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12.Juni – das Bad des Hades – Odyssee 2022

Nach langer Planung besuchte ich meinen Kumpel Pierre-André. Für mich ist PA in Wahrheit Druide. Offiziell ist er Winzer und lebt bei Langon, genauer gesagt in Toulenne. Wenn er sich nicht um Wein kümmert, kocht oder trinkt, oder beides zugleich, liest er die Zukunft aus Knochen, Eingeweiden eines Kaninchens, oder von den Schenkeln seiner Freundin. Letzteres hat mich auch immer interessiert; oft habe ich mich versucht,

gefunden habe ich meistens was anderes.

Es liegt daran, dass ich leicht abgelenkt bin, besonders wenn Frauen im Spiel sind; hier sind PA und ich uns sehr ähnlich. Schon vor Jahren vermutete ich, dass er in Wahrheit der Präsident des Universums sein müsste, natürlich ohne davon zu wissen;

solche Ämter bekommt man verliehen.

Diesmal fand ich nicht nur Indizien, sondern echte Beweise. An diesem Wochenende lernte ich die Wahrheit über ihn. Es gehen nämlich nicht nur die griechischen Götter bei PA ein und aus, nein, es ist viel beeindruckender. Sein Haus ist der Beweis dafür, dass die Milchstraße schon vor Jahren implodierte!

Sie krempelte ihr Innerstes nach außen – und umgekehrt.

Seit dem Zeitpunkt, befindet sich die Milchstraße im Haus von Piérre-André. Ganz erstaunlich wie ich finde ist dabei, dass es vor den Augen von Hawking und all den anderen Wissenschaftlern passierte. Als ich gestern sein Haus betrat, da geschah es. Ich spürte es sofort. Ein unaufhaltsamer Sog, wie ich ihn nur von schwarzen Löchern kenne.

Doch das war es nicht.

Je länger ich grübelte, erinnerte es mich mehr ans Verbrennen durch’ne Supernova, wenn sie sich aufbläht und man verschlungen wird. Gegenüber vom Eingang thronte der viel zu große Kamin, vor dessen Feuer ein aufgespießtes Kaninchen seine Runden drehte; zur Linken prunkte eine mächtige Anrichte. Hier erlebte ich das Gleiche. Kaum sah ich genauer hin, gab’s einen weiteren Strudel. Wohin ich auch sah, überall wuchsen neue Welten und Milchstraßen.

Und alles direkt vor meinen Augen.

Ein paar Türen der Anrichte hatten kleine Fenster, aus den weitere Planeten neugierig herausschielten. Auch Flaschen und Gläser standen dort, viele halbvoll, vor langer Zeit geöffnet, nicht ganz ausgetrunken, für später weggestellt, es mochte Jahre her sein; ein beachtlicher Berg Tabletten und jegliche Form von Medizin, die man PA verschrieben,

die er jedoch nie eingenommen hatte.

Eine nicht minder eindrucksvolle Auswahl Werkzeuge, Feuerzeuge, Aschenbecher, Rechnungen, Bücher und ein meine ganze Anerkennung und Aufmerksamkeit auf sich ziehender Vorratskarton Kondome, der Bordellbesitzer*innen in der gesamten Galaxis

feuchte Augen geschenkt hätte.

Schon dieser Kosmos verschlang mich mit Haut und Haaren. Nie würde ich hier wieder wegkommen, soviel stand fest. Doch das war längst nicht alles. Irgendwann musste ich aufs Klo. Auf dem Weg dahin, durchschritt ich auf leisen Sohlen die Küche, um nicht die gewaltigen Berge Töpfe, Pfannen Gemüsereste beim Plausch aufzuschrecken,

deren Gesprächs-Takt ein stetig tropfender Wasserhahn gab,

der wie ein galaktisches Metronom unendlich weit und tief klang; erfolgreich, ohne Aufsehen zu erwecken und Wegzoll zahlen zu müssen, passierte ich diesen Isthmus, der mich beim Durchschreiten an ein Wurmloch erinnerte, in dem die Zeit still steht.

Endlich bin stehe ich vor der Tür vom WC.

