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Griechischer Wein – Odyssee 2021 CW34

29.August – Gestern hatte Goethe Geburtstag. An sich nichts weltbewegendes, hat doch ständig irgendjemand Jahrestag; meinen Trip in Hellas hat das nicht beeinflusst. Meine Zeit im schönen Gythio ging nämlich genauso vorüber, wie jeder andere schöne Moment im Leben.

Mein Rappe drängte weiter Richtung Kalamata.

Nach einem beeindruckenden Ritt über den zweiten Finger der Peleponnes – von Italien aus gezählt – landete ich auf der Artfarm der Familie Marini. Ein bezaubernder Ort, voller Baumhäuser, Kunst und tollen Menschen. Es wird wenig überraschen, dass ich auch dort eine fantastische Zeit hatte, nicht nur, weil ich wieder in der Kaiadas Höhle von Sparta vorbeisah – jeder erinnert sich an den Film 300, wo Leonidas den Boten von Xerxes, mit einem Fußtritt ins schwarze Loch trat…..

dies Loch gibt es wirklich.

Man hat es schon oft untersucht aber Ende und Tiefe bis heute nicht bestimmen können; stattdessen hat man abertausende menschliche Skelette aller Größen gefunden; man sortierte damals die schwachen Exemplare früh aus; ob sie mich leben gelassen hätten, weiß ich nicht. Hauptgrund meines Lebens ist Neugier….

der des ersten Ausflugs – Mystras.

Doch wie Manches im Leben war auch jener Ort von Entfernung beeindruckender und schöner, als von Nahem. Wie unterschiedlich Architektur selbst in Hellas ist; Mystras sieht aus, als wenn man sich irgendwie weniger Mühe gegeben hat; vermutlich ist das aus architektonischer Sicht eine ungeheuerliche Frechheit, die ich hier von mir gebe, aber irgendwie ist der Funke nicht übergesprungen.

Anscheinend stehe ich mehr auf Antike, statt auf Byzanz.

An den kommenden Tagen knatterte ich durch die Berge, rollte gemütlich durch Kalamata, genoss atemberaubende Aussichten und bekam ständig großartiges Essen serviert; doch auch so großartig schwindet die Zeit dahin; am letzten Abend spielte man extra für mich ein zweistündiges Konzert mit Bouzouki, Gitarre und Violine, während Raki aus Kreta floss – ich dacht an Henry Miller’s Jahr bei den Hellenen vor 90 Jahren – meine Reizüberflutung schritt weiter fort.

Ständig liefen meine Sinnes-Fässer über.

Irgendwann merkte ich, dass ich schweigsamer wurde; vielleicht sind das erste Nebenwirkungen vom Leben, wenn man davon reichlich, oder gar zuviel von abbekommt, ich weiß es nicht; so war es regelrecht erleichterdn, als ich Freitag zum letzten Ort aufbrach,

Kyparissia

Wieder atemlose Landschaften und eine Unterkunft, die dem Premier von Hellas ebenfalls gut zu Gesicht gestanden hätte; doch das Highlight war der gestrige Samstag; nicht nur das ich an einem wirklich paradiesischen Strand lag, der noch dazu völlig leer blieb: Höhepunkt sollte mein griechisches Abendessen sein.

Nicht nur das der Gastgeber mit seinem Kumpel früh morgens zum Fischen raus war und wir also den Frischesten der Welt auf die Tisch bekamen, den ich mir in meinem Leben vorstellen konnte; es wurden so viele Dinge im Superlativ getan und vorbereitet, einschließlich Weine und aller Speisen, die ich mir vorstellen konnte, dass der Gastgeber zurecht irgendwann auf das Symposium von Platon zu sprechen kam; hätte er‘s nicht getan, schien mir gesichert, dass ich daran erinnert hätte.

Plötzlich – aus heiterem Himmel – spürte ich meine Grenzen!

