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Krieg und Frieden – Odyssee 2020 CW50

13.Dezember – schon seit langem trieb D ein Thema um, dass er mitten in der Nacht erschrocken hochschoss; die unruhige Triebfeder und rohe Natur des Menschen, seine Welt mit Krieg zu überziehen.

D musste mit jemandem darüber sprechen; ein paar bekannte Größen waren zu sehr mit dem Weltgeschehen beschäftigt, so dass D sich entschied, mit Perikles von Korinth zu video-telefonieren.

Der pensionierte Torwärter vom Isthmus war ihm ein willkommener Freund und Gesprächspartner. Und so geschah. Es knackte in D’s Kopfhörern und kurze Zeit später tauchte das bärtige Gesicht des Griechen auf.

PvK: Giasou Don

DT: Giasou Perikles

PvK: Wie geht es dir?

DT: Gemischt, wie immer; du weißt, dass ich nie Ruhe finde; physisch schon gerne und oft, aber nicht geistig und spirituell – besonders nicht in Zeiten wie diesen!

PvK: Da sagts du was……

DT: Wo bist du gerade?

PvK: In Kechries, ich sitze am Strand vorm Isis-Tempel…..und du?

DT: Ich sitze in meinem Dachsbau in Toulouse……

PvK: Schöne Umschreibung……

DT: Du sag mal…..

PvK: Was kann ich für dich tun?

DT: Warum war Krieg im antiken Hellas so weitverbreitet?

PvK: Das ist eine merkwürdige Frage, besonders von dir; du kennst doch die menschliche Natur…..

DT: Ja, ich will sagen nein…..ich meine……

PvK: Jaha….?

DT: Wieso habt ihr den Krieg so sehr kultiviert? Hättet ihr nicht in Frieden leben können, wär das nicht einfacher?

PvK: Natürlich, aber nur wenn man dich lässt…..wenn jemand an deiner Tür klopft, weil er dich unterwerfen, oder deine Stadt erobern will, dann hast du wenig Wahl, findest du nicht?

DT: Natürlich! Aber warum so gründlich…?

PvK: Das hat etwas mit Arete zu tun….erinnerst du dich noch?

DT: Natürlich, wie kann ich sie vergessen……du meinst, alles was ihr damals getan habt, wolltet ihr mit maximaler Leidenschaft tun…?

PvK: So in etwa……aber das ist nicht das, was dich umtreibt, nicht wahr?

DT: Richtig! Es geht um Frieden und Krieg….

PvK: Du meinst Krieg und Frieden…?

DT: Nein, Frieden und Krieg….ich nenne den Frieden zuerst, weil er mir wichtiger ist…..

PvK: Du weißt aber schon, dass du für Krieg gerüstet sein musst, wenn du Frieden möchtest, wie wir alten Griechen zu sagen pflegten….oder?

DT: Ja,ja, natürlich…..so wie Sparta zum Beispiel…..

PvK: Genau, wenngleich man in der ganzen Weltgeschichte das wahre Wesen der Sparti missgedeutet hat; sie waren keine Kriegstreiber, oder gar Freunde des Krieges…..sie wollten lediglich frei leben und sich von niemandem etwas vorschreiben lassen…..ein wie ich finde, leicht nachvollziehbarer Gedanke…..deswegen, begriffen Lykurg und die Geronta, dass man ein schlagkräftiges Militär brauchte, wenn man so klein war……

DT: Natürlich, aber heute……schau dich mal um, überall ist Krieg, so wie damals……

PvK: Vor Allem auch viel im Verborgenen……in unserem Selbst……

DT: Genau darum geht es mir…….um die weitverbreitete Unfähigkeit des Menschen, in Stille und Frieden zu leben; beide sind unerträglich für ihn; ohne Lärm und Feindbild, kann er nicht existieren….heute mehr denn je…..

PvK: Aber natürlich! Wie sollte es auch anders sein; für die Menschen ist die Corona-Pandemie ein Glücksfall…..

DT: Wie bitte? Das musst du mir genauer erklären….ich ahne zwar, was du meinst, aber……

PvK: Tust du das? Wirklich….?

DT: Naja, das die Menschen sich schwer mit Frieden tun, ist ja nicht neu……es gibt natürliche Gründe, warum man den Nachbarn verklagt, wenn sein Apfelbaum über den Zaun wächst……

PvK: Weiter, weiter…..was noch?

