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22.Mai – Hellas – Odyssee 2022

Seit gestern bin ich in Athen. Zwar war ich schon ein paar Male hier, doch umhauen tut mich die Stadt immer wieder! Diesmal wohne ich in Exarchia, was ein Viertel im Stadtzentrum ist, dass am Ehesten ans Hamburger Schanzenviertel, rund um die Rote Flore erinnert.

Nur größer und – wilder!

Von gesetzesfreier Zone zu sprechen ist vermutlich übertrieben; hier residiert und haust alles dicht beieinander; großbürgerlicher Wohlstand und alternative Künstler. Irgendwie funktioniert das überall; zumindest fühlt sich das gutsituierte Bürgertum von den Kreativen angezogen, solange sie keine Seidenschals, Tweetjackets oder Hosenanzüge tragen. Hat man noch genug Punk-DNA in sich, lebt man als Kreativer vorzugsweise in solchen Hotspots.

Wer die Schanze und ähnliche Viertel kennt, weiß was ich meine.

Na jedenfalls – aus mir unbekannten Gründen, haben hellenische Alternative offensichtlich kein größeres Interesse AirBnB-Anfragen zu beantworten. Jene im USA-Stil beworbenene App, die 24h Antworten garantiert, sind in Exarchia jedenfalls nicht gültig; oder man ist viel gelassener, als ich mir das vorstelle. Alle vier Anbieter von ansprechenden, hellen, kompakten, bunten Wohnungen mit Balkon,

reagierten – nicht!

Merkwürdig, dachte ich mir. Eine fünfte meldete sich mit der Nachricht, dass ihre Kreditkarte nicht funktionieren würde, was mich wunderte – sollte ich nicht zahlen? Schnell kam dann heraus, dass sie das Geschäft in Wahrheit viel lieber unter der Hand laufen lassen wollte. Ich schwör‘s bei Zeus, meine Antwort brauchte nicht länger als drei Stunden; aber offensichtlich drückte diese lange Zeit eine Form von Zögerlichkeit bei der jungen Dame aus.

Sie antwortete mir leider nicht.

So wich ich auf Alternativen aus. Soll mir keiner hinterher nachsagen ich hätte es nicht versucht. Ich erhöhte ein wenig das Budget meines Suchfilters. Sofort türmten sich großbürgerliche Appartements und Penthäuser. Waren die Business mehr gewohnt? Oder hatten die Leute engagiert, die wie Schießhunde auf Anfragen warteten? Keine Ahnung. Als ich meine Brieftaube losschickte, hatte ich den Eindruck, dass sie gerade losgeflogen war, als ich

30min später ‘ne Zusage im Briefkasten hatte!

Wir tauschten flott Handynummern aus. Schnell bekam ich eine Whatsapp-Nachricht von einem Mobilfon, das in UK gemeldet ist. Ihr Vater – ganz unverkennbar Grieche, ein Endsiebziger würde ich denken – empfing mich und führte mich durch die sehr geschmackvolle, aufwendig und liebevoll eingerichtete Wohnung. Es roch nach altem Geld und Erfolg. Aber nicht aufgesetzt, geschweige „bling-bling“ oder so.

Schon seriös und glücklicherweise – dezent.

Materialen, Lage, Größe und Stil im Allgemeinen sprachen für sich. Auch Kunst war den Eigentümern wichtig. Ein großzügiger Balkon ließ Blicke auf die Akropolis zu, na sieh einer an, dachte ich. Nach dem der Senior gegangen war, stand ich mit meinem Rucksack noch eine ganze Weile im Salon herum.

Klar würde ich hier gut schlafen – dachte ich – keine Frage.

Warum mir Großbürgerlichkeit bis heute suspekt geblieben ist, kann ich gar nicht genau erklären. Klar ist das alles schön und geschmackvoll – ich selbst bin nicht völlig frei davon. Aber irgendwie drückt dort diese besondere Form von aparten Materialismus unbewusst aus allen Poren.    

Vermutlich mag ich den Raum nicht, dem man Geld einräumt.

