flanieren, purer Müßiggang, nie weiß ich, mit was ich nachhause komme; gibt immer Männer die bei Regen Rasen mähen und rote Knöpfe drücken,

ist halt so, wie die Gezeiten.

Wie Flut und Ebbe; hab‘ dann ‘ne taktische Genussbombe für ena Atomo (ένά Άτομo) gezündet; blanchierter Blattspinat, in Butter angeschwitzter Kochschinken, Knoblauch, Frühlingszwibeln, dazu einen weißen Côte du Duràs, vom Pflaumenheini – wunderbar.

Sparta liegt in Trümmern.

Worauf warten wir? Muss alles Mal eine Ende finden, warum nicht jetzt, so schön auf dem Gipfel der menschlichen Existenz? Wollt ihr nicht? Nicht jetzt? Elende Nihilisten, nie seid ihr zufrieden; dann kocht euch halt was Leckeres; make food, not war; alles klar, noch Fragen, Herr Bundeskanzler? Na, dann ist ja gut.

Mal sehen ob im Februar russische Pilze wachsen.

Sollen ‘ne ganz eigene Schönheit haben, im Geschmack ganz anders; macht man Borschtsch nicht mit Rote Beete; dachte ich mir; hat Gründe warum sich Hamburger so sehr in die russische Seele hineinfühlen können; jahrzehntelanges Labskaustraining; Helbing Kümmel ist kein Wodka; die Ahr nicht die Rhône – und doch,

wir werden sehen, sagte der Weise

und schaute seinen Bud-Spencer & Terrence Hill Lieblings-Film auf Französisch; Aquarium mit Musik, Nerven schonen, um a) den Segen, nuklearer Errungenschaften auszubalancieren, vielleicht b) jegliche Verantwortung von sich zu schieben, warum nicht c) mit der geballten Kraft von Bud Spencer, Balou dem Bären & Slavoy ‘ne kleine Unwucht herzustellen.

Gibt bestimmt noch d), sowie e) etc…

Tief Verborgenes – Odyssee 2020 CW38

20.September – vor wenigen Tagen hatte man D gebeten einen Vortrag über Ästhetik und den Einfluss auf die menschliche Kommunikation zu halten, weswegen er sich mit dem Goldenen Schnitt, Fibunacci und Baumblättern beschäftigte und warum es dem Menschen unmöglich ist, bestimmte Merkmale und Verhältnisse zu ignorieren.

Seine Versenktheit hatte viele positive Nebeneffekte, wie damals, als er in Kindertagen stundenlang mit Lego spielte, während Capricio Italiano von Peter Tschaikowski lief, sein Lieblingsstück zu jener Zeit. In seinem Gedächtnispalast gab es verborgene Räume, in denen zur gleichen Zeit, während er spielte, eine Art Spiegelereignis stattfand und etwas Neues entstand. So auch dieses Mal.

Während D munter zwischen einem Sammelsurium von Radien, Kreisen und deren Verhältnisse herumforschte, bildete sich in einer dieser tief verborgenen Kammern erster Buchstaben-Nebel, der langsam aber sicher erste Worte formte, aus denen sich erste Sätze bildeten, die unaufhaltsam neue Rhythmen, Strophen und Bedeutungen erschufen, die D zwischendurch, wie ein überraschter Gärtner bewunderte, weil er ihrer Ordnung und Bedeutung vertraute, als würden sie direkt vom unendlichen Kosmos kommen.

Und so geschah es, dass D am Nachmittag eine kleine Frucht vom Poesie-Baum pflücken konnte.

„Tief Verborgenes,

unverdächtig, die Rituale kleiner Kinder, frühe Früchte innerlich kapselnd, sorgfältig hortend, unbewusst für später beiseitelegend;

wie bunte Bälle fuhrwerkten sie im wachsenden Körper herum, manches Mal auftauchend zum Fragen, Freuen und Luftholen, unbemerkt, noch seltener verstanden;

Jahre später, bloße Blicke, Berührungen, gar Worte, um Ungesagtes, lang Erhofftes, auch schmerzlich Verborgenes zu Tage treten zu lassen, lange heimlich bewacht;

bereit für den Moment, den kosmischen Schlüssel findend, der alle Schächte öffnet, die wir lange geheim-gehalten und niemandem erzählt;

vermeintlich roh behauene Worte, vorschnell für schlicht gehaltene Gemälde, oder einfache Körperdrehungen, Berührungen, kaum spürbar an der Schulter, oder gekreuzte Blicke;

war es möglich, dass Menschen verstanden, wenn wir aufhören zu suchen, damit uns der magische Moment findet und uns wahrhaftig erscheint;

Magisches auslösend, Orchester der Sinnlichkeit, es schien möglich, das Wünsche, Träume und Hoffnungen wahr wurden, die früh verschickt wir hatten;

Weises Universum, hast alles eingerichtet, das den magischen Schlüssel, beim Wandeln durch die Tage, ohne Vorwarnung, wir irgendwann finden;

wenn wir erkennen, dass nie verloren wir waren, dann hat unweigerlich alles Sinn und jede Bedeutung folgt einer höheren Ordnung;

dann ist alles Sein in einem einzigen Moment verdichtet und jener Augenblick ein ganzes Leben wert, auf dass er uns leuchten lässt;

kosmisches Licht, mögest du Wärme, Liebe geben und Licht spenden, eingesponnen ins galaktische Netz;

überwältigt wie Empedokles, vom großen Ganzen, dem Sternentor, den nächsten Vulkan aufsuchend;

oder wieder tief verbergen, bis der Mut irgendwann groß genug, den Schlüssel weiterzugeben

Sprache, Musik, Formen, Berührungen und Geschmäcker,

Sinne – Vehikel und Pforten zugleich!“