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Esel und Prinz – Odyssee 2021 CW14

11.Apil – Nach langer Zeit besuchte der kleine Prinz seinen Freund, den Esel. Wie all die Jahre fand er ihn in seiner kleinen Casita, drunten am Meer, an der Platja. Stahlende Sonne empfang ihn, als der Esel fröhlich von drinnen rief – komm rein, komm rein, es ist offen! – Nachdem sie sich herzlich umarmt hatten, bot der Esel ein Glas Weißwein ein, um gemeinsam anzustoßen.

„Prost, mein Lieber – schön dass du wieder mal vorbeischaust!“

„Ganz meinerseits -zum Wohl!“

Sie tranken einen großen Schluck und freuten sich, nach so vielen Jahren, wieder einander zu begegnen. Nachdem der kleine Prinz sich ein wenig umsah, bemerkte er, wie sehr sich der kleine Stall des Esels verändert hatte.

Überall standen Pflanzen rum, ein paar Vasen mit frischen Schnittblumen prunkten stolz auf einem gläsernen Tisch; auch ihn gab es früher nicht, während der kleine Prinz auch über die vielen Bilder staunte, sowie die vielen Postkarten, bunten Flaschenöffner, Tablettendosen, verschiedene Aschenbecher aus Jade, Granit, Messing und eine große Auswahl von Wanderstöcken und Regenschrimen, die in allen Varianten, Farben und Größen daherkamen.

„Wo hast du denn die vielen Andenken her und vor Allem, wieso bist du hier drinnen, wo draußen so ein schönes Wetter ist?“

„Hast du denn nicht von den gefährlichen Viren gehört, die zur Zeit die Welt da draußen in eine gefährliche Wildnis verwandelt haben?“ Mit offenem Mund stand der kleine Prinz in der bunt geschmückten Casita des Esels und kratzte sich am Kinn.

„Meinst du diese Grippe, von der alle reden?“ Plötzlich fing der Esel zu lachen an, so sehr, dass er sich den Bauch hielt. Nachdem er sich Tränen der Freude aus den Augen wischte, stemmte er stolz die Hufe in die Hüfte und sprach:

„Grippe? Na du machst mir Spaß! Hast du nicht die Nachrichten gehört, wie viele Abertausende Menschen schon gestorben sind? Wie die Fliegen fallen die um, man kommt gar nicht hinterher, sie zu beerdigen, hast du das nicht gehört? Du meine Güte in welcher Welt lebst du denn, kleiner Prinz?“

Ein wenig beschämt blickte der kleine Prinz zu Boden. Er wusste nicht so recht, was er jetzt sagen konnte, entschloss sich jedoch schluss-endlich bei seiner Sicht der Wahrheit zu bleiben.

„Natürlich habe ich davon gehört, aber fliegen nicht ständig irgendwelche Viren in der Luft herum? Also, ich meine heute, jetzt, morgen, aber auch gestern? Willst du denn solange in deiner Casita bleiben, bis jemand Entwarnung ausspricht?“

Schnaubend vor Zorn, scharrte der Esel mit den Hufen und senkte den Kopf, wie ein wilder Stier.

„Es ist gefährlich rauszugehen; ich schütze auch die anderen, wenn ich hier drinnen bleibe…ich bin nicht so gedankenlos und egoistisch, wie du…“

Ohne auf diese Spitze einzugehen, lächelte der kleine Prinz und ging nicht weiter darauf ein, wusste er doch, dass der Esel sehr dickköpfig sein konnte. Stattdessen, nahm er sich vor, ihm ein wenig von seiner Sicht zu vermitteln, denn auch der kleine Prinz wusste von den diesen neuen Viren, die in vielen verantwortungslosen Medien Killer-Viren genannt wurden, weswegen sich der kleine Prinz entschloss, diesem geistigen Gift, keinen Nährboden zu geben.

„Was ist, wenn die Entwarnung nie kommt? Und vor Allem, warum lässt du jemand anderen über deine Freiheit bestimmen? Wie jeder Esel musst auch du hin und wieder raus und frische Luft tanken und dich bewegen; jeden Tag kann dir doch ein Missgeschick geschehen, du kannst einen Fehltritt, unten bei den Klippen machen und stürzt in die tödliche Tiefe.