Man stelle sich vor, unser Gastgeber, hätte mit Poseidon persönlich gefischt; natürlich konnte dann nur Prometheus höchstpersönlich das Feuer am Grill entzündet haben; und weil der liebe Feuerspender der Menschheit von Zeus verstoßen wurde – ihr kennt ja die Geschichte mit dem Adler, der tagsüber seine Leber fraß und die sich des nachts generierte – muss natürlich der Göttervater höchstpersönlich mit am Tisch sitzen. Also, Dinner mit Zeus und Anhang.

Und zum ersten Mal spürte ich, dass es mir egal wär!

Ähnlich wie das Paradies – das aus meiner Sicht die größte Lügengeschichte der Menschheit ist, genauer gesagt, ein perfekt-perfides Marketing-Konzept der Religionen, die uns prophezeien, dass wir vielleicht irgendwann dorthin kommen, vorausgesetzt wir verdienen es – ist ein Leben in ständiger Maximierung, oder sprich permanenter Exzellenzjagd, unmöglich bewusst ertrag- und genießbar.

Zumindest nicht für mich!

Ich muss nicht gleich wie Bukowski leben, oder wie mein Freund Diogenes im Holzfass schlafen, oder mich wie Nietzsche und viele andere Intellektuelle bis auf die Knochen selbstkasteien, wenngleich das bestimmt ehrbar ist, aber Hank’s Leben war aus meiner Sicht quasi der Gegenentwurf, zum obig beschriebenen Maximierungs-Olymp, natürlich gewürzt und sogfältig abgeschmeckt mit Musik, Literatur und Wein.

Ich bin eher der Typ „Stamm-Bistro“ als Götter-Olymp, Himmel oder Paradies.

Es muss auch nicht zu sauber sein; ein gewisses Maß an Ordnung ist natürlich wünschenswert, aber die permanente Suche zur klinischer Reinheit, dem Maximum, oder zur Perfektion, oder gar zum Sieg, ist mir wirklich fremd; natürlich mag ich guten Wein lieber, als Schlechten – was nicht heißen muss, dass ich ständig edle Tropfen trinken muss; ich mag auch nicht jeden Tag Sterneküch; ein paar Tage griechischer Joghurt langt völlig.

Ich bin mehr für Gemütlichkeit und Hügge; das skandinavische Pendant ist irgendwie kosmopolitischer – bei Gemütlichkeit, kommen mi gleich so komische Bilder in den Kopf – was vermutlich eine Art Erbe des Deutschsein ist – wer weiß das schon. Einfach mal schlichten Vin de Table trinken, wie die Franzosen, kann an vielen Tagen völlig genügen; auch muss ich nicht ständig mein Essen im Internet bewerten.

Manchmal ist gut einfach gut genug.

Und das brachte mich dann heute auf die Idee, womit wir Menschlein am Meisten zu kämpfen haben. Ich besuchte das antike Olympia; es sieht nicht mehr so ganz frisch aus; Erdbeben, Überschwemmungen und zerstörerische Imperatoren wollten es dem Erdboden gleichmachen; ist doch wirklich ein Defekt des Menschen, dass er dazu neigt, schöne Bauwerke kaputt machen muss, wenn sie nicht von ihm sind.

Wegen Ketzerei, soll man angeblich Olympia planiert haben; dabei ist man ja selbst einer, aus der Sicht der anderen; irgendwie suhlen wir uns ständig im eigenen Saft; zu selten kommt Neues hinzu – und wenn, dann machen wi es kaputt, weil es jemand anderes erschaffen hat – was ist bloß los mit uns? Im kleinen neide ich dem Nachbarn den schönen Garten und schneide heimlich alles ab, was über die Genze wächst und im Großen, als ausgewachsener Kaiser, Diktator oder weiß der Geier was, zerstöt man wundersame Bauwerke, oder warum nicht gleich ganze Völker und Landschaften…..

Stumpfsinn bleibt was es ist – im Großen oder Kleinen.

Was das mit meinem Hellas-Urlaub zu tun hat? Tja, dreimal dürft ihr raten; wenn man genau hinsieht, sind wir rein menschlich gesehen nicht so viel weiter gekommen; rein technisch betrachtet natürlich schon, wenngleich immer der schnöde Kommerz hinter Allem steckt; irgendwie nervt das.