Denn Geschmack hat grundsätzlich nichts mit Geldbörse zu tun; zwar kann ich mir mit ‘ner Großen mehr kaufen, aber ohne Geschmack sehen wir ja täglich, was dabei herauskommt. Unzählige Wohnungen habe ich gesehen, die spannend und großartig auf mich wirkten, wo Besitzer Geschmack und Kreativität bewiesen.

Auch ich bin Ästhet – so ist das ja nicht!

Geschmack und ein Gefühl für Formen und Farben hat meine Familie auch; nur irgendwie alles in leise und bescheiden; ist es das vielleicht? Ich meine nicht, denn ich habe ein gutes Gegenbeispiel im engen Freundeskreis. Mein Kumpel T. ist sogar adelig; selbstverständlich würde er sich an dieser Stelle mit Händen und Füßen wehren, was aus meiner Sicht genau daran liegt, dass er nämlich bescheiden, natürlich und er selbst geblieben ist.

Vermutlich schätze ich ihn deswegen auch sehr!

Wie dem auch sei; vielleicht klärt sich das ja noch alles auf: jedenfalls bin ich nicht nach Athen gereist, um über mein Verhältnis zum zentral-euröpäischen Großburgertum nachzudenken, sondern um hellenische Freunde zu treffen und um mir einige Sprach- und Kultur-Infusionen in die Venen zu jagen, um mit wachsender Neugier zu sehen, was das mit mir macht.

Vielleicht werde ich grün und verwandle mich in was Merkwürdiges!

So wie man in Athen jedenfalls Motorrad und Roller fährt, könnte man tatsächlich meinen, dass hier alle crazy sind. Müßiggang suche ich hier seit Jahren vergebens. Männlein und Weiblein erinnern mich – ich versuch‘s mal mit Comic-Figuren – eher an ‘ne Mischung aus „Tasmanischem Teufel“, „Speedy Gonzales“ und dem „Roadrunner“, die bekanntermaßen nicht unbedingt für Ruhe und Ausgeglichenheit bekannt sind.

Jetzt verstehe ich meinen Freund – Diogenes!

Wie er in der düsteren Welt nach einem Menschen suchte; so fühle ich mich auch manchmal, ohne dass ich das jetzt depressiv, melancholisch, oder in irgendeiner Form negativ empfinde; die heutige hektische Zeit lässt wenig Raum für Muße und Zeit fürs Flanieren; doch habe ich das Glück viele tolle Menschen zu kennen.

Aber dazu später mehr – schönen Wochenstart wünsch ich euch allen…  

PS: Ganz klein am Ende der Straße, erhöht & bestrahlt – die Akropolis…

Lesung – Odyssee 2022 CW12

20.März – Meine Lektorin ist sehr kreativ. Ich weiß nicht, ob man das von allen Menschen im Literaturbetrieb sagen kann, über sie auf jeden Fall. Ständig hat sie Ideen, keine Ahnung woher die alle kommen. Auch ist sie immer auf Achse. Mental, sowie physisch. Was sie pro Tag denkt und veranstaltet, leben sich die meisten nicht mal in einer ganzen Woche zusammen.

Unruh nennt man die innere Mechanik,

die Uhrzeiger antreibt. Ich glaube wir Menschen tragen auch eine in uns. Im Gegensatz zur Uhr, sind wir Menschen jedoch in der Lage uns selbst aufzuziehen. Manchmal sogar gegenseitig. Sie also neulich – „Don Tango Lesung in Planung, nenn mir bis Ostern vier Termine“. Spontan fing ich an über mögliche und unmögliche Tage nachzudenken. Für meine Verhältnisse kam ich relativ flott auf mögliche Veranstaltungstermine. Schon krempelte Monsieur Thalamus seine Ärmel hoch und begann über die Lesung nachzudenken.

Was sollte ich vorlesen?

Wie lange soll der Event gehen? Fang ich erst langsam an und schaue, wie sich das Publikum verhält und wähle dann, ganz biodynamisch, je nach Stimmung meine nächsten Geschichten? Doch so schnell die Lesung am Horizont auftauchte, verschwand sie auch wieder. Nur wenige Tage später verkündete meine Lektorin, dass die Veranstalterin, offenbar eine Freundin, oder Bekannte, mein Krokodil vollständig durchgelesen hat und so begeistert ist,

dass sie die Lesung absagt.

