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09.April – Brief an’s Smartphone – Odyssee 2023

Du hast mich verändert. Ewig bist du präsent. Ständig bekommst du Nachrichten. Hier ein Foto von Freunden, dort Sprachnachricht, ein paar Worte, „komme später“. Deine ewigen Updates gehen mir auf die Nerven. Sicherheit ist dir wichtig, dabei gibt‘s nur wenige Stunden ohne dich.

Selbst still stört mich deine Präsenz.

Schon vor langer Zeit verordnete ich dir Geräuschlosigkeit. Seitdem sehe ich ständig zu dir hin. Hab ich dich vergessen, zucke ich zusammen, erschrecke bitterlich. Man möchte meinen, du bist ein Freund, wenn man diese Zeilen liest, doch bist du nur ein lebloses Gerät, um das es geht.

Wie konnte es soweit kommen,

frag‘ ich mich und kenn‘ die Antwort. Im Spiegel find‘ ich sie. Vorbei beim Warten der stille Müßiggang, unterbrechende Mitmenschen mit lautem Telefonat, oder Youtube-Videos. Unsere aller Stille – längst zu Grabe getragen, Dank deiner Geburt.

Böse kann ich dir nicht sein, und doch…

Gestern Abend im Restaurant, am Tisch nebenan, mallorcinische Eltern, Vater, Mutter, zwei Kinder, Bube sechs, Mädchen acht, schweigend kaut sich die Famile in digitale Isolation. Spiele, Fotos, Aktienkurs, Fußball, alles finden wir bei dir. „Vier einsame Inseln“ dachte ich und spürte Melancholie.

Wie konnte es soweit kommen,

frag‘ ich mich und ärgere mich. Vorm Spiegel steht sie, widerwillig, bockig, besserwisserisch. Digitaler Drogenjunkie der ich geworden. Sinkt deine Energie zu weit, suche ich Steckdosen, ständig Ladegerät dabei, gleich 4711 meiner Großmutter. Immer erreichbar, effiziente Verwalterin meiner Lebenszeit.

Schnell und direkt, alles ist praktisch an dir.

Bist Religion, Sekte, Weltanschauung, wie Porsche, Harley und Champagner. Hast mein Leben fest im Griff, nach den Gesetzen des Kapitalismus. Nichts zählt, nur noch du und die Zeit. Dabei wollte ich anfangs nur mobil telefonieren. Heute schaue ich auf dein Cockpit mit 1000 Knöpfen. Wetter, Gesundheit, Termine, Flüge, nichts geht ohne dich.

Wie ging es vorher?

Dank dir bin ich überall und nirgendwo, alles zugleich und gleichzeitig. Will ich das? Ich kenne die Antwort und ändere – nichts. Abhängige bleiben stehen, verändern nicht. Bin selber schuld daran. Deine Funktionen verändern alles, „schicken Sie ’ne E-Mail, keine Post!“, höre ich mich rufen, reden, schreiben, braver Wüterich.

Ist praktisch wirklich praktisch?

Ich kenne die Antwort und ändere hoffentlich – alles. Wenn Effizienz mein Leben diktiert, wo ich suche Müßiggang, erklärt Faulheit, Komfort vieles? Kannte die Antwort und änderte alles. Warum solltest du mich aufhalten?

„Werd‘ dich Morgen links liegen lassen. Wirst sehen!“

Digitale Hygiene, ich weiß, warum alles so kam. Ich erkannte die Zeichen und habe die Wahl. Was bleibt vom Tage übrig? Kommst zurück in die Werkzeugkiste, wohin du gehörst, umgeben von Schraubendrehern und Kneifzangen.

Immer muss es soweit kommen.

Was ich dir empfehle? Mach dich weniger wichtig. Höre zu, um zu verstehen, nicht um zu antworten. Sei geduldig, dräng dich nicht auf. Sei höflich und diskret. Erzeuge Musik und Sprache, keinen Lärm. Dein GPS lasse ich verstauben, direkte Wege interessieren mich nicht,

genauso wie Ankommen, Gewinnen und Erfolg…

6.Novem-bär – Kampf dem Krieg – Odyssee 2022

Mein ältester Kumpel wurde 50; nie macht er Wind um sich; so war uns klar, dass wir was im Hintergrund organisieren mussten; so geschah es; Frau und Freunde machten sich Mühe, was mit ‘ner gelungenen Überraschungsparty gekrönt wurde und ‘nen glücklichen Abschluss für Jubilar und Gäste fand; glänzende Augen und Umarmungen sprachen für sich.