Warum das so ist ..?

Sprich, warum wir uns in Wahrheit so gut wie gar nicht, von Generation zu Generation menschlich weiterentwickeln, konnte ich Samstagabend erleben; wenn die Jungen nicht die guten Dingen Dinge der Alten erkennen und übernehmen – und die Alten nicht das Neue der Kinder-Generation, dann wurschteln wir uns halt so durch und hangeln uns von einer Krise zur Nächsten, bis uns die Zunge auf besagtem Boden hängt – und das nun schon seit tausenden Jahren!

Wollen wir das nicht mal ändern…?

Explosion in der Küche – Odyssee 2021 CW32

15.August – Vorgestern Abend wurde es wieder etwas später. Ich glaub es war so zwei Uhr nachts, als ich mich nackt aufs Bett legte und hoffte, dass Morpheus mich bald heimsucht. Doch so einfach ging das nicht. Wir hatten immer noch 30 Gad und es blies ein solch warmer Wind aus Afrika, dass ich dachte, mich aus Versehen in einen Umluftherd gelegt zu haben.

Ob das Auswirkungen der Klimakrise sind?

Irgendwann steckte ich mir Ohrenstopfen rein, um das Surren und Schmatzen der Insekten nicht mehr zu hören, während sie mich auffraßen. Ab Mitte August ist es nämlich meist schon so lange trocken, dass sich unsere lieben Feunde wirklich auf Alles stürzen, was irgendwie nach Nahung aussah oder duftete.

Zum Glück gibt es eine Müdigkeit, wo das funktioniert, während man sich bei einer Siesta meistens wütend um sich schlägt, bis man entweder erschöpft einschläft, oder voller Verzweiflung aufgibt. Als ich mich dann in der Küche zu schaffen machte, begann ich wie immer mit Tee.

Ich trinke morgens zwei Tassen Tee, bevor ich auf Café wechsle, aber nur wenn ich zuhause in meinem Dorf auf Mallorca bin; wenn ich dann meine in Tee gedippte Madeleines verzehrt habe, wird Stufe zwei gezündet. Immer mache ich italienischen Espresso, mit der alten Alukanne, also ganz klassisch – aber nur in meinem Heimatdorf auf Mallorca.

Ihr seht, wohin man auch sieht – überall Rituale.

Wie immer füllte ich Wasser und Kaffeepulver ein, schraubte das Ganze zusammen und stellte die Kanne auf die Gasflamme – wie immer setzte ich mich dann wieder an den Tisch, weil es in der Regel 10-15min dauerte, bis alles Wasser durch den Steigschacht gedampft ist, was sich mit Fauchen und Zischen ankündigte und einem sagte – du kannst mich bald vom Herd nehmen und das Feuer ausschalten.

So tat ich es und Gott sah, das es……nein, in diesem Fall nicht….!

Wie immer ging ich zum Herd, um nachzuschauen, ob das schwarze Gold sprudelte; in Wahrheit ist nämlich Café das schwarze Gold und nicht Erdöl, aber das ist eine ganz andere Geschicht, die ich im neuen Buch erzähle – heute morgen jedenfalls lief alles wie immer, bis ich kurz den Deckel hob, um reinzusehen und mich gerade umdrehte, als die Kaffemaschine….

explodierte!

Gerade, als ich mich vom Herd wegdrehte – die griechischen Götter sein Dank – gab es einen lauten Knall, wie man ihn am ehesten auf dem Truppenübungsplatz in Munster erwartete, wo man mit richtigen Granaten und nicht mit italienischen Kaffeemaschinen übte – und in seiner Küche erwartet man so etwas schon mal gar nicht!

Warum das Sicherheitsventil nicht funktionierte, weiß ich nicht.