Ob es an meinem Schreibstil, oder an vereinzelten Geschichten liegt, die ihr nicht gefallen, wie zum Beispiel die über meine Albi-Lesung, weiß ich nicht. Ob die unangenehm berührte Dame ihre Meinung noch mal ändert, oder ob meine Lektorin einen anderen Veranstaltungsort findet, weiß ich auch nicht.

Ehrlich gesagt – weiß ich nichts.

Aber das weiß ich dafür gesichert. In solchen Momenten fühle ich mich Sokrates nahe. Nicht wegen der Weisheit oder seiner Frau Xanthippe, wenngleich ich Freundinnen hatte, die mich an sie denken ließen, sondern wegen seinem Bekenntnis zur Unwissenheit. Man hat ja in Wahrheit keinen Griff am Leben, geschweige am eigenen. Wer glaubt Einfluss, gar Kontrolle über sein Leben zu haben, muss wirklich von begnadetem Optimismus,

oder religiösem Glauben erfüllt sein.

Überhaupt – haben Frauen was Mystisch-Unbegreifliches an sich. Intuition kann man es wohl nennen. Früher hat es mich sprachlos gemacht. Heute ist es so wie der plötzlich aufkommende Regen. Eben sah ich noch Sonne, plötzlich wettert es vor sich hin, dass man denkt die Welt geht unter. Für so etwas braucht man Gummistiefel und Geduld. Oder man(n) wird Philosoph,

wie Sokrates.

Schauen wir mal, ob‘s diesen Sommer ‘ne Lesung in Norddeutschland gibt. Meine letzte ist ja schon ‘ne Weile her. Eigentlich können sie Spaß machen, vorausgesetzt sie finden statt. Ich bereite mich einfach darauf vor, dann bin ich zumindest – im wahrsten Sinne des Wortes – auf Alles vorbereitet. An mir soll es nicht liegen. Außerdem, wie soll Don Tango bekannter werden, wenn die Menschen nichts von ihm wissen?

Eben…

Spartanischer Regen – Odyssee 2021 CW33

22.August – Seit Donnerstag bin ich wieder in Hellas. Ich landete am Nachmittag und wurde von griechischen Freunden willkommen geheißen; die liebevolle Herzlichkeit haut mich immer wieder um, besonders wenn man teutonische Wurzeln hat; Deutsche lieben es, zum Griechen um die Ecke zu gehen; auch fühlen sich nahezu alle Gemanen in Hellas pudelwohl, weil Griechen bekanntermaßen gastfreundlich und herzlich sind.

Warum Teutonen daraus nicht lernen und selber auftauen – so, wie Deutschland umgekehrt nach der Finanzkrise 2008 erwartete, dass man von Hellas erwartete, deutsche Renten- und Steuertugenden zu übernehmen – entzieht sich genauso restlos meinem Verständnis, wie all die ungezählten anderen Dinge, die ich mit mir rumschleppe und die mir die Arme immer länger ziehen, dass meine Handrücken drohen, auf der Erde zu schleifen…

Wie immer habe ich ein Motorrad von meinem Freund Savvas; seine Firma Motorent zu den Füßen der Akropolis ist meine erste Wahl; nachdem ich mich über das nagelneue Suzuki Touring-Moped freute, knatterte ich aus dem quirligen Stadtzentrum Richtung Korinth; Athen ist für mich die unglaublichste Stadt der Welt!

(da ich unsere alte europäische Welt noch nie verlassen habe, und es nicht so aussieht, dass sich daran etwas ändert, beschränkt sich meine Welt auf Europa.)

Ich habe in vielen anderen Geschichten Ähnliches erwähnt und bekam deswegen eine Menge Leserbiefe, die sich um die Frage drehen, warum ich ausschließlich Europa bereise; daher antworte ich exemplarisch mit zwei Beispielen, warum ich aktuell – das heißt bei mir gestern heute und morgen – nicht verlassen möchte.