Auch davor kann dich niemand schützen; ein Risiko, deine Gesundheit zu schwächen hast du doch dein ganzes Leben…“ Auf einmal lächelte der Esel verschlagen, so, als wenn der heilige Gal vor seinen Füßen lag.

„Schau mal, kleiner Prinz; das mag für dich jetzt merkwürdig klingen, aber für Esel wie mich, die schon ihr ganzes Leben draußen waren, ist es eine schöne Abwechslung, jetzt endlich mehr Zeit drinnen verbringen zu können; ich kann mich um meine Inneneinrichtung kümmern, mir endlich Zeit zum Kochen nehmen und endlich mal gründlich aufräumen, so wie ich es seit Jahren schon wollte.

Du glaubst gar nicht, wie befriedigend es sein kann, sich beim Betrachten der vielen Andenken daran zu erinnern, was ich schon alles gesehen habe, ich bin priviligiert, weißt du das eigntlich? Ich habe genug essen und trinken, ein Dach über den Kopf, ein schönes Bett, bin gesund, so werde ich glatt hundert Jahr alt, wenn ich nicht aufpasse…“, worüber sich der Esel kaputt lachte. Nachdenklich sah der kleine Prinz seinen Freund an.

„Dir ist also Sicherheit und Gesundheit wichtiger als Freiheit…?“

„Ja aber natürlich…“ Als der kleine Prinz das hörte fing stattdessen er an zu lachen.

„Dann könntest du ab jetzt den Rest deines Lebens hier verbringen?“

„Aber natürlich, ich habe doch schon alles gsehen…?“

„Und was ist mit den jungen Generationen? Willst du die alle einsperren…?“ Da schwieg der Esel zum ersten Mal und blickte betrübt zu Boden. Seine ganze Freude und Überlegenheit war plötzlich wie verflogen, quasi, als hätte es sie nie gegeben.

„Ich habe Angst…“

„Wovor…?“

„Vor dem Virus und das ich mich anstecke und ganz schnell sterbe…“

„Warum hattest du denn nicht vorher all die Jahre die gleiche Angst, wenn das Leben doch ähnlich gefährlich war…?“

„Keine Ahnung, irgendwie ist mir mein Optimismus abhanden gekommen…“ Da schlang der kleine Prinz seine Arme um den Hals des Esel und umarmte seinen Freund.

„Pass auf, wir beide gehen jetzt zusammen runter ans Meer, so wie früher, du wirst sehen, dass gibt dir Kraft und Zuversicht und im Nu sind deine Sorgen wie weggeblasen; so ein kleines Virus wird doch so einen stolzen Esel wie dich nicht ins Bockshorn jagen, und wenn wir unten sind, suchst du dir etwas Schönes vom Strandgut aus und nimmst es als Andenken mit zu dir in deine Casita…“

Da lächelte der Esel und strahlte über alle vier Backen, dass selbst die Blumen weiter zu wachsen schienen. Gemeinsam trabten sie gemütlich runter ans Wasser, so wie früher und erzählten sich Geschichten von früher und von morgen, weil sie auch schon weitere Pläne für die Tage danach machten…

Und so geschah es…

Tage wie diese – Odyssee 2021 CW11

Es begann damit, das D wach wurde und einen leichten Hangover an sich bemerkte. An und für sich nichts Schlimmes, weil er irgendwann vorüberzieht, wenn da nicht dieser widerwillige Hausschuh war, der beim Aufstehen einfach nicht über D‘s Span gleiten wollte, dass er etwas zu nachdrücklich nachhalf, das er sich dann plötzlich völlig verkanntete und D nicht mehr sauber auftreten konnte, schlussendlich ins Schwanken kam und nur deswegen nicht die Treppe runtersegelte, weil er mit letzter Not den Schuh vom Fuß schoss und eine Schimpfkanonade hinterherschickte – du verdammtes Arschloch – um strauchelnd, aber unbeschadet und mit nur einem Hausschuh an den Füßen am Parterre anzukommen.

Sofort war D klar, dass es ein besonderer Tag werden musste. Und so kam es. Offensichtlich hatten sich auch die gekochten Eier gegen D verschworen, weil sie sich trotz Abschrecken so schlecht pulen ließen, dass die Hälfte dran blieb und zu allem Unglück gleich das erste D aus den Händen glitt und auf dem Boden zerplatzte, was eine beachtliche Farbenpracht auf dem Boden, sowie den leber-farbenen Leder-Latschen und den weinroten Stricksocken hinterließ.