Kurz & nüchtern beschrieben, ist die Geschichte hier zu Ende.

Wer sich beim gemütlichen Schmökern meines Blogs entspannen will, hört an dieser Stelle bitte auf; wer hier auf Zerstreuung und Wohlfühlerlebnisse hofft, der schaltet besser den Fernseher ein und schaut was mit Kai, Jörg, Richard und Markus, für die Mädchen, oder, Barbara, Julia, Bärbel und Florian für die Jungs; halt was Vorhersehbares, dass den Wohlfühlknorpel streichelt

und NICHT belastet.

Wer nach dem Trinken eigener Tränen neugierig geblieben ist, der sei herzlich willkommen, der hat sich alleine dafür schon meine Hochachtung verdient; doch Neugier ist‘n launisches Tier; wenn ich‘n Photo meiner Zahnbürste für den Titel wähle, schlafen Allen die Füße ein; wenn ich stattdessen ‘ne blutige Rasierklinge wähl, sieht die Sache – leider – anders aus.

Ab hier also für Neugierige, Welten-Zerstörer, Mütter & Väter.

Was wär, wenn der Rasenmähermann nebst Gattin – ihr erinnert euch, letzte Woche? – Gast auf der 50-Jahr-Party war? Was, wenn mein „Kurzen-Rasen-und-Fußball-liebender-Nachbar“ nicht der einzige seiner Gattung in der Siedlung ist?

Was wär,

wenn von 50 Gästen, die meisten Männer ähnlich sozial verträgliche Leidenschaften ihr Eigen nennen? Was, wenn Freundinnen und Frauen dieser Inseltalente sich ALLE durch Selbstzündung erleuchten müssen – was dann?

Könnte ein Vierzeiler dem Ganzen gerecht werden?

Als mein Kumpel und ich, wie mit‘m geheimem Festtagsgremium verabredet, gegen 18:00 eintreffen, haben sich fünfzig Freunde und Nachbarn versammelt; üblich an Samstagen in Schleswig-Holstein um die Zeit – man hat’n paar Gläser intus, und somit Vorsprung. Nüchtern ist man in SH schon ausgelassen; wie sind die alkoholisiert?

Einfach – unbeschreiblich.

18:30 – erst einmal Lage peilen: Laute Musik, viel Speis und Trank und Gewissheit zu den TOP 10% in Sachen Einkommen zu zählen; läuft doch, oder; noch dazu physisch wie psychisch gesund, was will man mehr; wie wär‘s mit sozialen Kontakten? Geht man in der Woche noch mal flott abends weg? Zum Beispiel auf‘n schnelles Bier mit Kumpels, oder auf‘n Weißwein mit den Mädels?

Keine Ahnung – vermutlich selten.

Der Hamburger Speckgürtel mit Vierteln wie der Siedlung, kann man auch „bewohnte Friedhöfe“ nennen, auf denen wir unsere alarmgeschützte Existenz mit Alkohol, Netflix und Amazon Prime ersaufen; mentale Hygiene und Erleichterung? Bekommen wir nur auf Fußballplätzen und im Urlaub – oder eben – auf Geburtstagparties.

An jenem Abend trug ich schwarz – auch vom Verhalten.

Beichten gab‘s zwar keine, aber die vielen Geschichten, die ’nen Garten voller Kuriositäten erschaffen, reichlich gewässert von Schnäpsen, Grölereien und Schulterklopfen, wirken wie ein Ventil. 19:00 Uhr, erhitzte Gemüter wetzen Messer.

Themen – Politik und Wirtschaft, gewürzt mit Religion.

Fabelhafter Cocktail, denke ich, hatte ich doch selber schon ein paar Gläser Wein drin und schien nicht mehr völlig nüchtern zu sein, wie ich mir ehrlicherweise gestehen muss, dafür aber mit gehöriger Portion Respekt und Selbstkontrolle bewaffnet. Schnell gab‘s Schuldige.

Südeuropa, wer sonst, all‘n voran Fronkreisch.

