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15.Mai – Knappheit der Woche – Odyssee 2022

Gestern hab ich mein Moped getankt. Es war an so’nem Tankautomaten in Saint Cyprienne. Beim Zahlen hatte ich den Eindruck, dass es weniger ist als sonst. Dabei tanke ich fast immer die gleichen 16 Liter. Und tatsächlich. Ein Liter Super-Plus kostet zur Zeit 1,55. Also knappe 20 Cent weniger als Diesel.

Wie Pubertätspickel, wuchsen mir Fragezeichen aus’m Gesicht!

Alle Welt stellt sich auf’ne stark steigende Inflation ein, begleitet von sprunghaften Preisanstiegen und dann so was! Auf nichts kann man sich mehr verlassen. Warum manche Dinge jetzt günstiger als vorher geworden sind, konnte mir noch keiner erklären. Sollte es jedoch einer tun, wird er vermutlich nur meine Theorie bestätigen, dass man genauso schamlos weiterverdient, wie bisher.

An manchen Stellen sogar mehr als zuvor, befürchte ich!

Doch wenn es so ist, will ich es im Grunde lieber nicht wissen. Sowieso picke ich immer weniger Dinge heraus, die mich wirklich interessieren. Zuviel Grundrauschen. Ob es in Deutschland noch’ne Pandemie gibt, weiß ich nicht. In Frankreich ist sie jedenfalls beendet. Und von der neuen Scheiße da im Osten, kriege ich irgendwie nichts mit. Es ist, als würde es das nicht geben.

Irgendwie merkwürdig.

Auf dies Thema angesprochen, meint mein Kumpel F. ganz trocken, dass sich der globale Handel längst darauf angepasst hat; sicherlich würde Manches für‘ne gewisse Zeit teurer werden, aber am Ende geht Russland sowieso pleite. Beim Wiederaufbau wird Europa dann fett daran verdienen, prognostiziert er.

Ich glaube mein Kumpel wird Recht behalten.

Nicht weil mir das mehr in den Kram passt. Oder weil ich Schiss vor’m A-Krieg hab, sondern, weil es immer wieder ewig Gestrige gibt, die durch ihre Entourage vom Rest der Welt abgeschnitten werden und dann fängt so ein Mensch / Organ / Pflanze zu verfaulen an. Ist wie in der Natur. Am Ende gibt Heulen und Zähneklappern.

Und jeder tut dann überrascht.

Dabei wollte ich eigentlich über die neue Knappheit schreiben, so wie es in Deutschland mit dem Klopapier, Mehl und Speiseöl der Fall war. Hier in Frankreich jedenfalls gibt’s das nicht. Und meine Kumpels in Deutschland haben nichts berichtet. Vielleicht wäre es an der Zeit etwas Neues auszurufen. Auf welche Ware würde ich ungern verzichten, wenn ich von Grundnahrungsmitteln und Klopapier absehe?

Kein Wein zuhause, ist für mich undenkbar!

Rotwein ist bekanntermaßen Lebensverlängernd. Um also einen Beitrag für die eigene Gesundheit zu leisten und die lokalen Winzer zu unterstützen, sollten wir Wein bunkern und den Markt leer kaufen. Von Wein kann man nie genug haben. Und die kleinen Winzer hat es mit Wetterwandel und Corona mächtig getroffen. Also los, Leute, kauft Rotwein!

Ich wiederhole – ROTWEIN!

Auch empfehle ich, mindestens eine Flasche pro Tag zu trinken. Ihr könnt euch das einteilen. Ne halbe zum Mittagessen und die andere Hälfte zum Abendessen. Danach ist es nicht verboten noch ein oder zwei Gläser mehr zu trinken. Mehr ist immer empfohlen, jedoch nicht weniger als die besagte, eine Flasche

ROTWEIN am Tag.

Scheut euch nicht vor kräftigen Tropfen. Gestern zum Beispiel hatte ich’nen Côte-du-Rhône, der mir wirklich in Erinnerung bleibt. Knackig und frisch, nach Pfeffer und Wildschweinblut schmeckend, begeisterte er mich mächtig – nicht vergessen, ist eine der wichtigsten Regeln in Süd-Frankreich: Eine Flasche Champagner im Kühlschrank, nebst Notration Weißwein, und einen angemessenen Vorrat vom Roten, denn

von gutem Wein kann man nie genug haben.

Und mit diesen Worten entlasse ich euch zum verdienten Sonntags-Apéro, liebe Gemeinde. Genießt ihn. Und solltet ihr Ratschläge in Sachen Wein brauchen, dann meldet euch. Sowieso denken wir seit einiger Zeit darüber nach, ob meine Bücher in Zukunft nicht mit einer Flasche Rotwein verkauft werden sollten, nicht nur wegen dem Alleinstellungsmerkmal, sondern weil dann immer mehr

Weinhändler Bücher verkaufen.