Viel interessanter fand ich das Gemälde, in das das kochende Kaffeepulver meine Küche verwandelte. Alles war mit feinstem schwarzem Pulver überzogen, während um den Bombenkrater eine grobkörnige Druckwelle die weiße Wand, samt Herd, Kücheninstrumente, Geschirr und was noch so alles herumlag, in ein zum Sterben schönes mattschwarz tunkte, dass es eine Wonne war, wie wunderbar dies Stillleben jede Form von Licht verschlang.

Tja – was sagte man dazu?

Man konnte manchmal Glück im Leben haben, oder war es Vorsehung? Wer weiß das schon – meine Freunde im Dorf jedenfalls sagten sofort, dass es ein Zeichen sei – welches sagten sie nicht – auch unser Dorfdruide blickte ernst drein und sah das Ganze als Zeichen des Kosmos und des globalen Wandels.

Vermutlich las er es in den Knochen vom Lamm…..

Als dann noch Internet und Smartphones von 16:00 Uhr bis morgens tot blieben, war für ihn klar, dass es an Feitag dem Dreizehnten oder Blackfriday lag, der die neue Worldorder ausrief, worauf er schon so lang wartete – als dann niemand darüber schrieb und sprach und es so aussah, dass es nur Mallorca betroffen hatt, weil vormittags dutzende Nachrichten aus allen Herren Ländern reintröpfelten, die man unterdessen gesendet hatte, wunderte er sich und sah enttäuscht aus. Schnell wechselte er das Thema auf Corona, um was zum Meckern zu haben.

Manchmal glaube ich, dass Komfort sich wirklich nur negativ auswirkt; ständig nörgelt man an Allem rum; wenn es dann noch still und friedlich ist, muss man ja regelrecht ausflippen oder nicht? Ich sag’s ja immer – ohne Krieg ist der Mensch nicht glücklich und sei es ein Streitgespräch unter Freunden – ich für meinen Teil hatte jedenfalls genug, nachdem sich meine Küche in einen Handgranatenwurfstand verwandelte…..

Zum Glück gab‘s in unserer Dorfbar auch leckeren Café….

Kundenservice & Apéro – Odyssee 2020 CW09

Gestern habe ich ein TOP-Case gekauft – genauer-gesagt, habe ich eins bestellt – und wenn ich ganz genau bin, mein Zweites. Natürlich muss ich das ein wenig erläutern, weil sonst jeder denkt, der Tango hat einen nicht unerheblichen Sprung in der Schüssel.

Alles fing im Oktober an. Völlig beseelt kaufte, will sagen, bestellte ich mein Erstes und holte es wenige Tage später ab, inklusive dem notwendigen Montagekit – die üblicherweise recht kräftig ausfallen, weil man in so einen Koffer ne Menge Kram reinbekommt.

Nicht nur, dass ich irgendwie mehrere Wochen brauchte, mich der Sache anzunehmen – meine Uhren ticken grundsätzlich etwas anders, was man schon daran merkt, dass ich bei gutem Wetter nie auf die Idee komme, ein Topcase zu montieren, wenn ich stattdessen mit Freunden einen Apéro im Sonnenlicht einnehmen kann, ihr versteht was ich meine?

Da wir in Toulouse bis Ende November angenehme Temperaturen haben, kann man höchstens fragen, warum ich mein erstes Topcase – ist es eigentlich der, oder das Topcase? Keine Ahnung – im Oktober kaufen musste, wenn ich von all diesen Schwierigkeiten weiß. Jedenfalls, stellte ich im Dezember fest, dass er nicht passte – schöner Mist!

Also wieder alles zusammenpacken und – wohlbemerkt, auf dem Motorrad – zum Händler gebracht. Abenteuerlich, ist das einzige passende Wort, als ich mit Panzertape anfing das Ding auf dem Sozius festzumachen. Doch als ich bereit war, fing es an zu regnen, weswegen mich eine plötzliche Lustlosigkeit befiel, alles abschnallte und wieder in meine Wohnung brachte.