Parolen wie „diese faulen Schwaine, die sich‘s mit Teutschlands wirtschaftlicher Hängematte gutgehen lassen…“, gehören zu den harmloseren Faktenchecks; man kannte sich aus; ich war umgeben von Experten; man wisse doch wie‘s laufe; auf Chemtrails wartete ich heute vergeblich; überhaupt der Süden, da hat man ein bequemes Leben und streikt dann noch die

Überreste seiner marodierenden Wirtschaft kaputt.

Oft denk ich an diesem Abend ans „Günther-Phänomen“, an die quietschenden Reifen des Notarztes, an feuchtes Gras, an Wohnmobile und Elektro-SUV’s und verstopfte Rasenmäher, Dachrinnen und Toiletten; viel lerne ich über meine Mitmenschen; welch Inspiration; was gibt’s Schöneres, als gemeinsam an der seelischen Pissrinne zu stehen.

Einfach – wundervoll.

20:00 Uhr; ein schriller Schrei nach Rotwein ruft mich auf‘n Plan; als geleaster Franzose befinden weibliche Gäste, dass ich mich auszukennen habe; los Mundschenk – bringe er Rotwein, aber flott-flott; fix ‘nen Strauß Flaschen aufgezogen, um gierige Mäuler zu tränken; der Rote von Kumpel Jean-Marc verdunstet förmlich in den Gläsern.

21:00 – Männerhände klatschen auf Frauenärsche.

20:25 Glas geht zu Bruch; Musik wird lauter und schneller; man ist bei Elektro angekommen; auch der letzte Mann wechselt auf Havanna-Club-Cola und Gin-Tonic; Frauen beharren auf Wein, neuerdings Roten; Gespräche über Firmen, Menschen, Arbeit und Exfrauen.

Unmöglicher Balance-Akt des Lebens.

Quadratur-des-Kreises; ‘ne Scheißhausmischung von Surrealität und Paradoxien wie Holzeisenbahn, Gesundheitsversorgung, Zwangsverstaatlichung und Bananenbieger. 22:00 – man lacht lauter und rauer.

Ne zweite Buffet-Welle lässt Berge entstehen,

dass der schiefe Turm von Pisa dagegen verblasst; ich denk‘ an Reinhards Song „Schlacht am kalten Büffet“; haben die schon wieder Hunger? Offensichtlich. 22:30 – vorm Klo stehen Frauen Wache, obwohl drinnen ein Schlüssel steckt; 23:00 man schafft Platz, räumt Tische und Bänke weg; Menschen tanzen.

23:30 – muss sitzen, denk ich, also raus auf ‘ne Holzbank.

Endlich weniger Krach; ich schenke Wein nach; Jean-Marc ist ausgetrunken; ein Italiener blendet mich erfolgreich; gerade nipp‘ ich am Glas und denk‘ an Apulien, wo der Tropfen herkommen soll, obwohl er nach

Ahr und Spülmittel schmeckt

als Xerxes und Leonidas mir gegenüber Platz nehmen; ernst und gründlich, spült Leonidas sein‘ Rachen und futtert Salzstangen, um den Itakker gebührend zu kosten. 23:32 – Xerxes lacht schallend laut.

„Völlig sinnlos, außer Don schmeckt hier niemand mehr was…“

Sofort denk ich ans schwarze Loch von Sparta, in den Leonidas im Film „300“ den persischen Kurier hineinbittet; wie‘s heute wohl ausgeht; Xerxes hat‘n ansehnliches Alkohol-Level erreicht, zum Rasenmähermann-Club gehört er nicht.

Leonidas fühlt sich gut,

will / kann aber den ausgeteilten Schwinger an alle nicht stehenlassen; „Du meinst also, dass ich keine Ahnung von…“, Xerxes unterbricht feudal, „Hör doch auf mit dem Scheiß; gar nix schmeckst du; wir können Weine mischen und du würdest nix merken; wir sind alle besoffen…“

Fehdehandschuhe in frisch gemähtem Rasen.

Frieden ist ‘ne komische Sache, so wie Neugier und Gesundheit; man vermisst sie, wenn sie nicht da sind; ich höre Leonidas‘ kämpferische Natur schon zum Angriff schreien „DAS ist Sparta!“ Er wechselt das Wortregister; „Lass uns das beenden und einen schönen Abend haben…“, Xerxes ganz angestachelt, „Was redest du fürn Scheiß? Willst du mich hier etwa als den Bösen….“, Kriege beginnen mit Halbsätzen, denke ich.

