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Heimatflüge und Interviews – Odyssee 2020 CW24

Achter Juni, ein vermeintlich normaler Montag. Gerade hatte D seinen morgendlichen Café zubereitet, es sich damit an seinem kleinen Tisch vorm Fenster gemütlich gemacht, als er die Nachrichten seines Smartphones durchsah und feststellte, dass man seinen Flug am 12.Juni storniert hatte – nicht erlaubte Einreise von Ausländern, thanks to COVID-19 – lautete die nüchterne Begründung. D sah verärgert aus dem Fenster und suchte sofort nach einem Alternativflug und fand einen, drei Wochen später, für den 3.Juli.

D ließ noch einmal die nüchternen Eckdaten der C-Sache – mittlerweile konnte er das C-Wort genauso wenig aussprechen, wie den Namen des 45.Präsidenten der USA – Revue passieren. Was war eigentlich geschehen? D fühlte sich immer noch überrollt und benommen von den Ereignissen, denn was bis Anfang März Normalität zu sein schien, nämlich dass man gehen, fahren und fliegen konnte, wann und wohin man wollte, hatten die eigenen europäischen Staaten und ihre nationalen Parlamente in wenigen Tagen pulverisiert.

Und weil offensichtlich die Mehrheit aller europäischen Politiker und deren Bürger ein gerüttet Maß vorauseilenden Gehorsam in sich tragen – meist treibt dieser unbewusst sein Unwesen, was dem Ergebnis jedoch gänzlich schnurzpiepenegal ist – sprachen Medien und Menschen bereits von der sogenannten neuen Normalität. D‘s Misere verkleinerte sich in keinster Weise, lehnte er doch schon Großteile der alten Normalität ab; mit der Neuen, stand er nun vollständig auf Kriegsfuß, was man am ungezügelten Wachsen seiner Kratzbürstigkeit und Widerspenstigkeit bemerkte.

Beeinträchtigte der Shutdown seine Schreibarbeiten nicht im Geringsten, mussten Interviews jedoch vollständig remote stattfinden, wenngleich es sowieso nur wenige gab, was D’s Undergroundstatus und generalle Unbekanntheit bestätigte, sowie sein geringes Interesse, etwas daran zu ändern. Seinen Bekanntheitsgrad zu verbessern, war so ziemlich das schlechteste Argument aus D’s Sicht, obwohl die Marketingchefin seines Verlages durchaus passable Erklärungen parat hatte.

Nach langer Überzeugungsarbeit gab er nach und stimmte einem Interview zu – hier ein paar Auszüge. (Das Magazin hat darum gebeten, seinen Namen nicht anzugeben, um Anspruch zur Erstveröffentlichung gültig zu machen, wir haben daher den Namen verändert)

Kalligraphi-Magazin: Hallo Herr Tango, wie geht es Ihnen?

DT: Hallo Frau Meyer-Paradiso, heißen Sie wirklich so? Ist ihr Mann aus Spanien, oder Lateinamerika?

KM: Ich heiße wirklich so, mein Mann kommt aus……..

DT: Sagen Sie nichts, ich wette Spanien…..

KM: Gerade wollte ich es sagen, Gallizien; Sie haben mir aber noch nicht gesagt, wie es ihnen…..

DT: Haben Sie ihn dort während eines Urlaubs oder bei Ihnen in Deutschland kennengelernt? Sind Sie schon lange verheiratet…?

KM: Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gerne unser Interview beginnen, wenn es Ihnen nichts ausmacht, einverstanden…?

DT: Es macht mir etwas aus, weil von einem Interview überhaupt nicht die Rede war, Frau Meyer-Valparaiso, verstehen Sie?“

KM: Moment mal, Her Tango…..

DT: Lassen Sie das mit dem Herrn, nennen Sie mich Don, so wie alle anderen….

KM: Okay, einverstanden, trotzdem bin ich etwas irritiert, weil mir ihr Verlag zusagte, dass…..

DT: Warten Sie, Frau Meyer-Valparaiso, hier liegt glaube ich ein Missverständnis vor…..

KM: Ein Missverständnis, wie meinen Sie das? Sind Sie etwa dagegen, interviewt zu werden?

DT: Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie……

KM: Moment, bitte beantworten Sie meine Frage, wir brauchen gar nicht weitermachen, wenn Sie….

DT: Natürlich, liebe Frau Meyer-Valparaiso, wie lautet Ihre Frage…?

KM: Ein Interview, sind Sie dafür oder dagegen…?

DT: Aber gute Frau Meyal-Paraiso…..

KM: Lassen Sie das, nennen Sie mich Claudia…….

DT: Okay, gerne, also liebe Claudia…….

KM: Dafür oder dagegen….?

DT: Na, sie kommen aber auch, Entschuldigung, DU kommst aber auch mit der Tür ins Haus…..

KM: Warum denn das, ich habe nur meine Frage gestellt?