Vielleicht hilft das auch dem ausgetrockneten Deutschen Buchhandel, der ja seit langem eher einer Wüste, anstatt einem tropischem Dschungel gleicht…

Santé und Proust!

Ab ins Bett! – Odyssee 2021 CW45

14.November – Neulich sagte mir unser Dorfdruide, dass er jetzt regelmäßig E-mails von Trump bekommt – angeblich sogar mehrmals am Tag. Er hatte dabei so ein wissendes Lächeln auf dem Gesicht, das mich an die herabschauende Arroganz von Herrschaftswissen erinnerte. Es war ganz offensichtlich – es hatte ihn schwer erwischt.

Natürlich blieb er mit mir generös genug, um den gesamten Inhalt der Nachricht mit mir zu teilen, was ich ihm nicht nur hoch anrechnete, sondern es auch als wunderbare Möglichkeit wahrnahm, im Geiste meine eigene Zukunft, sowie Einkaufsliste durchzugehen.

Ich mus gestehen, dass ich mich ein wenig schlecht fühlte, weil ich ihm nicht meine ganze Aufmerksamkeit schenkte und meine vielen Fragezeichen mit ihm teilte, wie zum Beispiel er meinen könnte, dass DT seinen Fans selber schreiben könnte, wo er doch so aktiv ist – ob es nicht vielleicht die gleichen Ghostwriter sind, wie beim Twitter-Account von Manuel Macron.

Denn zur Zeit habe ich wirklich den Eindruck, das wirklich jeder entweder innerlich gekündigt, oder ins äußere Exil gegangen ist, wenn man nicht längst per Sabatical, oder welchem Vehikel auch immer, das Weite gesucht hatte.

Klingt nach großer Depression finde ich.

Oder dem perfekten Moment, im Bett zu bleiben und sich seine Mickey-Mouse-Decke über den Kopf zu ziehen. Im Ernst, wenn man gerade keine Kinder versorgt, großzieht oder aus elterlichen Haft entlässt, kann man sich doch wirklich mal wieder ein paar Sinnfragen stellen, oder nicht?

Zum Beispiel, sollte man den Abend wirklich mit einem Côte-du-Rhone beginnen, ich denke da an einen fabelhaften Gigondas oder Vacqueyras, oder eher mit etwas weniger Kräftigem, wie beispielsweise einem Bourgogne, oder Bordeaux aus Saint Emilion? Ihr versteht was ich meine?

In Zeiten wie diesen, wo die großen Schlachten der Vergangenheit angehören, gewinnen die Kleinen an Bedeutung.

Womit die wichtige Frage des Aperitifs noch nicht einmal angeschnitten wurde. Hier gilt, das jenes erste Bier, das man zu allererst zu sich nimmt, nicht als eben jenes nahezu heilige ritual angesehen werden darf, mit dem man in Südeuropa den gesamten Lebensinhalt und Sinn ableitet, oder gar vollständig erklärt.

Und wem das alles zu viel Gerede um Alkohol ist, dem empfehle ich sowieso einfach im Bett zu bleiben, bis man eine gute Idee hat, die nicht mit Arbeit, Auto, oder in irgendeiner Weise mit Geld zu tun hat – in der Regel haben wir nach einer Weile Ruhe genug Ideen, um mit Leidenschaft durchzustarten.

Und wenn nicht, dann hat man nicht genug gelegen – dann heißt es sowieso,

ab ins Bett!

 

 

 

Odyssee 2019 – CW32

Ich habe ein neues Fahrrad. Es ist blau und fährt viel besser als das Alte. Keine Ahnung warum, aber der Vorgänger war nicht ganz dicht; ständig verloren seine Schläuche Luft und das völlig egal, wie lange das Rad rumstand. Wenn es eine Woche nicht bewegt wurde, waren die Reifen genauso platt, wie wenn ich den übernächsten Tag loswollte. Ich glaube, das Rad und ich passten nicht zusammen. Sowas soll es ja geben. Warum nicht? Mit Menschen ist es ja ähnlich. Passt es nicht mehr, geht man – früher oder später. Aber meistens hat man sich so schnell an einander gewöhnt, dass man sein Rad erst ersetzt, wenn es gestohlen wird. Wir Menschen hangen halt schnell aneinander und an Dingen.