Beispiel eins – USA,

Umwerfendes Land, aber fü mich der Ursprung allen modernen Übels, sei es Rassismus und Heuschreckenkapitalismus, der schon vor hundert Jahren große Erfindungen wi z.Bsp. von Nikola Tesla verhinderte, mit dem Selbstverständnis, Weltmacht Nummer eins zu sein; alleine die Arroganz und Selbstherrlichkeit sich „United States of America“ zu nennen ist Witz genug; als würde es kein Kanada und Südamerika, mit dutzenden Ländern geben, als bestünden beide Kontinente aus den USA.

Beispiel zwei – Asien,

China zu besuchen ist mir genauso unmöglich, da ich aus den gleichen ethisch-moralischen Gründen, wie ich die USA nicht bereise, auch den Gegenpol nicht heimsuche, wenngleich es unfassbar viele beeindruckende Dinge in deren Kulturen gibt; ich halte mich an Europa, weil es dort fü mich mehr als reichlich zu sehen und lernen gibt.

Gemütlich schaukelte ich die Autobahn entlang.

Immer wieder sah ich links und rechts vebrannte Bäume, Sträucher und kohl-schwarze Flächen, sowie Qualm am Himmel, was mich daran erinnerte, das Hellas unter aberdutzenden Waldbränden leidet; aus Pietät und Anstand machte ich keine Fotos, weil es einem Stiche ins Herz gibt und solche Fotos genauso wenig angebracht sind, wie von übefahenen Tieren…

Bei knapp vierzig Grad, fühlte ich mich mit Shorts und T-Shirt ausreichend angezogen, wenn man von Helm und Handschuhen absah; als ich über den beeindruckenden Isthmus von Korinth fuhr, hielt ich wie immer die Luft an; es geht da so tief runter, das ich jedes Mal heilfroh bin, wenn er vorüber ist – wachsende Höhenangst sei Dank!

Ich muss gestehen, dass es wirklich nach all dem verfickten Corona-Wahnsinn Balsam für meine freiheitsberaubte Seele ist, quasi nackt mit‘nem Moped duch Hellas‘ zu fahren, dass ich es nicht in Worte zu packen vermag;

heißer Wind auf der Haut, Sonne, der Duft von Meersalz, schwitzende Kiefern, die sich hin und wieder selbstentzünden, dazu die Kräuter und all die vielen Archäologischen Stätten, die sich gefühlt alle 2Km übereinander-türmen, rühren mich zu Tränen, dass es so etwas noch in unserem biederen, geordneten Kontinent gibt.

Aus Solidarität haben meiner Meinung nach alle Akademiker und Gutverdienenden die Pflicht, maximal viel Geld in Hellas zu investieren, wenn man schon nicht hinziehen will! Aber das ist eine eigenen Geschichte – im Grunde ist s ein ganzes verdammtes Buch wert…!

Nach einer Weile ging es weiter Richtung Tripolis; mein Ziel war Sparta und wie immer hatte Lakonien ein iangemessenes Empfangskomitee bereitgestellt; ich spürte es schon, bevor ich‘s sah; bedohlich zog sich der Himmel zu; immer dunkler wurde es; man konnte riechen, das was in der Luft lag; nach dem dritten oder fünften Tunnel bekam ich erste Tropfen aufs Visier geklatscht, dass ich nur noch eins dachte:

Schnell zu nächsten Tankstelle!

Normalerweise gleite ich mit hundert Stundenkilometern über Hellas geschundenen Rücken; nachdem mir aber die ersten Tropfen signalisierten, dass ihre ganze Sippe kommen konnte, gab ich meinem Gauel die Sporen, wie einst Leonidas bei den Thermophylen und segelte mit meinem zweirädrigen Katamaran bei haarstäubenden Winden über den Strom des schwarzen Asphalts.

Endlich das rettende Schild – Tankstelle 15km

Die griechischen Götter sein Dank; unterdessen wurden die Tropfen zahlreicher; dann fing ich an mit Zeus zu reden; ich bat ihn, noch einen klitzekleinen Moment zu warten; und tatsächlich: Er lächelt milde, bis ich unter dem Dach der Tanke stand. Dann spannte ein lakonisches Unwetter seine Muskeln.

Ich dachte an Sintflut.