DT: Jetzt haben wir endlich wieder einen Krieg mit Feindbild, wahlweise im Virus selbst, oder in Politiker und diverse Reiche und Mächtige hineinprojiziert…….wenngleich das meist unbewusst passiert….schlussendlich ist auch das wieder nur Ablenkung, wie das Meiste im Leben…….

PvK: Weswegen du nicht unruhig sein brauchst…..der Mensch ringt und kämpft sein ganzes Leben, ohne die Eischale zu durchbrechen und zu erkennen, dass er gegen sich selbst kämpft…..

DT: Genau das lässt meine Katze im Gedächtnispalast um Monsieur Thalamus Beine herumstreichen, dass er närrisch wird…..

PvK: Warum das?

DT: Weil, weil……

PvK: Ja-ha…..?

DT: Es ist zum Haareraufen……

PvK: Das sehe ich…(lächelt und lacht dann leise in sich hinein)

DT: Ich komme mir so albern vor……warum……

PvK: Weil niemand weiß, wie heiß die Herdplatte ist, bis er draufgefasst hat…….

DT: Du meinst, ohne Erfahrung kein Wissen…?

PvK: Richtig…….ohne Erfahrung kannst du lediglich von Bildung sprechen, jedoch nicht von Wissen. An jene rare wahre Erkenntnisform gelangt man nur durch Erfahrung…….oder in den modernen Worten von Nassim Nicholas Taleb: Skin in the Game…..

DT: Also hast du aufgegeben?

PvK: Nein, ganz im Gegenteil; wie kommst du denn darauf?

DT: Weil du so selenruhig über die Nichterkenntnis sprichst……

PvK: Das kann ich nur, weil ich positiv geblieben bin, wie sonst sollte es möglich sein…?

DT: Wieso habe ich eigentlich immer hinterher vergessen, worüber ich grollig war, wenn wir beide miteinander sprechen?

PvK: Weil ich dir zuhöre; niemand tut das mehr; wenn du mir erzählst, was dich umtreibt, geht es dir selbstverständlich besser; du hast dir dann alles von der Leber geredet, wie die alten Deutschen früher sagten; heute sagt man in dem Land ja nicht mehr allzu viel……

DT: Findest du?

PvK: Na hör mal! Überall herrscht zurzeit Gleichmacherei und Sprachlosigkeit…..man redet sich um Kopf udn Kragen, sagt aber kaum etwas…..die Menschen sind noch genauso ängstlich wie eh und je, nur deswegen rufen sie immer in gewissen Abständen nach Führern, weil sie Angst haben sich selbst zu führen.

DT: In der Tat; können wir ihnen nicht helfen?

PvK: Doch natürlich, indem wir mit ihnen reden……

DT: Mach ich, mach ich……

PvK: Weswegen bist du dann unruhig…?

DT: Keine Ahnung……vielleicht sollte ich wieder regelmäßig meditieren.

PvK: Denke ich auch……inneren Frieden zu pflegen erfordert Disziplin und Ausdauer…..

DT: Danke.

PvK: Wofür?

DT: Das du zugehört hast.

PvK: Gern geschehen. Wann kommst du eigentlich wieder nach Hause nach Hellas?

DT: Hoffentlich bald!

PvK: Das ist nicht sehr konkret, musst du zugeben…….

DT: Ich weiß.

PvK: Was hindert dich?

DT: Keine Ahnung…..

PvK: Klingt nach einem schwierigen Sonntag…….lass es dir trotzdem gut gehen und lass den Kopf nicht hängen, versprochen?

DT: Versprochen!

PvK: Bis bald….

DT: Pass auf dich auf.

PvK: Danke. Du ebenfalls. Giasou.

DT: Giasou.

Es knackte in der Videoleitung. D war wieder alleine, mit sich und seinen Gedanken. Und da sein Magen zu knurren begonnen hatte, macht er sich in der Küche zu schaffen und bereitete sein Mittagessen zu.

 

Stille – Odyssee 2020 CW45

08.November – Geburtstage und vieles Mehr ließen D. nach Norddeutschland fliegen. Dort traf er, nach all dem Drunter und Drüber nicht nur Freunde und Familie, sondern auch eine alte Bekannte, die er schon länger nicht mehr gesehen und erlebt hatte; Zu viel meinen wir Menschen tun zu müssen, um unsere bekannten und unbekannten Listen zu füttern, um unserem Leben Sinn und Inhalt zu geben.

Denn was wäre sonst zu tun, wenn man nicht irgendetwas zu erledigen, oder zu beschaffen hätte. Schon sein ganzes Leben vertraute D seinem Bauch; nur er wusste, was wirklich wichtig zu sein schien – und so geschah es: D hörte Monsieur Thalamus und dem Gedächtnispalast zu und griff zum Stift, um ihr und dem Müßiggang ein paar Zeilen zu widmen.