Meistens ist der Dezember ein düsterer und feuchter Monat, weswegen man wenig draußen macht – in meinem Besonderen Fall kann ich Gleiches auch für Drinnen sagen. Ich schiebe alles von mir und mache wirklich auffällig weniger als bei gutem Wetter, was darin mündete, dass mein Topcase viele Wochen im Winterschlaf vor sich hinschlummerte, bis mich im neuen Jahr eine ganz hinterhältige Art von Blitz-Aktivismus befiel, der mein Fünf-Mast-Vollschiff, mit vollen Segeln zum x-ten Mal zu MAxxess segeln ließ, wo ich unter reichlich Körpersprache den absurden, aber sehr lebensechten Fehlgriff der Belegschafft erklärte, mir einen unpassenden Montagekit verkauft zu haben, der vermutlich für alle Modelle geeignet ist, nur leider nicht für meins.

Gestern war es dann tatsächlich soweit – ich konnte nach vier Monaten tatsächlich mein Topcase zu Maxxess bringen, welches man ohne Querelen zurücknahm und mir ein Neues bestellte – was mich mit so viel Freude erfüllte, dass ich sprachlos nach Hause fuhr und mit meiner Freundin – ihr ahnt es – einen Aperetif zur Feier des Tages einnahm.

Zwar ist das neue Topcase noch nicht da und auch noch nicht montiert – und wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich noch gar keine Ahnung, wie sich das in Wirklichkeit anfühlt, eines zu haben, aber ich ahne, dass es an der Zeit ist, mich daran zu gewöhnen – es könnte vermutlich noch ein paar Monate dauern, bis ich es montiert hab, weil nämlich durch den Klimawandel alle Bäume und Pflanzen mehr als einen Monat eher blühen, weil es Einiges früher warm ist, weswegen wir noch eher als sonst draußen sitzen, um unseren Apéro einzunehmen, weswegen – naja, ihr ahnt es.

Abschließend kann ich wiedermal feststellen – der Umzug nach Toulouse war eine logische Folge, wenn man dem Müßiggang konsequent frönen will und seinen Tag mit reichlich ungetanen Dingen pflastern kann, dass sich jede Stunde zum Bersten mit gewaltigen Haufen Unerledigtem füllt, bis man vor lauter Verzweiflung zum Apéro greift, der ein wahrer Lebensinhalt sein kann, wenn man nicht gerade vor hat, Topcases an Motorräder zu schrauben.

Ich sage es ja schon seit Jahren – im Süden ist man viel besser auf den Klimawandel vorbereitet, weil man ihn schlicht und ergreifend aussitzt, so wie alles hier, was nicht nach Apéro, Essen & Amour klingt.

Damit es nicht in Vergessenheit gerät, empfinde ich es als wichtig zu erwähnen, dass ich immerhin seit vielen Monaten Bereitschaft signalisiere, ein Topcase anbringen zu wollen, wohlbemerkt, wenn ich eines hätte, was passen könnte – ihr merkt es, nicht wahr? #

Wohin man auch sieht oder geht, überall spürt man die großen Veränderungen des Klimawandels – er hat so tiefgreifende Folgen, dass wir zwei Monate mehr draußen sitzen und noch mehr Apéro einnehmen müssen, was am Ende die Frage aufwirft, wie man all die vielen Dinge schaffen soll, wenn einem der Klimawandel so viel Zeit klaut, wie, frage ich euch?

Interessant fand ich die Reaktionen im Freundeskreis, als sie hörten, dass ich offensichtlich nach vier Monaten noch nicht einen Schritt weiter gekommen bin – unendlich zahlreich die Ratschläge, wie ich mich zu verhalten hätte, wenn ich zu spät damit zurückkomme, um meine Reklamation nach so langer Zeit zu platzieren – wie angenehm, als die Leute von Maxxess nicht einmal davon geredet haben, geschweige mich nach solchen unsinnigen Dingen wie Verpackungsmaterial zu fragen, nach dem in Deutschland ganz sicher insistiert hätte.