23:45 – ziehe mir das Kettenhemd an.

Leonidas rasselt mit dem Schwert; „Langsam gehst du mir auf den Wecker; bis eben war der Abend nett und jetzt wirst du echt….“, Öl löscht am Besten das Feuer, denkt Xerxes „Willst du mich dafür verantwortlich machen? Hör mal wie du mit mir redest…“, Siedepunkt erreicht; bin gespannt, ob Leonidas sich beherrscht, oder sein Schwert für Nichtigkeiten einsetzt.

23:50 – für Sekunden sehen sich die Kontrahenten in die Augen,

sogar auf der Holzbank rutscht man auf Abstand; schlechtes Zeichen; bin sprungbereit, um auf Abstand zu gehen; außer Plastikgabel und Worte trage ich keine Waffen; Leonidas richtet sich feierlich auf; „Sorry, ich gehe; sonst haue ich den Penner hier um…!“, ausgesprochene Drohung, aber er hat die Vernunft siegen lassen – Hut ab.

23:55 – Leonidas ist weg.

Jetzt knöpft der gute Xerxes mich vor; streue verloren aussehende Argumente zur Verschönerung; Xerxes ist nur noch im Sendemodus; gibt noch erstaunlich fiel Unausgesprochenes zu reden; hinter uns beginnt die Nebelmaschine ihr Werk; ein Dutzend Menschen hotten zu Techno ab.

Xerxes lässt nicht locker.

Wortgewaltig donnert er vom Thron herab; „Scheiße, macht ihr mich hier jetzt zum Buhmann? Kann’s nicht glauben, was für‘ne Frechheit; soll dieser Leonidas ruhig wiederkommen, dann kriegt er eine Abreibung, wie er sie noch nie im Leben….“, ich wechsle das Thema, mal schauen, ob das klappt, „Unabhängig von Vielfalt und Allem, schmeckt dir der Wein…?“

Stille – Xerxes grübelt.

Gebannt warte ich auf ‘ne Reaktion, als plötzlich seine Königin am Horizont erscheint und ihn am Schlafittchen packt; wortlos erhebt er sich; feuert ein paar donnernde Blicke auf mich ab; „darüber reden wir noch; ist ne Schweinerei, mich als Bösen abzubügeln!“ Denke wieder an nassen Rasen, der den Nachbarn nicht abhielt, zu tun, was unbedingt zu tun war, obwohl die Natur mit Zaunpfählen winkte.

00:30 – Gäste machen‘s Xerxes und seiner Königin gleich.

Man verabschiedet sich; 6,5h können lang sein, wenn man schnell trinkt und isst; unendliche Weiten können‘s werden, wenn man vom Haben, statt vom Sein redet; avoir et être; zwei Wochen brauche ich um die Party zu verdauen; natürlich kann ich‘n Buch darüber schreiben.

Aber über was denn noch alles?

Antworten habe ich doch auch keine, stattdessen Fragen & Hoffnung, sowie den unbeugsamen Willen NICHT, NIEMALS auf keinen Fall aufzugeben, was auch immer passiert; wir sollten öfter zusammenkommen, vor allen mit Menschen die anders sind als wir selbst; gibt sonst zu wenig Impulse und Inspiration.

Ob ich was vermisse in Frankreich, fragte Xerxes.

Hamburger Kneipen zum Beispiel; in Frankreich gibt’s dafür Bars und Bistros; natürlich ist das Nachtleben anders, aber deswegen bin ich ja da; die Siedlung braucht dringend eins von Beidem; zuhause sitzen macht einsam und unglücklich; manchmal sogar traurig und depressiv, wie Ronja von Rönne und Kurt Krömer schreiben.

Ellenbogenmenschen finde ich anstrengend.

Egal in welchem Land, egal in welcher Sprache; Gemeinsinn scheint heute schwierig, Solidarität auch; Neugier zu kultivieren und pflegen genauso; ich glaube Krieg trägt man vor Allem in sich; kommt er jemals von außen; keine Ahnung; natürlich hat man ’ne Wahl, abgesehen von Angegriffenen; das antike Sparta hielt es mit der Weisheit

„Willst du Frieden, sei bereit für Krieg!“

Seit 2500 Jahren gibt‘s das antike Sparta nicht mehr; Kriege schon; Leonidas hatte die Wahl und zog sich zurück; ein Grund zur Hoffnung, wie ich finde; liegt vielleicht am Charakter und Umgang mit Reichtum; je mehr man besitzt, desto mehr muss man schützen; Menschen zählen nicht dazu; man besitzt sie nicht, auch wenn Manche anderer Ansicht sind.