„So eine Scheiße, verflucht noch mal, das darf doch nicht wahr sein!“

Als D dann endlich sein fertiges Frühstück nebst Kaffee auf dem Tisch gestellt hatte, fiel ihm auf, das er den Aschenbecher gestern vergessen hatte zu leeren, was offenkundig der Grund zu sein schien, warum seine ganze Wohnung wie ein kaltes Aschenloch roch, was er sich schnurstracks vornahm zu ändern und das Fenster öffnete.

Gerade bewegte D den vollen Aschenpott Richtung Fenster, als plötzlich eine starke Windböhe den gesamten Inhalt des Aschenbechers, über seine vorsichtig auseinander gepulten Eier verteilte, dass D so erschrocken von diesem Schicksalsschlag zurückprallte, dass er an seinen geliebten Kaffeebecher stieß, der dann im Geiersturzflug dem Erdboden entgegenraste.

Wie in Zeitlupe sah D dem Becher hinterher.

Er wollte nicht glauben, was da gerade alles in seinem Leben geschah und wartete sehnsüchtig darauf, dass er aus diesem schlimmen Traum Schweiß gebadete aufwachte, um erleichtert festzustellen, dass all das zum Glück nicht wahr sein brauchte.

Doch es kam anders.

D musste mitansehen, wie sein Lieblingsbecher am Boden in hundert Teile zerbrach, was an sich schon ausreichend schlimm zu sein schien, selbst aus der Distanz; als dann aber der kochend heiße griechische Kaffee-Sud durch den grobmaschigen Strumpf drang und D’s Haut auf der Oberseeite des Fußes verbrühte, sprang er wutentbrannt zum Bad, wo er den Fuß nebst Strumpf kalt abduschte und den Sockendanach  an die Tischkabine klatschte, wo er still und schweigend in Kopfhöhe hängen blieb!

Nun hatte D genug. Es langte.

Wutschnaubend riss er das Fenster auf, schmiss den Teller nebst Aschen-Spiegeleier und Toastbrot in hohem Bogen aus dem Fenster, dass alles mit lautem Scheppern in den Innenhof prasselte, wo es für eine anerkennender Maßen beeindruckende Farbpracht sorgte.

„Das hast du jetzt davon!“

Donnernd schlug D das Fenster zu, ließ die schweren Holzläden ebenfalls zuknallen, knipste jegliches Licht aus, kroch sicherheitshalber auf allen Vieren die Treppe hoch, zog sich wieder aus, rollte sich in seinem Bett ein, schob den Kopf unter das Kissen und schlief binnen weniger Minuten wieder ein…

 

Spuren im Wind – Odyssee 2020 CW42

18.Oktober – D erinnerte sich an den Geburtstag eines Freundes; und daran, dass es Zeit wurde nach Hellas zu gehen; auch daran, dass er davon absehen wollte, die Welt vollständig aufzuklären und für alles eine Antwort zu finden; es sind Werte wie Unsicherheit, Unkenntnis und Optimismus, die Gefühle wie Gelassenheit und Freiheit gedeihen lassen.

Längst hatten Medien und Regierungen die Macht ihrer Worte, sowie die eigene Verantwortung zu Gunsten der Jagd nach der nächsten Empörungswelle, sowie herbstlichen Begleiterscheinungen, missbraucht, weswegen die Berichterstattungen Furcht und Angst in den Bevölkerungen schürten; wo versteckten sich bloß die Erkenntnisse des eigenen Glücks? Lasst uns nicht ins Bockshorn jagen, von Wörterscharlatanen, die auf Züge der unbekannten Zukunft springen.

Ungeachtet der bewegenden Momente der letzten Monate blieb D fröhlich und gelassen; für ihn war klar, dass weder Welt noch Menschheit untergingen, jedenfalls nicht in den nächsten hundert Jahren, weder durch Wahlen, oder sonstige Versuche, eine Form von vermeintlicher Normalität herzustellen; alles blieb was es schon immer gewesen schien – ein ewiges παντα ρεί – alles fließt; Heraklit sei es gedankt, dass sich niemand fürchten muss.

