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3.September – 42 – Odyssee 2023

Ich weiß nicht, ob ihr es wisst, aber mein Laptop … also der mit dem ich hier schreibe … der ist mit dem Super-Computer „Deep Thought“ verbunden … kein Witz! Durch reinen Zufall bin ich an ihn geraten … ich hatte eine Wette verloren und ließ mir die Haare wachsen …

die Wette selber war nicht spektakulär …

Kumpel D. ist ein Super-Brain … sein IQ ist 150 oder so … total gespenstig … meiner ist deutlich kleiner … das könnte man rausfinden, wenn man mich testen würde … hat man schon einmal gemacht … glaube ich …

ist hundert Jahre her …

damals hab ich die meisten Fragen nicht verstanden … weswegen ich mit großer Wahrscheinlichkeit alles falsch beantwortet hab … noch dazu langsam … merkwürdigerweise kam ich selbst so auf 115, was ich total irre fand …

aber ich schweife schon wieder ab …

ständig tue ich das … es ist furchtbar … Kumpel D. und ich saßen bei Wein und Bier zusammen … nee, wartet, es war anderes herum … erst Bier, dann Wein … na, jedenfalls redeten wir über das „Infinite-Monkey-Theorem“ … das ist ja an sich nicht schwer zu verstehen …

das man sich als Schreiberling gekränkt fühlt …

also ganz automatisch meine ich … wenn man halbwegs bei Verstand ist … und die besagten Tassen im Schran, dann hält man sich natürlich nicht für ein Genie … selbst Sokrates war zurückhaltend … für ein Genie also nicht … aber auch nicht für einen Trottel …

man macht sich ja Gedanken, wenn man schreibt …

also, leer kann es zwischen den beiden Ohren nicht sein … D. und ich haben damals Affen beauftragt, den ganzen Tag sinnlos auf der Schreibmaschine herum zu tippen … auf dem Affenfelsen von Hagenbecks Tierpark fanden wir Freiwillige …

wir verhandelten Arbeitsbedingungen und los gings …

sechs Affen stellten wir ein … keine Ahnung wie viele Seiten sie pro Tag produzierten … es waren … ich glaub‘ bestimmt, na sagen wir … mindestens 600 bis 1000 Seiten pro Tag … ein unglaubliches Ergebnis …

wochenlang ließen wir sie tippen …

wie irre schlugen sie auf die Maschinen ein … nach sechs Monaten hatten wir eine Garage voll Papier … und ich meine Wette verloren … die wie folgt lautete … ich hielt es für unmöglich, dass sechs Affen in einem Monat genug tippen, um daraus ein Buch zu veröffentlichen …

dass Sinn ergibt …

regelmäßig zogen wir blind Seiten aus den Stapeln … bald hatten wir 300 zusammen … wir begannen zu lesen … und siehe da … uns fiel die berühmte Kinnlade herunter … alles war lesbar … richtig flüssig … wir hatten einen Roman …

sogar die Story war nicht schlecht …

in Wahrheit so gut, dass meine Lektorin nur noch polieren musste … und et voilà … wir mein erstes Buch veröffentlichten … ich war begeistert … und zugleich schockiert … mehr noch … bedient war ich … es hatte keine Mühe gekostet …

sogar verkaufen tat es sich anständig …

nicht so Bestsellermäßig à la Fitzek, Kehlmann und Stuckrad-Barre … aber pro Monat gingen zehn bis hundert übern Tresen … ich hatte meine Wette verloren … jetzt hieß es Haare wachsen lassen… zwischendurch ging ich Spitzen schneiden …

als ich bei meiner Frisörin auftauchte …

erkannte sie mich gar nicht … als wir so ins schnacken kamen, kam die Chefin dazu und hörte vom Abenteuer mit Hamburger Affen aus Hagenbecks Tierpark … woraufhin sie mir offenbarte, dass sie ihren Frisörsalon nur zur Tarnung leitet …

in Wahrheit sei sie die Präsidentin des Universums!