DT: Über die Macht der deutschen Sprache sollten wir ein anderes Mal reden, sie und ihre, verdammt nochmal, du und deine Effizienz seid wahrscheinlich einverstanden, wenn wir das hier abkürzen…..

KM: Sehr gerne, also, zurück zu meiner Frage…..

DT: Selbstverständlich, liebe Claudia – schau, ich bin natürlich FÜR ein Interview, doch das müssen wir doch zusammen vorbereiten, oder etwa nicht? Und hierin liegt auch das Missverständnis, von dem ich eben gesprochen habe – dieses Telefonat dient unserer Abstimmung, worüber du mit mir reden, mich interviewen möchtest, es ist also nicht das Interview selbst, verstehst du was ich meine?

KM: Ach-so, okay! Aber stand das so nicht in meiner Videokonferenz-Einladung? Egal…..

DT: Genau, lass uns anfangen…..

KM: Könntest du trotzdem so nett sein, meine erste Frage zu beantworten, die du, ich bin mir ganz sicher, nicht vergessen hast? Ich will dir auf die Sprünge helfen, ich fragte, wie es dir geht!

DT: Habe ich nichts dazu gesagt? Wie unaufmerksam von mir; im Großen und Ganzen okay; diese C-Sache ist zwar eine Katastrophe, aber das sollten wir ebenfalls ein anderes Mal besprechen, weil ich sonst schlechte Laune bekomme.

KM: Kein Problem, also zu den Themen und dem Interview, ich schlage 30min vor, weil ich dich zu dir und deiner Person befragen möchte, wie du zum Schreiben gekommen bist und vor Allem, was Schreiben für dich bedeutet. Länger als 30min machen wir auf keinen Fall, es sei denn, es entwicklet sich in eine leichte Plauderei, der man leicht folgen kann; hast du von deiner Seite irgendwelche Fragen?

DT: Wo wollt ihr das ausstrahlen, Radio, TV oder Internet?

KM: Dazu haben wir uns noch nicht festgelegt, wir binden dich und deinen Verlag aber gerne ein, einverstanden?

DT: Klasse, vielen Dank Claudia…..

KM: Bleibt nur noch die Abstimmung der Zeit……

DT: Nächste Woche ist gut, Mittwoch-Nachmittag ist okay? Können wir die Zeit noch offen lassen, so wie es reinpasst?

KM: Eher ungern, ich muss meinen Tag auch planen, sagen wir Mittwoch 15:00 ?

DT: Verstehe ich, na gut einverstanden, hat mich dennoch gefreut……

KM: Mich auch, bis Mittwoch……

 

Esel und Vogel gehen schlafen

Der Esel erwachte und rieb sich den Schlaf aus den störrischen Augen, die noch nicht wieder sehen wollten. Er schüttelte den Kopf und öffnete die trägen Augen. Er sah immer noch nichts. Dann riss er sie ruckartig auf. Vor ihm lag das Meer. Es wog sich gemütlich hin und her und ließ vereinzelte Wellen über den Horizont gleiten, manchmal sogar bis zu ihrer kleinen Bucht. Der Esel blickte sich um. Erst links, dann rechts. Und wieder von vorne. So ging das ein paarmal hin und her. Er musste eingeschlafen sein, fasste sich ans Kinn und dachte angestrengt nach. Dann fiel es ihm wieder ein.

Er war mit dem schönen Vogel runter ans Meer gegangen, wo sie sich gemeinsam gesonnt hatten. Er freute sich bei dem Gedanken daran und lächelte und schnaubte aus, wie es nur glückliche Esel konnten. Er sah sich um und suchte den schönen Vogel. Er hielt einen Huf vor die Augen und suchte den Horizont ab. Manchmal flog der schöne Vogel ein wenig herum, um sich das Gefieder durchpusten zu lassen und um den Esel von oben anzulächeln. Nichts. Er sah ganz angestrengt in die Ferne. Wieder und wieder, nochmal und nochmal. Nichts. Er sah nach links zu den naheliegenden schroffen aber warmen Felsen, nach rechts an der steilen Küste entlang. Wieder nichts. Der Esel seufzte und strich sich die Ohren glatt, was er immer tat, wenn er sich nicht zu helfen wusste. Dann schloss er seine großen dunklen Augen und lauschte dem Rauschen des Meeres. Er liebte es. Nichts beruhigte ihn so sehr, wie die See. Er überlegte im Stillen, wo der schöne Vogel wohl hingeflogen sein konnte, kam aber auf keine gescheite Antwort.

