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16.Oktobär – Akopalüpse nau – Odyssee 2022

Bin heute schwer hochgekommen; aber immerhin, hat geklappt; hab Kaffee gemacht; und dabei zwei Madeleines gefuttert, nur zwei; dabei Milch genippt; mag beides zusammen; während der Kaffee zu schwitzen begann, begannen meine Kieferteile die Nahrung zu zerrieben, krallten sich meine Zehen am nicht vorhandenen Ast fest,

auf dem ich – seit dem Aufwachen – sitze;

während ich kaue, schlucke, nippe und dem Kaffee beim Köcheln zuseh‘, denke ich leise vor mich hin; mal in die eine; was poltert mein hebephrener Nachbar schon wieder da oben rum; schau mal wie‘s vom Gebälk runterrieselt; sieht doch nicht aus; dann in die andere Richtung; hast Knoblauch & Domaten vergessen; ham wa Brot und Eier? Glaube ja;

und nicht selten noch viel mehr.

Zum Beispiel so; immer noch kein Benzin an den Zapfsäulen; Deutschland geht das Gas aus, was mit Hinblick auf die einen oder anderen Aspekte nichts Schlechtes sein muss; und Franzosen drehen sich den Sprit-Hahn selber dicht – lustig; in „Vorwärts Teutonia“ wird gestreikt, wenn man nicht weiterkommt; in Frankreich, um Verhandlungen anzukündigen, prophylaktische Maßnahmen, um eigene Positionen zu unterstreichen.

Oder sowas – kommt auch vor:

Boa eyh, jetzt ham‘se Precht und Welzer aber unfein in die Mangel genommen; ham ja Recht die beiden, will nur keiner Hören, nicht mal Kumpel Lanz; naja, wäre vermutlich am Besten, wenn man Journalisten mit ‘nem Fix-Gehalt bezahlt, damit die für rein faktische Berichterstattung bezahlt werden und von dieser „Like“ und „Klick“ Gier wegkommen; mein Gott die Armen;

oder so, guck mal;

wolltest dich bei Books-on-demand (BoD) melden; hab ich doch schon; ja-und; ham noch nicht geantwortet; Säcke; flott wie der ADAC; schon 12 Wochen her, dass du die; und; Ja sach ich ja, nix; und nu; Arschlöscher, wie die BoD-Heinis; iss aber klar; gehören zu Libri; da wissen wir ja, dass man dort; genau; gebügelte Unterwäsche trägt;

ham mir mal Bücher zurückgeschickt, diese Heinis;

ich so; IHR sollt die Buchhändler BE-schicken, damit die VER-kaufen, doch nicht zurück zu mir; bin der Autor; kenne das Buch; ich so, ne; und die so; ja, verkauft sich schleppend; ist wohl eher ‘n Geheimtipp; wir sind Umsatz, Durchsatz und Kaffeesatz orientiert, keine Liebhaberei und so;

und nu

die so; sie kriegen ihre Bücher zurück; ich dann so; erst schicken wir sie euch, damit ihr sie verkauft, dann seit ihr ungeduldig, schreibt weiteres Schriftstück, um zu sagen, dass sie zurückkommen, obwohl ihr sie verkaufen wollt, weswegen ich euch das Geld der Bücher zurücküberweise; was ist, wenn jemand die übermorgen will;

dann schicke ich die‘n zweites Mal, oder wie heiß ich;

ich so, ne; ging noch weiter; Aristoteles muss ich weiterlesen; griechisch lernen nicht vergessen; was ist mit der Wäsche, musst du nicht; genau, muss ich; schau mal; was denn; na hier, das geht doch nicht; was denn; na schau mal; du hast deine Zeitung noch gar nicht aufgemacht; wie sieht denn DAS aus; dat jeht doch nich,

was sollen die Nachbarn denken;

es hört gar nicht auf; ins Notizbuch musst du auch noch schreiben; ja-ha, is ja gut; nich verjessen; ich so zu mir, ne; was ist denn jetzt mit den Laufschuhen bei Lunge in Hamburch; hast du da schon; ja hab ich; ham se geantwortet; ham se; ham aber meine Nachricht nicht kapiert, obwohl die ganz einfach war, in echt; bist du sicher; ja, bin ich;