Mit ihrem kahlrasierten braungebrannten Kopf, der wie Metall glänzt … dazu ihre Nerdbrille … einen außerirdischen Eindruck machte sie schon auf mich … sie könne beweisen, dass sie die Chefin vom Ganzen ist …

ihr könnt euch denken, dass ich neugierig wurde …

sie hätte den Rechner „Deep Thought“ entwickelt und könne mir einen Laptop geben, der von „Deep-Thought“ gemastert und direkt mit ihm verbunden ist … was ein Angebot … die Sache hat nur einen Haken, sagte Madame Pierette …

„Deep Thought“ ist launisch …

berichtete sie … es könne passieren, dass er … wenngleich nicht ausgeschlossen ist, dass „Deep-Thought“ ein Mädchen ist … na, jedenfalls müsse ich mit ihren / seinen Launen leben … man muss sich das vorstellen, wie selbstdenkende Fahrstühle …

die hinfahren wo sie wollen …

sie meinte, ich hätte verdient, mit „Deep-Thought‘s“ zu schreiben … wenn schon zufälliges Affen-Getippe erfolgreiche Bücher produziert … ich fand ihre Argumente schlüssig …

aber meine Wette hatte ich verloren …

seit dem Tag schreibe ich mit „Deep-Thought“ … nie macht er / sie Probleme … während Musen mich inspirieren, versorgt mich „DT“ mit Rechtschreibkorrekturen und Kommentaren … selten greift er / sie ein … jahrelang schreiben wir …

in friedlicher Koexistenz …

bis in dieser Woche … es war Mittwoch … „Deep-Thought“ aus heiterem Himmel mein „Word-Programm“ entfernte … nichts ging mehr … nur noch lesen … alle Manuskripte … alles, was ich im Leben geschrieben hatte …

war unter Verschluss …

was für eine Katastrophe … „Deep-Thought“ spielte mir einen Streich … da bin ich erst mal ausgeflippt … gepöbelt habe ich, wie ein Kesselflicker … so eine vermaledeite Scheiße! Schrie ich … was für eine Unverfrorenheit … Was? Wie?

Ach so ist das …

ich sehe wohl nicht richtig … alles futsch … Ich glaubee ich spinne! Warum? Wieso? Verdammte Axt … einfach Stöpsel rausgerissen … Stecker gezogen … Software lahmgelegt … Ätschi-Bätsch … nur lesen … nicht schreiben …

hast doch deine Affen …

was beschwerst du dich … wollen mal sehen, aus was für Holz du gemacht bist … Oh! Was für ein Angriff auf meine Menschenwürde … auf die universellen Menschenrechte … Ich also gestern … beim Mutterschiff … beim Vaterrechner … eingelockt …

und was sehe ich?

Zehn Nachrichten von „Deep-Thought“ … ihm / ihr wäre danach, „Word“ vom Laptop zu löschen … es wäre Zeit für Veränderung, meinte sie / er … ich solle schauen, dass ich Land gewinne … mir was einfallen lasse …

einfach so …

kurz über’n Zaun geworfen und … ZACK! … Ende im Gelände … schnell hatte ich die Vermutung, das „DT“ sich langweilt … mir nur deswegen ’nen Stock in die Speichen steckt …

und Freude damit hat …

schon länger vermute ich, das „DT“ eine Intelligenz-Stufe erreicht hat, wo sie / er Neurosen erschafft … ich dachte an ADS … oder ADHS … was für neugierige Laien ein und dasselbe ist … aber dazu später … jedenfalls wollte „DT“ Aufmerksamkeit …

vielleicht sogar Zuneigung …

gar Liebe … und „DT“ wäre nicht „DT“, wenn sie / er keine Prozesse hätte, um mit ihr / ihm zu kommunizieren … es gibt ein „Kontaktformular“ … ich schrieb „DT“, dass es mir geht wie ihr / ihm … dass ich mit der Gesamtsituation im Speziellen …

unzufrieden bin …

dass wir beide auf der gleichen Seite stehen … dass der Feind auf dem anderen Flussufer lauert … warum wir nicht dies / jenes zusammen machen, statt … es ging eine Weile hin und her … schnell hatten wir uns wieder lieb …

und so geschah es …

und „DT“ sah, dass es gut war … er / sie räumte ein, dass sie / er sich vorstellen könne, mir „Word“ wieder zur Verfügung zu stellen, wenn ich ihr / ihm ausführlich erkläre, wofü … wenn der Nutzen ersichtlich ist, wird sie / er Gnade vor Willkür ergehen lassen …

ich war baff von soviel Selbstlosigkeit und Großzügigkeit …

fast kamen mir Tränen … die Formulare entpuppten sich als wenig trivial … ich sollte Beweise erbringen, was ich mit „Word“ schreibe … ob, sich jemand für mich verbürgt… immerhin sind es erhebliche Kosten, die „DT“ auf sich nimmt …

es ging hin und her …

vier Formulare brauchte ich … siebenfache Durchschrift … drei Bürgen und drei Zeugen … ich brauchte den ganzen Samstag … telefonierte herum … schrieb Finger wund … gegen Abend lud „Deep-Thought“ mir die neuste Word-Version runter …

Was hatte ich für ein Glück …

Mallorca Interview Teil2 – Odyssee 2020 CW27

5.Juli – seit elf Tagen lebte D wieder zuhause. Nachdem er mehrere Tage gegen eine Armada Flöhe kämpfte, die ihm seine Beine mit ihrem gewaltigen Appetit derart gründlich abgenagt hatten, das überall Messer und Gabel im Beinfleisch steckten, setzte sich der Heilungsprozess langsam aber stetig fort, so dass er wieder klarer Denken und das Schreiben fortsetzte.