Langsam öffnete ich die Tür. Ein elegisch-schummriges Licht glomm darin, obwohl keine Lampe brannte. Noch ahnte ich nicht, welchen großen Schritt ich für die Menschheit wagte. Vorsichtig schob ich mich hinein, aus mir unbekannten Gründen war ich sprungbereit. Endlich traute ich mich und knipste Licht an. Beim Aufblitzen zuckte ich zusammen, gefolgt von Stöhnen:

„Oh mein Gott….!“,

entfuhr es mir. Denn ich stand im Bad des Hades. Ihr kennt ihn, jenen einen Moment im Leben, der Alles ändert. Nun kam er zu mir. Jener stumpfe totenbleiche Spiegel, in dem sich schon die gesamte Unterwelt rasiert hatte lächelte wie aus anderen Welten; eine unzählbare Menge Tassen, Gläser und Tuben breiteten sich hier unaufhaltsam

wie die Wüste Gobi aus.

PA scheint jede Woche ’ne neue Zahnbürsten zu verwenden, bei den vielen Sträußen, die in bunt bedruckten Senfgläsern das Bad bewachen. Gewaltige Berge Cremes und Shampoos warten auf Benutzung oder Entsorgung; kein Zweifel, jede seiner Freundin bestand auf ihre eigene Pflegeserie; war dies alleine schon eine Fahrt in der kosmischen Achterbahn, entschied ich mich glücklicherweise doch dafür,

kein genaueres Auge zur Dusche zu werfen.

Ein aus hellblauer Keramik geschmiedetes Tor ließ all meine Hoffnungen und Ängste wahr werden: Hier stand ich nun – einsam und alleine vor der Pforte zum Tartaros. Und dieser Moment ließ mich erzittern. Wie hätte ich mich auf diese unbeschreibliche Unterwelt hätte setzen können? Mit zitternder Hand klappte ich die Brille hoch und versuchte meinen Reißverschluss zu öffnen – vergeblich.

Vor diesem gähnenden Schacht gab alles klein bei.

Doch wie entstand dies Kunstwerk? War es ein Akt des Zufalls, bei dem Musen und Götter nachhalfen? Hatte PA ein klares Bild im Kopf, an dem er aktiv drauf hin arbeitete? Oder entstand alles aus reinem Zufall, was bedeuten musste, dass des Künstlers Botschaften und Anliegen, mit dem Werk selbst mitwuchsen und sich so

zu einem unsterblichen Gesamtwerk aufschwangen?

Das Bad des Hades verlässt du als anderer Mensch. Das änderte sich auch nicht, als PA zum Abend hin nach ausgiebiger Siesta, die bei größeren Weinmengen wichtig sind, eine zweite Genusswelle aus „Trüffel-Eier-Champignon-Suppe“ sowie wild gewachsene Jacobsmuscheln über uns zusammenbrechen ließ, was seinen Gipfel in einem Côte du Boeuf fand.

PA wissendes Lächeln setzte Allem die Krone auf.

Wusste er mehr als er preisgab? Vermutlich. War es wichtig, ob er Winzer, Druide, Magier, Präsident des Universums, Künstler, Frauenheld, Vagabund oder mit den Göttern im Bunde war? Nein. Sein Universum, seine Zeit mit mir zu teilen, noch dazu mit solchen Speisen und Weinen zeichnet wahre Freundschaft aus. Sie bleibt Motor des Universums und macht

ehrerbietend andächtig…

Zwiebeln – Odyssee 2021 CW44

07.November – Granatäpfel und Zwiebeln sind mein Lieblings-Obst. Letztere haben es mir besonders angetan. Ich glaube, das liegt daran, weil sie genauso unergründlich, schwer interpretierbar, fiktiv und allegorisch sind, wie das Leben.

Denn was macht mich überhaupt aus, das ich dies eine Selbst mein Leben nennen kann? Oder werde ich gar, schlicht und ergreifend, gelebt? Macht es vielleicht gar keinen Unterschied, zwischen beiden Betrachtungen?

Neulich sagte mir ein Freund, ich solle nicht immer so viel grübeln. Am Ende käme doch eh nichts Neues, geschweige Tiefgreifendes dabei heraus. Mein Kumpel hat selbstverständlich recht, doch genau darin liegt doch der Zauber der Absurdität – zu akzeptieren, dass mein Leben absurd ist, damit jedoch im selben Atemzug eben nicht einverstanden sein, um sich mit jedem Atemzug dagegen aufzulehnen.

