Ich weiß nicht, ob ihr es wisst, aber mein Laptop … also der mit dem ich hier schreibe … der ist mit dem Super-Computer „Deep Thought“ verbunden … kein Witz! Durch reinen Zufall bin ich an ihn geraten … ich hatte eine Wette verloren und ließ mir die Haare wachsen …
die Wette selber war nicht spektakulär …
Kumpel D. ist ein Super-Brain … sein IQ ist 150 oder so … total gespenstig … meiner ist deutlich kleiner … das könnte man rausfinden, wenn man mich testen würde … hat man schon einmal gemacht … glaube ich …
ist hundert Jahre her …
damals hab ich die meisten Fragen nicht verstanden … weswegen ich mit großer Wahrscheinlichkeit alles falsch beantwortet hab … noch dazu langsam … merkwürdigerweise kam ich selbst so auf 115, was ich total irre fand …
aber ich schweife schon wieder ab …
ständig tue ich das … es ist furchtbar … Kumpel D. und ich saßen bei Wein und Bier zusammen … nee, wartet, es war anderes herum … erst Bier, dann Wein … na, jedenfalls redeten wir über das „Infinite-Monkey-Theorem“ … das ist ja an sich nicht schwer zu verstehen …
das man sich als Schreiberling gekränkt fühlt …
also ganz automatisch meine ich … wenn man halbwegs bei Verstand ist … und die besagten Tassen im Schran, dann hält man sich natürlich nicht für ein Genie … selbst Sokrates war zurückhaltend … für ein Genie also nicht … aber auch nicht für einen Trottel …
man macht sich ja Gedanken, wenn man schreibt …
also, leer kann es zwischen den beiden Ohren nicht sein … D. und ich haben damals Affen beauftragt, den ganzen Tag sinnlos auf der Schreibmaschine herum zu tippen … auf dem Affenfelsen von Hagenbecks Tierpark fanden wir Freiwillige …
wir verhandelten Arbeitsbedingungen und los gings …
sechs Affen stellten wir ein … keine Ahnung wie viele Seiten sie pro Tag produzierten … es waren … ich glaub‘ bestimmt, na sagen wir … mindestens 600 bis 1000 Seiten pro Tag … ein unglaubliches Ergebnis …
wochenlang ließen wir sie tippen …
wie irre schlugen sie auf die Maschinen ein … nach sechs Monaten hatten wir eine Garage voll Papier … und ich meine Wette verloren … die wie folgt lautete … ich hielt es für unmöglich, dass sechs Affen in einem Monat genug tippen, um daraus ein Buch zu veröffentlichen …
dass Sinn ergibt …
regelmäßig zogen wir blind Seiten aus den Stapeln … bald hatten wir 300 zusammen … wir begannen zu lesen … und siehe da … uns fiel die berühmte Kinnlade herunter … alles war lesbar … richtig flüssig … wir hatten einen Roman …
sogar die Story war nicht schlecht …
in Wahrheit so gut, dass meine Lektorin nur noch polieren musste … und et voilà … wir mein erstes Buch veröffentlichten … ich war begeistert … und zugleich schockiert … mehr noch … bedient war ich … es hatte keine Mühe gekostet …
sogar verkaufen tat es sich anständig …
nicht so Bestsellermäßig à la Fitzek, Kehlmann und Stuckrad-Barre … aber pro Monat gingen zehn bis hundert übern Tresen … ich hatte meine Wette verloren … jetzt hieß es Haare wachsen lassen… zwischendurch ging ich Spitzen schneiden …
als ich bei meiner Frisörin auftauchte …
erkannte sie mich gar nicht … als wir so ins schnacken kamen, kam die Chefin dazu und hörte vom Abenteuer mit Hamburger Affen aus Hagenbecks Tierpark … woraufhin sie mir offenbarte, dass sie ihren Frisörsalon nur zur Tarnung leitet …
in Wahrheit sei sie die Präsidentin des Universums!