Mehr hatten die damals garantiert nicht; die Autobahn war ein reißender Strom; innerhalb von wenigen Minuten kühlte es von 37 auf 20 Grad ab; immer noch stand ich in kurzen Hosen und T-shirt rum; schnell legte ich Pulli und Jacke an, da der Wind an Nordsee erinnerte; Berge, die nur wenige hundert Meter entfernt standen, verschwanden im Grau der Wassermassen; die zwei Tankwarte lachten, als sie Fluten, mein Motorrad und meine kurzen Hosen betrachteten.

Es schüttete eine Stunde.

Welch ein Donnerwetter, typisch Sparta, dachte ich und fragte mich, was das eigentlich bedeutete; wenn wir sagen, etwas ist spartanisch, dann nutzen wir das Wort als Synonym für spärlich, genügsam, sparsam, einfach, knapp und hart, genauso wie wir das Wort „lakonisch“ nutzen, dass im Sprachgebrauch ähnliche Vorgänge, Zustände und Eigenschaften beschreibt; woher kommt diese Redensart, wo doch niemand weiß, wie man dort lebte, Wissenschaftker eingeschlossen – Ich nutze sie, weil ich vor Ort bin, so wie ich sagen könnte, Hamburger Nebel, wenn man Nebel in Hamburg beobachtet.

Vielleicht war deren Bildung und Essen immer reichlich?

Weil mir Sparta ‘ne ganze Stunde schenkte, grübelt ich eine Weil herum; ich kaute und kaute und verstand, warum sich so viele Redensarten verselbständigen, ohne dass sie Bezug zur Sache haben; in anderen Sprachen wie Französisch, Spanisch usw. ist das ähnlich; unsere Alltagssprache setzt sich oft aus verfremdeten Begriffen zusammen; auffallen tut das dann meist einem Dazugereisten, der die Lokalpatrioten mit merkwürdigen Fragen malträtiert.

Ein paar Beispiele, um für nachhaltige Verwirrung zu sorgen:

Apokalypse – bedeutet übersetzt, Auf-deckung, oder Ent-Manteln, vom griechischen „kalipsis“, verdecken, verhüllen, kombiniert mit dem griechischen wort „apo“ was veschiedene Dinge, wie zum Beispiel die Umkehrung von etwas bedeutet, je nachdem wo die Betonung liegt, auf „a“ oder „o“ – und doch hat sich die Apokalypse als etwas Negatives eingeprägt, wie das Ende aller Zeiten, das Jüngste Gericht usw.

Oder Selbstbewusstsein.

Umgangssprachlich wird Selbstsicherheit gemeint, jemand hat ein selbstsicheres Auftreten, obwohl es eigentlich das „sich selbst bewusst sein“ oder „sich seinem Selbst gegenüber bewusst sein“ beschreibt; im französischen sind zum Beispiel die „weisen Frauen“ die „sages femmes“, die Hebammen; als Dazugereister hat man da seine Schwierigkeiten, genauso wie mit „oeuf a la coque“, was genau übersetzt „ei mit schale“ heißt, aber man im Alltag ein weichgekochtes Ei meint…..die Liste ist unendlich lang.

Was ist die Moral von der Geschicht?

Das es viele Worte gibt, die Verschiedenes bedeuten, die wir verschieden nutzen, dass man den Eindruck bekommt, dass viele Worte nicht automatisch viel Bedeutung transportieren; ich merke es dann, wenn ein Mensch auf einer anderen Wellenlänge ist, als ich es zum Beispiel gerade bin.

Wenn ich positiv eingestellt bin, kann ich mich erfolgreich mit Händen und Füßen verständlich machen, selbst wenn ich ortsübliche Dialekte nicht spreche, wie uns Taubstumme täglich vorleben, während man mit jemandem, der eine gemeinsame Sprache perfekt spricht, genauso wenig Garantie hat, sich verständigen zu können.

Die Moral könnte vielleicht sein, dass man stets anstreben sollte, positiv den Menschen zugewandt durchs Leben zu gehen, statt nieder-frequent, verschlossen und negativ-pessimistisch den Menschen Energie abzusaugen; doch selbst meine spartanischen Gedanken verstrichen genauso wie lakonische Stunde…..