In einer barock geschriebenen Whattsapp-Nachricht schlug Frau Dr. Claudia Meyer-Paradiso vor, das Interview fortzusetzen, um weiterzukommen, aber auch, um mehr über den Fortschritt seines neuen Buches zu erfahren, wie sich hinterher herausstellte. Mit Café, Zigarette, sowie seinem Headset bewaffnet, saß D vor dem Laptop und freute sich auf das Gespräch mit der quirligen Journalistin.

CMP: Guten Morgen, wie geht es dir?

DT: Hola, ganz okay und selbst?

CMP: Hervorragend, wie ist deine Woche gewesen?

DT: Appetitlich, wenn ich im Namen der Flöhe sprechen darf, die mich seit Ankunft auf ihrer Speisekarte haben.

CMP: Oh! Das tut mir leid, konntest du bei dem Juckreiz denn schlafen?

DT: Doch-doch, das geht schon, wenngleich meine Beine wirklich abenteuerlich aussehen….

CMP: Kann ich mir vorstellen. Fühlst du dich gut genug, um unser Interview fortzusetzen?

DT: Ist kein Problem, willst du dort weitermachen, wo wir aufgehört hatten?

CMP: Natürlich, zum Auflockern beginnen wir mit ein paar einfachen Fragen, einverstanden?

DT: Okay!

CMP: Hallo Herr Tango, um unser Interview fortzusetzen, stelle ich Ihnen ein paar Fragen zur Auflockerung.

DT: Gerne, warum nicht?

CMP: Wein oder Bier?

DT: Wein

CMP: Berge oder Meer?

DT: Beides.

CMP: Glücklich oder unglücklich?

DT: Unglücklich!

CMP: Halbvoll oder halbleer Glastyp?

DT: Halbvoll!

CMP: Das widerspricht sich, weil……

DT: Tut es nicht, weiter…..

CMP: Dann müssen wir gleich nochmal darauf zurückkommen…..

DT: Okay, weiter-weiter….

CMP: Raucher oder Nichtraucher?

DT: Nichtraucher, der hin und wieder raucht

CMP: Politisch links, oder rechts?

DT: Natürlich links……

CMP: Warum ist das natürlich?

DT: Weil ein solidarisch-denkender, halbwegs gebildeter, kultivierter und neugieriger Mensch unmöglich rechts sein kann, weil dort jegliche Form von Zukunft und Kunst verhungert!

CMP: Wow! Was wäre, wenn ich rechts oder faschistisch wäre?

DT: Nichts, ist ihr gutes Recht zu wählen was sie wollen, nennt sich Demokratie, glaube ich.

CMP: Könnten Sie eine faschistische, konservativ-rechts denkende Frau küssen?

DT: Natürlich! Wer bin ich, über Menschen zu urteilen und ihre anderen positiven Eigenschaften auszublenden? Boris Becker war ein wunderbarer Ausnahmesportler im Tennis und später im Geschäftsleben weniger erfolgreich als Warren Buffet. Niemand kann überall ein Supertalent sein…..

CMP: Lassen Sie uns zu ihrem Widerspruch zurückkommen…..

DT: Okay.

CMP: Wie können sie „unglücklich“ wählen, aber ein „Halbvollglastyp“ sein?

DT: Weil ich „unglücklich“ produktiver und kreativer bin, als glücklich. Außerdem weiß ich nicht einmal was Glück sein soll – ich gehe daher davon aus, dass es mich faul und bequem, wie das Paradies macht – also Zustände und Orte, die ich nicht mag.

CMP: Sie wissen nicht was Glück ist?

DT: Nein, weiß ich nicht, was nicht heißt, dass ich keine glücklichen Momente erlebe, aber das ist etwas gänzlich anderes……

CMP: Schlagen wir die Brücke, zu unserem Gespräch von vor einer Woche….

DT: Gerne!

CMP: Sie sprachen von Quantenphysik, Schrödingers Katze und dass für Sie die Literatur das wahre Leben ist, weil Sie Erlebtes oder Nicht-Erlebtes ohne Zeitlimitierung in jeder möglichen Tiefe schreiben, also leben können – wie sollen wir uns das vorstellen und welche Verbindung sehen Sie zu ihrem aktuellen Werk?