Hier in der fünften Republik jedoch, hat man ein Recht, auch nach über vier Monaten noch kein Topcase angeschraubt zu haben, weil man vom Alltagsstress übermannt, erschöpft an einem Bistro strandet und seine Tretmühle, für wenige Stunden abstreift, um einfach mal fünfe gerade sein zu lassen, was mich an mein Motto erinnert, mit dem gezielten Nicht-Abarbeiten meiner langen Liste, sofort anzufangen.

Es gibt einfach zu viel nicht zu tun – man muss sofort damit beginnen, wer weiß wie lange man dazu noch Zeit hat, bis jemand mit einer weiteren Langweiligkeit um die Ecke kommt und dich von den lebenswichtigen Dingen wie Müßiggang abhält, natürlich von einem Apéro untermalt.

Santé!

 

Odyssee 2019 – CW32

Ich habe ein neues Fahrrad. Es ist blau und fährt viel besser als das Alte. Keine Ahnung warum, aber der Vorgänger war nicht ganz dicht; ständig verloren seine Schläuche Luft und das völlig egal, wie lange das Rad rumstand. Wenn es eine Woche nicht bewegt wurde, waren die Reifen genauso platt, wie wenn ich den übernächsten Tag loswollte. Ich glaube, das Rad und ich passten nicht zusammen. Sowas soll es ja geben. Warum nicht? Mit Menschen ist es ja ähnlich. Passt es nicht mehr, geht man – früher oder später. Aber meistens hat man sich so schnell an einander gewöhnt, dass man sein Rad erst ersetzt, wenn es gestohlen wird. Wir Menschen hangen halt schnell aneinander und an Dingen.

Montag – ich musste dringend Ablage machen. Ständig bekam ich Ermahnungen von Versicherungen, Banken und natürlich, meinem Steuerberater, der zum Glück mein geduldiger Freund ist. Ihn machte ich zuerst glücklich. Keine Ahnung wie ich das schaffte, aber ich konnte ihm alle Belege und Informationen geben, um meine Steuern abzugeben. Als wahrer Europäer zahle ich sogar doppelt – in Frankreich und Deutschland. Ich rede mir ein, dass es für eine gute Sache ist, ähnlich wie für den WWF oder Atac. Nachmittags dann Buntwäsche. Am frühen Abend hatte ich ein paar Eingebungen. Schnell saß ich auf und ritt drei Stunden in den Autoren-Sonnenuntergang, bis der Wörterkrug ausgegossen war. Mit Krügen habe ich es zur Zeit irgendwie. Zum Abschluss ein paar Gläschen Rosé, sonst nichts.

Dienstag – ich bekam Besuch aus Hamburg. Man wollte mich interviewen. Keine Ahnung, warum ich auf einmal interessant geworden bin. Die Lady war sogar sehr nett, was man grundsätzlich ja nicht von allen sagen kann. Umgekehrt gilt das natürlich genauso, der political correctness sei dies geschuldet. Wie auch immer. Sie wollte alles von mir wissen. Warum ich schreibe, wieso ich in Südfrankreich lebe, weshalb ich keine Leseempfehlungen gebe und warum es keine Aufzeichnungen von mir gibt, ob ich eine Freundin habe, wieviel ich schlafe und vor Allem, wie oft ich, wieviel schreibe. Es ging den ganzen Tag so. Zwischendrin gab es Lunch und später Dinner. Sie wollte wissen, ob ich mir vorstellen könne, ins Fernsehen, oder zum Radio zu gehen. Fragen über Fragen. Fernsehen, nein. Radio, JA. Irgendwann gegen Mitternacht trennten wir uns. Geschafft von all dem Gefrage viel ich ins Bett.

Mittwoch – Interview, Klappe die Zweite – wir rannten durch Toulouse, klapperten meine üblichen Bistros, Kneipen und Restaurants ab und zeichneten meine täglichen Rituale nach. Mir wurde klar, wie dringend ich Urlaub brauchte. Wenn du jeden Tag Bergwerk machst, noch dazu Untertage, musst du hin und wieder mal raus ans Licht. Mag das so platt eigentlich nicht raushauen, weil ich viele Freunde habe, die viel mehr Verantwortung, mit Frau, Kindern, Haus und Hof haben als ich, noch dazu mit Garten und Haustieren. Finde das wichtig, mich daran regelmäßig zu erinnern. Manchmal habe ich sogar den Eindruck, dass man über manche Dinge gar nicht miteinander reden kann. Mit so viel Verantwortung kann man gar nicht so viel hinterfragen. Man muss funktionieren.