Schnell kam die Sonne zurück.

Gut gelaunt schwang ich mich auf mein Stahlpferd und ritt nach einer weiteren Stunde durchs dampfende Evrotas-Tal winkend an Sparta vorbei, bis ich abends bei sonnigen 32 Grad reizüberflutet in Gytheio ankam, schwer von der Meerpromenade beeindruckt, weil Gischt hier direkt auf die Straße spritzt, während sich kleine Fischrestaurants wie bunte Perlenschnüre aneinanderreihen, wo man sang und sich zuprostete, bis einem Licht oder Sonne ausging.

Am darauffolgenden Samstag erkundete ich die Umgebung und freute mich über „Dimitrios‘ Schiffswrack“ das am gegenüberliegenden Strand von einem vermutlich spartanischen Sturm erfasst und an Land geworfen wurde, um Attraktion für Strandindianer zu werden; ob Dimitrios der Name des Wracks, des angrenzenden Cafés oder des Kapitäns ist, konnte ich nicht herausfinden; vielleicht heißen alle drei so,

wer weiß das schon so genau…

Müßiggang und Waldbrände – Odyssee 2021 CW31

08.August – Letzte Nacht habe ich viel geträumt. Ich war auf einer Art Flughafen. Menschen kamen und gingen, mit und ohne Trolleys. Ein paar Gesichter aus meiner Vergangenheit erkannte ich. Irgendwie war das ganze überdacht und ziemlich groß. Überall standen kleine Stände verstreut herum; überwiegend Frauen boten dort verschiedenste Waren an, ähnlich jenen, die einem auf dem Flughafen von Palma Kreditkarten andrehen.

Mein Gedächtnispalast hat da vermutlich ein paar neue Puzzleteile hinzugefügt und das ganze bei kleiner Flamme gegart, bis diese Film rauskam. Interessanterweise war ich nicht nur Beobachter, sondern selber auf reisen. Mein Rucksack sprach Bände. Nur wohin, wusste ich im Traum nicht; ich kam nicht bis zum Gate. Vielleicht beim nächsten Mal; oder auch nicht – wer weiß das schon. Muss man immer Ziele haben, oder wissen, wohin man will?

Eben – finde ich auch!

Vielleicht hat das Ganze weniger Tiefgründigkeit, als ich wahrhaben will. Oft ist das Leben ja einfacher, als man denkt. Der Traum könnte mit meiner anstehenden Entscheidung zusammenhängen – soll ich, oder soll ich nicht – in elf Tagen nach Hellas fliegen, trotz der vielen Brände, die den Hellenenbund in Angst und Schrecken versetzen?

Flüge habe ich nämlich schon, nur wenn es stimmt, dass dort dutzende Walbrände Leben, sowie Hab und Gut tausender Griechen bedrohen, wie übrigens auch in der Türkei, dann erklärt sich mein Traum als ausgesprochen pragmatisch und nicht spirituell-esoterisch.

Allerdings hat unser Dorfdruide mich gleich heute Morgen beim Frühstück darüber aufgeklärt, dass alle Brände von Menschenhand gelegt wurden, besonders die, in der Türkei. Dort haben unterdrückte Kurden ein Zeichen setzen wollen. In Griechenland waren es unzufriedene Bürger, um der Mitsotakis Regierung zu zeigen, dass sie mit der Politik nicht einverstanden sind.

Auch hat unser Dorfdruide verkündet, dass es nicht genügend Löschflugzeuge in Hellas gibt, weil die Fördergelder, um neue zu kaufen und vorhandene zu warten, auf dem Weg dahin versickert sind, so wie immer, weil sich seinem Vortrag nach lauschend, jeder sich dort nach wie vor die eigenen Taschen füllt, bis am Ende nichts übrig bleibt, um die ursprüngliche Sache umzusetzen. Klingt plausibel.

Unser Druide erinnet mich an die weise Müllhalde bei den Fraggles.

Ob er das Wissen aus Knochen, oder schlicht, wie wir alle, im dem Internet gelesen hat, weiß ich nicht. Fakt ist, dass er auf alles eine Antwort hat – UND – viel wichtiger, jedem einen Vortrag zu allem Menschenmöglichen geben kann, inklusive buntem Strauß Lebens- und Ernährungs-Ratschlägen.