Montag – ich musste dringend Ablage machen. Ständig bekam ich Ermahnungen von Versicherungen, Banken und natürlich, meinem Steuerberater, der zum Glück mein geduldiger Freund ist. Ihn machte ich zuerst glücklich. Keine Ahnung wie ich das schaffte, aber ich konnte ihm alle Belege und Informationen geben, um meine Steuern abzugeben. Als wahrer Europäer zahle ich sogar doppelt – in Frankreich und Deutschland. Ich rede mir ein, dass es für eine gute Sache ist, ähnlich wie für den WWF oder Atac. Nachmittags dann Buntwäsche. Am frühen Abend hatte ich ein paar Eingebungen. Schnell saß ich auf und ritt drei Stunden in den Autoren-Sonnenuntergang, bis der Wörterkrug ausgegossen war. Mit Krügen habe ich es zur Zeit irgendwie. Zum Abschluss ein paar Gläschen Rosé, sonst nichts.

Dienstag – ich bekam Besuch aus Hamburg. Man wollte mich interviewen. Keine Ahnung, warum ich auf einmal interessant geworden bin. Die Lady war sogar sehr nett, was man grundsätzlich ja nicht von allen sagen kann. Umgekehrt gilt das natürlich genauso, der political correctness sei dies geschuldet. Wie auch immer. Sie wollte alles von mir wissen. Warum ich schreibe, wieso ich in Südfrankreich lebe, weshalb ich keine Leseempfehlungen gebe und warum es keine Aufzeichnungen von mir gibt, ob ich eine Freundin habe, wieviel ich schlafe und vor Allem, wie oft ich, wieviel schreibe. Es ging den ganzen Tag so. Zwischendrin gab es Lunch und später Dinner. Sie wollte wissen, ob ich mir vorstellen könne, ins Fernsehen, oder zum Radio zu gehen. Fragen über Fragen. Fernsehen, nein. Radio, JA. Irgendwann gegen Mitternacht trennten wir uns. Geschafft von all dem Gefrage viel ich ins Bett.

Mittwoch – Interview, Klappe die Zweite – wir rannten durch Toulouse, klapperten meine üblichen Bistros, Kneipen und Restaurants ab und zeichneten meine täglichen Rituale nach. Mir wurde klar, wie dringend ich Urlaub brauchte. Wenn du jeden Tag Bergwerk machst, noch dazu Untertage, musst du hin und wieder mal raus ans Licht. Mag das so platt eigentlich nicht raushauen, weil ich viele Freunde habe, die viel mehr Verantwortung, mit Frau, Kindern, Haus und Hof haben als ich, noch dazu mit Garten und Haustieren. Finde das wichtig, mich daran regelmäßig zu erinnern. Manchmal habe ich sogar den Eindruck, dass man über manche Dinge gar nicht miteinander reden kann. Mit so viel Verantwortung kann man gar nicht so viel hinterfragen. Man muss funktionieren.

Donnerstag – Zeit für den zusätzlichen Broterwerb, ein paar Münzen verdienen. Noch zahlt die Industrie gut. Mal sehen wie lange es noch dauert, bis die große Rezession kommt. Ich tippe auf heute in einem Jahr – sagen wir mal großzügig, Herbst 2020. Ich habe oft das Gefühl, dass viele Firmenlenker keine klaren Vorstellung haben, wie ihre Zukunft aussehen soll, wo reduzierte Märkte nach kleineren Stückzahlen fragen und das mitten in der digitalen Revolution. Entweder stehen bald viele Menschen auf der Straße, oder wir entwickeln neue Produkte und Geschäftsfelder. Dafür benötigen wir jedoch Ideen und Menschen, die Mut haben, sich neue Dinge zuzutrauen. Ich bin sehr auf die nächsten Monate gespannt. Abends dann wieder Bergwerk – habe an Horus geschrieben, es geht voran.

Freitag – den ganzen Tag schreiben. Ich bin furchtbar unzufrieden. Horus bäumt sich immer wieder auf. Mir will seine Stimmung nicht aufs Papier kommen, der Unterschied des vorher und nachher ist das Entscheidende. Man muss beim Lesen unter seine Haut kommen, muss fühlen, was in ihm vorgeht, warum er all die Jahre einfach weitergemacht hat, und vor Allem, was uns alle angeht, warum wir alle einfach weitermachen. Ich will zeigen, warum bei ihm ein Schalter umgelegt wird, wann und wieso. Fahre daher jetzt zweigleisig. Ein Teil des Schreibens verwende ich auf den Content und die andere Hälfte auf den Stil und die feine Abstimmung. Vielleicht gelingt es mir, mich nicht ständig in einer Ecke festzufressen.