Und so kam es, dass D wieder ein paar poetische Worte vom Baume der Lyrik pflücken durfte, um sich trotz – oder gerade wegen all der Merkwürdigkeiten, die da draußen herumrumorten – seines endlichen Lebens zu erfreuen, mit all den Sagenhaftigkeiten – und so geschah es:

Spuren im Wind

Ein sonniger Spaziergang durch die verwinkelten Gassen der rosa Stadt Toulouse;

Bäckereien, Zigarettenrauch, lebendige Unterhaltungen und Sonnengefunkel in Weingläsern;

Düfte, Geräusche, Farben und Formen durch die ich schwimme, ständig drohe darin unterzugehen;

versuche alles wahrhaftig mit dem Innersten zu berühren, auf Umgekehrtes dabei hoffend;

Blicke die sich kreuzen, taxieren und abwarten, suchend, ohne zu wissen wieso und wonach;

süßer Müßiggang mit mir vorüberschreitend, lasse mich treiben, von der Sonne wärmen;

und bleibe unfähig, meinen überwältigten Sinnen Töne gar Worte zu geben;

versuche eine Melodie zu summen, an deren Klang ist alles zu hören, was ich nie vermochte;

zu sagen, geschweige zu schreiben, mögen alle meine Spuren später für sich selber sprechen;

wenn übrig geblieben, wie unsichtbare Lüfte in Ästen, längst vergangene Worte und Verse;

neblige Netze aus Worten, die versuchten auszudrücken, was ich dachte zu fühlen;

bevor mich das Leben übermannte, dem reißenden Strom entriss und mich ans Ufer setzte;

mögen verblichene Schatten erzählen wer ich war, wenn ich hätte gefunden passende Worte;

niedergeschrieben, nachdem aus dem tosenden Leib gerissen und mir die Haare raufte;

damit Morpheus erneut Rätsel schickte, die ich zu entziffern, zu erinnern wagte udn hochschoss;

um neu unterzugehen im Rausch der Worte und Bedeutungen, dem eigenen Turm zu Babel;

blieb all das doch nur ein Versuch, möge er lange dauern, der Ritt auf dem tosenden Strom;

bis das schöngeschnäbelte Schiff am letzten Morgen mit Rosenfingern mich weckt;

um heimzukehren, nach langer Reise, um zu verschnaufen, bis die Nächste beginnt…

………

 

Auf eine Flasche mit – Odyssee 2020 CW35

30.August – wie jeden Tag saß D zwischen den Stühlen. Einmal war da die große Demonstration in Berlin und dann der Sturm, der über seine Heimat hinwegfegte und der nicht nur gewaltige Schäden anrichtete, sondern auch mit einer solchen Härte die Bäume zwischen Banyalbufar und Esporles zerstört hatte, dass D sprachlos über die verwüstete Küstenstraße MA-10 kroch, dass er sogar vergaß Fotos zu machen!

Immer dann, wenn sich die Menge der einprasselnden Informationen und Reize vergrößerte, hatte D die Angewohnheit sich zurückzuziehen, zu zentrieren und seine Lebensprioritäten neu zu setzen. Nicht selten kamen die Gleichen heraus. In diesem besonderen Fall jedoch wollte er mit seinem Freund Perikles telefonieren, um seine gewaltige Lebenserfahrung mit hinzuzuziehen. Und so kam es.

In ihrer zweiten Videokonferenz ging es wieder um die großen Fragen des Lebens und darum, wie man sich in turbulenten Zeiten vor Hysterie, Ängsten und unangenehmen Befürchtungen und Ahnungen schützen kann. D saß mit einem Glas Wein, sowie seinem Headset vor dem Laptop. Pünktlich um 14:00 wählte sich der Torwächter aus dem antiken Korinth ein.

PvK: Jasas Don – wie geht es dir?

DT: Jasas Perikles – danke, gut soweit und dir?

PvK: Du scheinst heute sehr ungeduldig zu sein…..

DT: Kann gut sein – zur Zeit ist wieder mal etwas zu viel los….

PvK: Findest du? Ich glaube ja, dass immer gleich viel los ist. Lediglich ändert sich ständig alles. Du erinnerst ja noch Heraklits Worte, nehme ich an, oder?

DT: Hm, so gesehen hast du vermutlich Recht. Natürlich kenne ich Heraklits – Alles fließt…..