hast du nicht zu blümerant geschrieben;

nee – hab gesagt, dass ich zwei Brooks Adrenalin GTS21 in blau,orange,weiß in schmalem Schnitt (B) und in 46 (US-12) haben will; lebst auf großem Fuß was; ja, und; was ham se gesagt; die so dann; haben wir alles da, mindestens zwei pro Laden; ich so, häähh? Da stimmt doch was nicht; ich so dann; nehm dann drei Paar, geht das;

ja, das ginge sagen se;

ich könnte die ganz praktisch und bequem (immer diese werbe-jingles in der Sprache, nicht auszuhalten!) über den Online-Shop bestellen; oder, was auch ginge; sach bloß; sie direkt im Geschäft abholen (wie früher); ich dann so, hab gerade kein stabiles Internet, wird schwierig mit online; und dauert noch bis ich in HH bin, ich so ne;

und die dann;

ich könne mir aussuchen, per online-shop, oder im Laden; entweder ham verschiedene Menschen meine Nachrichten beantwortet, oder’n Aphasiker; oder beides; ich so dann wieder zu denen, ne; Leute, nur um zu schauen, ob wir vom Gleichen reden; machte denen ein Foto vom Schuh; orange,weiß,blau; von denen will ich; und die dann so, echt ohne Scheiß;

also wenn sie den Schuh nur in DIESER Farbkombination möchten,

ja, möchte ich, bitte; das ginge ja nun mal gar nicht; ham wir nicht auf Lager; kommen auch nicht mehr rein; ich denk noch so, aber genau darum ging es doch die ganze Zeit; ham meine Nachricht nur überflogen; ham Aphasiker Schwierigkeiten mit Sprechen, oder auch mit Denken und schreiben;

schreibt man nicht so wie man spricht?

interessantes Interview mit Ruben Östlund; denkt ähnlich wie wir; toller ausdruck, „corporate shit“; stimmt ja, was er sacht; geht nur um Kohle; Kultur ist Nebensache, ne schöne vielleicht, aber halt; genau; sind alle Aphasiker geworden; auch in Moral; brauchst nur beiTwitter und so;

tröpfelnd pinkeln, anstelle in ei‘m Abwasch und alles;

sach ich ja; sieht nicht aus; is auch nicht gut für die Prostata; weiß man ja; lieber anhalten und dann alles auf mal; genau; und nun; keine Schuhe von Lunge; keine Antwort von ADAC und BoD; alle sprachlos, obwohl sie permanent plappern; wie Lunge, sie sehen‘s ja selbst;

pass auf den Kaffee auf;

gleich kocht er; so geht das ständig; ständig flattern Gedanken im Gedächtnispalast rum; wie’n Taubenschlach; wenn wir aber davon absehen; herrscht im Gedächtnispalast schweigendes Nichts; ich schwör; dann denke ich manchmal, da ist niemand zuhause, bis ich begreife, das ich schon da bin;

dann bin ich ganz erleichtert, mich gefunden zu habe…

Mallorca Interview Teil2 – Odyssee 2020 CW27

5.Juli – seit elf Tagen lebte D wieder zuhause. Nachdem er mehrere Tage gegen eine Armada Flöhe kämpfte, die ihm seine Beine mit ihrem gewaltigen Appetit derart gründlich abgenagt hatten, das überall Messer und Gabel im Beinfleisch steckten, setzte sich der Heilungsprozess langsam aber stetig fort, so dass er wieder klarer Denken und das Schreiben fortsetzte.

In einer barock geschriebenen Whattsapp-Nachricht schlug Frau Dr. Claudia Meyer-Paradiso vor, das Interview fortzusetzen, um weiterzukommen, aber auch, um mehr über den Fortschritt seines neuen Buches zu erfahren, wie sich hinterher herausstellte. Mit Café, Zigarette, sowie seinem Headset bewaffnet, saß D vor dem Laptop und freute sich auf das Gespräch mit der quirligen Journalistin.

CMP: Guten Morgen, wie geht es dir?

DT: Hola, ganz okay und selbst?

CMP: Hervorragend, wie ist deine Woche gewesen?