Geradewegs so, als suchte man in einem Labyrinth nach dem Ausgang, wissentlich, dass er zugemauert ist, weswegen man statt die Tür zu öffnen, sich bewusst entschließt, die verschiedensten Wege auszuprobieren und bei jedem erneuten Erreichen des Ausgangs wieder zum Anfang zurückgeht, um von Neuem zu beginnen.

Daher heute eine Geschichte über – Zwiebeln.

Egal welche Farbe sie haben, gleichen sie sich doch im Aufbau wie eineiige Zwillinge. Viele Schalen bilden eine Frucht. Je nach Größe haben sie mehr oder weniger Schalen und haben am Ende einen schlanken, leicht vaginös anmutenden Kern, der wiederum aus vielen feinen Schichten besteht.

Selbst Günter Grass hat beim Häuten der Zwiebel – wie übrigens auch das gleichnamige Buch heißt; ich muss gestehen, dass ich es nicht gelesen habe, und sogar, dass ich nie Grass-Fan war, ich habe es zwar immer mal wieder versucht, aber außer der Blechtrommel, die fand ich wirklich klasse, hat mich keins angesprochen – sich so Einiges wieder in Erinnerung gebracht.

Schönes Gleichnis übrigens: Zwiebel-Leben, oder Lebens-Zwiebel…

So wie ich Zwiebeln und mich verstehe, steckt mein Selbst im Kern. Alles Leben strömt an meiner äußersten Schale vorbei, womit jeder Moment nie wirklich an mein innerstes Selbst vordringen kann, sondern stattdessen nur schemenhaft, gefiltert und gedimmt durch die vielen Schichten, so dass alle Lebensregungen mir deswegen auch nur erscheinen und ich sie in Wahrheit nicht wirklich erlebe, so als drängte eine erneute, abgeänderte Variante von bereits Erlebtem an meine Wahrnehmungsoberfläche, womit die unzähligen vergangenen Erlebnis-Schatten als Art Zukunft-Reservoir fungieren, die bei passender Kombination mit einem neuen Gegenwartserlebnis ein aktuelles Jetzt erschaffen.

Quasi so, als würde ich beim Schwimmen im Wasser niemals direkt mit dem Element in Verbindung gehen, sondern nur eine ungefähre Ahnung bekommen, die jene vielen Schichten durchlassen. So könnte ich gewagt sagen, dass ich nie wirklich irgendetwas tatsächlich tue, sondern nur sehr nahe dranliegende Ähnlichkeiten gezeigt bekomme, wenn sie intensiv genug sind, um durch die Schichten hindurch zu sickern.

Manche Momente lassen ihre vielen Vorgänger sogar durch die momentanen Gegenwarten hindurchschimmern. Immer dann, wenn mein Innerstes so etwas sagt wie – hab ich schon mal gesehen – oder – kenn ich das nicht von irgendwo her?

Erleben tue ich es, als wenn beim Nähertreten eine vormals glatte und ebene Oberfläche, plötzlich nicht nur Struktur bekommt, sondern Tiefe und Dreidimensionalität, die ihren Charakter durch die vielen übereinanderliegenden, nahezu ähnlichen Vorgängerversionen erhält, während die jeweils dahinterliegende immer ein wenig schwächer als die vorige hervorschimmert.

So geht‘s mir mit Allem, auch bei Wellen, weil ich ja nicht wirklich nass werde…

Absurde Unaussprechlichkeit – Odyssee 2021 CW28

18.Juli – D saß, wie meistens, in seiner Wohnung und schrieb. An seinem aktuellen Buch arbeitete er jedoch nicht, stattdessen an einem Brief, den er getrieben von Verzweiflung aufsetzte. Seit geraumer Zeit traute er sich selbst nicht mehr über den Weg, ob er dem Leben auf angemessene Art begegnete, oder, wie er tief drinnen befürchtete, lediglich animalisch reagierte, so wie eine Ratte, die am Morgen Hunger verspürt und ihren Bedürfnissen nachgeht.

„Lieber Ede – wie geht es dir?

Stimmt, das ist eine bescheuerte Frage, beesonders zum Anfang. Wie soll es einem hochsensiblen, hypochondrischen männlichen Homo-Intellektualis schon gehen, in Zeiten wie diesen, in denen man Barcodes auf bunten Mülltonnn bestaunt; nehm daher zur Kenntnis, dass ich diese Frage zurückziehe, denn während ich darüber so nachdenke, merke ich, dass es eine rein der Höflichkeit geschuldete Phrase ist, die mir unbewusst über Lippen und Finger kam; daher, sehe es mir nach und betrachte das Zurückziehen nicht gleich als Schuldeingeständnis, sondern eher als meine, in letzter Sekunde wachgewordene Achtsamkeit, die ich wie einen Regenschirm über uns aufspanne.