Stille,

wann zuletzt spürte, hörte und fühlte ich dich,

jene unbekannte Schwester der Pallas Athene;

wenn sie sich erst vorsichtig, dann immer schneller,

weiter ausbreitet, bis du mein ganzes Selbst ausfüllt;

wenn für jenen kurzen Moment all mein Sein und Ego

sich unsichtbar machen, ergeben der Unbekannten lauschend;

wenn sich mein kleines Menschendasein mit dem Kosmos,

verbindet, für jenen seltenen Moment der Balance;

zwischen wollen, brauchen und müssen – meiner Ruhelosigkeit,

die sich bis zur völligen Betäubung Beschäftigung erwünscht;

bis ich unter den Trümmern gebildeter Zivilisationen begraben liege,

von der eigenen Zufriedenheit überwältigt und bis ins Mark erschüttert;

wenn ich für jenen kurzen Moment alles weiß und verstehe,

bis mich meine weltliche Ruhelosigkeit wieder hinfortreißt;

um wieder Teil des weltlichen Dröhnens zu werden,

bis ich mich wieder zurückziehe, um erneut

den Sternen zu lauschen…….

 

 

Poseidontempel – Odyssee 2020 CW44

01.November – es war überfällig, fand D. Nun war er schon so oft in Hellas, hatte König Minos in Knossos guten Tag gesagt, sowie Zeus` Geburts- und Jugendort aufgesucht, sowie nahezu jede antike Ausgrabungsstelle in Athen besucht und hatte doch all die Zeit einen wichtigen Baustein in der griechischen Mythologie ausgelassen: König Aigeus / Ägäis! Der alte und ehemalige König von Attika.

D’s Hang zum Melancholischen ließ ihn immer wieder bei den Erfindern der Melancholie landen – bei den Griechen und ihren Attischen Tragödien. Solch eine war auch jene von König Ägeus. Und seit einigen Monaten dachte D immer öfter an ihn, warum, war ihm dabei nie so ganz klar, aber dazu später.

Die Geschichte von König Ägeus und seinem Sohn Theseus, der später noch zu unerwartetem Ruhm kommen sollte, als er den Minotaurus besiegte – weswegen sich die natürlich schöne Ariadne in ihn verliebte, was nebenbei noch dazu Minos‘ Tochter war – soll hier nicht weiter ausgerollt werden.

D empfiehlt, die Geschichten über König Minos und seinen Minotaurus in Ruhe durchzulesen, nicht nur weil es sich lohnt, sondern weil sie auch voller Fantasie und schöner Namen sind. (Anm.: Über den Ort das Labyrinths des Minotaurus werden auch heute noch hitzige Debatten geführt, je nachdem, mit wem man darüber spricht)

Im Schnelldurchlauf also – auch wenn manche das als Vergehen gegen die Griechische Geschichte ansehen, was in Wahrheit das Gegenteil ist, aber auch dazu später vielleicht mal mehr.

Also, König Ägeus und sein Sohn Theseus verabredeten, dass er bei Erfolg weiße Segel beim Rückweg von Kreta setzen sollte und schwarze, bei Versagen. Theseus war es leid, dass die Athener, im Besonderen sein Vater, jedes Jahr sieben Jungfrauen und Jünglinge dem Minotauros opfern mussten, weil sie gegen König Minos verloren hatten, weswegen Theseus kurzerhand entschied, diese Kreuzung aus Stier und Mensch selber auszuschalten.

Weil Theseus Erfolg hatte – Schnurspannen, um sich nicht zu verirren konnten wir später noch in anderen Märchen und Geschichten lesen – und deswegen so Siegestrunken war, dass er nur noch Augen für Ariadne hatte, vergaß er doch glatt die weißen Segel zu setzen (Anm: Beim Hinweg hatten sie schon die Schwarzen) so dass der ungeduldige Vater auf dem Poseidon-Tempel in Sounion wartete, bis er plötzlich das schöngeschnäbelte Schiff mit den verräterischen düsteren Segeln sah, der Arme!

Doch statt erst einmal abzuwarten, was es damit auf sich hatte und wie groß Verlust und Niederlage wirklich waren, wie es sich für einen weisen König gehörte, fackelte König Ägeus nicht lange und stürzte sich voller Trauer von der 60 Meter hohen Klippe ins Meer und kam dabei ums Leben. Daher benannte man die Ägäis nach ihm.