DT: Appetitlich, wenn ich im Namen der Flöhe sprechen darf, die mich seit Ankunft auf ihrer Speisekarte haben.

CMP: Oh! Das tut mir leid, konntest du bei dem Juckreiz denn schlafen?

DT: Doch-doch, das geht schon, wenngleich meine Beine wirklich abenteuerlich aussehen….

CMP: Kann ich mir vorstellen. Fühlst du dich gut genug, um unser Interview fortzusetzen?

DT: Ist kein Problem, willst du dort weitermachen, wo wir aufgehört hatten?

CMP: Natürlich, zum Auflockern beginnen wir mit ein paar einfachen Fragen, einverstanden?

DT: Okay!

CMP: Hallo Herr Tango, um unser Interview fortzusetzen, stelle ich Ihnen ein paar Fragen zur Auflockerung.

DT: Gerne, warum nicht?

CMP: Wein oder Bier?

DT: Wein

CMP: Berge oder Meer?

DT: Beides.

CMP: Glücklich oder unglücklich?

DT: Unglücklich!

CMP: Halbvoll oder halbleer Glastyp?

DT: Halbvoll!

CMP: Das widerspricht sich, weil……

DT: Tut es nicht, weiter…..

CMP: Dann müssen wir gleich nochmal darauf zurückkommen…..

DT: Okay, weiter-weiter….

CMP: Raucher oder Nichtraucher?

DT: Nichtraucher, der hin und wieder raucht

CMP: Politisch links, oder rechts?

DT: Natürlich links……

CMP: Warum ist das natürlich?

DT: Weil ein solidarisch-denkender, halbwegs gebildeter, kultivierter und neugieriger Mensch unmöglich rechts sein kann, weil dort jegliche Form von Zukunft und Kunst verhungert!

CMP: Wow! Was wäre, wenn ich rechts oder faschistisch wäre?

DT: Nichts, ist ihr gutes Recht zu wählen was sie wollen, nennt sich Demokratie, glaube ich.

CMP: Könnten Sie eine faschistische, konservativ-rechts denkende Frau küssen?

DT: Natürlich! Wer bin ich, über Menschen zu urteilen und ihre anderen positiven Eigenschaften auszublenden? Boris Becker war ein wunderbarer Ausnahmesportler im Tennis und später im Geschäftsleben weniger erfolgreich als Warren Buffet. Niemand kann überall ein Supertalent sein…..

CMP: Lassen Sie uns zu ihrem Widerspruch zurückkommen…..

DT: Okay.

CMP: Wie können sie „unglücklich“ wählen, aber ein „Halbvollglastyp“ sein?

DT: Weil ich „unglücklich“ produktiver und kreativer bin, als glücklich. Außerdem weiß ich nicht einmal was Glück sein soll – ich gehe daher davon aus, dass es mich faul und bequem, wie das Paradies macht – also Zustände und Orte, die ich nicht mag.

CMP: Sie wissen nicht was Glück ist?

DT: Nein, weiß ich nicht, was nicht heißt, dass ich keine glücklichen Momente erlebe, aber das ist etwas gänzlich anderes……

CMP: Schlagen wir die Brücke, zu unserem Gespräch von vor einer Woche….

DT: Gerne!

CMP: Sie sprachen von Quantenphysik, Schrödingers Katze und dass für Sie die Literatur das wahre Leben ist, weil Sie Erlebtes oder Nicht-Erlebtes ohne Zeitlimitierung in jeder möglichen Tiefe schreiben, also leben können – wie sollen wir uns das vorstellen und welche Verbindung sehen Sie zu ihrem aktuellen Werk?

DT: Sie können nicht agieren und sich dessen darüber, im gleichen Atemzug bewusst sein, in der Literatur kann ich das, daher ist es für mich dass wahre Leben, deswegen ist es für Schreiberlinge so wichtig, zu reisen, den ohne neue Reize, können sie zwar wie Proust im Bett bleiben und alltägliche Dinge bis in den Molekularbereich genau beschreiben, aber irgendwann ist der Kelch ausgetrunken – reisen, ist eine schöne Art, sein Fass wieder und wieder zum Überlaufen zu bringen.