Wie soll ich anfangen?

Selbst mit dieser Frage, stelle ich mir Labyrinth und Falle zugleich auf; vielleicht ist „wie“ nicht die jenige welche, sondern eher „warum“ oder „womit“ die Passendere, vielleicht Richtigere, kennst du doch meine Vorsicht, nicht zu schnell, wenn es schon denn sein soll, zu urteilen.

Eigentlich findet man kaum noch Menschen, mit denen ,man angenehm reden kann; alles ist auf dem Sprung, man ist nur solange irgendwo, bis einen der innere Projektplan zum nächsten Meilenstein jagt, ganz unabhängig davon betrachtet, ob wir ähnliche Begrifflichkeiten und Inhalte verwenden, um einander zu verstehen – einfach furchtbar!

Alles ist nur noch Fassade und bleibt auf der ersten, oder mit Glück in der zweiten Oberflächenschicht stecken; ich hab das Gefühl, in einem sich ewig wiederholenden Theaterstück zu sein, wo zwar Rollen, ebenfalls zwischen Zuschauern und Akteuren ständig wechseln, ich aber ihre Mechanismen und Prinzipien schon aus weiter Ferne meine riechen und spüren zu können.

Wenn ich zum Beispiel schreibe, „der glänzende Blütenstempel der weißen prallen Lilie, mit der im Kreis sie bewachende Wachstandarte der stramm stehenden Blütenstaubtentakeln, die er im Eingangsbereich des Blumenhändlers zusammen mit den anderen hell-leuchtenden betörenden Lampenschirmen von Mutter Natur stehen sah…“ dann hoffe ich inständig, dass alle Leser ähnliche Gefühls-, Bild- und Raumvorstellungen haben wie ich, was jedoch nur funktioniert, wenn man zum Beispiel weiß, was eine Lilie ist und – idealerweise – wie sie aussieht.

Es ist, als würde man über den Sinn des Lebens nachdenken, während man an einem Bissen Entrècôte kaut und – zumindest wenn man Franzose ist – zu viel Senf auf den blutigen Brocken gestrichen hat, der einem jetzt brennend in die Nase fährt und man sich darüber wundert, obwohl man selbst der Jenige zu sein schien, der die vermeintliche Verfeinerung des Fleisches, beschloss und durchführte.

Ein wenig so, wie bei Proust und seiner Madeleine.

Auf den ersten Blick mag man sich darüber unterhalten, oder zumindest nachdenken, wieso man zu viel drauf getan hat – z.Bsp: War man mit den Gedanken woanders, oder weswegen und womit, also mit welchem Thema und Objekt, konnte man abgelenkt sein, wenn man doch die Speise so sehr mag?

Aber selbst das, ist nur eine von vielen ablenkenden Facettenfragen, weil die wirkliche Rindfleisch-Senf-Betrachtung ist ja die Kombination selbst; wieviel Senf verträgt ein spezifisches Stück, um als verfeinert zu gelten?

Oder ist die Nutzung per-se schon zu vermeiden, weil der Geschmack des dunklen Fleisches so fein ist, dass man ihn höchstens mit Butter unterstreichen sollte – du verstehst was ich meine?

Und selbst dann, kannst du nicht mit Gewissheit sagen, wie harmonisch sich diese Thematik in deine Sinn-des-Lebens-Gedanken-Pyramide integrieren lässt, weil du eigentlich längst hättest wissen können, das dein Leben als solches sowieso völlig absurd ist, dass es ganz irrelevant ist, was du tust, trinkst, isst usw., dass daher die Betrachtung – wieviel Senf gut, oder gar, wie es ohne ihn gewesen wäre – reines Entertainment, und eben nicht, Müßiggang ist.

Wenn wir ein klares Verständnis von Relevanz haben, ändert sich wirklich und wahrhaftig alles!

Aber noch einmal, Ede: Wie also beginnen?

Ich jedenfalls weiß es nicht, verdammt noch mal…!

Neulich fragte eine Freundin, warum ich das Gefühl hätte, dass meine Freiheit als Mensch, immer weiter eingeschränkt würde. Ich könne doch weiterhin herumfliegen und alles tun und lassen was ich möchte – das brachte den Stein ins Rollen.