Dies und vieles mehr, waren die Gründe, warum D bei sonnigen 23 Grad mit seinem Scooter zu genau diesen Ort fuhr, weil der zusätzlich noch genau gegenüber vom Leuchtturm von Drepano auf Kreta lag, den D bereits im letzten Jahr besucht hatte und dessen Bild er vor zwei Wochen teilte. Angeblich ist von dort auch Theseus losgefahren, wie D Ausgrabungen dort gezeigt haben.

Aus der Sicht von D ist die Geschichte von König Ägeus eine schöne Didaktik für die heutigen Politiker in Zeiten von Corona.

Schon länger ist D der Ansicht, dass selbst, wenn wir ungezählte Kontroll- und Sicherheitsmechanismen installieren, finden Menschen und Leben immer Wege, sich diesen Überwachungsmechanismen zu entziehen – häufig passiert das sogar unbewusst, was für den natürlichen Freiheitsdrang des Menschen spricht.

Während König Ägeus nun so früh wie möglich wissen wollte, ob sein Sohn Erfolg hatte, vergaß dieser das väterliche Frühwarnsystem und löste dadurch einen völlig überflüssigen Selbstmord aus.

Heutzutage würde man ihn vermutlich der Mittäterschaft bezichtigen und sowieso erst einmal einen Corona-Test machen lassen. So einfach über das offene Meer zu fahren wäre heute grob fahrlässig, auch für die Matrosen und besonders die Matrosinnen an Bord. Und dann diese Gedankenlosigkeit gegenüber dem Vater – du meine Güte! Ariadne wär das nicht passiert.

D ist sich da sicher – Männer werden schludrig, wenn sie Siege einfahren; sie nehmen es dann nicht mehr so genau; fünfe gerade sein lassen und so; nennt man heute auch noch so; dass Theseus schlussendlich durch das überraschte Ableben des ängstlichen Vaters eher als gedacht König von Athen wurde und die Demokratie einführte, mag heute in Zeiten, wo eben diese gerade auf allen Kontinenten aus verschiedenen Gründen stark beschädigt wird, besonders zum Nachdenken anregen.

Manch einer könnte auf die Idee kommen, dass die nationalen Reaktionen in Europa eine Art Ablöseprozess beschleunigen, weil genau wie König Ägeus, gute Intentionen dahinter stehen, die aus der Sicht heutiger Psychologen, selten gut sind, ganz nach dem Motto: Gut gemeint, ist selten gut!

Im heutigen C-Fall, geht es um Sicherheit und Gesundheit – die stärksten Argumente überhaupt, weswegen sich niemand traut dagegen zu opponieren – nach Religion und Glauben, wenngleich man hier aus gegebenen Anlass etwas Vorsicht im Wording walten lassen sollte.

Übertragende Botschaft / Didaktik könnte sein, dass sich das Leben nun einmal nicht kontrollieren lässt, weder in die eine, noch in die andere Richtung.

Man kann sich mit Versicherungen überhäufen, und gefühlt gegen alles absichern; alles gefährliche meiden und jedes Risiko ausschalten, oder zumindest minimieren: Am Ende ist man Sklave seiner eigenen Furcht und der abgeleiteten Überwachungsmechanismen und ist weder spontan, noch frei.

Wenn man versucht, sich ein gewisses Maß an Optimismus zu bewahren, nach dem Motto – wird schon irgendwie weitergehen, auch wenn ich gerade nicht weiß wie – dann hat man vermutlich mehr Chancen auf ein sorgenfreieres Leben, mit dem angenehmen Nebeneffekt, sich freier zu fühlen und es auch zu sein.

Was das alles mit Hellas und D zu tun hat?

Vielleicht mehr, als wir auf dem ersten Blick sehen. Es nützt ja herzlich wenig, wenn man die bestmöglichen Hygiene und Gesundheitsmaßnahmen auswählt und man anschließend pleite ist – vielleicht sind die zweit- oder drittbesten Maßnahmen passender, wenn man im Gegenzug wie üblich Arbeit und Freizeit nachgehen kann und man stattdessen regelmäßig prüft, ob man genug Krankenhausbetten hat, egal ob wegen Viren, oder anderer Verletzungen, wenn den Menschen das Geld ausgeht.

D ließ sich jedenfalls seine gute Laune nicht nehmen und erfreute sich an einem griechischen Salat, mit Tsatsiki und Brot, sowie einem Krug Weißwein, den er bei sommerlichen Temperaturen genoss, genauso, wie die Rückfahrt entlang an der wunderschönen Küste nach Athen, vorbei an der Akropolis und hoch nach Kifisia.