Samstag – morgens Laufen, dann Frühstück, Eiern und Toast – am Nachmittag, frühen Abend dann Fahrt zu Jean-Marc nach Saint Germain du Puch – drei Stunden auf dem Motorrad. Ging eigentlich ganz gut. Habe seinen 2018er Jahrgang probiert, was für ein Wahnsinn! Der hat eine Wucht wie ein ausgewachsener Corbières, kombiniert mit der Feinheit eines Bordeaux. Natürlich ist er noch sehr jung, man muss erst einmal abwarten, wie er sich entwickelt, aber was er jetzt und heute schon zeigt, schmeckt mehr als vielversprechend. Werde mir auf jeden Fall einige Kartons sichern. Haben bei ihm im Garten zu Abend gegessen, über Wein und das Leben philosophiert. Abends dennoch früh zu Bett.

Sonntag – ein nebliger Morgen segnet uns mit Dauerregen. Es prasselt in Bindfäden und dann Motorrad fahren, na wunderbar. Ich nutze die Gunst der Stunde und bleibe einfach im Bett liegen. Mittags soll es angeblich aufklaren. Sogar die Sonne soll wieder rauskommen. Na also, manchmal hilft es, einfach liegen zu bleiben. Und tatsächlich: Die Sonne kam raus und wir konnten im Garten Mittag machen. Irgendwann sah ich auf die Uhr, ich wusste, ich musste los. Eigentlich hatte ich keine Lust. Ich wäre gerne einfach mit Jean-Marc sitzen geblieben. Rückfahrt dann in Rekordtempo: 2:15 – von Saint Germain nach Toulouse. Mach ich nie wieder. Ist totaler Schwachsinn so zu hetzen – vor Allem, wozu? Man holt sich einen steifen Hals und hat von der Natur nichts gesehen. Nächstes Mal fahre ich über Landstraße, ganz sicher.

 

 

Wörterberge

Zu viele Buchstaben sind in meinem Kopf. Ungeordnet, wie ein Knäul Wolle vorm Spinnen, türmen sich Berge von Buchstaben in ihm auf – sicher, dann und wann kommt was raus, ich bin ja noch kein völlig verkauzter Kommunikationsautist, hoffe ich zumindest, aber es ist wirklich zu viel – die Tür zum Kellerloch zuziehen hilft auch nicht, im Gegenteil – früher oder später, ertrinkt man im Meer der Wörterwogen – in solchen Momenten hilft Tapetenwechsel.

Gestern war ich mal wieder mit Freunden zusammen – Entre deux Mers, wunderschöne Landschaft –umschlungen von Garonne und Dordogne, östlich von Bordeaux, ein kleines Kaff, voller netter schräger Individualisten und Winzer – vor allem Letzteres findet man in Saint Germain du Puch, so wie mein Freund.

Als wir gegen 18:00 Uhr den ersten Aperitif hatten – ein fruchtiger, knackiger Weißwein aus dem Baskenland sollte den Startschuss geben – ahnte ich nicht, wie leicht ich meinen Wörterberg vergessen sollte. Längst schmeckten wir den Atlantik, als sich frische Austern dazugesellten, und wir einen weißen Bordeaux aus dem Ort dazu nachschenkten – doch auch in der Umgebung von Bordeaux wird es irgendwann dunkel – was will man machen – so wie die Farbe der Weine – er hatte seinen neuen 2016er da, sowie eine Vielzahl anderer Flaschen, Jahrgänge und Chateaus, die wir nach kurzer Zeit offen hatten und munter durchprobierten.

Bald schwirrte mir der Kopf vor lauter wohlklingender Namen, die genauso weich und vollmundig waren, wie ihr Geschmack. Als der Maître sich dann an ein Pilz-Omelett machte, hatten wir eine seriöse und ehrbare Menge Weine probiert, sowie unsere Gemüter in Hochform gebracht. Schnell, wie bei der Wahl der Weine, wurden die Themen schwer – auch im Weinparadies, ist man unglücklich über Glyphosat – wieso sprüht man eigentlich Gift über die eigene Nahrung?  – sowie über die weltweit wachsende Anzahl, autokratischer Größen, die unsere weinselige Gesellschaft eher an Geschichtsbücher und Muppet-Show erinnerten, als an demokratische Wirklichkeit, wenngleich die Vergangenheit, kulturell betrachtet, uns wunderschöne Dinge beschert hat.

Eines hat der gestrige Abend auf jeden Fall zu Tage gebracht – das Wein und Bücher irgendwie gut zusammengehen, und das Winzer und Schreiberlinge, zumindest in einem Punkt völlig d’accord sind – nämlich, dass ein munterer Abend, mit Speis und Trank, tatsächlich Leib und Seele zusammenhält und das man nicht alles in der Welt zu ernst nehmen muss – es gibt einfach so vieles nicht zu tun – man muss damit unbedingt anfangen, denn der Berg wächst täglich – genau darum fange ich heute damit an – Müßiggang.