Was ist Freiheit?

Ist es ein Gefühl? Oder schlicht eine Frage des Fokus? Beschreibe ich, oder denke ich über etwas nach, was seine äußere Erscheinung, unser gesellschaftliches Verständnis ist, oder versuche ich wirklich seine Charakteristik zu untersuchen und zu verstehen?

Alleine das, lässt sich kaum sagen und schreiben.

Weil es schon alleine vom genutzten Wortschatz abhängt und wie ihn mein Gegenüber anwendet. Nehm mal das heikle Thema Altenpflege. Jeder weiß, dass dort nach den Gesetzen des Heuschrecken-Kapitalismus das Pflegepersonal ausgebeutet wird, dass die Senioren dort ungenügend versorgt werden, und man mit Staatsgeldern und gewinnmaximierenden Methoden – häufig geraten von ebenso warmherzigen, hochbezahlten Consultants – nicht nur abkassiert, sondern das Ganze auch stillschweigend duldet.

Frage ist – wieso?

Weiß es jemand? Ist es den Wissenden egal? Oder ist man betroffen, versteckt sich aber hinter dem gleichen Schutzmechanismus, der mich als unfähig und natürlich unschuldig ausweist, so wie meine Unfähigkeit wahrhaftig zu erkennen, dass ich ständig zu viel Senf auf mein Entrécôte nehme, oder gar vielleicht sogar Senf nur als „mögend“ erkennen muss, weil ich von Kindesbeinen an einprogrammiert bekommen habe, dass Senf gut und lecker ist, wie es einst Eltern, Onkel und Tanten gebetsmühlenartig wiederholten, dass beim bloßen Gedanken an Senf, das Wasser im Mund zusammenläuft, wie dem Köter von nebenan, wenn er hört, wie Herrchen die große Blechdose Hundefutter unwirsch auf den Napfrand knallt?

Du siehst Ede, die Lage ist verzweifelt – noch dazu hoffnungslos!

Aber immerhin haben wir guten Wein und ein paar Worte, um uns – bei ausreichender Qualität natürlich – ein wenig zu verewigen.

Es ist ein wenig so, wie wenn man von immer mehr Straßenringen, mit den dazugehörigen Blöcken umgeben wird; man will irgend wo hin und muss anstatt vor einer Ampel, plötzlich vor drei oder fünf Ampeln warten, oder irgendwelche Dinge wie – Accept-all-Tasten – drücken, bevor man weiterleben darf.

Die Frage ist nicht, wie diese neuen Ampeln und die damit verbundenen Anwohner, mit ihren Wohnungsblöcken über Nacht dahin kamen, sondern, du musst eigentlich erst mal sichergehen, dass es die nicht vielleicht schon früher gab, du sie nur nicht gesehen hast, weil du entweder noch nicht gut, oder scharf genug sehen konntest, weil man sie schlicht nicht wahrgenommen hat, wie jedes Objekt, dass dir noch nicht vorgestellt wurde – was im Umkehrschluss natürlich genauso funktioniert:

Kann ein Leben ohne Senf auf meinem Rindersteak wirklich funktionieren? Kann ich es mir zumindest vorstellen….?

Bis bald Ede – halt dich tapfer….“

Prost – nicht Proust!

Dein D.

Machen soziale Medien uns sozialer? – Odyssee 2021 CW22

06.Juni – Innerlich zündete sich D ein ewiges Friedhofs-Licht an, als er einen weiteren Zeitpiraten in seinem Leben ausfindig machte. Es freute ihn so sehr, dass er in einem Erkenntnis-Rausch gleich mehrfach gegen diese Mafia, oder besser gesagt, gegen diese sekten-gleiche Religionsform vorging, dass er sich sichtlich bewegt und blitzartig dazu entschloss, sofort Klarschiff zu machen – nicht nur, weil er für Religionsfreiheit war, sondern vor Allem, weil er schnell bemerkte, wie erleichtert er sich nur wenige Stunden später fühlte!

Was war geschehen?

Es begann damit, dass D sich daran erinnerte, dass heute, am sechsten Juni, der gute Tom Araya 60 wurde. Alleine das, war schon mehr als einen Dujardeng wert, nicht nur, weil Tom, Kerry, Jeff und David – besser bekannt unter dem Namen Slayer – D’s Jugend und wilden Jahre nicht nur begleiteten, sondern auch ganz entscheidend mitbeeinflussten – warum: Sie gingen einfach ihren Weg, genauso wie Mozart und Beethoven, nur eben anders – aber genauso kompromisslos.