PvK: Worüber möchtest du mit mir reden?

DT: Darüber, was wichtig im Leben ist

PvK: Vermutlich wird das für uns alle irgendwie ein wenig unterschiedlich sein, meinst du nicht?

DT: Natürlich! – aber wir könnten ja mit mir anfangen, oder?

PvK: Selbstverständlich. Aber denkst du wirklich, dass du mich dafür brauchst?

DT: Sagen wir es mal so: Ich unterhalte mich gerne mit dir darüber, weil du mit deiner Sichtweise die Dinge auf den Punkt bringst, während ich selbst manchmal nur über große Umwege dorthin gelange, weil…..

PvK: Aber gerade die Umwege sind doch das Wertvollste – sie unterscheiden uns von den anderen. Stell dir mal vor, alle Menschen würden direkt von A nach B gehen und niemand hätte Umwege gemacht – die Menschen wären längst ausgestorben!

DT: Okay, aber in meinem Fall……..

PvK: STOP! Nicht nur in deinem, sondern im Fall aller Menschen!

DT: Natürlich, aber es geht mir darum, dass…….

PvK: Na los, erzähl schon: Lass es raus, heute bist du wirklich etwas neben der Spur, wie mir scheint….

DT: Ist das verwunderlich?

PvK: Weiß ich nicht, sag du es mir

DT: Irgendwie stecken wir fest, Perikles…..

PvK: Mach dir nichts draus, das kommt schon mal vor. Wichtig ist nur, dass du weißt, wohin du willst: Norden, Süden, Osten oder Westen. Wenn du mal ein paar Schlenker, oder Umwege, wie du es nennst, einlegst, bereichert es dich nur.

DT: Genau darum geht es ja!

PvK: Worum?

DT: Um die Richtung!

PvK: Und du weißt nicht, wohin du willst?

DT: Schon irgendwie, aber…..

PvK: Aber was…..?

DT: Ich würde dir gerne davon erzählen und deine Meinung hören.

PvK: Wenn dir das hilft, nur zu…..

DT: Hm, irgendwie habe ich mir das anders vorgestellt……

PvK: Wie denn?

DT: Na, ich sag dir, was mir wichtig ist und du sagst etwas dazu….

PvK: Dann mach das doch…..

DT: Ich komme mir jetzt irgendwie blöd vor…..

PvK: Mach es jetzt nicht so kompliziert: Sag mir, was dich im Leben bewegt und was dir wichtig ist!

DT: Okay. Literatur……

PvK: Das war es schon? Gibt es nicht vielleicht ein wenig mehr darüber zu sagen? Redest du vom Schreiben oder Lesen? Oder gar beides?

DT: Mehr das Schreiben……

PvK: Was gefällt dir daran nicht….?

DT: Wie kommst du darauf, dass mir was nicht……?

PvK: Weil du seit Minuten um das Thema herumkreist, ohne es anzugehen…..

DT: Vielleicht ist es die Art, wie wir das Gespräch angefangen haben……

PvK: Du bist heute anstrengend, finde ich……

DT: Tatsächlich?

PvK: Ja. Sag doch einfach frei heraus, was dich beschäftigt….

DT: Du weißt, dass für mich die Poesie das Höchste ist?

PvK: Das weiß ich. Warum ist sie das?

DT: Weil man mit ihr und durch sie Dinge ausdrücken kann, die man niemals sagen und malen könnte. Mit Poesie erlangt der Mensch die größtmögliche Freiheit, weil er sich und seine Gedanken völlig frei entstehen lassen und sie mit Worten malen kann, bis sie so schön sind, dass sie Seele und das ganze Universum zum Leuchten bringen und sich beide berühren.

PvK: Aber das ist doch ganz wundervoll! Warum betrübt es dich dann?

DT: Weil ich zwar den Kopf voll habe, aber die Worte sich einfach nicht heraus-kondensieren lassen wollen. Keine Ahnung warum, aber es ist, als wenn Begriffe und Bilder vor mir flüchten, verstehst du was ich meine?

PvK: Natürlich! Du bist so sehr darauf konzentriert, dass alles zum Stehen gekommen ist. Du hast sozusagen eine Art Schreib-Verstopfung; nicht Blockade, weil du ja sehr produktiv bist, aber offensichtlich liegen manche Feld wie die Poetik brach.

DT: Genau!