Menschen gehören ausschließlich und exklusiv nur sich selbst.

„Was ist dir das Wichtigste im Leben?“, fragt Leonidas; ich antworte, „Lebenszeit! Je weniger Eigentum & Besitz ich habe, desto weniger Gedanken mache ich mir dann darüber und desto mehr Zeit ist für Menschen da, mich selbst eingeschlossen“ Kneipen & Bistros sind in Zentraleuropa zwar keine Kirchen,

aber je länger ich drüber nachdenke – eigentlich doch!

Zeit ist Geld – Teil 2. Die Lehman Brüder

Am 15.September ist es zehn Jahre her – LehmanBrothers desaströse Pleite, die über 600 Milliarden US-Dollar verbrannte; angeblich spricht man von über zwanzig Billionen Gesamtschaden, inklusive aller kollateralen Auswirkungen; mich hat es damals umgehauen, ja wirklich. Nicht so sehr die Sache selbst, eher die Hintergründe. Ich meine, ich bin Laie; weder habe ich in Stanford Ökonomie, noch in Harvard irgendetwas wie Recht, Philosophie und Ähnlichem studiert, dass mich als Fachmann und Experten ausweisen würde, um so eine komplexe Sache verstehen zu können.

Was das Ganze aber für eine Kettenreaktion auslöste, bis hin zur Euro-Krise, die letztendlich unsere armen Griechen pleitegehen ließ, weil wir dusseligen Europäer nicht den Schneid, nicht genug Pflichtbewusstsein und Brüderlichkeit empfangen, um als eingeschworene Familie aufzutreten, das hat mich damals tief bewegt, nein, viel mehr noch: Es hat mich bis ins Mark getroffen!

Wieso komm ich eigentlich auf dies unangenehme Thema?

Heute morgen wachte ich mit einem flauen Gefühl im Magen auf; mein Bauch sagt mir nämlich voraus, dass sich das ganze wiederholen wird. Aber diesmal mit größeren Auswirkungen – und davor, muss ich ganz ehrlich sagen, habe ich Angst. Dabei bin ich eigentlich Optimist durch und durch. So schlecht konnte es mir noch nie gehen, dass ich nicht irgendwo Licht gesehen habe. Egal, ob es späte Zahlungen meines Verlags waren, die unbezahlte Mieten wie Wirbelschleppen nach sich zogen; mochten es Streitereien mit Freundinnen oder Trennungen sein, irgendwie ging es doch immer weiter, oder?

Und diesmal?

Viel zu lange schon reden Politiker herum, ohne etwas zu bewegen, bis am Ende wieder alle mit dem Rücken zur Wand stehen und es zu Volksaufständen, mit Bürgerkriegspotential kommt, weil das letzte bisschen Rest-Vertrauen, sowie Jobs und Vermögen der Rentenkassen verzockt werden, was letztendlich wieder das Volk ausbaden wird, wie immer schon und zu allen Zeiten.

Nein, ich bin kein Kommunist, wirklich nicht, aber die Rücksichtslosigkeit und Egomanie, wie sich die Gier nach Geld und Macht, wie eine Pandemie über den gesamten Globus ausgebreitet hat, völlig unabhängig, ob es sich dabei um China, Russland, den USA oder sonst wen handelt, macht mich letztendlich sprachlos.

Zum allerersten Mal in meinem Leben, fange ich an zu resignieren, denn aus dem Desaster hat in Wahrheit niemand gelernt. Tatsächlich hat weder die Politik, noch der Markt dafür gesorgt, dass wir endlich doppelte Böden und Netze eingezogen haben, um Volkswirtschaften und ihre Familien zu schützen, vor der blinden Wachstumsgier der Kapital-Märkte und all jenen, die daran still mitverdienen.

Die wachsenden Bilanzen und Bruttosozialprodukte machen keine Aussage über das Ausmaß der neuen Kreditblase, die genauso platzen wird, wie jede Blase zuvor und danach. Es ist auch nicht anders möglich, jeder Gärtner kapiert es. Warum es Ökonomen und Wirtschaftsexperten nicht begreifen, bleibt mir auf ewig ein Rätsel, wo es doch so offensichtlich ist:

Wachstum ist endlich!