Nachdem sich D wieder ein paar starke Slayer Stück von „Reign in Blood“ und „Seasons in the Abyss“ reingezogen hatte, schwebte er auf einem höheren Energie-Niveau und stellte sich selber ein paar ernste Fragen, nicht solche, bei denen D im Voraus wusste, dass er gegen sich selbst verlieren musste, weil ja jeder mal irgendwann im Leben so abgebogen war, dass er hinterher in einer Sackgasse, oder in sonst etwas steckte, mitnichten, es ging D um die Frage, wofür er stand.

So brach plötzlich D‘s Vulkan aus.

Zuerst begriff er, dass ihm nach wie vor gedruckte Bücher am Herzen lagen; soweit war das keine Überraschung, immerhin bestand er seit Jahren darauf, dass alle seine Bücher ausschließlich in gedruckter Form und nicht als e-book oder Dergleichen zu vermarkten waren.

Das an sich hatte eine hohe Wertigkeit für D, weswegen er sich vornahm auch weiterhin keinen Millimeter zu weichen; noch dazu gesellte sich das Phänomen der begrenzten Zeit hinzu, was besagte, dass man nur eine Sache zur Zeit machen konnte, was in anderen Worten wiederum bedeuten musste:

Alle Zeit, die man in die wenig sozialen Medien steckte, bekam man genauso wenig zurück, wie jene, die man mit Freundin, Frau, Freunden, Kindern, Schreiben, Lesen, Musik, Kunst, Sprachen und ähnlich Schönem verbrachte, mit dem Unterschied, dass D erkannte, was zu tun war – und so geschah es.

In einem Anflug von maximalem Bewusstsein – wir sprechen hier wirklich nur von wenigen Sekunden und nicht von einer an Buddha erinnernden Dauer-Erleuchtung – erkannte D, dass aus seiner Sicht, dass:

A) die sozialen Medien, gar nicht so sozial in gesellschaftlichen Auswirkungen zu sein schienen, wie man meist oberflächlich dachte – das sie

B) nicht das soziale Verhalten der Menschen untereinander fördern, sondern das Gegenteil, sie eher a-sozialer machten – noch dazu mit einem erhöhten Maß, die Welt und andere in ein permanent andauernden Bewertungs-Sog hinab in den menschlichen Abgrund zu ziehen – und

C) das D den wirklichén und wahrhaftigen Nutzen im Vergleich zu den Alternativen nicht recht fassen konnte, so dass er sich – wie oben bereits erwähnt – blitzartig entschloss, seine Accounts mit sofortiger Wirkung bei Facebook und Twitter zu löschen.

Welch eine Befreiung!

Zuerst bemerkte D, dass die ganzen Benachrichtigungen ausblieben, wo man ihn darauf aufmerksam machte, dass in Kuhscheißenbrück ein Huhn, nach über 24 Stunden Pause – Gott sei‘s gedankt – endlich wieder ein Ei legte, sowie das es dutzende Menschen da draußen zu geben schien, die D kannten, oder umgekehrt.

Auch musste D schweren Herzens auf die vielen attraktiven Business-Möglichkeiten, wie zum Beispiel das wilde Dutzend Marketing-Coaches verzichten, die mit Filmen und Bildern aus Dubai, und oder Luxus-Karossen und schweren Chronographen, D irgendeine Form von Erfolg aufzwingen wollten – ohne das er je begriff, welcher, dass er sich, stirnrunzelnd bei den Bärten der griechischen Götter fragte, was sie da per online-training anboten und vermarkteten.

Doch – wie schön – brauchte D sich diese & viele andere Fragen nicht mehr stellen,

da er ja erfolgreich alle Accounts gelöscht hatte. Stattdessen genoss er in Ruhe ein paar Stücke von Stenkelfeld und Slayer, ganz frei nach dem Motto – Lebenszeit, mit möglichst viel Müßiggang gespickt, was konnte es Schöneres geben?

Und daher liebe Gemeinde, bitte ich euch alle, dass ihr euch und eure Gläser erhebt, damit wir anstoßen können. Herzlichen Glückwunsch zum sechzigsten Geburtstag,

Tom Araya!