Bin seit fünf Tagen zurück in Toulouse … die Sonne scheint … tagsüber 30 Grad … abends merkt man, dass der Herbst zurück ist … ganz angenehm, nachdem wir monatelang nachts über 20 Grad hatten … bin heute auf den Markt von Les Carmes …
Wie immer ein wenig spät …
Ich kauf frischen Spinat, Knoblauch und Rosenkohl … der auf französisch „choux de Bruxelles“ heißt … angeblich, weil man diese Miniversion von Kohlkopf dort erfand … keine Ahnung ob’s wahr ist … oder ob’s am Ende wieder Schweizer waren …
… „außerdem noch?“
Ganz in meinen Gedanken vertieft reißt mich mein Gemüsemann aus ihnen heraus, wie eine Mohrrübe aus der Erde (darf man bestimmt nicht mehr sagen wegen Mohr!) … „brauch noch ’ne Zwiebel“ … und … und … Muskatnuss, Herr Müller! …
Diesmal nicht, lieber Louis de Funes …
Tatsächlich fehlt mir noch eine Salatgurke … vor mir liegt ein ganzer Strauß … die sehen aus, als hätt man sie in Tschernobyl aufgezogen … meine Güte, was für Monster … „Ingwer brauch ich auch“ …
Das wär’s dann …
Plötzlich springt mir Liebe in den Einkaufskorb … keine Ahnung wo sie herkommt … dabei hab ich nicht danach gefragt … wo kommt sie her … wieso liegt das Wort Liebe zwischen Rosenkohl und Tomaten … oder gar das unbeschreibliche Gefühl …
Man stelle sich Letzteres vor …
Du meine Güte … wie schrecklich … Liebe kann ich jetzt gar nicht gebrauchen … hab da keine Zeit für … also jetzt gerade … wobei … wenn ich genauer drüber nachdenke … hab ich sie denn nicht schon? … Seit einiger Zeit? …
Bekommt man sie von außen …
Oder ist sie eher so ein Phänomen von innen? … Alle Welt redet davon … Und doch hat kein Mensch leiseste Ahnung … Seit Platon’s Symposium … Natürlich schon lange vorher … schlussendlich … seit es uns Menschen gibt, vermute ich …
dreht sich alles nur darum …
Doch warum tun wir uns so schwer damit … und wieso springt mir dieser Kram gerade jetzt und heute in den Korb … mitten in Toulouse … Marché les Carmes … um 12:45 MEZ … zwischen Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer und frischem Spinat …
Warum …
Ich komm nicht drauf … „das macht 17 Euro“ … sagt mein Gemüsemann aus dem Off … „par card s’il vous plaît“ … bin in Gedanken ganz woanders … bei Liebe und beim Eros … vor Allem bei Liebe … die mir aus unerklärlichen Gründen …
ins Gemüse sprang …
Und nun? … Frage ich mich … Soll ich sie an jemanden weiterreichen, wenn ich sie nicht brauche? … Oder gar nicht möchte, weil ich selbst davon hab … als bekäme man eine Tomate geschenkt, wo man schon welche im Kühlschrank hat …
man könnte sie weiterverschenken …
Nur Hedonisten behalten sie … legen sie zu den anderen Tomaten … Vernünftige, den Menschen freundlich Gesinnte, würden sie liebesbedürftigen Menschen geben, oder etwa nicht? … Auf dem Rückweg grüble ich immer noch …
Wo kommt das plötzlich alles her …
Wie ich es auch drehe … ich kann mir keinen Reim darauf machen … entweder flog mir diese Merkwürdigkeit einfach so zu, weil jemand sie mir schenkt …. Vielleicht aber auch kommt Sie von mir selbst … ich hab nur keine Ahnung warum …
Oder es ist alles ganz anders …
Mein ganzer Kopf hängt voller loser Fetzen … ich räume meine Einkäufe ein … und grüble und grüble … eins ist jedoch klar … die Existenz … dass sich genau dies zuträgt … das ich es so erlebe … das akzeptiere ich … leugnen zwecklos …
nützt ja alles nichts …
beschwingt wie ich eh schon drauf bin geh ich zum Blumenladen … Les Jardins d’Ozenne … dort bleibt man geduldig & höflich … meint aber sofort „Achso, wie immer!“ … als ich nach zehn großen langstieligen weißen Lilien verlangte …
glücklich wie ein Satyr geh ich nachhause …
Sorgfältig wie ein Schweizer Uhrmacher von Jaeger-LeCoultre schneid ich die Stile an … knipse Blätter ab, die den sich hoffentlich bald öffnenden Blüten im Weg stehen könnten … fühle mich fabelhaft … wie ein Fisch im Wasser …
keine Ahnung was los ist …
ich nehm jetzt die Hände vom Lenkrad … mal sehen was passiert … während ich diese Zeilen schreib lese ich im hinteren Teil vom Symposium nach … als Sokrates den Freunden seinen Dialog mit Diotima erzählt …
hab ich da nicht diverse Stellen markiert? …
Tatsächlich … da steht’s … schwarz auf weiß … links Altgriechisch rechts Deutsch … entkommen zwecklos … wie oft wir den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen …
Nun denn … so sei es …