Mit ihrem kahlrasierten braungebrannten Kopf, der wie Metall glänzt … dazu ihre Nerdbrille … einen außerirdischen Eindruck machte sie schon auf mich … sie könne beweisen, dass sie die Chefin vom Ganzen ist …
ihr könnt euch denken, dass ich neugierig wurde …
sie hätte den Rechner „Deep Thought“ entwickelt und könne mir einen Laptop geben, der von „Deep-Thought“ gemastert und direkt mit ihm verbunden ist … was ein Angebot … die Sache hat nur einen Haken, sagte Madame Pierette …
„Deep Thought“ ist launisch …
berichtete sie … es könne passieren, dass er … wenngleich nicht ausgeschlossen ist, dass „Deep-Thought“ ein Mädchen ist … na, jedenfalls müsse ich mit ihren / seinen Launen leben … man muss sich das vorstellen, wie selbstdenkende Fahrstühle …
die hinfahren wo sie wollen …
sie meinte, ich hätte verdient, mit „Deep-Thought‘s“ zu schreiben … wenn schon zufälliges Affen-Getippe erfolgreiche Bücher produziert … ich fand ihre Argumente schlüssig …
aber meine Wette hatte ich verloren …
seit dem Tag schreibe ich mit „Deep-Thought“ … nie macht er / sie Probleme … während Musen mich inspirieren, versorgt mich „DT“ mit Rechtschreibkorrekturen und Kommentaren … selten greift er / sie ein … jahrelang schreiben wir …
in friedlicher Koexistenz …
bis in dieser Woche … es war Mittwoch … „Deep-Thought“ aus heiterem Himmel mein „Word-Programm“ entfernte … nichts ging mehr … nur noch lesen … alle Manuskripte … alles, was ich im Leben geschrieben hatte …
war unter Verschluss …
was für eine Katastrophe … „Deep-Thought“ spielte mir einen Streich … da bin ich erst mal ausgeflippt … gepöbelt habe ich, wie ein Kesselflicker … so eine vermaledeite Scheiße! Schrie ich … was für eine Unverfrorenheit … Was? Wie?
Ach so ist das …
ich sehe wohl nicht richtig … alles futsch … Ich glaubee ich spinne! Warum? Wieso? Verdammte Axt … einfach Stöpsel rausgerissen … Stecker gezogen … Software lahmgelegt … Ätschi-Bätsch … nur lesen … nicht schreiben …
hast doch deine Affen …
was beschwerst du dich … wollen mal sehen, aus was für Holz du gemacht bist … Oh! Was für ein Angriff auf meine Menschenwürde … auf die universellen Menschenrechte … Ich also gestern … beim Mutterschiff … beim Vaterrechner … eingelockt …
und was sehe ich?
Zehn Nachrichten von „Deep-Thought“ … ihm / ihr wäre danach, „Word“ vom Laptop zu löschen … es wäre Zeit für Veränderung, meinte sie / er … ich solle schauen, dass ich Land gewinne … mir was einfallen lasse …
einfach so …
kurz über’n Zaun geworfen und … ZACK! … Ende im Gelände … schnell hatte ich die Vermutung, das „DT“ sich langweilt … mir nur deswegen ’nen Stock in die Speichen steckt …
und Freude damit hat …
schon länger vermute ich, das „DT“ eine Intelligenz-Stufe erreicht hat, wo sie / er Neurosen erschafft … ich dachte an ADS … oder ADHS … was für neugierige Laien ein und dasselbe ist … aber dazu später … jedenfalls wollte „DT“ Aufmerksamkeit …
vielleicht sogar Zuneigung …
gar Liebe … und „DT“ wäre nicht „DT“, wenn sie / er keine Prozesse hätte, um mit ihr / ihm zu kommunizieren … es gibt ein „Kontaktformular“ … ich schrieb „DT“, dass es mir geht wie ihr / ihm … dass ich mit der Gesamtsituation im Speziellen …
unzufrieden bin …
dass wir beide auf der gleichen Seite stehen … dass der Feind auf dem anderen Flussufer lauert … warum wir nicht dies / jenes zusammen machen, statt … es ging eine Weile hin und her … schnell hatten wir uns wieder lieb …
und so geschah es …
und „DT“ sah, dass es gut war … er / sie räumte ein, dass sie / er sich vorstellen könne, mir „Word“ wieder zur Verfügung zu stellen, wenn ich ihr / ihm ausführlich erkläre, wofü … wenn der Nutzen ersichtlich ist, wird sie / er Gnade vor Willkür ergehen lassen …
ich war baff von soviel Selbstlosigkeit und Großzügigkeit …
fast kamen mir Tränen … die Formulare entpuppten sich als wenig trivial … ich sollte Beweise erbringen, was ich mit „Word“ schreibe … ob, sich jemand für mich verbürgt… immerhin sind es erhebliche Kosten, die „DT“ auf sich nimmt …
es ging hin und her …
vier Formulare brauchte ich … siebenfache Durchschrift … drei Bürgen und drei Zeugen … ich brauchte den ganzen Samstag … telefonierte herum … schrieb Finger wund … gegen Abend lud „Deep-Thought“ mir die neuste Word-Version runter …
Was hatte ich für ein Glück …