DT: Sie können nicht agieren und sich dessen darüber, im gleichen Atemzug bewusst sein, in der Literatur kann ich das, daher ist es für mich dass wahre Leben, deswegen ist es für Schreiberlinge so wichtig, zu reisen, den ohne neue Reize, können sie zwar wie Proust im Bett bleiben und alltägliche Dinge bis in den Molekularbereich genau beschreiben, aber irgendwann ist der Kelch ausgetrunken – reisen, ist eine schöne Art, sein Fass wieder und wieder zum Überlaufen zu bringen.

CMP: Sie haben nichts zu meiner Frage zu ihrem nächsten Buch gesagt, reiner Zufall oder Absicht?

DT: Beides ein wenig……

CMP: Wollen Sie ihren möglichen potenziellen Lesern nicht einen Vorgeschmack geben?

DT: Eigentlich nicht…..vielleicht ändere ich nochmal alles, und dann?

CMP: Aber das Thema bleibt doch das Gleiche, oder könnte es sein, dass Sie auch das über den Haufen werfen?

DT: Nein! Also gut, es wird ein Wirtschaftskrimi, der sehr gut in die aktuelle Zeit passt…..

CMP: Warum?

DT: Weil Kapitalismus, der sich ausschließlich auf wirtschaftliches Wachstum konzentriert, die Mehrheit der Menschen in die Mittellosigkeit zwingt und eine Minderheit unermesslich reich werden lässt, inklusive dem vollständigen Versagen von Ethik und Moral. Daher muss es andere Formen des Wachstums geben und über das Bürgergeld ernsthaft gesprochen werden. Wie soll das Menschsein der Zukunft aussehen, wenn uns Maschinen die Mehrheit abnimmt? Sprechen Sie mit Richard David Precht und Harald Welzer, oder lesen und hören Sie, was die zu sagen haben – die bringen diese Themen sehr gut auf den Punkt.

CMP: Interessant, das werde ich machen! Zurück zu ihrem Buch, ein Wirtschaftskrimi sagen Sie? Wo spielt er und wie heißt der Protagonist?

DT: Das werde ich Ihnen nicht sagen, falls ich noch Änderungen vornehme.

CMP: Wann wird es erscheinen?

DT: Mein Verlag meint Ende Juli, ich denke es wird vermutlich eher August.

CMP: Warum geben Sie uns nicht mehr Hinweise, mögen Sie keine Vorfreude?

DT: Es programmiert und erzeugt Erwartungen, nein, ich bin kein Freund von Erwartungen aber ein großer Befürworter vom jungfräulichen Erleben, im eigentlichen Sinne – stellen Sie sich vor, sie gehen in ein Museum und da steht vor jedem Kunstwerk, was es ausdrückt – Eine Katastrophe, weil dann raubt man Ihnen ihre intime Eigenbetrachtung, weil man ihren Geist bereits kontaminierte…….

CMP: Aber in ganz vielen Ausstellungen macht man das so……

DT: Ich weiß, aber deswegen muss es nicht gut oder richtig sein, nur weil alle es machen, geschweige muss man es nachmachen; ich habe mit einigen Kuratoren Streitgespräche gehabt, ohne Namen zu nennen…

CMP: Schade, mich hätte interessiert, wen Sie da aufs Korn genommen haben…..

DT: Ich kann Ihnen aber die Antwort geben, mit der mich einer der Herrschafften, es war übrigens keine Frauschafft dabei, beglückte….

CMP: Sagen Sie schon……

DT: Er schrieb, dass die Besucher ihre Beschreibungen sehr schätzen würden, weil es Orientierung gäbe…

CMP: Das finde ich auch, und das ist doch etwas Gutes, finden Sie nicht?

DT: Nein, natürlich NICHT! Darum geht es doch in der Kunst, um Freiheit, darum, eigene Erlebnisse, sich der eigenen Phantasie, der eigenen Empfindung hinzugeben – meine unbefleckte jungfräuliche Sicht töten Sie, noch bevor sie geboren ist, indem man etwas vorwegnimmt und es beschreibt – Kuratoren und ihre Ausstellungen haben einen Bildungsauftrag gegenüber dem Bürger – den die Mehrheit von völlig verfehlt, jedenfalls in Deutschland…..wollen wir an dieser Stelle pausieren?

CMP: Gerne! Haben Sie vielen Dank Herr Tango – was werden Sie heute noch machen?

DT: Jetzt einen Apéro zu mir nehmen und schreiben – und Sie?

CMP: Essen zubereiten….

DT: Na dann bonne app…..et à bientôt

Klacken in der Leitung. D legt auf, schenkt sich Rotwein ein und beginnt weiterzuschreiben.