PvK: Hab Geduld! Mach „Die Augen des Horus“ fertig und dann hast du auch wieder Raum für Poesie

DT: Es ist, als würde ich verdursten – Horus hat mich ausgetrocknet…….

PvK: Beschwer dich nicht, DU wolltest ihn schreiben……

DT: Ich weiß! Aber das macht es nicht einfacher – es ist die Disziplin, die ich benötige, um ihn zu Ende zu bringen. Er blockiert alles andere, er muss jetzt endlich fertig werden!

PvK: Vielleicht hilft dir etwas Ablenkung und Abwechslung, was meinst du?

DT: An was denkst du?

PvK: Variiere deine Sonntags-Novellen noch mehr – eine Serie, so wie „Auf eine Flasche Wein mit….. “ sollte doch Spaß machen, oder was meinst du?

DT: Gute Idee! Werde ich ausprobieren.

PvK: Hast du sonst noch etwas?

DT: Willst du schon wieder gehen?

PvK: Naja, ich habe den Eindruck, dass wir durch sind.

DT: Hm, wahrscheinlich hast du Recht…..

PvK: Gib dir Zeit, um deine Erlebnisse zu verarbeiten und konzentriere dich auf das Wesentliche. Vielleicht legst du dein Smartphone öfter weg, oder schaltest es öfter aus. Vermutlich tut dir das gut. Poesie braucht Raum, um zu gedeihen und die modernen digitalen Medien unterstützen hier aus meiner Sicht nur bedingt, wenn sie deinen Teller permanent mit Informationen auffüllen. Du bist ja irgendwann auch mal satt, dann musst du mit dem Essen aufhören, verstehst du? Leg es einfach weg, schalte es auf Flugmodus und les ein Buch, versprochen?

DT: Versprochen! Danke.

PvK: Gern geschehen. Wir machen dann Schluss?

DT: Ja. Nur eins noch kurz….

PvK: Ja?

DT: Was fällt dir heute am Meisten heutzutage auf?

PvK: Das man heute so tut, als wenn man Dinge neu erfindet, als hätte es das alles nicht schon vorher gegeben; das finde ich sehr lustig……

DT: Was ist daran lustig?

PvK: Die Tatsache, dass sich alles wiederholt.

DT: Nun, wir Menschen lieben Wiederholungen…..

PvK: Ich weiß……

DT: Was ist so schlecht daran?

PvK: Weil die Menschen nicht merken WAS sich wiederholt….

DT: Warum merken wir das aus deiner Sicht nicht?

PvK: Weil wir Menschen so schlecht sind, vorhandenes Wissen zu bewahren und für Neues gleichzeitig offen zu bleiben, um somit die Wissens-Basis ständig weiterzuentwickeln, frei nach dem Leitspruch von Heraklit – alles fließt! Nichts hat Bestand, Wissen genauso wenig wie dein Körper.

DT: Hast du einen Tipp, wie wir das ändern können?

PvK: So etwas klappt nur durch Bildung, ausreichend Weitergabe von Wissen und Erfahrung und größtmöglicher Wertschätzung und Respekt vor allen alten Menschen, denn sie sind die Wissenden, während die Jungen meist nur mit Arroganz glänzen, weil sie noch jung und schön sind – doch auf was ist man stolz, gar arrogant, wenn man es ohne sein Zutun von Mutter Natur bekommen hat?

DT: Du meinst frei nach dem Motto – heute glänzt die arrogante Schönheit, die morgen schon wieder kalte Asche ist, aus der sie entsteht?

PvK: Genau!

DT: Kannst du einen konkreten Tipp geben, wie wir einen Schritt weiter kommen?

PvK: Reduzier Entertainment aufs Maximum und kümmer dich um das, was wirklich bewegt….

DT: Mehr nicht?

PvK: Für die meisten ist das schon zu viel…….

DT: War schön mit dir zu sprechen – jetzt geht es mir besser. Vielen Dank!

PvK: Dafür nicht. Bedanke dich bei dir selbst.

DT: Ich freue mich auf das nächste Mal.

PvK: Ich auch. Mach es gut. Bis bald.

DT: Danke, du auch.

D schaltet die Videoverbindung aus und macht sich mit leichten Fingern an ein kleines Gedicht, was ihm schon länger im Kopf herumschwirrt.