Sein Register ist so breit, dass er mich schlicht demütig zum Schweigen bringt. Egal ob Ernährung, Politik, Wirtschaft, Medizin, Gesundheit: Einfach alles weiß er, oder hat zumindest eine ziemlich weise Antwort parat. Ganz im Gegensatz zu mir.

Ich weiß kaum was.

Oft beschleichen mich Ahnungen und Vermutungen. Doch wahres Wissen macht immer einen Bogen um mich. Ich vermute, es liegt an meiner Neugier. Sie ist kaum zu befriedigen. Viellicht nistet sich Wissen deswegen ungerne bei mir ein. Denn ob die Brände von Menschenhand gelegt, oder selbst entzündet wurden, ändert nichts an den verheerenden Schäden und dem Verlust der Menschenleben.

Auch habe ich Zweifel, dass alle Feuer das Werk menschlicher Unzufriedenheit sind. Vielleicht hat man den heißen Wind aus Afrika unterschätzt und hat tatsächlich ein paar gelegt, um bedrohlich zu sein und der unterschätzte Wind hat dann die Wirkung vervielfacht.

Denn vielleicht kann der moderne Grieche weniger Hitze ab, als seine antiken Vorfahren, weswegen er auf solche merkwürdigen Ideen mitten im glühend-heißen Sommer kommt. Vielleicht ist aber auch alles ganz anders, wer weiß das schon?

Ich jedenfalls nicht.

Gleichzeitig schaltet man in Frankreich einen weiteren Gang hoch, um die Demokratie vollständig zu begraben, wie unser Dorfdruide beim dritten Cortado hinten an schob, den er mit einem extra gereichten Grappa, in einen Carachilio verwandelte. So hochwertig erweckte Lebensgeiste lassen Superkräfte entstehen, weswegen er weitere Weisheiten, aus seiner pandorischen Glaskugel mit uns teilte.

Ab morgen muss man in La France Impfpässe mit sich führen, um Supermärkte und andere öffentlich zugängliche Geschäfte und Institutionen zu betreten. Natürlich darf man dann auch nur noch mit Impfpass fliegen und per Zug und Bus reisen.

Was machen dann alle die Mitbürger, die keine Smartphones haben, wie zum Beispiel die Älteren unter uns, und sich somit keine digitale App runterladen können? Müssen die dann in Zukunft analoge Exemplare mit sich führen, wenn sie einkaufen wollen? Was ist, wenn manche sich nicht impfen lassen wollen?

Können die dann nur noch online einkaufen?

Was aber, wenn man WEDER Internet, noch Smartphone hat und NICHT geimpft ist und daran nichts ändern will? Ist man dann Bürger zweiter Klasse? Muss man das volle Bürgerrecht dann neu erwerben, zum Beispiel mit gemeinnütziger Arbeit, oder beim Ausüben von besonderen Arbeiten, unter schwierigen Bedingungen?

In Deutschland zum Beispiel, war man während und nach dem Dritten Reich ja seiner Zeit weit voraus. Man verdiente sogar gut. Vielleicht macht das Beispiel der IG-Farben europäische Runde, wäre das nicht auch eine Form von Fortschritt?

Die Straße zu unserem kleinen Dorf zum Beispiel, wurde während der Franco-Zeit von Kriegsgefangen gebaut. Und der reichlich gedeckte Tisch, französischer Sozial-Incentives, während und nach dem Algerienkrieg, biegt sich ja bis heute so mächtig durch, dass man sich wundert, warum er nicht schlicht und ergreifend bricht.

Man könnte den Eindruck bekommen, dass jedes EU-Land seine eigene Form der IG-Farben gefunden hat. Wäre es mit diesem gewaltigen Erfahrungsschatz nicht an der Zeit, Europa endlich neu zu gestalten?

Genau das ist der Plan – sagt unser Dorfdruide.