Egal welchen Organismus du dir genauer ansiehst, oder untersuchst; sie haben alle eine natürliche Grenze, was Größe und Lebensdauer angeht; selbst Mammutbäume wachsen nicht ewig in die Höhe; auch Olivenbäume leben nicht ewig – alles hat seine eigenen natürlichen Grenzen, so wie jeder Wochenmarkt, oder globale Kapitalmarkt.

Wie es weiterhin möglich ist, dass man surrealen und fantastischen Wirtschaftsprognosen Glauben schenkt und man sie nicht als billige Fantasy-Romane mit geringen Auflagen verramscht, ist so absurd, dass es einem den Atem verschlägt.

Auch diesmal geht der Weltmarkt wieder der gleichen gewöhnlichen Fatamorgana auf den Leim. Niemand will die Signale wahrhaben, die man schon seit vielen Monaten sehen kann. Lasst uns daher noch die Stille vor dem Sturm genießen, die uns für kurze Zeit vergessen lässt, dass wir uns schon morgen in einer alles vertilgenden glutsengenden Wüste befinden werden, die jeden Organismus verbrennt, der nicht mit tiefen Wurzeln und nem dicken Fell gesegnet ist.

Diesmal wird ein Feuersturm losgehen, wie noch keiner zurvor und das, obwohl ich nicht mal Hiob heiße. ein ausgewachsener globaler Wirtschaftskrieg – doch bis es soweit ist, werde ich weiter Côte de Boeuf essen und Minervois dazu trinken – Santé!

 

Zeit ist Geld – Teil1

Es ist Sonntag. Langsam erhebe ich mich und schlurfe vorsichtig aus dem Schlafzimmer. Ich stehe vor dem Spiegel, wieder fühle ich mich älter.

„Scheiße, wieder ein Wochenende ohne Zwischenfälle!“, murmle ich vor mich hin.

Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob ich unvorhergesehene Abwechslung oder dahinplätschernde Monotonie mehr genieße. Ich weiß es einfach nicht. Vermutlich machen wir Menschen einfach irgendwas, ohne sich darüber tiefgreifende Gedanken zu Machen, nicht wahr? Sollten wir etwa? Oder ist es besser, wie es ist?

Ich schaue aus dem Fenster und stelle fest, dass wir immer noch Frühling haben; alle Pflanzen blühen und treiben weiter aus, als sie je getrieben haben und das obwohl bereits der September begonnen hat, das muss man sich mal vorstellen. Während ich so in der Küche stehe und die Kaffeemaschine bewache, schaue ich mir mein Spiegelbild an, wie es in Shorts, grob gestrickten Socken und seinem blutarm arbeitsscheuen Körper dasteht. Wieder kommt mir die ursprünglichste aller Fragen hoch:

„Was um Alles in der Welt ist die Zeit? Was bedeutet Zeit haben? Was meint man mit dem Satz „wie viel Zeit bleibt uns noch. Was ist die Natur, der Zeit? Ist es ein Konstrukt von uns Menschen, die Natur zu verstehen? Oder ein Versuch Dinge in Reihenfolge zu bringen?“

Vermutlich ist die Zeit aber auf jeden Fall eines : es ist die gebräuchlichste Art bestimmte Abläufe in ihrer Reihenfolge zu bestimmen. Oder ist es lediglich eine nüchterne Art den eigenen Verschleißes darzustellen?

Wieder starte ich den Versuch mit meinem eingeschränkten Bewusstsein, zu umschreiben, zu begreifen, was „Zeit“ ist. Erfahrungsgemäß stellen wir bei komplexen Themen fest, dass man sie aus größerer Entfernung besser betrachten kann, als bei engem Kontakt. Grundsätzlich räume ich mir grundsätzlich alle Fehler, Verwirrungen und Fehlannahmen ein, weil ich so unvoreingenommen nachdenken und mutmaßen kann.

Endlich ist der Kaffee durch. Mit vollem Becher bewaffnet setze ich mich jetzt vors Tor meines Gedächtnispalasts und warte ab; wahrscheinlich passiert so wenig, das ich gar nicht bemerke, wie der Abend heranrollt……..