CMP: Sie haben nichts zu meiner Frage zu ihrem nächsten Buch gesagt, reiner Zufall oder Absicht?

DT: Beides ein wenig……

CMP: Wollen Sie ihren möglichen potenziellen Lesern nicht einen Vorgeschmack geben?

DT: Eigentlich nicht…..vielleicht ändere ich nochmal alles, und dann?

CMP: Aber das Thema bleibt doch das Gleiche, oder könnte es sein, dass Sie auch das über den Haufen werfen?

DT: Nein! Also gut, es wird ein Wirtschaftskrimi, der sehr gut in die aktuelle Zeit passt…..

CMP: Warum?

DT: Weil Kapitalismus, der sich ausschließlich auf wirtschaftliches Wachstum konzentriert, die Mehrheit der Menschen in die Mittellosigkeit zwingt und eine Minderheit unermesslich reich werden lässt, inklusive dem vollständigen Versagen von Ethik und Moral. Daher muss es andere Formen des Wachstums geben und über das Bürgergeld ernsthaft gesprochen werden. Wie soll das Menschsein der Zukunft aussehen, wenn uns Maschinen die Mehrheit abnimmt? Sprechen Sie mit Richard David Precht und Harald Welzer, oder lesen und hören Sie, was die zu sagen haben – die bringen diese Themen sehr gut auf den Punkt.

CMP: Interessant, das werde ich machen! Zurück zu ihrem Buch, ein Wirtschaftskrimi sagen Sie? Wo spielt er und wie heißt der Protagonist?

DT: Das werde ich Ihnen nicht sagen, falls ich noch Änderungen vornehme.

CMP: Wann wird es erscheinen?

DT: Mein Verlag meint Ende Juli, ich denke es wird vermutlich eher August.

CMP: Warum geben Sie uns nicht mehr Hinweise, mögen Sie keine Vorfreude?

DT: Es programmiert und erzeugt Erwartungen, nein, ich bin kein Freund von Erwartungen aber ein großer Befürworter vom jungfräulichen Erleben, im eigentlichen Sinne – stellen Sie sich vor, sie gehen in ein Museum und da steht vor jedem Kunstwerk, was es ausdrückt – Eine Katastrophe, weil dann raubt man Ihnen ihre intime Eigenbetrachtung, weil man ihren Geist bereits kontaminierte…….

CMP: Aber in ganz vielen Ausstellungen macht man das so……

DT: Ich weiß, aber deswegen muss es nicht gut oder richtig sein, nur weil alle es machen, geschweige muss man es nachmachen; ich habe mit einigen Kuratoren Streitgespräche gehabt, ohne Namen zu nennen…

CMP: Schade, mich hätte interessiert, wen Sie da aufs Korn genommen haben…..

DT: Ich kann Ihnen aber die Antwort geben, mit der mich einer der Herrschafften, es war übrigens keine Frauschafft dabei, beglückte….

CMP: Sagen Sie schon……

DT: Er schrieb, dass die Besucher ihre Beschreibungen sehr schätzen würden, weil es Orientierung gäbe…

CMP: Das finde ich auch, und das ist doch etwas Gutes, finden Sie nicht?

DT: Nein, natürlich NICHT! Darum geht es doch in der Kunst, um Freiheit, darum, eigene Erlebnisse, sich der eigenen Phantasie, der eigenen Empfindung hinzugeben – meine unbefleckte jungfräuliche Sicht töten Sie, noch bevor sie geboren ist, indem man etwas vorwegnimmt und es beschreibt – Kuratoren und ihre Ausstellungen haben einen Bildungsauftrag gegenüber dem Bürger – den die Mehrheit von völlig verfehlt, jedenfalls in Deutschland…..wollen wir an dieser Stelle pausieren?

CMP: Gerne! Haben Sie vielen Dank Herr Tango – was werden Sie heute noch machen?

DT: Jetzt einen Apéro zu mir nehmen und schreiben – und Sie?

CMP: Essen zubereiten….

DT: Na dann bonne app…..et à bientôt

Klacken in der Leitung. D legt auf, schenkt sich Rotwein ein und beginnt weiterzuschreiben.