Er öffnete seine zweifelnden Augen und blickte zum Horizont. Ein Segelschiff fuhr in weiter Entfernung entlang. Es hatte weiße Segel, die wie magische Dreiecke leuchteten. Es sah aus wie auf einem Gemälde, dass er mal im Dorf gesehen hatte. Er seufzte glücklich, suchte aber nach einer Weile wieder nach dem schönen Vogel. Diesmal hielt er beide Hufe vor die Augen. Er suchte und suchte. Langsam erwachten die ersten Sorgen. Gerade wollten Erste in ihm hervorsprudeln, so wie eine lebendige und erfrischende Wasserquelle, als er ein leises Geraschel dicht an seiner Seite hörte. Erschrocken fuhr der Esel zusammen und sah neben sich auf den steinigen Felsen auf dem sie saßen. Der schöne Vogel hatte sich so leise an ihn gekuschelt und lag mit weit gespreizten Schwingen friedlich schlummernd an seiner Seite, die er wie ein Sonnensegel geöffnet hatte, das er in gar nicht spürte. Er hatte sich so sachte und sanft an den störrischen und eigentlich recht sensiblen Esel geschmiegt, dass dieser es nicht bemerkt hatte.

Ein seliges Lächeln lag auf seinem Schnabel, den er hin und wieder leicht öffnete und wieder schloss, so als würde er die Luft schmecken wollen. Der Esel blickte ihn liebevoll an und ließ ihn schlafen. Er freute sich und schüttelte über sich selber den Kopf, was er manchmal für ein störrischer und dummer Esel sein konnte. Nach einiger Zeit, die Sonne ging schon langsam unter, wachte der schöne Vogel auf und blickte dem Esel warm in die Augen. Sie lächelten und schwiegen sich an. Einige Minuten taten sie das, ohne sich von manch einer donnernden Brandung aus der Ruhe bringen zu lassen. Sie verstanden sich ohne Worte. Langsam und mühsam wie eine alte Giraffe stand der Esel auf, streckte und reckte sich, hörte seine Knochen knacken, schüttelte Mähne und Schweif und wieherte den Vogel lächelnd an.

Der Wind hatte aufgefrischt und bog die Federn des schönen Vogels immer höher. Er breitete die Flügel aus und brauchte nur ein paar Flügelstöße, um gleich auf dem Rücken des Esels zu landen. Noch einmal drehten sie sich um und sahen sich die untergehende Sonne an. Dann machten sie sich an den Anstieg, zurück zu ihrer kleinen Hütte, oben im Dorf. Langsam stampfte der Esel den kleinen Weg hinauf. Schritt für Schritt näherten sie sich langsam aber unaufhaltbar ihrem kleinen Zuhause. Die Mähne des Esels flog dem schönen Vogel hin und wieder um den Kopf, was ihn einlud damit zu spielen und sich hineinzubohren, als wäre es ein Haufen Heu oder ein großer Ballen Garn. Den Esel kitzelte es immer ein wenig, was ihn aber nicht davon abhielt, den schönen Vogel weiter spielen zu lassen. Insgeheim wartete er darauf, dass es dem schönen Vogel zu langsam ging und er deswegen vorfliegen würde. Nach der sechsten Kurve war es soweit. Mit starken und freudig-schlagenden Schwingen erhob sich der schöne Vogel und flog das letzte Stück Weg vor, um auf den störrischen Esel zu warten. Er wartete unheimlich gern auf den sensiblen und manchmal störrischen Esel, weil er sich immer sehr freute, wenn er ihn wieder erblickte, auch wenn sie nur wenige Minuten voneinander getrennt waren. Diesmal hatte der schöne Vogel schon den Abendbrottisch gedeckt und wartete auf seinem Stuhl, als der Esel langsam die Tür öffnete und ihn leise und freudig begrüßte.

Der Wind hatte noch mehr aufgefrischt und pustete um die Wände ihrer kleinen Hütte herum. Das Kerzenlicht flackerte schon stark und drohte auszugehen. Irgendwann hatten sie ihr Abendbrot beendet. Sie sahen sich schweigend an, während der Wind durch das kleine Tal fegte und den ersten Regen nach vielen Monaten Dürre ankündigte. Mittlerweile wurden Ihre Augen immer schwerer und schwerer, so dass sie sich mit ihren halbgeöffneten müden Lidern kaum noch sehen konnten. All die Sonne, der Wind und das gute Abendessen machten sie immer mehr müde. Nach wenigen Minuten nickten sie sie sich zu, standen auf und nahmen die Kerze mit. Sie gingen ins Badezimmer, erst der schöne Vogel und dann der sensible Esel. Nachdem der schöne Vogel sich frisch gemacht und den Schnabel geputzt hatte legte er sich ins Bett ihres kleinen Schlafzimmers und wartete auf den Esel, der kurz nach ihm im Bad verschwunden war.

Bei ihm ging es immer ein wenig schneller, weil ein störrischer Esel nun einmal weniger Pflege brauchte, als ein schöner Vogel. Nach wenigen Minuten kam er aus dem Bad, schloss leise die Tür und legte sich zu dem schönen Vogel ins Bett. Nachdem der Esel die Kerze ausgepustet hatte, kuschelten sich beide eng aneinander, gaben sich einen Gutenachtkuss und segelten zusammen weit weg, ins Land der schönen Träume.