Donnerstag – Zeit für den zusätzlichen Broterwerb, ein paar Münzen verdienen. Noch zahlt die Industrie gut. Mal sehen wie lange es noch dauert, bis die große Rezession kommt. Ich tippe auf heute in einem Jahr – sagen wir mal großzügig, Herbst 2020. Ich habe oft das Gefühl, dass viele Firmenlenker keine klaren Vorstellung haben, wie ihre Zukunft aussehen soll, wo reduzierte Märkte nach kleineren Stückzahlen fragen und das mitten in der digitalen Revolution. Entweder stehen bald viele Menschen auf der Straße, oder wir entwickeln neue Produkte und Geschäftsfelder. Dafür benötigen wir jedoch Ideen und Menschen, die Mut haben, sich neue Dinge zuzutrauen. Ich bin sehr auf die nächsten Monate gespannt. Abends dann wieder Bergwerk – habe an Horus geschrieben, es geht voran.

Freitag – den ganzen Tag schreiben. Ich bin furchtbar unzufrieden. Horus bäumt sich immer wieder auf. Mir will seine Stimmung nicht aufs Papier kommen, der Unterschied des vorher und nachher ist das Entscheidende. Man muss beim Lesen unter seine Haut kommen, muss fühlen, was in ihm vorgeht, warum er all die Jahre einfach weitergemacht hat, und vor Allem, was uns alle angeht, warum wir alle einfach weitermachen. Ich will zeigen, warum bei ihm ein Schalter umgelegt wird, wann und wieso. Fahre daher jetzt zweigleisig. Ein Teil des Schreibens verwende ich auf den Content und die andere Hälfte auf den Stil und die feine Abstimmung. Vielleicht gelingt es mir, mich nicht ständig in einer Ecke festzufressen.

Samstag – morgens Laufen, dann Frühstück, Eiern und Toast – am Nachmittag, frühen Abend dann Fahrt zu Jean-Marc nach Saint Germain du Puch – drei Stunden auf dem Motorrad. Ging eigentlich ganz gut. Habe seinen 2018er Jahrgang probiert, was für ein Wahnsinn! Der hat eine Wucht wie ein ausgewachsener Corbières, kombiniert mit der Feinheit eines Bordeaux. Natürlich ist er noch sehr jung, man muss erst einmal abwarten, wie er sich entwickelt, aber was er jetzt und heute schon zeigt, schmeckt mehr als vielversprechend. Werde mir auf jeden Fall einige Kartons sichern. Haben bei ihm im Garten zu Abend gegessen, über Wein und das Leben philosophiert. Abends dennoch früh zu Bett.

Sonntag – ein nebliger Morgen segnet uns mit Dauerregen. Es prasselt in Bindfäden und dann Motorrad fahren, na wunderbar. Ich nutze die Gunst der Stunde und bleibe einfach im Bett liegen. Mittags soll es angeblich aufklaren. Sogar die Sonne soll wieder rauskommen. Na also, manchmal hilft es, einfach liegen zu bleiben. Und tatsächlich: Die Sonne kam raus und wir konnten im Garten Mittag machen. Irgendwann sah ich auf die Uhr, ich wusste, ich musste los. Eigentlich hatte ich keine Lust. Ich wäre gerne einfach mit Jean-Marc sitzen geblieben. Rückfahrt dann in Rekordtempo: 2:15 – von Saint Germain nach Toulouse. Mach ich nie wieder. Ist totaler Schwachsinn so zu hetzen – vor Allem, wozu? Man holt sich einen steifen Hals und hat von der Natur nichts gesehen. Nächstes Mal fahre ich über Landstraße, ganz sicher.