Die gesamte Woche war bereits farbenreich und voller schöner Gespräche und Momente – im Besonderen mit Nikolitsa Liantini, ihrer Tochter Diotima Liantini, sowie vielen anderen.

Sollten die Flugverbindungen aufrecht erhalten bleiben, wird D bestimmt nicht wieder ein ganzes Jahr lang warten, um das schöne Hellas zu besuchen.

Dann dürfen wir sicher sein, das er Mittel und Wege findet, um möglichst bald wieder hier zu sein…

 

Spuren im Wind – Odyssee 2020 CW42

18.Oktober – D erinnerte sich an den Geburtstag eines Freundes; und daran, dass es Zeit wurde nach Hellas zu gehen; auch daran, dass er davon absehen wollte, die Welt vollständig aufzuklären und für alles eine Antwort zu finden; es sind Werte wie Unsicherheit, Unkenntnis und Optimismus, die Gefühle wie Gelassenheit und Freiheit gedeihen lassen.

Längst hatten Medien und Regierungen die Macht ihrer Worte, sowie die eigene Verantwortung zu Gunsten der Jagd nach der nächsten Empörungswelle, sowie herbstlichen Begleiterscheinungen, missbraucht, weswegen die Berichterstattungen Furcht und Angst in den Bevölkerungen schürten; wo versteckten sich bloß die Erkenntnisse des eigenen Glücks? Lasst uns nicht ins Bockshorn jagen, von Wörterscharlatanen, die auf Züge der unbekannten Zukunft springen.

Ungeachtet der bewegenden Momente der letzten Monate blieb D fröhlich und gelassen; für ihn war klar, dass weder Welt noch Menschheit untergingen, jedenfalls nicht in den nächsten hundert Jahren, weder durch Wahlen, oder sonstige Versuche, eine Form von vermeintlicher Normalität herzustellen; alles blieb was es schon immer gewesen schien – ein ewiges παντα ρεί – alles fließt; Heraklit sei es gedankt, dass sich niemand fürchten muss.

Und so kam es, dass D wieder ein paar poetische Worte vom Baume der Lyrik pflücken durfte, um sich trotz – oder gerade wegen all der Merkwürdigkeiten, die da draußen herumrumorten – seines endlichen Lebens zu erfreuen, mit all den Sagenhaftigkeiten – und so geschah es:

Spuren im Wind

Ein sonniger Spaziergang durch die verwinkelten Gassen der rosa Stadt Toulouse;

Bäckereien, Zigarettenrauch, lebendige Unterhaltungen und Sonnengefunkel in Weingläsern;

Düfte, Geräusche, Farben und Formen durch die ich schwimme, ständig drohe darin unterzugehen;

versuche alles wahrhaftig mit dem Innersten zu berühren, auf Umgekehrtes dabei hoffend;

Blicke die sich kreuzen, taxieren und abwarten, suchend, ohne zu wissen wieso und wonach;

süßer Müßiggang mit mir vorüberschreitend, lasse mich treiben, von der Sonne wärmen;

und bleibe unfähig, meinen überwältigten Sinnen Töne gar Worte zu geben;

versuche eine Melodie zu summen, an deren Klang ist alles zu hören, was ich nie vermochte;

zu sagen, geschweige zu schreiben, mögen alle meine Spuren später für sich selber sprechen;

wenn übrig geblieben, wie unsichtbare Lüfte in Ästen, längst vergangene Worte und Verse;

neblige Netze aus Worten, die versuchten auszudrücken, was ich dachte zu fühlen;

bevor mich das Leben übermannte, dem reißenden Strom entriss und mich ans Ufer setzte;

mögen verblichene Schatten erzählen wer ich war, wenn ich hätte gefunden passende Worte;

niedergeschrieben, nachdem aus dem tosenden Leib gerissen und mir die Haare raufte;

damit Morpheus erneut Rätsel schickte, die ich zu entziffern, zu erinnern wagte udn hochschoss;

um neu unterzugehen im Rausch der Worte und Bedeutungen, dem eigenen Turm zu Babel;

blieb all das doch nur ein Versuch, möge er lange dauern, der Ritt auf dem tosenden Strom;

bis das schöngeschnäbelte Schiff am letzten Morgen mit Rosenfingern mich weckt;

um heimzukehren, nach langer Reise, um zu verschnaufen, bis die Nächste beginnt…

………