Man muss vielleicht nicht gleich so gründlich vorgehen, wie es die damalige Großzügigkeit der IG Farben AG erlaubte, dass man privat-finanzierte KZ’s baut, um günstige Arbeitskräfte zu beschaffen – Ghettos, mit gesicherten Wohnheimen reichen heute völlig aus, denke ich.

Denn mit Fernsehen – Gott sei‘s gedankt – Zigaretten, ausreichend Alkohol und einem erzwungenen Gesundheitssystem kann man der digitalisierten Arbeitsbiene auf der einen Seite genug Zerstreuung bieten, um Zufriedenheit zu erhalten – UND – auf der anderen, das Risiko von Ausfällen durch Widerstand, Krankheit oder gar mangelnder Leistung minimieren.

Heute ist man sich selbst der beste Gutsherr!

Moderner Effizienz- und Lebensgestaltung sei Dank. Man muss heute keine Konzentrationslager mehr bauen; ein paar Siedlungen ähnlich Gebildeter und Gesinnter langen völlig aus, um die wöchentlichen vierzig bis fünfzig Stunden (Arbeit, inklusive An-Abfahrt) ertragbar zu machen.

Und das alles unter dem Deckmantel von Gesundheit und Sicherheit – ist das nicht prima? Heute ist jeder behütet und geschützt, dass er sein Leben in Frieden und Ruhe leben kann, solange er die Marktwirtschaft weiterhin unendlich lang ankurbelt, bis Selbige bricht, oder die Natur sie ihm aus der Hand nimmt.

Jedenfalls doziert das unser Dorfdruide.

Ob das alles stimmt? Keine Ahnung. Die oben erwähnten Waldbände gibt es; vermutlich werde ich wirklich deswegen nicht meine Hellenen besuchen; die verschärften Maßnahmen in Frankreich gibt es ebenfalls; ob ich deswegen wieder Schwierigkeiten bei der Einreise bekomme, weiß ich noch nicht.

Aber alle Internet-Propheten sind sich einig, dass sich jeder selber schlau machen soll. In diesem Punkt bin ich mit ihnen einig. Doch das gilt, seit es die Menschheit gibt und nicht erst, seit man es uns sagt. Was das alles für mich bedeutet?

Keine Ahnung.

Ich rauche jetzt zwei bis drei Joints pro Tag und überlege, ob ich nicht selber Marihuana anbaue. Mir erscheint gärtnern mit diesen Pflanzen sinnvoller, als im Internet zu surfen. Und wahrscheinlich werde ich mein Hellas-Urlaub in den Herbst verschoben. Der breiten Unzufriedenheit bei Kurden und Griechen wirkt das wahrscheinlich nicht entgegen.

Aber was soll ich machen?

Der eigene Wirkradius scheint sich – trotz Digitalisierung – nicht vergrößert zu haben; unser Dorfdruide behauptet sogar das Gegenteil. Wegen ihr hätten sich die Menschen von der Natur entfernt. An dem Punkt ist etwas dran, auch wenn ich das natürlich nicht beweisen kann. Es ist eher mein Bauch, der mir sagt – klingt ganz vernünftig. Ob es deswegen richtig, oder gar wahr ist, kann ich nicht sagen – findet es heraus. Ich bin noch dabei.

Ob ich mir wegen den schweren Themen mein Leben versauern lasse? Nicht die Bohne! Kommt überhaupt nicht in Frage. Es bleibt, trotz dem nahen Ende, dank menschgemachter Klimakrise, trotzdem erlaubt, das Leben zu genießen und sich des Selbigen zu erfreuen. Gute Weine, tolle Menschen und schöne Bücher helfen dabei ungemein – wenn ich darüber nachdenke, hat das schon mein Großvater immer gesagt.

Rede ich jetzt etwa schon wie Opa?

Oder galt diese Lebensweisheit vielleicht auch schon immer, seit Menschheitsgedenken? Keine Ahnung, ist mir auch egal, denn ich werde nicht den Fehler begehen, das Gegenteil meiner Eltern und Großeltern tun, nur weil sie es propagierten; dann würden wir Menschen uns ja nie weiterentwickeln, wenn wir jedes alte vorhandene Wissen ausklammern, nur weil es von Alten kommt; wie dumm wäre das denn?

Eben – ziemlich!